Mittellange Kritiken 2003


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Ich habe weder Platz noch Zeit, allen Filmen eine eigene Seite zu widmen. Andererseits sind Ein-Satz-Kritiken für viele Filme auch wieder zu schade. Deshalb hier, für ein paar ausgewählte Filme, "mittellange" Kritiken. Achtung: Warten, bis die Seite ganz geladen ist. Lange Ladezeit.

 

Die Filme:
21 Grams, 2 Fast 2 Furious
Achtung, fertig, Charlie!, Agent Cody Banks, American Pie: The Wedding, Anatomie 2, Anger Management
Bad Boys II, Ballistic: Ecks Vs. Sever, Basic, Big Fish, Bringing Down the House, Brother Bear, Bruce Almighty, Bulletproof Monk
The Cat in the Hat, Cheaper by the Dozen, Coffee and Cigarettes, Cold Creek Manor, Cold Mountain, Confidence, The Core, Cradle 2 the Grave
Daddy Day Care, Dark Blue, Devil's Pond, Dogville, dot the i, Down With Love, Dreamcatcher, The Dreamers, Dumb and Dumberer: When Harry Met Lloyd, Duplex
Elephant
Final Destination 2, Finding Nemo, Freaky Friday, Freddy Vs. Jason
George of the Jungle, Gigli, Girl With a Pearl Earring, Good bye, Lenin!, Gothika
The Haunted Mansion, Haute tension, Holes, Hollywood Homicide, Honey, The House of Sand and Fog, How to Lose a Guy in 10 Days, The Human Stain
Identity, Inspector Gadget 2, Intolerable Cruelty, The Italian Job, It's All About Love
Jeepers Creepers 2, Johnny English, The Jungle Book 2, Just Married
League of Extraordinary Gentlemen, Legally Blonde 2, Looney Tunes: Back in Action, Lost in Translation, Love Actually, Luther
A Man Apart, Matchstick Men, The Medallion, Monster, My Boss's Daughter
National Security
Old School, Once Upon a Time in Mexico, Open Range
Paycheck, Peter Pan, Phone Booth
The Recruit, Runaway Jury, The Rundown (Welcome to the Jungle)
Scary Movie 3, Seabiscuit, Shade, Shanghai Knights, Spy Kids 3-D: Game Over, Stuck on You, S.W.A.T., Swimming Pool
Tears of the Sun, The Texas Chainsaw Massacre, Thirteen, Timeline, Touching the Void, Les triplettes de Belville
Underworld, Uptown Girls
View from the Top
Werner - Gekotzt wird später!, What a Girl Wants, Wrong Turn

 


21 Grams USA 2003
Drama
Reviewed 10.1.04

Regie, Buch und Produktion: Alejandro González Iñárritu
Mit: Sean Penn, Naomi Watts, Benicio Del Toro, Charlotte Gainsbourg, Melissa Leo, Clea DuVall, Danny Huston, Nick Nichols, Eddie Marsan

Im Jahr 2000 wurde der Mexikaner Alejandro González Iñárritu mit dem preisgekrönten "Amores perros" quasi über Nacht bekannt. Für seinen zweiten Film, der gleichsam sein Hollywood-Debüt markiert, konnte er bereits auf ein grossartiges Starensemble zurückgreifen. Und dieses zahlt sein Engagement mit voller Power zurück. Das Spiel von Sean Penn, Naomi Watts und Benicio Del Toro haut aus den Socken. Charlotte Gainsbourg, Melissa Leo und andere Nebendarsteller sind ebenfalls erste Güteklasse. Doch auch Iñárritu beweist abermals, dass er zu den besten Regisseuren der Welt gehört. Er greift auf einige Dinge in "Amores perros" zurück (non-lineare Erzählweise, Autounfall) und spinnt ähnlich gelagerte Geschichten um Leid, Tod und Schicksal darum herum, doch "21 Grams" ist ein ganz anderer, wenn auch ebenso fesselnder Film wie sein Debüt.

Penn spielt Paul Rivers, einen Mathematikprofessor, der ans Bett gefesselt ist. Er hat ein Herzproblem und wird bald sterben, wenn er nicht einen Spender findet. Seine englische Gattin Mary (Charlotte Gainsbourg) steht ihm bei, leidet jedoch unter seinen Stimmungsschwankungen und darunter, dass er alle Lebenslust bereits verloren hat. Auch Jack Jordan (Benicio Del Toro) leidet. Seit er 16 ist, sass er andauernd wegen kriminellen Aktivitäten im Knast. Nun ist er zum gläubigen Menschen geworden und glaubt, seine Sünden so überwinden zu können. Seine Frau (Melissa Leo) sieht zwar gerne, dass er kein Monster mehr ist, doch sein Glaube ist in ihren Augen übertrieben und destruktiv. Christina Peck (Naomi Watts) führt dagegen ein glückliches Leben mit ihrem Gatten und den zwei Töchtern. Bis eines Tages etwas Einschneidendes passiert. Darf man es spoilern? Roger Ebert meint nein, bei etlichen anderen Reviewern liest man es dennoch. Und ich hab's ja oben eigentlich schon angedeutet, womit ich sagen will: ja, man darf's verraten: Es passiert ein Autounfall, der die drei Hauptcharaktere aus der Bahn wirft und miteinander verknüpft. Damit bleibe ich ja schliesslich noch sehr vage.

Den Unfall selbst sehen wir nie. Die Charaktere erzählen davon und etwa zur Filmmitte hören wir ihn - doch er ist stets präsent. Der Unfall verändert das Schicksal der Personen so gravierend, dass wir ihn gar nicht sehen müssen. Fast wie den weissen Hai in "Jaws". Die Vorstellung des Unfalls ist fürchterlich genug. Iñárritu deutet die Tragödie früh an, denn er schneidet - wie bereits in "Amores Perros" - zwischen Charakteren und Zeit wild hin und her. Am Anfang fühlt man sich etwas verloren wegen der nicht-chtonologischen Erzählweise, doch schon bald setzt sich ein Puzzle zusammen, das einen nicht mehr loslässt. Iñárritu schöpft aus dem Vollen, stürzt seine Charaktere und uns in ein Wechselbad der Gefühle, das bald zur Tragödie für alle wird. Eine Seifenoper lässt grüssen, doch Iñárritu ist schlau genug, um seine Inszenierung zu überhohen, seinen Charakteren Raum zum Entfalten zu geben und spirituellen Tiefgang hineinzubringen. Es ist jedoch nicht alles strikt religiös, was abgeht. Paul würde das Zusammentreffen der drei Hauptfiguren mathematisch erklären, Jack religiös und Christina durch Schicksal. Diese drei Optionen hat auch der Zuschauer, doch welche Variante man auch wählt, der emotionale Effekt ist beinahe der Selbe - und es ist ein einschneidender. "Life has to go on" ist der Schicksalssatz im Film, der mehrfach wiederholt wird - aber mit dem jeder hadert. Kann man einfach weitermachen? Oder muss man, um überhaupt seelisch zu überleben? Und wie kann man weiterleben? "21 Grams" stellt in dieser mehr Fragen als Antworten und das ist durchaus reizvoll.

Wie angetönt sind die Darsteller toll. Sean Penn verdient eine "Oscar"-Nomination, auch wenn er wohl für "Mystery River" eine kriegt. Benicio Del Toro bietet seine vielleicht beste Rolle seiner Karriere als innerlich ebenso zerrissener wie äusserlich verblendeter Christ. Sackstark. Und Naomi Watts ist nicht minder genial als leidgeprüfte Ehefrau. Sie hat die lauteste Art, mit dem Verlust umzugehen, doch das ist nachvollziehbar. Ihr Ansatz ist der am wenigsten subtile, aber dennoch ein vollends geglückter.

Also wieso zur Hölle bloss 3.5 Sterne? Es sind kleinere Gründe. Zum einen ein überlang ausgedehntes Ende, zum anderen ein paar allzu melodramatische Momente. Aber der grösste Grund ist die Struktur. Ich mag nicht-chronologische Storys, doch hier stoplert Iñárritu ein paar mal darüber. Wäre die Story chronologisch interessant? Ich denke schon. Durch das Vermischen schafft es Iñárritu, dass wir von Anfang an dabei sind. Ein guter Effekt. Doch einige Szenen nimmt er vorweg. So wissen wir früh, dass die drei zusammentreffen und das jemand dabei Schaden erleidet. Das ist okay, aber irgendwann haben wir bis ins Detail ausgemalt, was passieren wird. Wenn wir es dann sehen, kommt der "aha"-Effekt. Der eigentliche Moment ist brillant (der Sound ist erdrückend, Naomis Schläge auf Del Toro nervenzerfetzend) - doch die Konstruktion ist sich selbst im Wege. Die ganze letzte halbe Stunde kennen wir, ohne sie gesehen zu haben. Sie zu sehen, ist in dieser einen Szene stark, in manchen anderen aber unnötig. Und dann habe ich Mühe mit Penns spiritueller Koda. Er erklärt auch den Titel: Beim Tod sollen alle Menschen im selben Moment 21 Gramm Gewicht verlieren. Ob das stimmt, ist sekundär (hier gibts eine Abhandlung darüber: http://www.snopes.com/religion/soulweight.asp) - ich als naturwissenschaftlich denkender Mensch nehme an, es handle sich um Gase, Luft und Flüssigkeiten, die austreten - aber egal. Und mit ein bisschen Sinnieren über das Gewicht des Lebens, den Wert des Lebens, werden wir entlassen. Die Mischimaschi-Philosophie am Ende mag offen sein und die Zuschauer mit einer melancholischen Note entlassen, aber es ist letztendlich fast zu nichtig für einen vorher so schweren Film. Ich habe "21 Grams" fast 4 Sterne gegeben, aber irgendwie war mir Iñárritu zum Schluss zu feige und hat seine Struktur nicht unbedingt perfekt durchdacht. Er deutet so vieles an und zeigt es dann auch noch - was schlicht überflüssig ist. Dennoch ein absolut sehenswertes Werk.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 4/4
imdb


2 Fast 2 Furious USA 2003
Actionthriller
Reviewed 28.5.03

Regie: John Singleton
Mit: Paul Walker, Tyrese, Eva Mendes, Cole Hauser, Ludacris, Thom Barry, James Remar, Devon Aoki, Amaury Nolasco

Was für ein strohdummer Film. Ich muss gleich vorweg warnen, dass ich passionierter Fussgänger bin und damit natürlich eine solcher Autofetischstreifen nicht ganz auf meiner Linie liegt. Dem ersten Teil gab ich 3 Sterne, weil er rasant und recht cool war. Aber dieses schnöde Sequel kommt nie auf dieses Niveau. Und das liegt nicht daran, dass Autos bei mir keine Wallungen auslösen. Die Probleme von "2 Fast 2 Furious" sind viel fundamentaler. Zum einen ist er schrecklich langweilig. Sind die Leute mal nicht in ihren hochgetunten Autos unterwegs regiert grenzenlose Ödniss. Das liegt unter anderem am Plot, der nicht durchdacht ist und riesige Logiklöcher aufweist. Wieso sollte etwa jemand Geld von Miami auf die Florida Keyes schmuggeln und dafür nicht einen unauffälligen, sonderen einen bunten, schnellen Streetracer benutzen? Keine Ahnung. Kein Interesse. Regisseur John Singleton denkt überhaupt nicht wirklich über solche Probleme nach und versucht, sobald wir einmal das Hirn einschalten würden, eine Actionszene einzuschieben.

Und diese sind recht gut. Rob Cohen hatte im ersten Teil ein paar coole Tricks auf Lager, ging beim Fahren ins Getriebe rein, doch zu oft sah das Ganze aus wie CGI. Singleton benutzt den konventionellen Ansatz, zeigt die Autos, die Strasse, die Gesichter der Fahrer, dann wieder die Autos etc. Die Rennen haben so eine enorme Power, weil die Autos echt, die Fahrer echt und die Stunts echt sind. Wenn die Wagen an der Kamera vorbeidonnern, wackelt das Bild. Die Kamera zoomt spielend von Auto zu Auto. Klar sehen die Szenen mit der Zeit alle gleich aus und irgendwann hat man die Motoren ja echt mal genug dröhnen gehört, doch die Actionszenen sind das gestylte, pulsierende Highlight des Films. Das bringt mich jedoch gleich zu einem weiteren Mangel: Die Schauspieler. Ich finde Paul Walker ist einer der yummigsten Jung-Schauspieler Hollywoods. Seine schönen blauen Augen und sein Surferbody sind echt eine Augenweide - aber hier spielt er nicht, er steht in der Gegend rum. Er hat keine Präsenz, keine Aura, nichts. Er scheint auch nicht mit den anderen Schauspielern zu interagieren, denn die spielen auf einem ganz anderen Level. Viele von ihnen sind cool, Paul will cool sein. Er kann es manchmal ja auch, aber hier klappt es nicht - und das Resultat ist peinlich. Oft hat man das Gefühl, die Dialoge reiten auf einer Brise der Coolness, dann sagt Paul etwas und der Film bremst. Bis er nach einem seiner One-Liner wieder gestartet ist, ist die Energie verpufft. Da hilft es auch nicht, dass die Drehbuchautoren ihm infantile Dialoge in den Mund gelegt haben und er jeden Satz mit "Man" oder "Bro" beenden muss.

Und das ist eine gute Überleitung zur Strassensprache. Singleton weiss, wie die jungen Schwarzen von heute sprechen und Model Tyrese ("Baby Boy"), der Walkers Partner spielt, geht auch bedeutend easier mit dieser Sprache um, als Paul es tut - doch sie geht bald auf die Nerven. Es ist nicht nur dieses "bro", "man", wassup" und "yo"-Geblabber, es ist die ganze Attitude, die dabei mitschwingt. Diese "wir sind die Coolsten"-Stimmung ist ebenso ätzend wie im ersten Film. Da war wenigstens Vin Diesel noch dabei und der ist nunmal wirklich cool, doch hier fehlt ein solches Gravitationszentrum der Coolness - und so schwirren alle irgendwie hilflos umeinander rum, werfen sich bedeutungsschwangere Blicke zu und murmeln Belanglosigkeiten. Es ist grenzenlos selbstverliebtes, pseudo-potentes Macho-Getue, das meistens ungewollt homoerotisch ist (doch eine Beziehung zwischen Tyrese und Walker, die wirklich ständig miteinander "flirten", würde in diesem Film natürlich niemand zugeben). Zu dem Macho-Gehabe passt dann eben auch das sexistische Element: "2 Fast 2 Furious" kommt mir (wie schon der Vorgänger) vor wie eine Wichs-Vorlage für die picklige Goldkettchen-Jugend. Sie haben geile Wagen und bildschöne Tussis, die um die Rennfahrer herumtänzeln. Die ganze Zeit wird an Frauenhintern gegrabscht oder sonst irgendwie rumgegeifert. Das Level an halbnackter Haut in dem Film ist gigantisch. Im ersten hatten die Frauen mit Michelle Rodriguez wenigstens eine Frau mit Power als Vertreterin, hier gibts das nicht. Auch die Heldin Eva Mendes ist mehr oder weniger ein Playboy-Häschen. Die Art, wie Frauen dargestellt werden ist bisweilen einfach widerlich. Ich will nicht den Moralapostel spielen, aber wenn junge Amis sehen, dass man aggressiv mit dem Auto fahren muss und die Frauen wie Nutten behandeln muss, um ihren Respekt zu verdienen, dann ist das einfach eklig. Die Macho-Kultur, die hier gezüchtet wird, ist so geprägt von Chauvinismus, Egoismus und Materialismus. Und dass dies als coole Lebensart verkauft wird, empfand ich schon beim ersten Film als fatal.

Ich weiss, man steht als grauenhaft uncool da, wenn man diese Punkte zur Sprache bringt - aber das ist mir eigentlich schnurz. "2 Fast 2 Furious" ist ein dummer Film über dumme Leute mit einem dummen, tödlichen Hobby. Auf der Leinwand kann man sich 2 Stunden daran die Augen daran aufgeilen, aber wenn ich Sex sehen will, schau ich mir nen Porno an, wenn ich Coolness will, guck ich Matrix Reloaded. "2 Fast 2 Furious" ist nicht cool, er ist angestreng und verklemmt. "2 Fast 2 Furious" ist nicht sexy, er ist sexistisch. "2 Boring 2 Dumb" - ja, in gewissem Sinne hasse ich diesen Testosteron-Overkill aus Leidenschaft. Einige technische Glanzpunkte helfen auch nicht, dass die Posse nie mehr ist als eben eine Wichs-Vorlage für die Goldkettchen-Fraktion. Es soll mir nun aber niemand mit den Worten kommen "sieh das nicht so eng, der Film will ja nur unterhalten." ... stimmt: das will er. Aber nicht einmal das bringt er fertig.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) ½/4
imdb


Achtung, fertig, Charlie! CH 2003
Komödie
Reviewed 20.8.03

Regie: Mike Eschmann
Mit: Michael Koch, Melanie Winiger, Marco Rima, Myriam Aegerter, Martin Rapold, Mike Müller, Nicolas Steiner, Max Rüdlinger, Mohan Mani

Den meisten Schweizern ist die Armee ja noch heilig, mir kann sie nicht schnell genug abgeschafft werden. Dennoch dürfen sich bei der Schweizer RS-Komödie "Achtung, fertig, Charlie!" sowohl Army-Freaks und Army-Hasser amüsieren, denn der Film gibt sich unpolitisch. Das ist ja noch okay für eine Komödie, die Probleme des Films liegen denn auch woanders: Ideenlosigkeit, Dialoge, Handlung. Ja, der Film ist albern ... aber er hat irgend etwas, weshalb ich ihn nicht hassen mag. Ihm mehr als 2½ Sterne zu geben, wäre übertriebenes Lob, doch anschauen kann man ihn sich schon. Denn so doof er ist, so löblich ist doch die Idee, einmal was anderes in die heimischen Kinos zu bringen.

Bisher waren die meisten Schweizer Comedy-Streifen nämlich Vehikel für gealterte oder betagte Komiker. Vielleicht der übelste Auswuchs dieses Trends sind die "Nötzli"-Filme des politisch senilen Walter Roderer. "Achtung, fertig, Charlie!" ist dagegen eine Teenie-Komödie - in der Vorstellung der Filmemacher im Stile von "American Pie", in der Realität wohl etwas näher an "Harte Jungs". Die Ausgangslage ist folgende: Der Secondo Antonio (Michael Koch) will gerade die Italienerin Laura (Myriam Aegeter) heiraten, als die Militärpolizei in die Kirche stürmt und den Jungen in die RS mitnimmt. Das Ja-Wort muss warten, der arme Antonio soll erst von Hauptmann Reiker (Marco Rima) zum Füslier gedrillt werden. Um aus der Armee entlassen zu werden und Laura heiraten zu können, schmiedet Antonio deshalb einen Plan: Er will Rekrutin Bluntschi (Miss Schweiz 1996 Melanie Winiger), die uneheliche Tochter von Reiker, flachlegen, um dann hochkant aus der Kaserne geworfen zu werden. Dumm nur, dass er sich dabei in Bluntschi verliebt ...

Nun gut, sehr originell hört sich die Sache nicht an. Ist sie auch nicht. Die ersten 15 Minuten des Films kam ich mir echt vor, wie im falschen Film. Myriam Aegeters Mundart wirft mich aus dem Konzept (ich bin ihr Hochdeutsch aus "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" gewohnt), man versteht einige der Dialoge nicht (vor allem die von Martin Rapold) und die Darsteller sind gewöhnungsbedürftig. Die gute Nachricht ist, dass der Film bald besser wird. Der Mittelteil ist manchmal wirklich witzig. "Achtung, fertig, Charlie!" kämpft aber mit einigen Problemen, die Schweizer Filme oft anhängen. Da sind zum einen die Dialoge. Schweizer Drehbuchautoren schreiben nicht, wie uns die Zunge gewachsen ist. Die Dialoge hören sich dann meistens abgelesen an. Noch schlimmer: Die meisten Schauspieler betonen ihre Aussprache zu sehr. Dann heisst es halt "ich tttuä grad sofort esss Tttelifon mache" anstatt vielleicht "ich lüt grad schnäll a" (das Beispiel ist nicht aus dem Film ...). In "Achtung, fertig, Charlie!" wimmelt es von solchen Szenen. Zu Beginn drehen ein paar Akteure den Spiess jedoch um und murmeln komplett unverständlich. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es wenig - und wenn den Dialogen die Natürlichkeit oder die Verständlichkeit fehlt, dann klappt bereits etwas Wichtiges nicht. Da ist es auch keine Hilfe, dass die Leute nicht so reden, wie man das halt tut. Im Bestreben, den Teenies Wörter in den Mund zu legen, die die Jugendlichen anscheinend heute so gebrauchen, gibt es furchtbare Stilblüten. Wieso nicht einfach plappern lassen? Etwas improvisieren? Ich weiss von mir, dass ich das nicht kann und deshalb bin ich kein Schauspieler - aber jemanden, der diesen Job ausübt, sollte man sowas machen lassen. Es lockert auf. In "Achtung, fertig, Charlie!" gibt es nur sehr wenige, die locker sprechen. Beispiele: Der Walliser Soldat und Melanie Winiger. Winiger gibt im Film ihr Kinodebüt, und obwohl ich bei den ersten paar Sätzen, die sie sagte, noch zusammenzuckte, wurde sie immer besser. Zur Filmmitte hin war sie richtig gut - und das ist wirklich ein Kompliment. Ich mein nicht nur, dass sie in Uniform niedlich aussieht (tut sie), sondern dass sie sich mit einer gewissen Leichtigkeit durch den Film schlich, die vielen Darstellern fehlte. Wenn sie sagt "easy", dann glaubt man ihr das - wenn es andere sagen, wirkt es gestelzt. Myriam Aegeter ist ebenfalls ganz gut, sie hat jedoch besonders stark mit doofen Dialogen zu kämpfen. Und Marco Rima ist vielleicht der Überzeugendste im Team, da er dieses Gemisch aus Militär-Hochdeutsch und Mundart wunderbar hinkriegt. Hauptdarsteller Michael Koch sieht gut aus und hat Potential.

Die Handlung passt sich den Dialogen eigentlich an: Die Ereignisse wirken zusammengeschustert und sind voraussehbar. Klar muss eine Teenie-Komödie nicht das Genre revolutionieren, aber ein bisschen Innovation hätte man sich wünschen können. Da hilft es auch nicht, dass bei vielen Gags das Timing nicht stimmt. Ein Beispiel: Melanie und ihre Freundinnen reden vom Trompetenspielen. Sie geht raus, um Koch zu treffen und sagt "die reden eh nur übers Blasen". Ha! Witzig. Der sitzt. Dann wäre aber ein Schnitt angebracht - nein, der kommt nicht. Sondern das Anhängsel "und ich meine damit das Trompetenspielen". Das ist so unnötig und nimmt der Pointe den Wind aus den Segeln. Das Publikum ist clever genug, um die Pointe zu checken, sie muss nicht erklärt werden.

Die letzten 15 Minuten sind dann etwa so schwach wie die ersten. Das Manöver ist schlecht choreografiert, die Mafia-Story schwach aufgelöst und der Film wird etwas gar zu Armee-freundlich. Neben den grossen (Dialogen, Timing) vergiften solche kleinen Patzer den Gesamteindruck. Ich möchte nach diesem ganzen Gemotze nochmals betonen, dass ich mich im Film durchaus amüsiert habe. Er hat Fehler und Probleme, doch ich find die wenigen frischen Ansätze gut, mag ein paar der jungen (und alten) Schauspieler wirklich und wünsche dem Werk einen Riesenerfolg an den Kinokassen. Das motiviert die Produzenten, junges Blockbuster-Kino zu machen. Den Schweizer Intellektuellenscheiss à la "Vollmond" kann ja kein Schwein mehr sehen. Über die Patzer in "Achtung, fertig, Charlie!" kann ich aber nicht einfach hinwegsehen. Auch der Einwurf, "ey heb doch d'Schnurre, dr Film wöt nur unterhalte" kann ich nicht ganz gelten lassen. Ich lass mich wahnsinnig gerne unterhalten - ob von einer Komödie, deren Niveau nicht tief genug sein kann oder von einer, die intelligent satirisch daherkommt. Ganz egal - aber die Pointen müssen sitzen. Die bei "Charlie" tun das ab und zu leider nicht. Weil die Dialoge schwach sind, die Darsteller albern artikulieren oder die kolportierten Klischees ablenken. Darum nur 2½ Sterne. Effort und Enthusiasmus ist klar zu sehen - da wäre wohl eine 4 angebracht, doch alles in allem muss man fair bleiben und sagen, verglichen mit anderen Komödien dieser Gattung fällt der Film ab. Anschauen? Yep, macht das. Wegen Winiger, wegen dem Armee-Setting, wegen Rima. Man kann wirklich seinen Spass haben. Aber wundert euch nicht, wenn ihr an die Decke start, weil euch das, was auf der Leinwand abgeht einfach zu peinlich ist ...

Ihr wollt noch mehr wissen? Och ... ok.

> Es gibt zwei freizügige Duschszenen (wenigstens etwas, was in Amerika undenkbar wäre), die erste mit Winiger, die zweite mit den Jungs. Die Amis nennen das "full frontal nudity". Find ich noch gewagt, macht die Dusch-Atmosphäre wenigstens realistisch.
> Antonio wichst einmal beim Betrachten einer (speziell ausgestatteten) Bibel. Die christlich-nationalen Stänker der Mini-Partei EDU finden die Szene abscheulich. Gut! Was der EDU nicht gefällt muss man ja lieben! Harhar.
> Das Verteidigungsdepartement hat dem Film Material zur Verfügung gestellt. Das erzeugt einen gewissen Realismus. Das VBS fand den Film nach Betrachten aber gar nicht gut, denn er suggeriere, im Militär würde nur gekifft. Och, Mensch, der Film ist eigentlich Armee-freundlich, immerhin haben die Füsel zum Schluss ihren Spass - also was motzen die vom VBS dumm? Es gilt, was für die EDU gilt: Was das VBS blöd findet, muss ja gut sein.
> Oh dann gibts eine Sexszene. Schweizer Filme haben eigentlich meistens Mühe mit Sexszenen. Aber Melanie und Michael tun das wie Profis. Sexy, unzimperlich, überzeugend. Nö, muss sagen: wirklich gut.
> Der Film spielt sich als "American Pie"-Klon auf. Wirklich krass ist er aber nicht: Einmal kotzen, ein paar mal kiffen, einmal Sex mit Gummipuppe, ein bisschen Gerede über Antonios grossen Schwanz, einmal Wichsen ... ja, damit hat sichs dann schon bald. Also erwartet nichts allzu Derbes.

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Agent Cody Banks USA 2003
Actionkomödie
Reviewed 8.8.03

Regie: Harald Zwart
Mit: Frankie Muniz, Hilary Duff, Angie Harmon, Keith David, Cynthia Stevenson, Arnold Vosloo, Daniel Roebuck, Ian McShane

Der Film ist für Kids - Ende der Geschichte. Ich meine nicht für Kids und die Erwachsenen können auch Spass daran haben (à la Pixar oder Spy Kids/Spy Kids 2), sondern strikt für Kids. Das ist noch nicht wirklich eine Kritik, aber eine wichtige Voraussetzung. Die ältesten Jungs im Publikum werden wohl noch heisse Träume von der knapp bekleideten Angie Harmon haben, aber der Rest ist eher für die unter 15-Jährigen gedacht. Die Story handelt vom 15-jährigen Cody (Frankie Muniz, "Malcolm in the Middle", Big Fat Liar), der von der CIA zum Teen-Agenten ausgebildet wird. Sein erster Auftrag: Er soll Natalie (Hilary Duff) verführen, die Tochter eines Wissenschafters, der bösen Mächten gefährliche Nanotechnologie zur Verfügung stellt. Dummerweise ist Cody ein schüchterner Kerl, der noch nie ein Date zu Stande brachte! Hilfe bietet die sexy Agentin Ronica Miles (Angie Harmon).

Man kann die Handlung ja ungefähr vorausahnen, aber sie ist okay in Szene gesetzt. Die Schauspieler sind ebenfalls nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Lizzie und Frankie versprühen genug Charme, um über die Runden zu helfen. Eigentlich ist der Film ja eh ein feuchter Traum für 15-jährige Boys: Ein Junge, der Agent ist, allerlei Tools zur Verfügung hat, ein ganz süsses Girl anbaggern muss und eine sexy Ausbildnerin hat, die ihm zur Seite steht. Nicht schlecht, oder? Insofern ist der Film an ein leicht älteres Publikum gerichtet als die relativ sexlosen "Spy Kids"-Filme. Die Kleinen werden eh den knappen Tops von Ronica eh kein Interesse entgegenbringen. Die interessieren sich mehr an den Actionszenen, an den Gags und der temporeichen Inszenierung. Langweilig wird es einem wohl nie. Aber eben ... es steckt nicht viel Imagination hinter dem Ganzen und der Film ist schnell wieder vergessen. Eine Fortsetzung steckt dennoch bereits in der Vorbereitung.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 2½/4
BBC (GB) 3/5
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American Pie: The Wedding USA 2003
Komödie
US-Titel: American Wedding
Reviewed 4.8.03

Regie: Jesse Dylan
Mit: Jason Biggs, Seann William Scott, Alyson Hannigan, Eddie Kaye Thomas, Thomas Ian Nicholas, Eugene Levy, January Jones, Fred Willard

Wer "American Pie" 1 + 2 nicht mochte, ist hier falsch aufgehoben. Ich liebte Teil eins (* * * ½) und amüsierte mich halbwegs bei Teil 2 (* * *). Dieser dritte Teil, der in Europa als "American Pie: The Wedding" und in Amerika als "American Wedding" lanciert wird, ist im Mittelfeld: Witziger als der zweite, aber wegen seiner Voraussehbarkeit schwächer als der erste. Gleich vorweg: Einige der heissesten Girls aus den Vorgängern sind nicht mehr dabei, darunter Shannon Elizabeth, Mena Suvari und Tara Reid. Schade eigentlich, aber dafür können nun andere Girls brillieren: Da ist etwa die Schwester der Braut, gespielt von der niedlichen January Jones, die Braut selbst, verkörpert von "Pie"-Veteranin Alyson Hannigan, die noch immer so wunderbar verrucht ist und doch aussieht wie ein Engelchen ("is it kinky?") - und die zwei Stripperinnen. Da können die beiden Lesben aus Teil zwei abfahren - Fräulein Brandi (Amanda Swisten, http://www.amandaswisten.com) und Officer Krystal (Playmate Nikki Schieler Ziering, http://www.nikkiziering.com) sind die Stars der Show. Ihr blanker Busen wird die männlichen Teens an die Leinwand kleben lassen und ihre Analkugeln werden die Fantasie anregen ... ähm, aber was eigentlich am Genialsten ist: Der Auftritt der beiden ist verdammt witzig. Die Kettenreaktion, die ausgelöst wird, erinnert mich an "The Pink Panther Strikes Again", in dem sich Inspektor Clouseau bei Ermittlungen in einer Villa immer tiefer in die Scheisse hineinreitet. Hier kommen die Lacher konzentriert und dank den beiden sexy Ladies gibts auch noch ne Portion Erotik.

Aber letztendlich ist es doch die Show der Boys: Stiffler und Jim. Jim heiratet und bietet wie immer unsere Identifikation mit dem Film während Stiffler mal wieder die Sau rauslässt. An ihm bleibt sprichwörtlich auch die ekligste Szene des Films hängen, die ich hier nicht verraten möchte. Sie verdient den Begriff Fäkalhumor, doch was sie auszeichnet, ist, dass Stiffler sie über sich ergehen lässt. Wieso? Aus Respekt vor einem anderen Menschen. Liebe und Respekt sind in den "American Pie"-Filmen nämlich stets zu finden. Schon der beste Gross-Out-Film der 90er, "There's Something About Mary" wusste, dass niedrigster Humor nur dann Spass macht, wenn er Leuten passiert, die wir mögen - und ich mag die "Pie"-Crew. Nicht erst seit diesem Film, sondern schon seit dem ersten. Sie wachsen einem mit ihrer Tolpatschigkeit und ihrem Drängen, doch stets Gutes zu tun, ans Herz. Sie sind keine Engel, Gott bewahre, aber sie sind nicht wirklich böse - dafür liebt man sie. Und wenn sie Scheisse bauen, identifiziert man sich mit ihnen. Man lacht sie nicht aus, sondern hofft, sie kommen aus der peinlichen Situation (und von denen hats auch in "American Wedding" viele) wieder raus.

Herz und niedrigster Fäkalhumor - dieser Mix machts und dieser Mix funktioniert. Noch ein paar Nebenbemerkungen: Finch wird etwas unterverwertet, weil er nicht immer von Stifflers Mom schwärmen darf. Besagte Mutter hat natürlich einen Gastauftritt - aber auf den Gastauftritt von Hugh Grant, über den lange gemunkelt wurde, findet man nicht. War wohl eine Zeitungsente. Dafür gibts sonst genug zu Bestaunen: Charaktere, die wir mögen, Witze über die man lachen kann und Pointen, die einen noch Tage später anekeln. Ein Meisterwerk? Iwo. Aber allemal ein Spass.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
imdb


Anatomie 2 D 2003
Horrorfilm
Reviewed 21.10.03

Regie und Buch: Stefan Rutzowitzky
Mit: Barnaby Metschurat, Herbert Knaup, Heike Makatsch, Roman Knizka, Frank Giering, August Diehl, Franka Potente

Die Anti-Hypokraten sind zurück. Stefan Rutzowitzkys Fortsetzung seines eigenen Horrorhits "Anatomie" fährt schwere Story-Geschütze auf, verliert aber seine Hauptdarstellerin Franka Potente, die bloss einen kleinen Gastauftritt hat. Das bietet die Chance zur kompletten Reorientierung - und so spielt der Film nun an einem Berliner Spital. Alles etwas grösser, gewagter, hektischer. Und absurder. Die Idee, mit Implantaten muskulöse Übermenschen zu bauen und / oder gelähmte Menschen wieder gehen zu lassen, ist sehr reizvoll, doch was Rutzowitzky daraus macht, ist zum Schluss nur noch lächerlich.

Besagte Experimente führt der skrupellose Prof. Müller-LaRousse (Herbert Knaup) durch. Der junge Student Jo Hauser (Barnaby Metschurat) bekommt Wind von der Sache, hofft aber, mit den Implantaten seinen gehbehinderten Bruder retten zu können - und schliesst sich deshalb dem Prof an. Doch bald merkt er, dass der Führer für seine Experimente über Leichen geht. Und von da an geht "Anatomie 2" bachab. Er ist nicht mehr spannend, sondern wird zum Ärzte-Horror mit Comic-Touch. Man kann das nicht ernst nehmen. Die Logen-Mitglieder sind plötzlich alles drogensüchtige Hampelmänner (und Frauen: Heike Makatsch). Diesen Deppen nimmt man überhaupt nichts ab. Ein wüstes Gemetzel - weniger blutig als möglich, dafür so weit hergeholt wie irgendwie machbar - lässt Spannung und Story ins Hintertreffen geraten. Wirklich schade, denn es steckt soviel Potential drin. Das ferngesteuerte Bewegen der Muskeln von Aussen ist eine erschreckende Idee. Nicht ganz so krass wie das mörderische Operieren an Menschen, die bei Bewusstsein sind (siehe "Anatomie" 1), aber doch recht derb. Und die Anti-Hypokraten sind noch immer eine ungemütliche Gemeinschaft.

Leider macht Rutzowitzky sie zu mordenden Trotteln und nimmt der Story alle Glaubwürdigkeit. Der erste Teil, den ich klar als besser betrachte, war zwar ein ziemlich konventioneller Teenie-Schlitzerfilm, aber unheimlich. Und die Story rund um Franka Potente machte immerhin Sinn und verlangte eine Auflösung. In "Anatomie 2" gibt es eine Auflösung. Aber die ist so hirnrissig wie die ganze letzte halbe Stunde an sich.

Bestellt die DVD hier.

Cinema 4/5
imdb


Anger Management USA 2003
Komödie

Regie: Peter Segal
Mit: Adam Sandler, Jack Nicholson, Marisa Tomei, John Turturro, Luis Guzmán, Allen Covert, Heather Graham, Krista Allen, Kurt Fuller, January Jones, John C. Reilly, Woody Harrelson, Tom Arnold, Harry Dean Santon, Rudy Giuliani, John McEnroe

"Anger Management" ist einer der besten Adam-Sandler-Filme ... die Probleme sind, dass das bei Sandlers vergangenem Werk eigentlich nichts heisst, und dass dies nicht sein Verdienst ist. Es ist allein der Verdienst von Jack Nicholson. Ohne sich gross anzustrengen wandelt der "Oscar"-Gewinner durch den Film und ergattert eine Pointe nach der anderen. Sandler ist, wie er immer ist. Entweder man mag ihn, oder man mag ihn nicht. Ich mag ihn nicht - und dennoch gefiel mir die erste Stunde des Films. Einerseits eben dank Jack, andererseits weil Sandler in der ersten Stunde sehr ruhig ist, ein schüchterner Kerl. Und er gerät in etliche Situationen, in denen die Leute ihm einzureden versuchen, er habe ein Wut-Problem. Dabei ist er ganz ruhig. Die Albtraum-Szenen eskalieren, obwohl Sandler ganz ruhig bleibt. Nun, er landet vor Gericht und wird dazu verdonnert, eine Wut-Therapie zu besuchen. Die wird geleitet von Nicholson. Soweit, so gut.

Doch "Anger Managment" hat auch deftige Probleme. Da ist neben Sandler das Ende. Es ist eine Beleidigung für den Zuschauer. Und der Gastauftritt von New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani macht das Ganze noch unerträglicher. Dann hat Regisseur Peter Segal ("Naked Gun III") ein Problem mit den Gastauftritten generell. Jene von Harry Dean Stanton und Woody Harrelson sind gut, der von Heather Graham wird schlimmer, je länger er andauert - und allen ist gemein, dass sie zu lange dauern. Cameo-Auftritte sollten kurz und prägnant sein. Wenn Sandler bei Graham zu Hause ist, ist der Gag längst tot und was dann passiert, wird zu allem Übel auch noch ein paar Feministinnen auf die Palme bringen. Da braucht man ... eine Wut-Therapie danach.

Aber das Problem geht weiter. Was ist die Botschaft des Films? Man soll nicht introvertiert und ruhig sein, sondern laut, nervig und selbstsicher? Letzteres ist ja noch ok, aber der Rest ist 100% Adam Sandler. Ich mag nicht daran denken, wie eine Welt voller Adam Sandlers aussieht. Brrrrr. Nun, "Anger Management" versucht wirklich, eine solche Moral zu verkaufen. Aber zum Glück drängt sich diese Idee nicht in den Vordergrund. Und wenn wir gerade dabei sind, bei den schlechten Dingen mein ich: Es hat einen absolut doofen Furz-Witz, Luis Guzmán nervt gewaltig, es hat etliche Anschluss-Fehler (achtet bei der Sitzung auf Guzmáns Shirt, das seinen Bauch manchmal frei gibt, dann wieder nicht) und John C. Reillys Gastauftritt endet katastrophal schlecht.

Dennoch, ja, hat mir der Film recht gut gefallen. Ich konnte oft lachen und das ist ja das Wichtigste bei einer solchen Komödie. Es hat ein paar göttliche Einfälle (etwa das "West Side Story"-Lied, Jacks Casting, die Penis-Komplexe, die zum Schluss plötzlich vergessen gehen) und ein paar fürchterliche. Ich wage zu prophezeien, dass viele den Film überhaupt nicht mögen werden. Sandler-Hasser, Frauen und Psychologen werden wohl besonders aufschreien. Aber er ist besser als "Mr. Deeds" und man kann ein paar Mal richtig lachen. Und wagt es ja nicht zu widersprechen oder ich schicke euch in die Wut-Therapie!!

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
imdb


Bad Boys II USA 2003
Actionkomödie
Reviewed 18.9.03

Regie: Michael Bay
Produktion: Jerry Bruckheimer
Mit: Will Smith, Martin Lawrence, Gabrielle Union, Jordi Mollà, Peter Stormare, Theresa Randle, Joe Pantoliano, Michael Shannon, Henry Rollins

In Amerika wurde über "Bad Boys II" hergezogen, als sei er ein direkter Affront gegen den Beruf des Filmkritikers. Als entziehe sich der Film jeglicher cinematischer Konventionen und torpediere die Leute mit Action, Blut, Action, Blut und doofen Witzen. In gewissem Sinn mag dahinter was Wahres stecken - doch ich vermute vielmehr, es ist eine weitere Episode im andauernden Krieg zwischen "seriösen" Kritikern und dem (Alb-)Traumteam Bay / Bruckheimer. "Bad Boys II" ist tatsächlich nicht so gut wie der erste Teil, hat tatsächlich Logiklöcher en masse, eine schlechte Actionchoreografie und ein fast unerträgliches Mass an Egoismus, Sadismus und Zynismus. Aber: Die Post geht voll ab. "Bad Boys II" mag eine cineastische Totgeburt sein, ein feuchter Traum von Actionfetischist Michael Bay, ein nihilistisches Stück böses Kino, aber letztendlich ist es ja eine Actionkomödie für Erwachsene. Man sollte nicht so tun, als sei damit der Untergang des Kinos eingeleitet worden. Dieser hat schon begonnen, als Steven Seagal sich zum ersten Mal vor die Kamera stellte.

Nachdem man ja nun überall lesen konnte, was an "Bad Boys II" nicht funktioniert, schiebe ich diesen Teil mal nach hinten. Lob vor Verriss. Oh ja, es gibt einen Verriss. Aber ... zuerst die beiden Stars. Will Smith und Martin Lawrence müssen sich zwar durch ein albernes Drehbuch kämpfen, doch wenn sie ihre Revolverschnauzen rotieren lassen, kommen dabei Sprüche raus, die richtig zünden. Frech, laut, böse. Es hat ein paar Dialoge, die stossen einem kurz sauer auf (wie etwa die Demontage eines unschuldigen 15-Jährigen, der Marcus' Tochter ausführen will), doch alles in allem sind die Boys das Highlight. Die Musik: Einfach geil. Trevor Rabin macht eh die geilsten Macho-Scores, und wenns dazu noch groovigen Sound von Dr. Dre bis P. Diddy gibt, dann sind auch die Ohren zufrieden. Die Action: Ja, Bay hat kein Mass und vergisst manchmal, dass Action eine gewisse Choreografie braucht. Aber da die meisten Actionszenen geografisch einzuordnen sind, wirken sie zwar diffus, aber geradliniger als etwa in Pearl Harbor - den ich ja (holt das heilige Kritikerfeuer und zündet mich an) gar nicht so übel fand. Zurück zu "Bad Boys II". Wenn Autos über die Köpfe der Protagonisten fliegen oder wenn ganze Villen explodieren, dann hat man das alles schon gesehen (die Verfolgungen sind besser in T3), doch man langweilt sich eigentlich nicht. Es ist pures Eye Candy. Schliesslich weiss man, was man bei Bay kriegt: Coole Sprüche, viel viel Action und sexy Babes (die Szene in der Ecstasy-Bar ist ein neuer Sexismus-Tiefpunkt, wenn Bay zwischen den Beinen der Tänzerinnen filmt). Aber bloss kein Hirn. Dieses gibts nur in einer Szene im Leichenhaus, in der eine Schädeldecke abfällt. Iiih. Und da wirds problematisch. Ich fand diese makaberen Szenen recht witzig: Leichen fallen aus dem Leichenwagen auf die Strasse und werden überfahren, im Leichenschauhaus werden Tote mit Ecstasy gefüllt, das Will sucht - und aus Versehen eine Niere rausholt. Das hört sich alles sehr eklig an, wird aber humoristisch dargeboten. Klar lässt Bay jeglichen Anstand hinter sich - aber ich sags Mal so: Wenn ich tot bin, ist mir egal, ob mir jemand im Bauch rumguselt. Take it easy! Wenn man solchen Humor mag, kann man da lachen, ansonsten kann ich verstehen, wenn es jemandem übel wird.

Doch da hört es mit dem Ekligen leider nicht auf - und nun kommen wir langsam zum Verriss. Bay bringt noch viel viel mehr Gewalt. Für jemanden wie mich, der alles von "Braindead" über Takashi Miike bis John Woo gesehen hat, ist das Gore-Level in "Bad Boys II" keine Offenbarung, aber für eine Buddy-Komödie, die sich primär an Junge richtet, ist es der Gewalt zu viel. Ich bin immer der Meinung, es ist ehrlicher, bei einer Schiesserei das Resultat (=Blut) zu zeigen, anstatt den Tod als harmlose Videospiel-Aktion zu zeigen, doch wieso muss in "Bad Boys II" überhaupt so viel gestorben werden? Ein bisschen zurücknehmen wäre okay. Und dann ist Bay halt eben nicht der, der den Tod brutal zeigt, um ihn ehrlicher zu machen, sondern um ihn flashy zu machen. Was geht in Teenies vor, die das (obwohl der Film in den USA ab 17 ist) sehen? Es lässt nichts Gutes ahnen und man kann Bay nur anklagen, dass er sein Faible für Sadismus im falschen Film platziert hat. EIne Buddy-Komödie für Erwachsene ist einfach keine so gute Idee. Ich persönlich fands nicht schlimm. Da wird ein Russe zerstückelt und (dem köstlichen) Peter Stormare hingestellt, da wird eine Kugel in Zeitlupe durch einen Kopf geschossen, da explodiert ein Bösewicht auf dem Minenfeld. Die Gewalt mag im falschen Film sein, aber "Bad Boys II" ist nicht der erste Mainstream-Film, in dem so viel gestorben wird. In "Saving Private Ryan" oder "Lord of the Rings" gabs mehr. Dort passt sie aber eben rein - und in "Bad Boys II" nicht so richtig. Deshalb kann man sich darüber ärgern. Ist ganz legitim.

Dann ist der Film mit 147 Minuten rund eine halbe Stunde zu lang. Actionszenen ziehen sich endlos dahin und solche Sequenzen, in denen es nicht viele Gags gibt, langweilen. Es gibt ganze Sequenzen, die keinen Sinn oder Notwendigkeit haben. Helikopter stoppen auf dem Meer ein Boot. Danach kommt eine Szene, die damit nichts zu tun hat. Sieht wohl einfach gut aus, dachte sich Bay. Und die letzte halbe Stunde ist nur noch doof. Da stürmen die Cops nach albernem Anti-Castro-Gewäsch nach Kuba, führen sich auf wie Navy SEALS und bomben alles in die Luft. Als Krönung rasen Smith und Lawrence mit einem Hummer (Auto) durch eine Armensiedlung. Sie sagen zwar, hier wohnen Dealer, aber danach sieht man Hütten zerfetzen, Wäscheleinen davonspicken, Hühner flattern - eine ganze Armensiedlung wird niedergemäht - doch danach kräht kein Hahn. Wie viele Menschen starben da? Wer baut das auf? Egal. Die Amis kommen, machen alles kaputt, dann gehen sie wieder. Ein Sinnbild für den amerikanischen Imperialismus? Nein, soviel politischen Verstand darf man Bay nicht zutrauen. Barry Sonnenfeld meinte mal, Bay verstehe keinen Humor und sei ein Ultramacho. "Er müsse wohl einen grossen Schwanz haben". Man kann das eigentlich noch ausweiten: Ein Mann mit mehr Schwanz als IQ. Das wärs von mir mit Bay-Verrupfen. Ich hass den Kerl ja gar nicht so. Er drehte ein paar wunderbare Actionfilme ("The Rock", "Armageddon"), aber weder er persönlich noch seine Filme sind nicht jedermans Sache. "Bad Boys II" ist ein ultrateures, ultrahohles, aber ultrafetziges Knallbonbon. Das mag man ... oder eben nicht. Wird wohl eh schon jeder für sich entschieden haben.

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Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) ½/4
imdb


Ballistic: Ecks Vs. Sever USA 2003
Actionfilm
Reviewed 27.12.03

Regie und Produktion: Kaos (Wych Kaosayananda)
Mit: Antonio Banderas, Lucy Liu, Gregg Henry, Ray Park, Talisa Soto, Terry Chen

Der thailändische Regisseur Wych Kaosayananda gibt mit "Ballistic: Ecks Vs. Sever" sein Hollywood-Debüt. Und da man seinen Namen nicht aussprechen kann, nennt er sich cool Kaos. Zutreffender könnte das Pseudonym nicht sein, denn "Ballistic" ist ein Chaos von geradezu epischen Proportionen. Für mich der vielleicht schlechteste Actionfilm 2003. Ich mag Action, gar keine Frage, doch ich brauche etwas dazu. Substanz, Charaktere, irgend etwas, was mich die Action einordnen lässt und mich glauben lässt, ich sehe mehr als bloss Pyrotechniker bei ihrer Arbeit. Das fehlt hier alles. Die "Handlung" stammt aus dem Schulbuch der Filmklischees, die Charaktere aus der Wühlkiste der Leinwand-Stereotypen. Vom Ex-Agent, der saufend in der (nebligen) Bar sitzt, bis zum Bösewicht, der im Finale stolz in die Höhle des  Löwen geht, um sich von den Helden niedermetzeln zu lassen. Metzeln ist eh das Leitwort. Ich habe selten einen Film gesehen, der eine solche Zerstörungswut hat. Halb Vancouver wird von zwei konkurrierenden amerikanischen (!) Geheimdiensten sowie den Ex-Agenten Ecks (Banderas) und Sever (Liu) kleingemacht. Schreiten die kanadischen Behörden ein? Macht irgendwas Sinn? Zweimal nein ...

Die Motivation von Ecks und Sever, gegen Fiesling Gant (Lius "Paycheck"-Partner Gregg Henry) anzutreten, ist nebulös. Er hat Ecks Frau entführt und Lius Kind getötet. Das muss reichen als Plot. Kaum macht jemand Anstalten, etwas mehr zu erzählen, fliegt wieder alles in die Luft. Im Ernst: So macht Action keinen Spass. Da kann man auch den Maschinen-Angriff auf Zion in Endlosschlaufe gucken oder Helm's Deep 2 Stunden lang laufen lassn - und man hätte mehr davon. "Ballistic: Ecks Vs. Sever" ist hirnlos, handlungslos, humorlos, hemmungslos und herzlos. Ein Chaos, das trotz mickrigen 87 Minuten Laufzeit bloss eines tut: Langweilen. Ich mag Lucy Liu ausgesprochen. Aber anstatt sie in einem der schlechtesten Filme des Jahres zu sehen, schaut sie auch in einem der besten an (Kill Bill, Colume 1). Oder in Charlie's Angels: Full Throttle. Der hat zwar auch wenig Substanz, macht sich aber wenigstens einen Spass daraus ...

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Roger Ebert (USA) ½/4
James Berardinelli (USA) 2/4
imdb


Basic USA 2003
Thriller
Reviewed 22.8.03

Regie: John McTiernan
Mit: John Travolta, Connie Nielsen, Samuel L. Jackson, Timothy Daly, Giovanni Ribisi, Brian Van Holt, Taye Diggs, Dash Mihok, Harry Connick Jr.

John McTiernan drehte einige der besten Actionfilme aller Zeiten, darunter "Predator" und "Die Hard". Doch seit einigen Jahren geht es abwärts mit ihm. Und viel tiefer als Rollerball kann er nicht mehr sinken. "Basic" ist insofern ein Schritt nach oben. Aber das heisst nicht viel. Etwa die gleiche Einleitung könnte man auch für John Travolta schreiben - und nun spannen die beiden also zusammen. EIn bisschen Angst kommt auf. Und sie ist berechtigt. "Basic" ist vielleicht der am selbstsichersten inszenierte Nichts-Film aller Zeiten. Am Schluss macht nichts Sinn. McTiernan hängt Twist an Twist an Twist bis am Ende alle Logik ausser Kraft ist und der geneigte Zuschauer resigniert in den Sessel sinkt und hofft, es habe mit den Twists ein Ende. Irgendwie denkt man, nach den Credits komme vielleicht nocht ein Twist. Es kommt keiner - aber nach diesem Werk hat man genug von unvorhersehbaren Wendungen.

Das Ganze wird aufgebaut à la "Rashomon", wir bekommen also die Geschichten aus erster Hand erzählt. Dabei darf man niemandem trauen. Jeder erzählt was anderes und Travolta und Connie Nielsen müssen herausfinden, wer lügt. Und wieviel er lügt. Was ist passiert? Im Dschungel von Panama ist ein Team der US-Rangers unter dem verhassten Sgt. West (Samuel L. Jackson) verschollen. Wer ist tot, warum, wo, wieso. Ach, all die Fragen, die einem so einfallen. Und zu Beginn macht es auch Spass, mitzuraten, wer denn Dreck am Stecken hat. Bloss leider hat das Ganze keinen Nutzen, denn der Film prügelt einem am Schluss eh alles wieder aus. Eben mit unglaublichsten Wendungen.

Die Schauspieler sind okay. Travolta trägt etwas dick auf, Jackson schreit etwas viel. Nielsen ist auch nicht schlecht und die Soldaten (u. a. Taye Diggs, Giovanni Ribisi) spielen solide. McTiernan führt mit straffer Hand durch Dschungel- und Armeebasis-Szenen. Nie würde man ahnen, dass er einen ins Nichts führt. Ohne mit der Wimper zu zucken manövriert er die Zuschauer in ein Dickicht, aus dem niemand herauskommt. Das muss man fast bewundern. Aber eben nur fast. Letztendlich ist "Basic" eine grosse Enttäuschung und die Auflösung, wenn McTiernan endlich das letzte der fünfzig Häschen aus dem Hut zaubert, ein Reinfall. Wenigstens sieht man das "Pulp Fiction"-Traumpaar Jackson und Travolta endlich wieder zusammen? Denkste. In einer einzigen (doofen) Szene. Und wenn man bei der angelangt ist, ist man eh so frustriert, dass man solche cineastische Überlegungen beiseite gelegt hat. "Wer hat dieses Drehbuch verfasst?" geht einem durch den Kopf. Hat jemand das Drehbuch zerrissen und neu zusammengeflickt? Ist der Film fertig? Hat der Vorführer die Rollen korrekt zusammengesetzt? Bin ich im Kino? Was gibts zu essen? Ist der Himmel blau? John McTiernan könnte einem mit sicherer Hand einreden, er sei rot. Aber will man das? Na also.

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Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) 2/4
BBC (GB) 2/5
imdb


Big Fish USA 2003
Tragikomödie
Reviewed 6.2.03

Regie und Produktion: Tim Burton
Mit: Ewan McGregor, Albert Finney, Billy Crudup, Jessica Lange, Alison Lohman, Helena Bonham Carter, Danny De Vito, Steve Buscemi, Matthew McGrory

"Big Fish" ist ein Meisterwerk der Sentimentalität. Ein filmisches Bonbon, so zuckersüss und doch perfekt verdaubar, wie es eigentlich nur Tim Burton machen kann. Ursprünglich wollte Steven Spielberg den Roman von Daniel Wallace verfilmen, übergab den Stab dann aber an Burton. Eine gute Idee, denn Burton macht daraus einen Film, der vom Gefühl am nächsten an seinen eigenen genialen "Edward Scissorhands" herankommt. Bittersüss, bezaubernd und einfach herzerwärmend. Albert Finney spielt den zentralen Charakter Ed Bloom. Der alte Mann lebt davon, Geschichten zu erzählen - und dabei stets etwas dazuzudichten. Die meisten Leute lieben ihn dafür, nur sein Sohn Will (Billy Crudup) möchte hinter all den Lügen, wie er die Geschichten nennt, endlich den richtigen Ed Bloom kennenlernen. Bevor dieser stirbt, denn es geht ihm nicht besonders gut. Und so sitzen Vater und Sohn zusammen, doch alles, was Ed erzählt, sind wieder die alten Geschichten. Wie er als junger Mann (Ewan McGregor) einen Rieseinfisch mit dem Ehering fing, wie er mit dem Riesen (Matthew McGrory) aus seinem Dorf beim Zirkus von Calloway (Danny DeVito) anheuerte, wie er sich in Sandra (Alison Lohman / Jessica Lange) verliebte und wie ihm eine Hexe (Helena Bonham Carter) zeigte, wie er sterben werde ...

Man kann sich in etwa denken, was passiert. Der Sohn entdeckt, dass in jeder Lüge auch Wahrheit steckt, und dass die fantastische Version der Vergangenheit nicht nur spannender ist als die reale - sondern letztendlich auch eine eigene Wahrheit entwickelt. Wir sind nicht, was wir getan haben - wir sind, wer wir sein möchten. Und Ed Bloom ist ein fantastischer Mensch. Lügen? Ja vielleicht, aber insofern ist "Big Fish" ein Statement für das kleine Lügen. Das Ausschmücken. Das Variieren. So wird das Leben im Geiste schon mal viel spannender und erfüllter, etwas, was man Finney geradezu ansieht.

Noch zentraler als diese Lanze für das Lügen zu brechen, ist die Vater-Sohn-Beziehung, die mit jeder Geschichte (oder Rückblende?) neue Dimensionen bekommt. Burton bekommt so die Chance zum Kontrast: Die Szenen im Jetzt sind geprägt vom Realismus und Alltäglichen. Die Geschichten Blooms sind Bilderbögen, wahre Märchen, in denen Burton sein ganzes Faible für das leicht Absurde, das Kitschige und Schön-Schräge ausleben kann. Wenn der Film sich dem Finale annähert, wird er grenzenlos sentimental. Ich liebe das halt und konnte meine Augen nicht schliessen bei dieser genialen Pracht. Und als ich doch zwinkern musste, kullerten mir mehr Tränen runter, als ich erwartet habe. Das Ende ist in seiner Einfachheit einfach wunderschön menschlich. Wie man dem widerstehen kann, ist mir ein Rätsel. Die einzigen, die wirklich enttäuscht werden könnten, sind die, die in dem Film Zynismus suchen - oder eine visuelle Tour-de-Force. Der Film ist optisch speziell und betörend, aber in keiner Weise der Overkill früherer (nicht minder genialer) Burton-Werke. Schliesslich geht es ja um die Verschmelzung von Fakt und Fiktion, etwas, was auch in der Bildsprache seine Resonanz findet. "Big Fish" ist ein wunderbar gespieltes und zu Herzen gehendes Juwel von einem Film. Etwas lang, etwas kitschig, aber unwiderstehtlich. Wie eine gut erzählte Geschichte halt ...

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Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
imdb


Bringing Down the House USA 2003
Komödie

Regie: Adam Shankman
Executive Producer: Queen Latifah u.a.
Mit: Steve Martin, Queen Latifah, Eugene Levy, Joan Plowright, Jean Smart, Kimberley J. Brown, Angus T. Jones, Missi Pyle

"Bringing Down the House" war in den USA ein richtiger Strassenfeger und einer der eresten Hits von Steve Martin seit langem. Das liegt daran, dass sowohl schwarz wie weiss in der Komödie ein bisschen parodiert werden, dass Martin und Latifah eine ungemeine Chemie haben - und weil einfach viele der Pointen sitzen. Es gibt ein paar Ausrutscher (Martin in einem Hip-Hop-Club ist anstrengend) und das Ende wirkt allzu aufgesetzt und voraussehbar, aber bis dahin hatte ich höllisch Spass. Das grösste Problem, das Roger Ebert mit dem Film hatte, habe ich in gewissen Sinn auch: Wieso nicht aus Martin und Latifah das Paar machen? Wieso muss Eugene Levy der sein, der Latifah letztendlich um den Finger wickelt und Martin zu seiner dürren weissen Frau zurückkriechen? Das ist fast schon ein Verrat an den Regeln der romantischen Komödie. "Bringing Down the House" will also wohl gar keine solche sein - und da vermuten gewisse Kritiker Rassismus. Die afroamerikanische Frau kriegt nicht den weissen Titelhelden ... nun ... Blödsinn. Es ist zwar ein paar Gedanken wert, aber letztendlich ist mein Grundsatz: Reviewe, was du siehst, nicht was du sehen willst.

Und was ich sah war der Brüller: Latifah zeigt Martin, wie man eine Frau "hart" verführt; die versnobte Plowright singt Latifah ein Sklavenlied vor. etc. ich will ja nicht alle Pointen verraten. Das Coole dabei ist, dass"Bringing Down the House" einige vermeintliche Rassenklischees nicht nur parodiert - sondern sie akzeptiert. Ja, vieles, was in diesem Film gezeigt wird, gibt es. Die rassistisch-verklemmte Nachbarsfrau, die weisse Upperclass-Tussi, die die alten Typen heiratet, die Slang-quatschenden Schwarzen ... klar sind es Stereotypen. Der Film behauptet nicht, alle seien so - aber es gibt solche. Da setzt die Komödie an. Manchmal pariodiert sie "Eigenarten" der einen Hautfarbe, mal huldigt er den Vorzügen der anderen. In gewissem Sinne ist die Hautfarbe zwar der grosse Aufhänger des Films, doch Regisseur Adam Shankman (A Walk to Remember) drehte letztendlich einen Film, dem die die Pigmentierung der Haut schnuppeist. Dadurch, dass er Klischees, Halb- und Ganzwahrheiten in einen Topf wirft, stellt er uns den ganzen Rassenquatsch vor den Kopf und wir entscheiden, was denn nun Satire ist, was nicht und was wir meinen, sei tatsächlich so. Darüber kann man dann nach dem Fiulm nachdenken, aber während dem Film gibt das die Chance, einfach nur mitzulachen. Mit Martin und Latifah, über Martin und Latifah - und die ganzen restlichen Leute, die sich in dem Film tummeln.

Das hört sich nun alles furchtbar technisch an, doch ich will einfach die Rassismus-Vorwürfe gegen den Film gleich zum Vorneherein bodigen. Man kann fast jeden Gag als rassistische Attacke gegen Weisse oder gegen Schwarze anschauen. Man kann ... aber man sollte nicht, denn dadurch outet man sich als wahrer Rassist. Wer nicht bereit ist, über die eigene und über andere Hautfarben Witze zu machen ist noch nicht bei der Gleichheit angelangt. Erst wenn wir alle - wir 7 Milliarden Menschen - über uns selber und über andere lachen können, sind wir wirklich gleich. Lachen vereint also. "Bringing Down the House" hilft dabei. Der Film hat Klischees, der Film hat Vorurteile. So. Fucking. What. Die haben wir alle - und kriegen dafür letztendlich die Retourkutsche. Belassen wirs also dabei und einigen uns darauf, dass "Bringing Down the House" extrem lustig ist. Für schwarz, für weiss, für gelb, für rot, für pink, für hellblau. 

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 3/5
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Brother Bear USA 2003
Zeichentrickfilm
Reviewed 19.1.04

Regie: Aaron Blaise, Robert Walker
Sprecher: Joaquin Phoenix, Jeremy Suarez, Jason Raize, Rick Moranis, Dave Thomas, D. B. Sweeney, Michael Clarke Duncan, Harold Gould, Estelle Harris

Die Zeiten, in denen Kinogänger auf jeden neuen Disney-Film gewartet haben, sind längst vorbei. Heute zeigen Pixar und Miyazaki der Trickwelt, wo's lang geht. Aber Disneys neuster, "Brother Bear", ist dennoch ganz süss. Er spielt im Amerika der Eiszeit. Der junge Kenai (Joaquin Phoenix) bekommt von der Stammesältesten (Joan Copeland), die Kontakt mit der Welt der Ahnen hat, ein Totem: Den Bären der Liebe. Erst wenn er diesem gerecht wird, ist er ein Mann. Kenai ist sauer und als ein Bär den Fischvorrat des Stammes frisst, jagt er ihn. Seine Brüder wollen ihn retten, dabei kommt der älteste, Sitka (D. B. Sweeney), um. Kenai rächt sich und tötet den Bären. Doch nun holt ihn das Licht des Seelenhimmels und verwandelt ihn in einen Bären! Der letzte Bruder, Denahi (Jason Raize), glaubt, dieser Bär habe Kenau getötet und jagt ihn. Der verwandelte Kenai freundet sich mit dem Bärenbuben Koda (Jeremy Suarez) an und sucht einen Weg, sich zurückzuverwandeln.

Due schlechten Nachrichten zuerst: Der Film beginnt schrecklich fad. Ein Song von Tina Turner, eine geliebte Person die stirbt - so weit, so Disney. Und dann der sterotype Ethno-Quatsch mit dem Seelenlicht, der netten Grossmutter und dem Totem-Zeug. Das Ganze schien vor meinen Augen den Bach runterzugehen, zumal der Film eigentlich nach 10 Minuten voraussehbar ist. Auch animiert ist er nicht sonderlich überwältigend. Und als während dem Film Phil Collins' lausig kitschigen Songs durch die Boxen hallten, dachte ich, das wars. Oh nein, wars nicht. "Brother Bear" wird immer besser. Die Freundschaft zwischen Kenai und Koda ist sehr niedlich und die Gags, die vor allem von zwei depperten Elchen kommen, sind göttlich. "Brother Bear" hat ein tolles Tempo und rast regelrecht dem Ende entgegen. An einer Stelle, als der kleine Koda erzählt, was mit seiner Mutter passiert ist, bekam ich sgar feuchte Augen. In solchen Stellen hat "Brother Bear" das Zeug zur Grösse. Collins, Kitsch und Klischees ziehen ihn leider wieder runter. Und über Ethno- und Geschlechter-Stereotypen, die man als böswillig auslegen kann, möchte ich an dieser Stelle nicht diskutieren. Die Botschaft (habt euch alle lieb) ist ja auch nicht zu verachten. "Brother Bear" ist gefälliges, aber niemals übermässig beeindruckendes Kino, das sich eher an die Kleinen richtet. Fast schon klassisch Disney. Und sicherlich besser als all die unsäglichen Sequels, die die Firma in letzter Zeit produziert hat!

PS: Der Film beginnt im Format 1,85:1, doch sobald sich Kenai in einen Bären verwandelt, wechselt das Format auf epische 2.35:1. Der Projektonist bei meiner Vorführung hat nicht nur diesen Moment verpasst, er hat den ganzen Film in 1,66:1 abgespielt. Was für ein Nappel - denn so entging mir ein Teil der visuellen Pracht.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
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Bruce Almighty USA 2003
Komödie
Reviewed 27.5.03

Regie und Produktion: Tom Shadyac
Buch: Steve Oedekerk, Steve Koren, Mark O'Keefe nach einer Story von O'Keefe und Koren
Produktion: Jim Carrey, Steve Koren, Mark O'Keefe, James D. Brubaker, Michael Bostick
Mit: Jim Carrey, Jennifer Aniston, Morgan Freeman, Philip Baker Hall, Catherine Bell, Steven Carell, Lisa Ann Walker, Nora Dunn, Sally Kirkland

Heute bekam ich am Bahnhof Stadelhofen in Zürich von Coca Cola eine kleine Büchse ihres neuen Getränks "Vanille Coke" offeriert. Praktisch, denn "Bruce Almighty", die neue Komödie von Jim Carrey, funktioniert etwa wie dieses Gesöff: Erst wirkt es angenehm und erfrischend, doch bald bloss noch klebrig süss. Und hinterlässt einen unangenehmen Nachgeschmack. "Bruce Almighty" erzählt (wie der Trailer bereits mehr als deutlich erklärt) von einem frustrierten Nachrichtenreporter, der eines Tages von Gott persönlich beauftragt wird, für einige Zeit seinen Job zu machen. Jim Carrey mit der Kraft des Allmächtigen? Was für eine coole Idee - und tatsächlich liefert die erste Hälfte des Films reichlich komödiantisches Potential. Auch Jennifer Aniston überzeugt mit Charme und Witz, während Morgan Freeman als Gott wie immer eine gute Leistung zeigt, aber etwas zurückgebunden wirkt. Ein unerwartetes Highlight ist Steven Carell als Carreys Gegner im News-Team. Eine ganz doofe Szene zeigt Carrell vor der Kamera. Carrey manipuliert mit Gottes Kräften seine Artikulation und Carell plappert zwei Minuten völligen Quatsch daher. Zwei Minuten lang obdobdugludghgdagbaladada. Zwei Minuten! Doch meine Gütte, ich lag am Boden vor Lachen. Es ist so niederer, alberner Humor, doch hier kam die Länge der Szene zum Zug. Es ist einfach zu blöd, die so lange laufen zu lassen - und irgendwann wird sie einfach grenzelos lustig (oder grenzelos albern). Komödiantisches Genie? Zufall? Egal. Ich mochte sie.

Doch dann. Die zweite Hälfte. Worte können kaum erklären wie beschissen ich diesen Film nun fand. Ich bin ja fürwahr ein Mensch, der Kitsch liebt ("Life as a House" ist toll - und mein geliebtes Bollywood ist Kitsch pur), doch dies ist unter aller Sau! Carrey, der sich durch den Film durchimprovisiert, wird unausstehlich, Aniston wird an den Rand gedrückt und ihre Rolle wird peinlich, Freemans Geseiere ist moralischer Eintopf aus der "Kitsch und Klischee"-Kochschule und die Dialoge sowie der Plot sind Herzschmerz für die emotional zu kurz Gekommenen. Carrey schreit gegen Ende "I surrender to your will, God!" - also Aufgabe der Individualität, die vorher im Film noch als Gut betrachtet wurde, mit dem nicht einmal Gott spielen kann. Oh je. Und dann Sätze wie diese: "A woman raising two kids is a miracle [...] A kid saying no to drugs is a miracle." Würg. "Bruce Almighty" wird nach all den blasphemischen Gags nicht nur unausstehlich gottesfürchtig, er wird auch schlicht und einfach dumm. Regisseur Tom Shadyac ist dafür verantwortlich, bringt er doch seinen Film auf das Niveau von "Patch Adams" oder "Dragonfly". Jeder, der diese Kitsch-Filme gesehen hat, ahnt, was ich meine.

Und so geht auch die erste Hälfte irgendwie vergessen. Plötzlich kam es mir vor, als ob Jim Carreys Aktionen als Gott völlig läppisch gewesen sind (hat der Mensch keine gewaltigeren Ideen als den Verkehr zu teilen oder den Mond näher zu ziehen? Fantasielos!) und dass ich die besten Gags eigentlich schon aus dem Trailer kannte. Ja, die erste Hälfte ist gut (3 Sterne), doch die zweite (1½ Sterne) ist eine Katastrophe. Kitsch, Klischee, Unterwürfigkeit, Langweile, Schwulst, Schleim, Schmiere, Zuckerguss, Gallenflüssigkeit, Auswurf, Scheisse. Im Ernst: Manchmal wollte ich einfach unter den Stuhl sinken und mit die Ohren zuhalten. Man kann gnädig sein und über diese Flutwelle an schmierigem Kitsch hinwegsehen, doch lustig wird der Film in der zweiten Hälfte dennoch nicht. Ja sogar die Outtakes im Abspann sind bloss mässig witzig. Ein Totalreinfall? nein, natürlich nicht, denn (zum dritten Mal) die erste Hälfte ist OK und Carrey hat genug Charisma, um durch den Film zu führen. Aber Regisseur Tom Shadyac sollte nie mehr hinter die Kamera gelassen werden. Nie. Bitte Gott.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 1½/4
imdb


Bulletproof Monk USA 2003
Actionkomödie
Reviewed 23.10.03

Regie: Paul Hunter
Produktion: John Woo und Terence Chang
Mit: Chow Yun-Fat, Seann William Scott, Jaime King, Karel Roden, Victoria Smurfit, Mako

"Bulletproof Monk" hat keinen originellen Knochen in seinem Körper. Alles ist zusammengeklaut aus besseren Filmen wie "Indiana Jones", "Crouching Tiger, Hidden Dragon" und "Matrix". Ja ich weiss, diese Filme zu nennen, ist nicht so geschickt, weil sie sich selbst ausgiebig im Filmfundus bedienen - aber sie taten es mit Esprit und Originalität. Und mischten aus ihren Zutaten etwas Neues. "Bulletptoof Monk" wirkt dagegen alles andere als neu und frisch. Er hat seine Qualitäten, so sind die Fights nett, Chow Yun-Fat und Seann William Scott unterhaltsam, Jaime King süss - doch der Film wagt nie den Sprung in filmisches Neuland, ob erzählerischer, inszenatorischer oder sonstiger Art. Dafür, dass die Charaktere so stolz der Schwerkraft trotzen, ist der Film überraschend festgesaugt am Boden der filmischen Konventionen. Und die Dialoge sind teilweise sogar unterirdisch doof. Und fragt gar nicht erst, worum es in dem Film geht. Eine Schriftolle, die, wenn man sie liest, das Paradies oder die Hölle bringt. Also wieso lesen die dollen Mönche den Text nicht und wir hätten das Paradies? Nein sie bewahren sie auf und sorgen dafür, dass sie auch ja den Nazis in die Hände fallen könnte. Eigentlich hasse ich diese Mönche! Anstatt mir das Paradies zu schenken, setzen sie uns der Gefahr einer Nazi-Hölle aus. Nun ja, dann gibts eben Chow-Yun Fat, der ist neuer Beschützer der Rolle und will seinen Job an Seann William Scott weitergeben. Wieso die weisesten Asiaten sich immer doofe Amis aussuchen müssen, um Wissen weiterzugeben, entgeht mir. Andererseits: Die Mönche sind ja eben gar nicht so weise, wie ihre Weigerung, die Rolle zu lesen, gezeigt hat. Dumme Mönche geben Wissen an dumme Amis wieder. Okay, passt.

Schade, denn in dem Stoff steckt ein besserer Film. Vielleicht hätte John Woo ihn, wie einst geplant, tatsächlich selber drehen sollen. Dann wäre er wenigstens elegant inszeniert. So wie er nun is, macht "Bulletproof Monk" halbwegs Spass - aber nach ein paar Stunden hat man das meiste davon vergessen. Deshalb ist wohl auch dieser Text so kurz. Beweis genug? Ok, der war plump. Ich könnte auch einfach sagen, mir fällt nichts mehr ein und der Text ist hiermit beendet. Blöde Mönche.

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2/4
imdb


The Cat in the Hat USA 2003
Komödie
Reviewed 7.2.04

Regie: Bo Welch
Mit: Michael Myers, Alec Baldwin, Kelly Preston, Dakota Fanning, Spencer Beslin, Amy Hill, Sean Hayes

Brian Grazer hat sich gedacht, weil der von ihm produzierte "How the Grinch Stole Christmas" ein solcher Erfolg war, sei es Zeit, ein weiteres klassisches Kinderbuch von Dr. Seuss zu adaptieren: "The Cat in the Hat". Dazu engagierte er den bekannten Pdouktionsdesigner Bo Welch ("Men in Black", "Batman Returns"), der sein Kinoregiedebüt abliefert. Er beweist zweifellos Talent beim Ausstatten und bei den Effekten, doch der Film ist ein Chaos. Und das meine ich nicht im positiven Sinne. Michael Myers spielt die tielgebende Katze, die im reinlichen Haus der schönen Kelly Preston auftaucht, um den beiden Kindern Dakota Fanning und Spencer Beslin zu zeigen, was Spass ist und gleichzeitig den nervigen Schleimer von einem Nachbarn (Alec Baldwin) loszuwerden.

Gleich vorweg: Myers ist falsch in der Rolle. Er ist genial in "Austin Powers" und bringt einen schlüpfrigen Gag wie kein anderer, doch "Cat in the Hat" ist ein Kinderbuch. Anders als Jim Carrey im Grinch, der sich wirklich auf ein Kinderniveau herunterliess und mit Faxen und Kostüm zum diabolischen Wicht wurde, ist die Katze eben doch nur ein improvisierender Michael Myers mit Fell. Fies, schlüpfrig, frech. Und das will und will nicht zum moralisch doch recht bodenständigen Seuss passen. Nicht viel besser sind die Nebendarsteller. Alec Baldwin kann einem nur Leid tun und Spencer Beslin hasse ich, seit er sein Gesicht in "The Kid" gezeigt hat. Dakota Fanning ist okay. Sie alle tun in dem Streifen ja eigentlich eh nur eins: Staunen und Schreien. Ich habe selten einen so lauten Film gesehen. Als ob der Overkill an Farben nicht genug wäre, gibts auch noch einen Overkill an Sound. Nach ein paar Minuten hat man einfach genug von dieser Attacke gegen Sinn und Verstand, wünscht die Katze zum Metzger und "Ding 1 / Ding 2" in die Dingsda-Hölle. Der Film ist zum Glück nur 78 Minuten lang, doch bei dem Mini-Inhalt ist auch das noch eine Ewigkeit.

Und so muss man zusehen, wie die Effekte zunehmen, wie ein alberner CGI-Goldfisch keine Substanz dazubringt, wie Michael Myers kurz mit Paris Hilton tanzt, wie Szenen viel zu lange dauern, wie Baldwin sich zum Affen macht, wie die Zuschauer zu gähnen beginnen. "The Cat in the Hat" kam schon in Amerika nicht besonders gut an, dort, wo Dr. Seuss doch noch bekannter und beliebter ist als bei uns. Hier in Europa dürften die Kritiker das Teil zerfleischen. Und dies absolut zu Recht ... PS: bei imdb.com ist er momentan unter den "Bottom 100" und er ist nominiert für 8 Razzies, unter anderem für den schlechtesten Film, schlechtester Regisseur, schlechtester Hauptdarsteller und "Worst Excuse for an Actual Movie (All Concept/No Content!)" Besser kann man es kaum sagen.

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2/4
imdb


Cheaper by the Dozen USA 2003
Komödie
Reviewed 26.1.04

Regie: Shawn Levy
Mit: Steve Martin, Bonnie Hunt, Piper Perabo, Tom Welling, Hillary Duff, Kevin Schmidt, Alyson Stoner, Jakob Smith, Forrest Landis, Ashton Kutcher, Richard Jenkins, Wayne Knight

Ich hasse Familienchaos à la Hollywood. Wenn Kiddies durch die Wohnung turnen, alles kaputt machen und herumschreien, dann soll das ach-so-niedlich sein. In Wahrheit würden Eltern ausrasten und ihre Sprösslinge beim Psychiater deponieren. Im Film ist es jedoch immer "sympathische Anarchie". "Cheaper by the Dozen" ist voller solcher Szenen. Schon am Anfang herrscht im Hause Baker der organisierte Tumlult. Denn Tom (mässig amüsant: Steve Martin) und Kate (drollig: Bonnie Hunt) haben es tatsächlich fertig gebracht, 12 Kinder (darunter Hillary Duff, Tom Welling) zu bekommen. Dafür mussten sie sogar aufs Land ziehen, wo es mehr Platz hat und die Kinder sich auslassen können. Doch da bekommt Daddy Tom einen Traumjob als Footballtrainer in Chicago. Die Familie zieht um in die Grossstadt. Dort fühlen sich die Kids nicht wohl und machen Tumult. Der Unterschied zu vorher? Eigentlich keiner, bloss, dass sie beim tumulten halt saure Gesichter machen. Und den Lover (Ashton Kutcher) ihrer ältesten Schwester (Piper Perabo) nerven. Als Mamma dann auch noch nach New York muss, um ihr Buch zu promoten, bricht die Hölle aus.

Die Botschaft dahinter: Kinder brauchen ihre Eltern. Mütter gehören an den Herd. Und Familien aufs Land. Würg. Der Film von Shawn Levy (Just Married) basiert eben auf dem True-Life-Roman von Ernestine Gilbreth Carey und Frank B. Gilbreth Jr., der schon 1950 mit Clifton Webb und Myrna Loy verfilmt wurde. 1950? Ja, denn so alt ist die Vorlage - und genau dahin gehört auch dieses Remake. Die Aussagen sind so verstaubt, dass es mir gegen Ende übel wurde. Papa kommt alleine nicht mit den Kids klar, eine Karriere für Mamma liegt nicht drin, Sex im Haus ist verboten und so weiter. Das ganze Arsenal an Botschaften, die Amerikas Moral Majority so glücklich macht. Als ob die Aussagen nicht hässlich genug wären, sie machen auch keinen Sinn. Wie vorher angedeutet herrscht bereits am Anfang Chaos. Das spätere Chaos ist halt einfach rabiater und unglaubwürdiger. Das sind keine Kinder, das sind Selbstzerstörungsmechanismen, die alles kapuut machen und keine Sekunde daran denken, die Eltern zu unterstützen. Also bitte, es gibt viele Kinder, die sich etwas rotzig aufführen - aber gleich so? Und gleich alle? Ich hab ja ein paarmal gelacht, aber danach hab ich ernsthaft an eine Sterilisierung gedacht.

Insofern ist "Cheaper by the Dozen" nicht viel anders als die andere Komiker+Kids=$$$ - Komödie von 2003, Daddy Day Care, die wie "Cheaper by the Dozen" zum lukrativen Hit wurde. Beide leben vom "Charme" revoltierender Kids. Tja, im Kino kann man darüber lachen, daheim hätte man einen Herzinfarkt. Oder die Scheidung. Doch während Daddy Day Care sich immerhin liberal gibt (Väter als Hort-Leiter), ist "Cheaper by the Dozen" so altmodisch, dass es kracht. Am Schluss gibt Mamma den Job auf, die Family reist wieder aufs Land und alles ist wieder ach-so-schön. Nun, eigentlich konnte ich es ja ahnen. Es ist schliesslich schon erschreckend, wenn ausgerechnet Just Married-Star und Demi-Moore-Popper Ashton Kutcher als Model-Schrägstrich-Schauspieler die besten Gags hat und auch am meisten Selbstironie beweist ("Ich weiss, dass ich kein guter Schauspieler bin! Ich kriege meine Rollen wegen dem Gesicht!"). Kutcher als Highlight; dann sieht's für den Rest des Films düster aus ... nur eine kleine Szene in den End Credits hat noch Pep: Während den Outtakes schmust der attraktive "Smallville"-Star Tom Welling seine Filmmutter Bonnie Hunt ab. Na das gehört aber nicht in einen G-Rated-Haushalt. Und gerade deshalb ists ja so schön kinky ...

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Roger Ebert (USA) 3/4
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Coffee and Cigarettes USA 2003
Episodenfilm
Reviewed 3.5.04

Regie, Buch und Schnitt: Jim Jarmusch
Kamera: Robby Müller, Tom DiCillo, Frederick Elmes, Ellen Kuras
Mit: Cate Blanchett, Bill Murray, Iggy Pop, Tom Waits, Alfred Molina, Roberto Benigni, Steve Buscemi, Steve Coogan, Steven Wright, RZA, GZA, Jack & Meg White

In Zeiten von Bio-Wellness-Weekends, Light-Mineralwasser und fettfreien Chips ist der Titel "Kafee und Zigaretten" eine Lebenseinstellung: Lieber ungesund als langweilig. Ich muss mich zwar als nichtrauchender Cola-Light-Fanatiker gegen dieses Vorurteil wehren, aber es ist klar, auf welches Image Independent-Ikone Jim Jarmusch anspielt. Menschen jenseits der 30, lebenserfahren und relaxt, geniesserisch und nicht besonders trendig geniessen Kaffee und Zigaretten. Ich bin der Meinung, wer Zigaretten raucht, ist nervöser und in Zwängen gefangen und wer Kaffee trinkt hat einen erhöhten Puls und nervöse Zuckungen - aber das hielt mich nicht davon ab, "Cofee and Cigarettes" zu geniessen.

Jarmusch drehte den Film zwischen 1986 und 2003 mit verschiedenen kleinen Schauspielergrüppchen. Der so in Episoden aufgeteilte Streifen ist komplett in schwarzweiss gefilmt, wobei Jarmusch auf die jeweils gerade verfügbaren Kamera-Talente zurückgreiff - darunter illustre Namen wie Robby Müller und Tom DiCillo. Die haben aber eigentlich nichts zu tun. Es gibt maximal vier Einstellungen. Establishing-Shots, Close-ups der Personen, einen Shot, der den Tisch und die Leute zeigt und ein Shot von oben, der zeigt, was auf dem Tisch ist. Alles ganz statisch und unspektakulär. Visuell unterstreicht Jarmusch den Inhalt. Auf den kommt es an. Auf das Geplappere der Figuren. Genau dieses ist von unterschiedlicher Qualität ...

Der Auftakt "Strange to Meet You" mit Roberto Benigni und Steven Wright ist doof. Er gefiel mir gar nicht - vor allem wegen Benigni. Zum Glück ist er recht kurz. Die Episode "Jack Shows Meg His Tesla Coil" mit Jack und Meg White ist stinklangweilig und die kryptische Episode "Renée" mit der schönen Renée French ist diffus und öde. Minim besser sind die Zwillinge Cinqué und Joie Lee mit Steve Buscemi ("Twins"). Auch in dieser Liga das Gespräch zwischen Alex Descas und Isaach De Bankolé ("No Problem"). Dann wirds besser. Joe Rigano sowie Vinny Vella Sr. und Jr. sind witzig in "Those Things'll Kill Ya". Cate Blanchett, die sich in "Cousins" selbst sowie ihre trashige Cousine spielt, ist die einzige, die eine Folge allein bestreiten muss, was sie etwas schizophren macht. Aber Jarmusch versteckt einige Weisheiten über das Leben als Star in den paar Minuten. Die schöne Schlussepisode "Champagne" mit Taylor Mead und Bill Rice, die plötzlich Musik von Mahler hören, ist bezaubernd. "Somewhere in California" ist eine recht bissige und amüsante Episode mit den Musikern Iggy Pop und Tom Waits, die fast am besten das "Coffee and Cigarettes"-Gefühl transportieren. "Delirium" ist die witzigste Folge - mit den "Wu Tang"-Boys RZA und GZA als Esotherik-Freak und dem durchgeknallten Bill Murray als Kellner. Cool. Und die Nummer eins ist wohl "Cousins?", in der Steve Coogan den vermeintlich weniger bekannten Alfred Molina als lästigen Fan betrachtet, mit dem man sich halt ein wenig abgeben muss. Als er aber mit einer Überraschung aufwartet, kapselt sich Steve ab - bis zu dem Moment, als Alfred mit einem "Spike" telefoniert. In der Episoe steckt viel Satire, viel Humor und viel Weisheit.

Als Ganzes ist "Coffee and Cigarettes" halbwegs gelungen. Ein paar Episoden sind selbstgefällig bis doof, cineastisch hat der Streifen wenig zu bieten. Es ist alleine die Freude, den bekannten Persönlichkeiten beim Relaxen zuzuschauen, die den Film interessant macht. Für mich ist so ein Film nichts fürs Kino, sondern für daheim auf dem Sofa. Mit etwas Cola Light und ohne Zigaretten. Nein, der Film hat mich nicht bekehrt ...

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Cold Creek Manor USA 2003
Thriller
Reviewed 31.3.04

Regie, Produktion und Musik: Mike Figgis
Mit: Sharon Stone, Dennis Quaid, Stephen Dorff, Juliette Lewis, Kristen Stewart, Ryan Wilson, Dana Eskelson, Christopher Plummer

Eine quietschende Tür da, ein Schatten dort, ein totes Pferd da - "Cold Creek Manor" spielt mit den üblichen Zutaten des häuslichen Thrillers. Na ja, bis auf das im "Godfather"-Stil abgemurkste Pferd, das sieht so friedlich im Pool schwimmend schon etwas surreal aus. Wohl weil es verblutet ist. Wer hat es getötet? Eine spannende Frage - wäre der Film drumherum nicht so verdammt langweilig. Na gut, es geht auch nicht um ein totes Pferd. Aber ich musste ja mit etwas beginnen, was immerhin halbwegs spannend ist. Oder liest jemand einen Text, der beginnt "ein Bauerndepp will eine Städter-Familie aus seinem ehemaligen Landsitz vertreiben"? Na also ... bloss, darum geht es in dem Film von Mike Figgis ("Leaving Las Vegas"). Besagte Städter sind Cooper (Dennis Quaid) und Leah Tilson (Sharon Stone), die mit ihren Kindern Kristen (Kristen Panic Room Stewart) und Jesse (Ryan Wilson) von New York aufs Land ziehen. Sie lassen die riesige Villa "Cold Creek Manor" umbauen und bekommen bald Besuch vom vorherigen Mieter Dale Massie (Stephen Dorff). Der ruppige junge Mann kam eben aus dem Knast, in dem er sass, weil er einen Mann überfahren hat. Er bietet an, beim Umbau zu helfen - doch in Wahrheit will er bloss sein Haus zurück und beginnt deshalb, die Tilsons zu terrorisieren.

Da kommen dann eben die toten Pferde ins Spiel, die bissigen Schlangen und die unheimlichen Geräusche. Buhu. In gewissem Sinne ist "Cold Creek Manor" die 2003er-Version von "What Lies Beneath". Beide handeln lange Zeit von Nichts und servieren bloss Red Herrings und Ablenkungen. Bloss machte das Robert Zemeckis in "What Lies Beneath" auf spannende Weise. Figgis dagegen weiss nicht, wie er Spannung erzeugen kann. Es gibt Fotos, die Dales Vater (Christopher Plummer) inzestuös-pädophile Neigungen unterstellen könnten. Doch aus denen macht der Film nichts. Nein, er vergisst sie sogar. Dann sieht Stephen Dorff mit aufgepumpten Muskeln und sonnengrebräunter Haut richtig lecker aus - denkt sich Sharon Stone und wünschte, sie wäre nochmals 34 und Dorff Michael Douglas. Doch auch daraus wird nichts. Kein Sex (das ist immerhin Stephen Dorff, Meister der feuchten Filmküsse à la "Space Truckers"!), nein es gibt nicht einmal ein Knistern. Nur weiteres Gähnen. Der geneigte Zuschauer guckt auf die Uhr und verflucht den Editor, der dachte, das Publikum halte diesen Stuss zwei Stunden lang durch. Und dann, in der letzten halben Stunde, kommen endlich die Twists. Leider ahnt man die schon nach 10 Filmminuten, aber egal. Sie kommen. Es kommt auch ein bisschen Grusel. Also schafft man die Kinder beiseite. Super Idee. In The Missing nahmen die Leute extra ein Kind mit auf die gefährliche Reise, damit man etwas Kiddie-in-Danger-Szenen einbauen kann. In "Cold Creek Manor" schafft man die Kids weg. Wieso auch dem Zuschauer zuviel Spannung zumuten.

Gleiches gilt für den Klimax. Da wird Sharon Stone in ein hübsches Waldloch geschmissen und kommt sich vor wie Naomi Watts in The Ring. Mustergatte Dennis Quaid setzt zur Rettung per Seil an. Schuppst ihn der Fiesling etwa auch rein? Och nö, der eilt lieber nach Hause und bereitet einen absurden Showdown vor. Auf dem Dach. Bei Regen. Habe ich erwähnt, dass er viel redet, anstatt zu töten? Tut er. Oh ja, in "Cold Creek Manor" gibt es keine Überraschung. Die grösste ist, wieso ich dem Langweiler überhaupt zwei Sterne gebe. Nun, ich mag Stephen Dorff. Ja, solche Leute gibt es. Auch Dennis Quaid ist ganz gut. Und Kristen Stewart, die praktischerweise im Film auch so heisst, damit ihr Vorname dem Publikum bekannter wird, ist einfach ein kleines Naturtalent. Den Inzest-Subplot, der leider nie zum Tragen kommt, fand ich interessant. Und die Dokfilm-Geschichte (Cooper dreht eine Doku über die Massies) ist clever - hätte aber einen viel besseren Plot abgegeben. Man denke etwa, diese Dok hätte Dale erst wütend gemacht. Cooper wäre der eigentliche Bösewicht, weil er seine Familie in dieses Haus lotste, um seine Karriere mit einer kontroversen Dok voranzutreiben. Psychologisch ein wenig im Stile von "Cape Fear". Aber nein, das wäre für diesen Film zu intelligent. Also, aufgerundete 2 Sterne, aber sicherlich keine Empfehlung von mir. Schaut euch lieber alle Filme an, die ich oben erwähnt habe. Jeder von ihnen ist besser als dieser hier. Für die, die die olle Kritik nicht nochmals lesen wollen, hier die Liste: "Godfather", "Leaving Las Vegas", "Panic Room", "What Lies Beneath", "Space Truckers", "The Missing", "The Ring", "Cape Fear".

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Roger Ebert (USA) 1½/4
BBC (GB) 2/5
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Cold Mountain USA 2003
Kriegs-Liebesdrama
Reviewed 14.1.04

Regie und Buch: Anthony Minghella
Mit: Jude Law, Nicole Kidman, Renée Zellweger, Donald Sutherland, Philip Seymour Hofman, Ray Winstone, Brendan Gleeson, Natalie Portman, Kathy Baker, Giovanni Ribisi, Aileen Atkins, Charlie Hunnam, Jena Malone, James Gammon

Charles Fraziers langer, von mir nicht gelesener Roman "Cold Mountain" muss eine Art Mischung aus "Gone With the Wind", "Simplicissimus" und Homers "Odyssee" sein. Soweit jedenfalls mein Eindruck nach der Filmversion von Anthony Minghella. Der Lieblingsregisseur der Miramax-Filmpreis-Fabrik konnte für die Adaption auf Stars im Multipack setzen und verspricht somit viel. Ziel ist es ganz klar, ein paar Gold-Männchen zu gewinnen, und das wird er auch schaffen. Doch sind sie verdient? Ich hatte schon bei "The English Patient" das Gefühl, Minghella sei überschätzt und sein Film einer der wenig verdienten "Oscar"-Gewinner. "The Talented Mr. Ripley" war mehr auf meiner Linie. Ein toller Film. Und wo kommt "Cold Mountain" zu liegen? irgendwo dazwischen. Und die "Oscar"-Nominationen, die garantiert kommen werden, sind teilweise verdient ...

So etwa für den Kameramann John Seale. Der alte Hase bannt die Handlung auf Bilder erster Güte. Der Kontrast aus Schlamm und Blut des Krieges mit dem saftigen Grün des Dorfes Cold Mountain ist erleuchtend. Schon zu Beginn ist Seales Arbeit genial. So sehen wir Jude Law als Inman, der mit anderen Südstaatlern gegen Ende des Bürgerkriegs auf einen Angriff der Yankees wartet. Die fiesen Nordstaatler legen Sprengstoff unter den Gegnern und sprengen sie in die Luft. Danach greifen sie an und verrennen sich ausgerechnet in dem Krater, den ihre Explosion angerichtet hat. Weil die Soldaten von hinten weiter drücken, sind die vorderen Reihen gefangen - und leichte Beute für die überlebenden Südstaatler. Ein sinnloses Gemetzel folgt, das extrem brutal gezeigt wird. Seales Arbeit ist vorzüglich und Minghella setzt voll auf Realismus. Durch Inmans Briefe erfahren wir, was vor diesem Morden war: Dass Inman im Dorf Cold Mountain, South Carolina, lebte. Dorthin zieht Reverend Monroe (Donald Sutherland) mit seiner Tochter, der Stadtschönheit Ada (Nicole Kidman). Inman und Ada verlieben sich, doch da bricht der Bürgerkrieg aus und Inman muss an die Front.

Monroe stirbt, doch bevor der Hof verlottert, bekommt Ada Hilfe von der urchigen Ruby (Renée Zellweger). Zusammen schlagen sie sich durch und wehren sich gegen die Bürgerwehr von Teague (Ray Winstone), die alle Deserteure tötet und die einzigen Männer in Cold Mountain sind. Inman schlägt sich derweil durch den halben Süden, um zu seiner Geliebten zurückzukehren. Und da ist das allergrösste Problem von "Cold Mountain". Ich glaub's nicht. Ich nehm Law und Kidman diese Liebe nicht ab. "Cold Mountain" ist ein Film mit extrem starken Einzelszenen, toller Kamera, schöner Musik und brillanten Akteuren - doch das Drehbuch hat substanzielle Probleme, die nicht einmal ein begnadeter Cutter wie Walter Murch ("Star Wars", "English Patient") beheben kann. Das Hin- und Her-Geschneide zwischen Law und Kidman sowie ihrer kurzer gemeinsamen Vergangenheit ist extrem holprig und ich brauchte um die 20 Minuten, bis ich drin war. Zudem sieht man Law und Kidman fast nie zusammen. So brillant sie auch spielen, das Drehbuch erlaubt ihrer Liebe nicht zu atmen. Und dann? Dann schreibt sie 103 Briefe und er kriegt bloss 3 davon. Die Liebe soll so stark bleiben? Laws Charakter lebt nur durch diese Liebe weiter und trotzt allen versuchungen auf dem Weg - also muss die Kraft der Beziehung stärker sein, als sie Minghella fertig bringt. Leider wirkt die Affäre (mehr ist es noch nicht) ziemlich frigide. Und die Briefe sind auch ein doofer Einfall:

Wenn der Gegenüber die Briefe nie lesen kann, wie sollen Gefühle ausgetauscht werden, die Liebe anhalten? Wie Roger Ebert etwas zynisch schreibt "There are times when we feel less like the audience than like the post office" - wir, die Zuschauer, bekommen nämlich etliche der Briefe mit. Aber die Gefühle wandern nicht von einer Person zur anderen. Minghella und Murch versuchen, dies durch cleveren Voice-Over-Schnitt zu kaschieren. Doch das hat einen weiteren negativen Effekt: Leute reden aus dem Off, lesen Briefe ab und reden in einer vorangegangenen Szene in die nächste hinein. Technisch ganz souverän, aber es distanziert weiter vom Film. Zudem hören sich alle Nebendarsteller an, als seien sie im Nachhinein vertont worden. Mich störte das am Anfang gewaltig, wenn etwa die Statisten ihre Dialoge ablesen, als seien sie im Studio. Die Stimmen, die Teil der Geräuschkulisse sein sollten, stehen heraus und reissen aus dem Plot. Da dieser zu Beginn eh holpert, befürchtete ich das Schlimmste. Dazu noch Minghellas plakative, John-Woo-eske Symbolik (Taube=Frieden, Krähe=Tod, Hahn=Teufel) und ein grosser epischer Flop braut sich zusammen ...

Aber es passiert nicht. Nach 30 Minuten passierte dafür etwas Anderes: Der Film findet seinen Rhytmus. Während Laws Wanderung zu seiner Geliebten einen Anstrich der "Odyssee" bekommt, kriegt Kidmans Story langsam Leben. Und alles greift plötzlich wunderbar ineinander. Zuerst zu Law: Die "Odyssee" drängt sich auf, weil er allen möglichen Verführungen und Personen begegnet. Darunter sind die meisten brillante Einzelszenen. So trifft er etwa auf Natalie Portman, die alleine ein Baby grosszieht und von Yankees vergewaltigt zu werden droht. Sie kuschelt sich an Law ran in der Nacht, weil sie seit Jahren keine Nähe mehr spüren konnte - ein Thema, das sich durch den Film zieht und das gewisse weibliche Zuschauer im Saal mit Zähneknirschen entgegen nahmen. Klar sieht es seltsam aus, dass sich so viele Frauen Jude Law an den hals werfen (obwohl er wirklich lecker aussieht). Aber die Situation dieser Leute macht es sehr gut nachvollziehbar. Die Jahre der Kälte, die Jahre ohne Männer, das kann man durchaus in einem emotionalen Moment kompensieren wollen. Nichts sexistisches dabei.

Als Portmans Hütte dann tatsächlich angegriffen wird, kam mir ein anderer Wälzer in den Sinn: "Simplicissimus". Der Schinken von Grimmelshausen beschreibt, wie Truppen die Bevölkerung terrorisieren, weil sie Nahrung brauchen. Vergewaltigung, Mord und das Nehmen von wertvoller Nahrung - das hat eine deftige Wirkung. Und obwohl es in "Cold Mountain" nur angedeutet wird (besonders eben in der Portman-Szene) ist dieser pazifistische Unterton stets präsent. Minghella hasst den Krieg, was immer wieder (zu) klar gemacht wird. Alle Soldaten sind korrumpiert. Nord und Süd - beide sind Schlächter geworden. Krieg ist (das wissen wir langsam) die Hölle und Minghella zeigt dies überzeugend. Law lernt aber nicht nur den krieg hassen, er trifft auch auf illustre Figuren, darunter Philip Seymour Hofman, Jena Malone, Giovanni Ribisi, Eileen Atkins und viele andere. Alles top-Szenen. Doch was bewirken sie? Sie dienen nur dazu, Inman als Engels-gleichen Mann darzustellen - und nach der dritten Szene wird das etwas mühsam. Wiederum muss ich sagen: Als Einzelszenen brillant, im Kontext nicht ganz befriedigend.

Der Kidman-Story geht's genauso. Doch sie wird brillant, als René Zellweger nach rund einer Stunde ins Spiel kommt. Beide Ladies haben noch vor nicht allzu langer Zeit starke Musicals gedreht (Kidman Moulin Rouge und Zellweger Chicago) - und sie nun beim Mist-Transportieren zu sehen, hat etwas meta-ironisches. Doch es ist von Anfang an klar: Zellweger stiehlt die Show. Sie bringt soviel Energie in den Film, dass sie Kidman jede einzelne Szene stiehlt, in der sie drin ist. Ja, Renée ist der heimliche Star des Films. Nebendarsteller in diesem Plot sind Ray Winstone und Brendan Gleeson (die sich leider fast zu stark ähneln) und Charlie Hunnam. Wer? Er ist der 15-Jährige, der in der britischen Kult-Serie "Queer as Folk" verführt wird. Nun spielt er einen sadistischen Helfer von Winstone. Und das macht er sehr diabolisch. Doch dann sieht man auch in diesem Handlungsstrang das Ende sich anbahnen. Wenn es dann kommt verliert der Film wieder ...

Kommen Kidman und Law zusammen oder nicht? Die Antwort ist eigentlich klar, denn Minghellas Symbolik ist fataslistisch und damit durchschaubar. Kidman sieht ihren Schatz in einer Reflektion des Brunnens. Sie sieht ihn heimkehren. Und zusammenbrechen. Stirbt er? Dies ist die interessantere Frage. Ob sie sich treffen, ist weniger interessant. Und wie sie sich treffen, ist schlicht banal. Oh, nun hab ichs gespoilert. Böser ich. Nein im Ernst, der Schluss leidet an der selben Nicht-Beziehung der beiden Stars, die von Anfang an den Film torpediert. Hätte Minghella die Beziehung besser aufgebaut, der ganze Film wäre um etliche Ebenen besser. So ist er ein brillantes Epos der Einzelteile, aber eine fade Love-Story. "Gone Woih the Wind"? Pah, niemals. Dafür ist er zu kalt. Nicht nur wegen Kidman.

Ich sags nochmals: gespielt ist "Cold Mountain" exzellent. Das Problem liegt bei Minghella, der seine Leute nicht Chemie aufbauen lässt und der ihnen schwerfällige Dialoge in den Mund legt. "Cold Mountain" hat deshalb einige Preise verdient, wie ich es bereits angetönt habe. Aber garantiert keine Auszeichnung kriegen sollten Minghellas Drehbuch und Murchs Schnitt. Diese beiden Elemente ziehen ein potentielles Meisterwerk nach unten. Vielleicht war ja aber auch die Vorlage schon strukturell problematisch. Ich weiss es nicht, ich will es nicht wissen. Der Film jedenfalls, ist es. Aber sehen sollte man ihn trotzdem - alleine der einzelnen Sequenzen wegen, die einem lange im Kopf bleiben ...

Wer eine ganz böse Kritik lesen will, sollte mal zu Slant gehen. Der Verriss geht mir viel zu weit - aber geschrieben ist er sowas von köstlich.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
imdb


Confidence USA 2003
Gangsterfilm
Reviewed 20.11.03

Regie: James Foley
Mit: Edward Burns, Rachel Weisz, Dustin Hoffman, Paul Giamatti, Andy Garcia, Luis Guzman, Brian Van Holt, Franky G., Morris Chestnut, Tom "Tiny" Lister Jr., Robert Forster, Leland Orser

"Confidence" von James Foley ("Glengarry Glen Ross") ist eine Art David Mamet Light. Ein Gangsterfilm mit vielen Twists, aber ohne die Cleverness einer Mamet'schen Konstruktion. Edward Burns leitet den Film mit dem Satz "so I'm dead" ein. Damit scheint man schon viel zu wissen, aber in Wahrheit weiss man nichts. In Rückblenden sowie Rückblenden in Rückblenden erfahren wir, dass Burns und seine Mannen Giamatti und Van Holt einen Geldboten des reichen King (Dustin Hoffman) eusgenommen haben. Um sich zu entschuldigen, wollen sie nun Kings Gegner Morgan Price (Robert Forster) übers Ohr hauen und dem King einen Anteil abgeben. Unterstützung kriegen sie von Rachel Weisz und Franky G. - Kings Mann fürs Grobe. Derweil ist ihnen FBI-Agent Andy Garcia auf den Fersen ...

Und los gehts. Probleme tauchen auf, Lösungen werden gesucht, neue Pläne entworfen, es werden Leute reingelegt, andere doppelt reingelegt. Alles ganz hübsch gemacht und akzeptabel spannend - aber man hat keine Bindung zu den Charakteren. Foley konzentriert sich auf Archetypen des Genres und macht so vieles nicht nur durschaubar sondern leider auch unterkühlt. Burns' lapidarer Begleitkommentar macht die Sache auch nicht besser. Und so kichert man zum Schluss kurz, wenn endlich der ganze Plan klar wird, doch mehr kriegt "Confidence" nicht fertig. Es ist ein gut gemachter, sehr gut gespielter (Dustin Hoffman ist schrill, Andy Garcia sieht aus wie Drafi Deutscher) und wendungsreicher Gangsterfilm. Aber kein Eintrag im Genre, der von Dauer ist ...

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 3/5
imdb


The Core USA 2003
Katastrophenfilm

Regie: Jon Amiel
Mit: Aaron Eckhart, Hilary Swank, Stanley Tucci, Tchéky Karyo, Delroy Lindo, Bruce Greenwood, DJ Qualls, Alfre Woodard, Richard Jenkins

"The Core" ist ein Rückschritt zu jenen Katastrophenfilmen, die wir aus den 50er- bis 70er-Jahren kennen. Ein artverwandtes Beispiel ist etwa "Crack in the World", ein unterhaltsamer Katastrophenfilm von 1965. Damit ist auch bereits gesagt, was "The Core" ist: Unterhaltsam. Ich mag solche Katastrophenfilme, in denen in der Anfangsphase die ersten Auswirkungen einer Katastrophe zu spüren sind, ein Team versammelt wird - und dann die hahnebüchenste aller Ideen zur Rettung der Welt angepackt wird. Ja, so macht das Spass. Bei "The Core" ist es besonders gut gelungen, weil am Anfang alles wissenschaftlich Hand und Fuss zu haben scheint, doch je weiter die Terranauten ins Erdinnere vorstossen, desto unplausibler wird der wissenschaftliche Hintergrund.

Vielleicht sollte ich nun erst einmal sagen, worums überhaupt geht: Der flüssige Erdkern hat aufgehört, zu rotieren. Deshalb wird das Magnetfeld um die Erde kollabieren. Elektromagnetische Entladungen, Ausfall aller Elektronik und letztendlich die Verglühung der Erdoberfläche sind die Folgen. Ein Team aus Wissenschaftern wird in ein neuartiges Gefährt gesteckt, das mit einem neuartigen Sonar-Laser (oder so) ins Erdinnere gräbt, um mit Atombomben den Kern wieder in Gang zu bringen. Yeah baby.

Alles, was in "The Core" mit Temperatur, Funkkontakt oder Druck zu tun hat, ist idiotisch. Aber was solls. Schliesslich weiss niemand, wie es im Erdinnern wirklich zu und her geht und so kann Regisseur Jon Amiel ("Entrapment") seiner Fantasie freien Lauf lassen. Das Erdinnere sieht in der Tat recht cool aus. Ein bischen psychedelisch à la "2001", doch letztendlich schaut man ja nur irgendwelche CGI-Kreationen an, die auf der Leinwand zwar gut aussehen, aber nicht plausibel sein müssen. Was es ist, ist egal. Schon informativer sind die Katastrophen am Anfang. Da schmiltz die Golden Gate Bridge, da explodiert das Kollosseum und da fliegen Vögel Amok (eine Hommage an "The Birds"). Bis auf ein paar echt furchterregend schlechte Effekte (u. a die in Rom) sind die FX ganz ansehnlich. Eine letzte Vor-Katastrophe findet im All statt: Ein Space Shuttle gerät vom Anflugskurs ab und crasht in Los Angeles. Die Szene wurde nach dem "Columbia"-Desaster aus den Trailern teilweise entfernt - aber so wie sie nun im Film ist, ist sie herosch ohne klebrig zu sein.

Überhaupt fehlt das patriotische Heldentum à la Bruckheimer, von dem das thematisch ähnliche Spektakel "Armageddon" stammt. Man sieht fast keine US-Fahnen und obwohl es vorwiegend Amis sind, die die Welt retten, wird das nicht endlos so wiederholt. Einer der heroischsten Männer an Bord ist sogar ein Franzose. Man erinnert sich, dass Amerikaner und Franzosen vor diesem Irak-Hickhack ja mal Freunde waren. Und dass man in Zeiten einer Krise das Umbenennen von Kartoffeln lieber sein lassen sollte, um sich auf das Wohl der Menschheit zu konzentrieren. Heldenhafte Franzosen, zwielichte US-Militärs - mal sehen, wie die amerikanischen Kinogänger darauf reagieren. Hoffentlich kommen sie sich so blöd vor, wie sie wegen Bush und Co. auch da stehen. Aber ich schweife ab.

"The Core" ist wissenschaftlich unhaltbares, etwas langes, aber spannend inszeniertes und gut gespieltes Katastrophenkino mit den üblichen Genre-Zutaten. Wer wie ich diese Art von Filmen mag, wird an "The Core" seine Freude haben. 

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
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Cradle 2 the Grave USA 2003
Actionfilm

Regie: Andrzej Bartkowiak
Mit: Jet Li, DMX, Mark Dacascos, Anthony Anderson, Tom Arnold, Gabrielle Union, Kelly Hu, Drag-on

"Cradle 2 the Grave" ist ein schreklich dummer Film. Die Dialoge sind furchterregend, einige Familien- und Gebets-Szenen ziehen den Streifen arg in die Länge. Und den Plot (es soll eine "Hommage" an "M" sein ...) kann man vergessen. Aber meine Güte macht diese Joel-Silver-Produktion Spass. So ab der Mitte des Films dreht Regisseur Andrzej Bartkowiak ("Speed"-Kameramann und "Romeo Must Die"-Regisseur) das Tempo hoch. Es gibt eine geniale Fightsequent mit Jet Li in einem Käfig, deftige Verfolgungsjagden und ein explosives Finale. All dies reisst gewaltig vom Hocker. Jet Lis Kampfakrobatik ist nicht so stark mit CGI verwässert wie in "Romeo Must Die" und neben Li kriegen auch DMX, Mark Dacascos und Kelly Hu ("X-Men 2") genügend Szenen, um ihre Kampfkünste zu präsentieren.

Der Hip-Hip-Soundtrack, die auf cool getrimmte Kameraführung und die ethnisch angenehm durchmischte Besetzung geben "Cradle 2 the Grave" einen weiteren Bonus. Bartkowiak kann damit nahtlos an "Romeo Must Die" anknüpfen (seinen Seteven-Seagal-Ausrutscher "Exit Wounds" sei einfach mal vergessen) und sich als kompetenter, gestylter Actionregisseur etablieren. Nochmals: Der Film ist sturzdumm - aber macht ne Menge Spass.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 2/4
BBC (GB) 3/5
TV Spielfilm (D) 3/3
Tele (CH) 2/4
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Daddy Day Care USA 2003
Komödie
Reviewed 21.10.03

Regie: Steve Carr
Mit: Eddie Murphy, Jeff Garlin, Steve Zahn, Regina King, Kevin Nealon, Anjelica Huston, Jonathan Katz, Lacey Chabert, Khamani Griffin

Eddie Murphy hat sich seit seinen besten Filmen (u.a. "Trading Places", 1983) kaum weiterentwickelt. Im Gegenteil: In den 90ern drehte er seine besten Werke als Sprecher ("Shrek", "mulan") und trat daneben allerlei Komödien auf, von denen 75% Scheisse waren. "Daddy Day Care" gehört zwar nicht zu dieser, doch wirklich super ist die Komödie von Steve Carr ("Dr. Dolittle") auch wieder nicht. Murphy spielt den Familienvater Charlie, der seinen Job verliert. Um an Geld zu kommen und gleichzeitig Geld zu verdienen, eröffnen er und sein Kumpel Phil (Jeff Garlin) einen Kinderhort. Die kleinen Racker halten die zwei Männer arg auf Trab. Ebenso die steife Mrs. Harridan (Anjelica Houston), die eine Edel-Krippe betreibt und sich bedroht fühlt.

Der Humor ist voraussehbar für jeden, der "Mr. Mom" (1983) oder "Kindergarten Cop" (1990) gesehen hat: Die kleinen Racker nerven die Erwachsenen, werden dann aber ganz lieb und wachsen ihnen ans Herz. So süss. Tatsächlich sind einige der Gags auch ganz gelungen und Steve Zahn bietet als Über-Geek coolen Support für die beiden Krippen-Guys. Doch ach so viele Pointen beziehen sich aufs Furzen, Kacken und Pinkeln. Das kennt man wirklich langsam. Nicht nur das, auch die Moral ist etwas dubios: Den Kindern etwas beibringen, wie es Erzbösewichtin Huston will, ist pauschal schlecht. Die Kids herumtollen und herumalbern zu lassen, ist prinzipiell gut. Sagen wir mal, ein idealer Hort wäre etwa in der Mitte. Kinder zu anarchischen Gören zu "erziehen", kann ja nicht Sinn der Sache sein und es würde wohl kein verantwortungsvolles Elternteil ihren Sprössling Eddie Murphy und seinen Kumpels übergeben. Oder irgend einer anderen in dem Film gezeigten Institution. Spass ist okay, aber es kann nicht alleiniges Ziel sein. "I cannot compete with fun" sagt Huston einmal. Wie wahr. Doch damit führt der Krieg einen Kreuzzug gegen Erziehung. Das macht sich bei Kindern und Freigeistern natürlich gut, doch es ist ein einfacher Comedy-Trick mit einfachen Opfern. Besonders peinlich wird das, wenn Hustons Charakter immer tiefer sinkt und am Schluss bloss noch Zielscheibe tumber Gags wird. Klar richtet sich der Film vorwiegend an Kinder, doch denen eine solche Moral zu füttern, kann nicht im Interesse der Eltern liegen, oder?

Ich weiss, es ist ja "nur eine Komödie". Deshalb können einige Leute diesen grossen Mangel vielleicht beiseite schieben. Kann ich nicht. Abgesehen davon, dass der Film innovativer sein könnte, dürfte man wirklich etwas mehr Ausgewogenheit verlangen. Dann wäre er pädagogisch wertvoller. Und dass die Komödie bloss von der Formel Murphy + Kids = Geld angetrieben wird, habe ich bisher gar nicht angesprochen. Na ja, das sei hiermit auch getan ...

PS: Weil die Kassen so gut klingelten, gibts 2005 eine Fortsetzung namens "Daddy Day Camp". Juhui.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) 1½/4
BBC (GB) 2/5
Cinema (D) 4/5
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Dark Blue USA 2003
Krimidrama

Regie: Ron Shelton
Buch: David Ayer nach dem Roman von James Ellroy
Mit: Kurt Russell, Scott Speedman, Brendan Gleeson, Michael Michele, Ving Rhames, Kurupt, Dash Mihok, Lolita Davidovich, Master P

Wenn ihr die kürzest mögliche Zusammenfassung von "Dark Blue" wollt: Es ist ein Mix aus "Training Day" und "L.A. Confidential" mit ein wenig Real-Life-Zutaten rund um den Rodney-King-Prozess. Der Film spielt 1992 und handelt zwar nicht direkt von Rodney King, aber von korrupten, rassistischen Cops. Als die vier Cops im King-Fall frei gesprochen werden, kommt es in L.A. zu den blutigen Aufständen, die auch den Protagonisten (Kurt Russell) hineinziehen. Diese Aufstands-Szenen sind extrem surreal und ungeschönigt - will heissen: Die aufständischen Schwarzen waren damals extrem gewalttätig. Der Film zeigt nicht weisse Cops sind böse, schwarze Ghetto-Bewohner sind lieb. Das wäre viel zu einfach. Die Grenzen in "Dark Blue" sind verschwommen. Die meisten in dem Film sind in irgend einer Form böse. Selbst der eigentlich sympathischste und rechtschaffendste im Film, Ving Rhames, hat ein bisschen Dreck am Stecken, auch wenn der nur privater Natur ist.

Aber ich greife vor ... zurück zum Anfang des Films. Russell spielt genial den Cop Perry, die Washington-Rolle aus "Training Day". Der erfahrene Cop also, der seinem neuen jungen Partner (Scott Speedman) die harten Regeln des Polizeialltags beibringt und auch schnell klar wird, dass Perry einen solchen Hass auf Kriminelle hat, dass er sie bei jeder Gelegenheit tötet. Perry ist kein Held, er ist ein Wrack auf dem Weg in die Hölle. Religiöse Begriffe werden in dem Film oft eingeflochten, aber sie machen Sinn. Der korrupteste aller Personen im Film ist Brendan Gleeson, der den Polizeichef mit solchem Gusto spielt, dass es einem bange wird. Er heuert u.a. zwei Killer an, die einen Koreaner überfallen. Diese Überfallsszene ist extrem. Selten zuvor habe ich in einem Film eine so real wirkende, sinnlose Verschwendung von Leben gesehen. Während der eine den Safe knackt, erschiesst der andere jeden, der in den Laden kommt. Einfach so von hinten und ohne mit der Wimper zu zucken. Die Opfer wissen nicht einmal, wie ihnen geschieht. Später in "Dark Blue" kommen andere Formen der Gewalt dazu - aber eines bleibt stets klar: Es ist kein zimperlicher Film.

Deshalb darf es kein Happy End geben. Der Film schliesst zwar zum Schluss den Kreis, doch es ist ein düsteres Ende, in dem Perry auf das brennende L.A. blickt. Stark. Dabei könnte man vergessen, dass das Krimidrama keineswegs perfekt ist. Russell ist genial, aber seine finale Rede wirkt etwas gestelzt. Die Handlung hat zwischenzeitilich ein paar Längen und dass Gleeson von Anfang an als Bösewicht klar ist, nimmt die Spannung à la "L.A. Confidential" weg. Auch bei der Technik (Kamera-Hysterie, Jazz-Score) gibts ein paar Abzüge. Aber dennoch empfehle ich "Dark Blue" - vor allem Fans des etwas intelligenteren Krimis. Ich bin fürwahr kein Krimi-Fan, aber wenn sich Filmemacher bemühen, eine Krimihandling mit etwas mehr Stoff anzureichern (in diesem Falle v.a. die Rassenunruhen 1992), dann weiss ich das zu würdigen.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 3/5
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Devil's Pond USA 2003
Thriller
Reviewed 22.1.04

Regie und Buch: Joel Viertel
Mit: Tara Reid, Kip Pardue, Meredith Baxter, Dan Gunther

Nach zwei Minuten Einführung ist "Devil's Pond" (mit dem albernen deutschen Titel "Der Feind in meinem Mann") ein zwei Personen-Stück. Zum Glück sind Tara Reid aus "American Pie" und Kip Pardue (Rules of Attraction, Driven) so attraktiv, dass man die kommenden 80 Minuten gerne alleine mit ihnen verbringt. Reid spielt die reiche Julianne, die den armen Mitch (Pardue) heiratete, um endlich von der Mutter wegzukommen. Die zwei fahren in die Flitterwochen in eine Hütte, die Mitch ausgesucht hat. Die liegt ganz idyllisch mitten in einem See. Julianne ist darüber nicht gerade glücklich, weil sie nicht schwimmen kann! Doch sie folgt ihrem Göttergatten auf das einsame Eiland. Sie haben Sex, fischen, schwerzen - doch bald hat Julianne genug. Sie fühlt sich einsam und stellt Veränderungen in Mitch fest. Als sie ihn bittet, heimzukehren, dreht er durch.

Nicht nur der deutsche Titel verrät, wie der Hase läuft, auch jeder Zuschauer hat nach ein paar Minuten raus, was passieren wird. Und so bleiben die Überraschungen leider aus. Es gibt ein paar wirklich spannende Momente und Pardue / Reid sind nicht übel. Doch trotzder geringen Lauflänge ist "Devil's Pond" zu lang. Situationen wiederholen sich (Julianne bleibt viel zu lange passiv!), das Ende ist allzu offensichtlich. Wenn es dann kommt, ist es eigentlich relativ unspektakulär und nicht ganz glaubwürdig. Gilt wohl für den ganzen Film. Kein schlechter Thriller, aber einer, den man in leicht anderer Form schon hundertfach gesehen hat. Bloss für Reid- und Pardue-Fans wirklich ein Must-See ...

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Dogville Dän/S/USA/F/D/I/J/NL/N/GB 2003
Drama/Satire
Reviewed 6.8.03

Regie, Buch, Camera Operator: Lars von Trier
Mit: Nicole Kidman, Paul Bettany, Stellan Skarsgård, Philip Baker Hall, Lauren Bacall, Ben Gazzara, Jeremy Davies, James Caan, Chloë Sevigny, Patricia Clarkson, Siobhan Fallon, John Hurt, Udo Kier, Jean-Marc Barr

Lars von Trier hasst Amerika, das wird bei "Dogville" ganz klar. Bei "Dancer in the Dark" haben ihm US-Kritiker vorgeworfen, er attakiere das Land, ohne je da gewesen zu sein - und mit "Dogville", dem Auftakt seiner USA-Trilogie, zahlt er es ihnen heim: Er projiziert seine Vorstellungen von Amerika in den Film. Er beansprucht gar nicht, die Wahrheit zu erzählen oder eine Allegorie auf das richtige Amerika, sondern seine Vorstellungen. Und die sind krass. Dieses Wort trifft bereits auf die Inszenierung zu: Dargeboten als Neun-Akter (plus Prolog) verzichtet von Trier zwar auf sein beschissenes 95er-Dogma und erlaubt Musik und Sets, doch dafür verzichtet er auf etwas anderes: Requisiten. Er will gar nicht erst glauben machen, hier sehe man eine richtige Stadt, sondern zeigt ganz im Brecht'schen Theater-Stil bloss die Umrisse der Häuser. Darin leben die Menschen von Dogville. Was am Anfang wie ein blöder Einfall wirkt, macht immer wie mehr Sinn. Die wohl abstruseste Nutzung dieses Anti-Sets findet stadt, als Kidmans Charakter Grace in einem Haus vergewaltigt wird. Sehen tut es niemand, aber von Trier zoomt zurück und alle schauen sozusagen zu. Denn es gibt keine Wände. Dieses Stilmittel muss man gesehen haben, um es wirklich würdigen zu können.

Die ganzen 177 Minuten spielt der Film auf diesem Grundriss! Da es also in gewissem Sinne nichts Visuelles gibt, was das Auge ablenkt, können wir uns ganz auf die Charaktere konzentrieren. Und das lohnt sich. Kidman ist hervorragend als Grace, besser als in The Hours. Ihr Name ist Programm: Sie ist Grazie, Liebreiz und Anmut. Sie ist ein Geschenk, das sich dem Winzig-Dorf Dogville in den Rocky Mountains während der Depressionszeit anbietet, wie der überfreundliche Erzähler (John Hurt) sagt. Die Einwohner nehmen das Geschenk erst dankend an, freunden sich mit Grace an, doch als sie polizeilich gesucht wird, fordern die Leute immer mehr von ihr. Alle Dörfler spielen diese Szenen fantastisch. Der aufkommende Unmut unter den Leuten, der Neid, die Lust - letzteres bei den Männern. Alle Männer haben letztendlich Sex mit Grace. bis auf den Schriftsteller Tom Edison (Paul Bettany). Bettanys Charakter ist der zweitwichtigste im Film. Er meint es gut mit Grace, doch zum Schluss ist er der Verlogenste im Dorf. Er ist der einzige, der keinen Sex mit Grace hat, obwohl sie ihn offensichtlich liebt und er sie am besten behandelt. Dieses Paradoxum treibt ihn fast in den Wahnsinn - und er reagiert mit einer giftigen Freundlichkeit. Bettany spielt das falsche Mitgefühl genial. Seine Co-Stars stehen nicht zurück: Stellan Skarsgård ist fulminant als Obstbauer, Lauren Bacall verbirgt Geheimnisse hinter ihrer Fassade, Ben Gazzara spielt einen Blinden, der von mir verehrte Philip Baker Hall spielt Toms Vater und meint es auch immer gut, tut aber eigentlich damit Böses. Jeremy Davies knüpft an seine Solaris-Rolle an, Siobhan Fallon, die man als Bäuerin in "Men in Black" kennt, Chloë Sevigny und andere liefern guten Support. James Caan, Udo Kier und Jean-Marc Barr spielen Mafisoi - kleine, aber wichtige Rollen.

Drei Stunden lang lebt man mit diesen Charakteren und es ist dieser Aspekt, der "Dogville" fast grossartig werden lässt. Ich kann  nur nochmals betonen wie genial Kidman ist. Sie ist, wie wir am Schluss herausfinden, kein Engel, aber sie ist Naivität und Freundlichkeit in Person - und zeigt brillant, wie ein Mensch mit diesen Attributen ausgenutzt wird. Das ist die eine Ebene in "Dogville": Alle Menschen sind Tiere (Hunde im Speziellen, wie der Stadtname ja besagt) und auch wenn sie noch so nett sein wollen, sind sie letztendlich doch Egoisten. Die andere Ebene ist der Amerika-Hass, auf den ich doch noch etwas länger eingehen muss, denn der ist problematisch.

Die ersten beiden Stunden sind subtile USA-Kritik. Dogville ist Amerika, Kidman das Fremde. Oder wenn man so will die ganze Welt. Sie dient Amerika, wird von Amerika dafür geliebt und beschützt, doch beim ersten Anzeichen von Schwäche ausgenutzt, vergewaltigt und bekämpft. Die geschundene Welt schlägt zurück. Die letzte Stunde darf man nicht verraten, aber wer Brechts "Pirate Jenny", eine von von Triers Inspirationen, kennt, weiss, worauf der Film herausläuft. Ich gehe in der Spoiler-Sektion darauf ein. Ich finde die Auflösung jedenfalls billig. Danach hängt von Trier Bilder armer und geschundener Amerikaner zu Bowies "Young Americans" an und seine Kritik verkommt zur Farce. Der clever aufgebaute Film endet zugegenermassen faszinierend, doch viel leerer, als man erhofft hätte. "Dogville" ist einer der gewagtesten, am genialsten gespielten und packendsten Filme des Jahres - doch letztendlich grenzt seine Message an Verlogenheit und seine Symbolik ist überraschend simpel. Irgendwie hätte ich von Trier einfach mehr zugetraut. Ansehen sollte man sich den Film unbedingt, doch eine kritische Einstellung ist unabdingbar.

Also, nun zu den Spoilern. Ich kann das Ende eigentlich nur analysieren, wenn ich es verrate. Nicht weiterlesen, wenn ihr den Film gesehen habt. Bitte bitte bitte! James Caan taucht auf. Er spielt Kidmans Vater, vor dem sie geflüchtet ist. Er wirft Kidman vor, sie sei arrogant. Das gesteht sie letztendlich ein, doch den Leuten von "Dogville" will sie, ganz ihrem Naturell entsprechend, vergeben. Dann macht es klick: Sie haben Strafe verdient. Alle. Also müssen sie sterben. Maschinengewehre richten alle Bewohner hin. Bei einer Familie erst die Kinder, dann die Eltern. Alle sind tot. Den "netten" Tom erschiesst Grace gleich selber. Nur der Hund (Symbolik ...) überlebt. Und was will uns das alles sagen? Dass Amerika wegen seiner Macht überheblich geworden ist, aber man das nicht verzeihen darf - sondern das Land abfackeln muss? Aufruf zum Terrorismus? Soweit würde ich nicht gehen, aber man kann es so anschauen. Amerika muss brennen, seine Bewohner büssen für die Untaten, das es der Welt angetan hat. So faszinierend der Schluss dargeboten wird, so verlogen vereinfachend ist er. Der satirische Gehalt ist geringer als man denkt. Und selbst wenn man die USA-Allegorie mal beiseite schiebt ist das Ende billig. Selbst Ozons "Sitcom", der ähnlich endet, ist irgendwie cleverer. Nun, eines ist sicher: Über das Ende diskutiert man noch lange ...

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dot the i GB 2003
Liebesthriller
Reviewed 10.6.04

Regie und Buch: Matthew Parkhill
Mit: Gael García Bernal, Natalia Verbeke, James D'Arcy, Tom Hardy, Charlie Cox, Yves Aubert

Was ist "dot the i"? Am Anfang klar ein Liebesfilm. Danach ein Liebesdrama. Ja und dann kommt der grosse Twist. Der Film wird zum Thriller. Angedeutet wird dieser Wechsel durch verschiedene Kamera-Tricks, ein "Peeping Tom"-Motiv, das sich durch den Film schleicht und ein ungutes Gefühl, dass bei manchen Szenen etwas nicht stimmt. Am Anfang treffen wir die bezaubernde Carmen, gespielt von der noch bezaubernderen Natalia Verbeke ("El hijo de la novia"). Die aus Madrid geflüchtete, temperamentvolle Frau, ist mit dem reichen Briten Barnaby (James Darcy) verlobt, der ihr jeden Wunsch von den Lippen abliest. Nun will er sie heiraten. Bei der grossen "Hen Night" (Jungesellinnen-Party) mit ihren Freundinnen bittet der Oberkellner sie, nach einer "alten französischen Tradition" einem fremden Mann im Saal einen letzten Kuss zu geben. Carmen wählt Kit (Gael García Bernal). Es folgt ein inniger, wunderbarer Kuss, der alle Pläne durchschüttelt. Carmen entwickelt Gefühle für den aus Rio stammenden Kit, bangt um ihre Liebe zu Barnaby und fühlt sich von jemandem beobachtet ...

Eine Dreiecksgeschichte halt, die ein paar Klischees aufgreift: langweiliger Brite vs. feuriger Latino, wilde Liebe vs. gefestigte Zukunft. Das einzige, was seltsam scheint, ist, dass der talentierte Bernal kein klassischer Latino ist. Der Mexikaner hat zwar charakterstarke Augen, doch er ist sehr klein, hat einen gedrungenen Körper und einen Sex Appeal, den man zumindest in "dot the i" nicht immer sieht. Das akzeptiert man alles, weil der Film so sympathisch ist, die Akteure (auch mit ihren Fehlern) so charmant. Bis dahin mochte ich den Film eigentlich. Bis eben zum Twist. Erst dachte ich "wow, das hab ich nicht vorhergesehen" und tatsächlich machte einiges daran Sinn. Doch Regiedebütant Matthew Parkhill walzt die Wendung so lange breit und legt neue Twists drauf, bis ich das Interesse verloren hatte. Die Charaktere interessierten mich nicht mehr, die Ereignisse machten nur noch auf dem Papier Sinn. Da wurde mir klar, dass Parkhill ein Drehbuchautor ist, kein Regisseur. Auf Papier sehen diese Wendungen gut aus, doch auf der Leinwand rufen sie bald eine Distanzierung hervor. Man ist weg vom Haken. Und so mancher Logikfehler kommt noch dazu. Nicht zuletzt ist auch die Schauspielleistung in der letzten halben Stunde schwach. All dies reisst den Film massiv runter und ich gebe die 3 Sterne nur noch knapp. Ein Twist alleine ist eben noch nicht clever. Man stelle sich einen Disneyfilm vor, bei dem nach einer Stunde schlagartig Mord, Totschlag, Sex und Drogen regieren - das wäre ein Twist, aber keiner, der durch die Handlung bedingt wird. In "dot the i" ist das (halbstündige) Finale eben auch ziemlich aufgesetzt. Und die "Gesellschaftskritik" bezüglich Voyeurismus etc. ist schlicht deppert oberflächlich. Aber was solls. Die erste Stunde ist gut, die Twists auf dem Papier auch. Das reicht für eine halbherzige Empfehlung ...

PS: Der Titel bezieht sich auf das Sprichwort "Ein Kuss ist der i-Punkt der Liebe" - was auf Englisch nicht funktioniert ... a kiss is the dot the i of love.

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Down With Love USA 2003
Komödie
Reviewed 4.7.03

Regie: Peyton Reed
Kamera: Jeff Cronenweth ("Fight Club")
Mit: Renée Zellweger, Ewan McGregor, David Hyde Pierce, Sarah Paulson, Rachel Dratch, Jack Plotnick, Tony Randall

Pastellfarben, Colgate-Lächeln, scheinbar unschuldiges Geflirte, High-Society-Jobs, New York - ja, so muss eine Geschlechterkomödie aus dem 60ern sein. Jedenfalls stellt man sie sich heute so vor, diese Doris Day / Rock Hudson-Filme. Taucht man dieses Genre in 2003er retro-Kitsch und fügt ganz viel Ironie dazu, hat man "Down With Love", einen knallbunten, höchst amüsanten weil grotesk stilisierten Film von "Bring It On"-Regisseur Peyton Reed. Uff, das war ein langer Satz ... also von vorne.

Renée Zellweger spielt Doris Day, oder eben Barbara Novak, die nach New York kommt und ein Buch veröffentlicht, das sagt: Frauen, ihr braucht keine Liebe. Machts wie die Männer: Habt eine Karriere und habt Sex à la carte - ganz ohne Liebe. Das Buch wird ein Bestseller, die Männerwelt steht Kopf. Einem behagt das Buch ganz besonders schlecht: Dem Ladies' Man / Man's Man / Man about Town (™) Catcher Block, gespielt von Ewan McGregor als eine Art Mischung aus Rock Hudson und Gigolo Joe. Also versucht er, Novak zu verführen, damit sie sich in ihn verliebt und er so die Botschaft ihres Buches wiederlegen kann. Reed packt diese simple Sex-Comedy-Story in ein Bonbon-farbenes Bildermeer mit frechen Wipe-Schnitten und Split Screens. Die witzigsten Split Screens gibts beim Telefonieren, wenn die beiden so arrangiert werden, dass sie scheinbar Sex haben. Der 2003er-Twist in dieser 1962-Comedy ist, dass er die Elemente der Vorlage noch überdrehter, noch farbiger, noch kitschiger darstellt, und beim Sex eine Spur weiter geht. Es kommt zwar nie zum Sex, aber er ist allgegenwärtig - wie es sich ja für eine "sophisticated sex comedy" gehört ...

Gespielt ist "Down With Love" formidabel. Zellweger vereint Unschuld, Feminismus und gutes Aussehen zu einem herrlichen Doris-Day-Abbild, Ewan gibt sich suave bis zum Gehtnichtmehr - und beiden zusammen dürfen sogar ihre Musical-Erfahrung ("Chicago" bzw. "Moulin Rouge") kurz zum Besten geben. Ein wahres Traumpaar. Noch genialer ist allerdings David Hyde Pierce ("Full Frontal") als Ewans schüchterner Freund ("You're the best friend someone with twenty diagnosed neuroses could have!"). Seine Mimik, seine Neurosen, köstlich. Er spielt den Part, den in den Day/Hudson-Filmen immer Tony Randall gespielt hat. Und siehe da: Randall hat einen Kurzauftritt als Zellwegers Verlegerboss.

Mir hat "Down With Love" wirklich gut gefallen. Ich hab den ganzen Film geschmunzelt, manchmal herzhaft gelacht, mich über die zusammengerückte New Yorker Fantasie-Skyline gefreut, die Anspielungen auf die 60's genossen, das hyper-stilisierte Spiel der Akteure bewundert, die vom antiken Fox-Logo an präsentierte Technocolor-Cinemascope-Umwelt aufgesogen - ich war voll drin in dieser Plastikwelt. Ein Genuss, der sicher nicht jedem schmecken wird. Kitsch-Verächter sollten einen grossen Bogen um diesen Film machen. Alle hingegen, die an Doris Day ebensoviel Freude wie an "Clueless" haben, sollten diesem Pastell-Feuerwerk eine Chance geben. Tolle One-Liner, klasse Akteure, viel Spass und ein 5-Minuten-Monolog zum Schluss, zu dem Ewan nur noch einen erstaunten Reaction Shot beitragen kann. Wow.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
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Dreamcatcher USA 2003
Sci-Fi-Horror
Reviewed 8.11.03

Regie und Produktion: Lawrence Kasdan
Buch: William Goldman, Lawrence Kasdan nach einem Roman von Stephen King
Mit: Thomas Jane, Morgan Freeman, Damian Lewis, Jason Lee, Timothy Olyphant, Tom Sizemore, Donnie Wahlberg

Was ging da schief? Die Vorlage von Stephen King soll gut sein, Drehbuchautor William Goldman ist einer der besten Schreiber Hollywoods, veröffentlicht ständig Thesen zum Drehbuchschreiben und diente schon bei zwei der besten King-Verfilmungen ("Misery", "Dorothy") als Autor. Und Lawrence Kasdan, immerhin Autor meiner Lieblingsfilme "The Empire Strikes Back" und "Raiders of the Lost Ark", ist als Regisseur ebenfalls recht talentiert. Selbst die Schauspieler sind erste Sahne - Morgan Freeman, Jason Lee, Tom Sizemore. Aber eben ... es ging schief. Und zwar richtig. "Dreamcatcher" wurde im Vorfeld als einer der Superhits 2003 gefeiert und fiel danach in ein bodenloses Tief. Es hagelte Verrisse aus allen Richtungen. King-Fans waren unzufrieden, King-Laien waren unzufrieden, jeder war unzufrieden.

Dabei beginnt der Film ganz okay, wenn er die vier Freunde (Jane, Lewis, Lee, Olyphant) einführt, die telepathische Kräfte haben. Die vier stossen in einem Wald jedoch ungewollt auf eine Alien-Invasion - und von da an gehts bergab. Es türmen sich grobe Fragen, Morgan Freeman taucht in einer grottenschlechten Rolle als irrer Armee-Führer auf und Tom Sizemore bleibt so blass wie Nicole Kidmans Gesicht im Winter. Nichts mehr funktioniert und "Dreamcatcher" rasselt auf sein Finale zu, das man nur als haarstäubend bezeichnen kann. Ihr findet das Ende von "The Faculty" enttäuschend? Dieses ist um eine Liga mieser. Die Fragen, die man sich stellt, beginnen mal wieder bei den Aliens. Die haben so Würmer, die Aussehen wie eine bezahnte Vagina auf einem Penis-Schaft. Sie heissen Shit-Weasel. Yep, genau so. Und die werden von ihrem Wirt geschissen. Vielleicht ein unappetitlicher EInfall für ein Drehbuch, aber sagen wir mal, es macht noch Sinn, dass sich ein Parasit im Darm einnistet. Nun will ich aber etwas über den Zyklus dieser Wesen wissen. Es gibt nämlich auch grosse Aliens mit Beinen. Sind das die Herrchen der Würmer? Oder wachsen die Würmer zu solchen Monstern? Die Monster versprühen die Sporen, werden daraus die Würmer? Vielleicht wird das alles im King-Buch klar, im Film ist es nicht der Fall.

Und wie Würmer ohne Beine oder sonstige Glieder schneller reagieren können als Menschen und meterweit springen, das lassen wir mal dahingestellt. Oder wie das Riesenalien "Mr. Gray", das etwa viermal so gross ist wie ein Mensch, in dem armen Jonesy Platz hat. Was wollen die Aliens überhaupt? Wieso tun sie, als seien sie freundliche Besucher und attackieren die Menschen nicht einfach - sie wären ja flink genug? Der ganze Aufbau der Alien-Kultur wird vergeigt. Echt schade. Und dann beginnen auch unsere vier Freunde zu krepieren, die die wir mögen. Den ganzen Army-Scheiss um Freeman und Sizemore interessiert mich schliesslich überhaupt nicht! Oh dann gibts da diesen irren Bubi Duddits, der mehr ist, als man ahnt. An ihm hängt das Finale - und eben, es ist eine grosse Enttäuschung. Eigentlich wird die zweite Hälfte dem Namen der Alien-Würmer voll gerecht. Shit-Weasel. Ja, etwa so stinkt der Film. Er ist nicht ganz am Arsch, weil die ersten Stunde interessante Charaktere aufbaut und Kasdan ein paar visuelle Tricks auf Lager hat. Zudem gibts nette Fluchwörter von Jason Lee (Jesus-Christ-bananas, fuckarow, fuckaree, fuck me Freddy) und den klassischen Ausdruck SSDD (same shit, different day) - aber das reicht nicht. "Dreamcatcher" verspielt soviel Potential, dass es fast schon weh tut.

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Roger Ebert (USA) 1½/4
James Berardinelli (USA) 1½/4
BBC (GB) 2/5
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The Dreamers F/I/GB 2003
Drama
Reviewed 27.11.03

Regie: Bernardo Bertolucci
Mit: Michael Pitt, Eva Green, Louis Garrel, Robin Renucci, Anna Chancellor, Jean-Pierre Léaud

"The Dreamers" ist ein Traum für Cineasten und 68er. Das Drama von Bernardo Bertolucci beginnt mit einer Montage einerseits aus Bildern vom Sommer 1968, als der Leiter der Cinématheque Française, Henri Langlois, gefeuert wurde und etliche Stars und Filmfans auf die Strasse gingen und andererseits mit von Bertolucci inszenierten Aufnahmen, u.a. mit dem erwachsenen Jean-Pierre Léaud (der auch in den Dok-Aufnahmen zu sehen ist) in einem Gastauftritt. Etwas verwirrt ist man danach schon, aber das passt, denn der Protagonist Matthew (Michael Pitt, "Murder by Numbers") ist auch durcheinander. Er meint "nur die Franzosen würden ein Kino in ein Schloss tun" und schaut sich in der Cinématheque Filme wie "Shock Corridor", "Bande à part" oder "Freaks" an. Er liebt die Nouvelle Vague genauso wie Nicholas Ray oder Buster Keaton.

Eines Tages trifft er vor den Toren des Kinos die schöne Isabelle (Eva Green), die sich mit ihm anfreundet und Matthew auch ihrem Bruder Theo (Louis Garrel) vorstellt. Die drei werden die besten Freunde, Matthew darf sogar bei den beiden einziehen, als ihre bürgerlichen Eltern (Robin Renucci, Anna Chancellor) ans Meer verreisen. Nun gerät Matthew in einen Strudel aus Drogen, Revolution, Filmkultur und Sex - denn Isabelle und Theo haben eine inzestuöse Liebe, in die sie Matthew bald einbinden. Das gibt Bertolucci die Chance für viele Sexszenen. Diese sind jedoch keine Altherrenfantasien wie in seinem 1996er-Film "Stealing Beauty", sondern nüchterne Sequenzen, die eher an die Radikalität von "Last Tango in Paris" (1972) anschliessen und alles zeigen. Auf ein Bild von Marlene Dietrich wichsen? Voilà. Zu dritt im Bad, fummeln inbegriffen? Voilà. Das vollständige Zeigen der Geschlechtsteile? Voilà. Bluten nach dem ersten Sex und anschliessendes Küssen mit blutverschmierten Mündern? Voilà. Und noch viel mehr. "The Dreamers" ist alles andere als ein keuscher Film und nimmt Inzest genauso auf wie Bisexualität. Die Darsteller sind mutig (spielen übrigens auch sehr gut) und beschwören den Geist der 68er-Bewegung herauf.

Das will Bertolucci. Eine Hommage an diese Zeit. Dies gelingt ihm besonders gut, wenn er Ausschnitte aus "A bout de souffle" oder "Bande à part" einblendet, wenn draussen revoltiert und drinnen gepoppt wird, wenn Maos Kulturrevolution als "Filmepos" erklärt wird, oder wenn die drei durchs Louvre rennen, um den Rekord in "Bande à part" zu brechen. Ich bin kein Fan der Nouvelle Vague, aber Bertolucci bettet sie in ihre Zeit so wunderbar ein, dass man fast ein wenig verliebt ist in die Filme und die Stellung, die sie in dieser Zeit einnahmen. Fans der Nouvelle Vague werden sich daran jedenfalls entzücken, wenn sogar ich als Godard-Verachter ein warmes Herz bekam.

Auch der Sex gelingt ihm, das Knistern dank dem Verbotenen. Der lockere Umgang mit dem Körper. All dies ist blendend - doch "The Dreamers" erreicht dennoch nicht das Niveau der grossen Bertolucci-Filme. Einen grossen Themenkomplex habe ich bisher nämlich ausgeklammert, und das ist die Politik. Bertolucci ist Kommunist, das weiss der geneigte Filmfan nicht erst seit "Novecento" oder "Der letzte Kaiser". In "The Dreamers" steht er wieder voll zu seinem politischen Ideal und ehrt die 68er-Bewegung, der auch er mit Innbrunst angehörte. Manchmal ist Bertolucci kritisch, wenn etwa Matthew gegen die Mao-als-Filmepos-Theorie antritt, indem er sagt, die anderen Leute in dem Film seien bloss Statisten. Eine schöne Umschreibung der hohen Ideale und verwerflichen Umsetzung der Kulturrevolution. Oder wenn Matthew den bürgerlich aufgewachsenen Theo anschwärzt, die Revolution finde draussen statt - er schwinge grosse Reden, sei aber nie auf der Strasse. Eine Kritik auch an den Denkern und Künstlern von heute, die das Demonstrieren scheinbar verlernt haben. Oder Bertolucci lässt Matthew gegen Schluss sagen, Gewalt gegen Polizisten sei falsch. Sie sollten mit Hirn und Herz demonstrieren, Gewalt sei die Sprache der anderen. Doch dann lässt er Theo und Isabelle doch Gewalt anwenden - und spielt den Schlussong "Non, je ne regrette rien" von Edith Piaf ein. Es ist Bertoluccis Statement. Ich bereue nichts, was ich damals getan habe. Er kommt dabei einfach irgendwie stur herüber. Und er entkräftet die vorangegangenen Ethik-Diskussionen der 68er-Bewegung. Bertolucci lässt Matthew all die Fragen aufwerfen, denen sich ein pazifistisch-sozialistischer 68er stellen muss und macht Matthew so zum Gewissen des Films. Doch Bertoluccis Sympathien liegen, das macht der Schluss klar, bei Theo. Und das wirkt etwas irritierend.

Die letzte halbe Stunde hat auch weitere Probleme. So entdecken die Eltern ihre zwei Kinder und Matthew beim "Jules et Jules"-Dreier zu Hause und reagieren nicht wie bürgerliche Eltern, sondern eher wie Hippies, indem sie sie liegen lassen und so Isabelle zu ihrer fatalen Entscheidung bewegen. Das wirkt konstruiert. Auch der Sex verliert zum Schluss an Sprengkraft, wenn Matthew alles in Frage zu stellen beginnt. Bertolucci gelang mit "The Dreamers" ein mutiger, schöner Film, der dem Kino, dem Sex, der 68er und der Revolution huldigt. Er erschafft einige wunderbare Shots - etwa, wenn die drei in der Badewanne sitzen und die Spiegel perfekt eingesetzt werden - aber zum Ende hin scheint Bertolucci der Mut zu verlassen. Er zitiert abgelaufene Ideen, nimmt den Sex zurück und relativiert vieles, was wir zuvor gesehen haben. Nicht etwa, um de 68er zu demystifizieren (das macht er nur im Ansatz). Das Resultat ist ein Mischimaschi, das nicht mehr ganz befriedigen mag. "The Dreamers" ist ein sehenswerter Film mit tollen Ansätzen - aber nicht ganz so gut, wie er hätte sein können.

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Dumb and Dumberer: When Harry Met Lloyd USA 2003
Komödie

Reviewed 19.11.03

Regie: Troy Miller
Mit: Eric Christian Olsen, Derek Richardson, Rachel Nichols, Cheri Oteri, Eugene Levy, Luis Gurman, Mimi Rogers, Elden Henson, Shia LeBeouf

In der Abteilung "Filme, die die Welt nicht braucht", stellen wir heute vor: "Dumb and Dumberer", die Fortsetzung des 1994er-Kassenschlagers mit Jim Carrey und Jeff Daniels. Ob man den Film der Farrelly-Brüder nun mochte oder nicht (ich find ihn recht witzig) - eins muss man eingestehen: Der erste "Dumb & Dumber" hat die Komödien-Landschaft nachhaltig beeindruckt und ist eine der einflussreichsten Komödien der 90er. Ob zum Guten oder Schlechten, das sei dahingestellt. Die fast 10 Jahre später entstandene Fortsetzung, die vor dem Original spielt und Harry und Lloyds Highschool-Jahre abdeckt, ist dagegen ganz klar ein Megscheiss. Die Schauspieler und die Macher von damals sind ausgestiegen - Carreys Rolle übernimmt überraschend überzeugend der beinahe unerkennbare Eric Christian Olsen (The Hot Chick, Not Another Teen Movie), Daniels' Rolle ging an den farblosen TV-Akteur Derek Richardson. Gewichtige Nebenrollen wurden mit bekannten Gesichtern wie Luis Guzman, Eugene Levy und Ex-"Mrs. Cruise" Mimi Rogers besetzt. Haben die das Drehbuch gelesen??

Keine Frage, es ist furchtbar. Wir reden nicht von infantilem Humor, von niedrigen Spässen oder Geschmacklosigkeiten. Sondern vom schlichten Mangel an Pointen. Ich habe Striche gemacht bei jedem Mal lachen. Sechs fanden sich auf meinem Blatt. Dazu ein paar Mal Schmunzeln - meistens bei den Szenen mit Eugene Levy und Cherri Oteri. Leider finden all diese "Highlights" in der ersten halben Stunde statt. Danach folgt eine Stunde lang gähnende, voraussehbare Langweile und "ich verwechsle Schokolade mit Kacke"-Witze. Help! Bis auf die paar Lacher, Olsens gute Carry-Imitation und ein paar so-blöd-dass-es-gut-ist-Dialogen wie "chicks are for fags" wäre "Dumb and Dumberer" eine ½-Stern-Filmkatastrophe. Aber seit beruhigt: Auch wenn ich einen vollen Stern gebe, ist das Fazit sternenklar: Meidet dieses billige Kommerzprodukt um jeden Preis. Jeden. Das war die letzte Warnung ...

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James Berardinelli (USA) 0/4
BBC (GB) 1/5
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Duplex USA 2003
Komödie
Reviewed 24.2.04

Regie: Danny DeVito
Produktion: Ben Stiller, Drew Barrymore u.a.
Mit:
Ben Stiller, Drew Barrymore, Eileen Essel, Harvey Fierstein, Justin Theroux, James Remar, Robert Wisdom, Swoosie Kurtz, Wallace Shawn, Danny DeVito

In den US-Kinos fiel DeVitos schwarze Komödie gnadenlos durch. Schade, denn sie hat sicherlich ihren Reiz. Sie handelt von den jungen Eheleuten Alex (Ben Stiller) und Rose (Drew Barrymore), die nach langem Suchen ein Duplex-Haus in Brooklyn kaufen, das leicht über ihrem Budget liegt. Doch der Buchautor und die Grafikerin hoffen, dass die im oberen Apartment lebende alte Dame bald das Zeitliche segnet und das Haus massiven Mehrwert bekommt. Die alte Mrs. Connelly (Eileen Essel) macht jedoch keine Anstalten zu sterben. Im Gegenteil: Die rüstige Greisin terrorisiert auf ganz nette Art ihre neuen Nachbarn. Sie, die nur $88 Miete zahlt und nach Mietrecht nicht rausgeschmissen werden darf, hört extrem lauf Fernsehen, stört Alex andauernd beim Schreiben, beschuldigt das Paar allerlei unsittlicher Vergehen und mischt sich in Dinge ein, die sich nichts angehen. Bald sind Alex und Rose so verzweifelt, dass sie zurückschlagen wollen ...

Die Idee, eine alte Dame zum passiven Agressor zu machen, ist typisch DeVito. Die Handlung reiht sich denn auch nahtlos in sein Schaffen von "Throw Mamma From the Train" und "The War of the Roses" ein, die beide häuslichen und familiären Streit eskalieren lassen. Zentral ist dabei Eileen Essel, die tatsächlich den schmalen Grat zwischen lieber Nachbarin und ungewolltem Terrorbiest beschreitet. Stiller ist wie immer toll in physischer Comedy, während Barrymore etwas enttäuscht und meistens nur ratlos in der Gegend herumsteht. Auch gelingt es DeVito nicht, für eine der beiden Seiten wirklich Sympathie zu entwickeln, weshalb die zweite Hälfte, in der sich das Ehepaar immer mehr Gemeinheiten ausdenkt, die in die Hosen gehen, doch etwas langfädig wirkt. Doch "Duplex" vermag dennoch zu amüsieren. Allein schon wegen der rabenschwarzen Ausgangslage, Ben Stiller und der Theaterschauspielerin Eileen Essel in ihrem erst zweiten Kinofilm.

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Roger Ebert (USA) 2/4
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Elephant USA 2003
Drama

Reviewed 1.11.03

Regie und Buch: Gus Van Sant
Mit: Alex Frost, Eric Deulen, John Robinson, Elias McConnell, Jordan Taylor, Nicole George, Carrie Finklea, Brittany Mountain

"Have fun" meint Alex zu Eric. Dann steigen sie ins Auto, fahren zur Columbine High School und richten ein Massaker an. Gus Van Sants Palme-d'or-Gewinner "Elephant" widmet sich den beiden Killern, der Schule und den Schülern - und widmet sich ihnen doch nicht. Die beiden Täter haben nicht exakt die Namen der Attentäter (Dylan Klebold, Eric Harris), sondern die Vornamen ihrer Darsteller. Van Sant unterstreicht damit die Allgemeingültigkeit seines Films. Es handelt sich um das Columbine-Massaker von 1999, könnte aber genausogut irgendwo passieren. Zudem sind die Schüler weniger die realen Abbilder der Opfer sondern fast schon klischierte Platzhalter: Teens, die es an jeder High School geben kann. Van Sant folgt ihnen durch die Schulgänge in ewig langen Takes, verfolgt sie geradezu mit seiner Handkamera und lichtet sie im Pseudo-Dokumentar-Look ab. Wir lernen nicht allzu viel über die Kids, sondern studieren quasi im Vorbeigehen die Schul-Geografie, das soziale Netz, den Alltag. Wir lernen die Räume kennen, die vielleicht Sicherheit bieten könnten - nur um zum Schluss zu merken, dass es vor dieser irrationalen Gewalt keine sicheren Plätze gibt. In gewissem Sinne ist "Elephant" ausgesprochen langweilig und banal - aber eben mit System. Die Trivilaiät des Alltags an der High School. Und die scheinbare Trivialität der Tat. Das sind die treibenden Elemente.

Wie mittlerweile bekannt, haben sich die ersten Untersuchungsergebnisse über das Massaker nicht bestätigt (Infos). Zu leichte Erklärungen mussten verworfen werden. Vielmehr hassten die beiden Jungen einfach ins Leere hinaus. Sie rebellierten gegen alles und gegen nichts. Sie gameten und spielten Beethoven, sie bestellten die Waffen übers Internet, sie waren Aussenseiter - aber auch nicht mehr als viele andere. Und dennoch machte es eines Tages klick. Wieso? "Elephant" gibt darauf keine Antwort - kann keine Antwort geben, denn es gibt keine. Das ist ein taktisch kluges Manöver von Van Sant, weil es dem Film Allgemeingültigkeit und Dramatik verleiht. Aber es ist auch die Schwäche des Streifens. Wenn es nichts zu sagen gibt, wieso es dann überhaupt zeigen? Es ist ja nicht so, dass wir das Columbine-Massaker vergessen haben. Im Gegenteil. Von Bowling to Columbine bis Erfurt - immer wieder taucht das Wort auf. Ich will Van Sant nicht vorwerfen, er habe es auf den Schauwert des Massakers abgesehen (hat er nicht), aber eine seltsame Kalkulation steckt schon dahinter. Zudem hält sich Van Sant nicht an seine eigenen Vorgaben. Diese sind, keinerlei Motivation zu zeigen, passiv zu beobachten, dabeizusein als "Zuschauer" und schockiert zu sein durch die Banalität des grauenhaften Anlasses. Doch immer wieder bricht er das Schema. Dass die Jungs ganz passiv eine Dok über Hitler schauen geht ja noch; der eine kennt Hitler nicht mal - also sicher kein Motiv. Dass der eine ein Ego-Shooter-Game spielt ist verbürgt - und wird durch das Klavierspiel von "Für Elise" clever kontrastiert. Dennoch, hier sind Ansätze von Erklärungsversuchen. Und dann küssen sich die beiden in der Dusche. "Ich habe nie geküsst" meint der eine. Hmmm. Was soll das? Unterdrückte Homosexualität als Motiv - oder bloss ein "Kiss before dying"? Wer weiss, aber es gehört nicht in den Film. Entweder eine Erklärung oder keine Erklärung - ein Mittendrin gibt es in meinen Augen nicht, da sich die beiden Konzepte unvereinbar gegenüberstehen.

Wie dem auch sei, "Elephant" ist ein ergreifendes Stück Kino. Van Sant übernimmt Titel und Konzept von Alan Clarkes 1989er-BBC-Film "Elephant", der auf dem Ausspruch basiert, "violence is as easy to ignore as an elephant in your living room. But you learn to live with it" - Van Sant stellt den Elephanten tatsächlich in unser Wohnzimmer. Schulgewalt wird wieder thematisiert - und zwar nicht plakativ-satirisch à la Michael Moore, sondern nüchtern-dokumentarisch. Wenn die Schüler den Plan der Schule auslegen und die Mord-Taktik besprechen, kennen wie die Geografie der Schule bereits und wissen, was passiert. Sogar wo es passiert. Aber der Impact der Gewalt am Schluss ist dennoch erschütternd. Der Stil ist die halbe Miete und macht die kleinen Patzer (siehe oben - und die fast unglaubwürdige Passivität der Opfer) wieder wett. Wie wir eine alltägliche Schule miterleben, wie wir ganz normale (fast stereotype) Schüler treffen Und wie wir ins Mark erschüttert werden von der unerklärbaren Gewalt: Das rüttelt auf. "Elephant" kann man nicht leicht verdauen. Sollte man auch nicht ...

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Final Destination 2 USA 2003
Horrorfilm

Regie: David R. Ellis
Mit: A. J. Cook, Michael Landes, Ali Larter, Terrence Carson, Jonathan Cherry, Tony Todd

"Final Destination 2" macht höllisch Spass. Ich hab ihn sogar noch eine Spur mehr genossen, als den ersten Teil. Keine Frage: Bei vielen wird dieses Sequel nicht gut ankommen, da es unter anderem ein paar Logikfehler macht - aber ehrlich gesagt: was soll's? Der Spass bei "Final Destination 2" (wie übrigens auch beim ersten Teil) sind die Tode. Also wie die Leute sterben und weniger warum. Einfach gesagt: Wenn man dem Tod knapp entkommt, schuldet man dem Tod dennoch sein Leben. Er kommt, um euch zu holen. Wie er kommt, ist in "Final Destination 2" einfach ein Gaudi. Jede Szene wird ähnlich eingeführt, nämlich mit einem ganzen Arsenal an möglichen Todesursachen. Da gibt es Wasser, das auf Steckdosen fliesst, Ringe die in den Abfallzerkleinerer fallen, brennendes Öl - aber meistens sind es nicht diese Dinge, die man vermutet, die letztendlich zum Tod führen, sondern eine völlig abstruse Kette von Ereignissen. Diese zu erraten - und diese dann zu sehen, macht den grössten Fun. Danach kommt noch ein makaberer Fun dazu: Die Leute kratzen verdammt blutig ab. Ich habe selten einen Film gesehen (ausser etwa etliche Zombiefilme), in denen die Körper der Protagonisten so ... na ja, weich sind: Gegenstände können sie erdrücken, durchbohren, halbieren. Dabei spritzt das Blut und der Gore-Fan jubiliert. Im Ernst, wenn man ein bisschen makaber veranlagt ist, ist dieses Todeskarrussell schlicht köstlich.

Ich möchte auch gar nicht spoileren und euch erzählen, wie die Leute sterben. Nur eines: Der Film beginnt und endet mit einem sprichwörtlichen Knall. U.a. weil das Ende cooler ist, gebe ich diesem zweiten Teil einen halben Stern mehr, als dem ersten. Aber die Unterschiede sind minim. Die Idee ist die Selbe, der Spass liegt im selben Detail. Wem somit der erste Teil gefallen hat und der noch etwas mehr Blut ertragen mag, der ist hier richtig aufgehoben. Es gibt zwar keinen so überraschenden Abgang wie in Teil eins mit dem Bus - aber viele viele nahezu Gleichwertige. Danach werdet ihr viel vorsichtiger auf die Strasse gehen, glaubt mir ...

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Roger Ebert (USA) 1½/4
James Berardinelli (USA) 1½/4
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Finding Nemo USA 2003
Computeranimationsfilm
Reviewed 15.9.03

Regie: Andrew Stanton
Sprecher: Albert Brooks, Ellen DeGeneres, Alexander Gould, Willem Dafoe, Geoffrey Rush, Andrew Stanton, Elizabeth Perkins

Die Jungs und Mädels von Pixar sind einfach eine Wucht. Wann produzieren die endlich mal einen schlechten Film? Nicht dass ich einen solchen sehen will, aber es würde mir endlich zeigen, dass die Leute da auch nur Menschen sind - so sind sie was anderes: Die modernen Götter der Animation. Denn auch ihr neuster Film "Finding Nemo" reiht sich nahtlos in die Liste früherer Pixar-Meisterwerke ein: "A Bug's Life", "Toy Story 2", "Monsters Inc." - es sind alles Vierstern-Filme und für mich wird es langsam unmöglich, sie qualitativ untereinander zu ordnen. "Finding Nemo" gefiel mir etwas besser als "Monsters Inc." und etwas weniger gut als "Toy Story 2". Aber will das schon heissen. Letztendlich sind alle brillant.

"Finding Nemo" ist extrem unterhaltsam, perfekt besetzt (die Sprecher sind allesamt 1A) und technisch, wie von Pixar gewohnt, virtuos. Die Menschen sind diesmal nicht mehr so menschlich, dafür wurden die Fische vermenschlicht. Ein leicht anderer Ansatz, der sich aber auszahlt, denn in "Finding Nemo" sind die Fische die Helden und das Meer ihre Welt. Diese beiden Komponenten sind denn auch am besten herausgearbeitet. Das Meer ist farbenfroh, seine Bewohner mannigfaltig und die Meeresoberfläche eine Meisterleistung der Computertechnik.

Die Story dagegen ist schnell erzählt: Der kleine Fisch Nemo wächst alleine mit seinem beschützerischen Vater auf, doch eines Tages wird er von Menschen eingefangen und in ein Aquarium verfrachtet. Papa macht sich auf die abenteuerliche Suche nach seinem Sohn. Soweit der rote Faden - doch der ist bei Pixar ja so oft relativ simpel. Es ist die Lust am und das Talent zum Geschichtenerzählen, was aus einer simplen Sache ein grosses cineastisches Ereignis macht. Auf dem Weg von A nach B wird nicht nur eine Geschichte erzählt, es werden Nebencharakteren eingeführt, manchmal regelrecht im Vorbeigehen, von denen eine cooler/witziger/skurriler ist als die nächste. Meine Favoriten: Die doofen Möwen, der aufblasbare Fisch, ach, und viele viele andere. Gags gibt es etliche, Momente fürs Herz ebenso und Anspielungen auf Lifestyle und Kultur sowieso. "Finding Nemo" ist Top-Unterhaltung für Jung und Alt. So muss Familienkino sein. Das dachten auch die US-Zuschauer, die den Pixar-Streifen zum erfolgreichsten Trickfilm aller Zeiten machten. Der "König der Löwen" ist tot, lang lebe der neue König: Nemo. Ein putziger, kleiner Fisch. Einfach niedlich.

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Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
BBC (GB) 5/5
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Freaky Friday USA 2003
Komödie
Reviewed 13.11.03

Regie: Mark S. Waters
Mit: Jamie Lee Curtis, Lindsay Lohan, Mark Harmon, Harold Gould, Chad Murray, Stephen Tobolowsky, Ryan Malgarini, Julie Gonzalo, Rosalind Chao

Disney hat dem Bodyswitch-Roman von Mary Rodgers bereits zweimal verfilmt, unter anderem 1976 mit Barbara Harris und Jodie Foster. In den 80ern war es ebenfalls populär, Personen in "fremde" Körper schlüpfen zu lassen. "Switch", "Vice Versa" - und "Big". Der Tom-Hanks-Kassenschlager von 1988 bleibt in dieser Hinsicht ungeschlagen. "Freaky Friday" (die 2003-Variante) ist also alles andere als originell und die ersten paar Minuten hatte ich wirklich Angst. Das liegt vor allem an den grauenhaften Stereotypen. Am schlimmsten ist Tochter Annabell (Lindsay Lohan), die ein Teenie vom Typ "rebellisch aber trotzdem ganz lieb" ist. Die gibts eigentlich nur in Hollywood. Ihre Mutter Tess spielt Jamie Lee Curtis. Sie ist die toughe Psychiaterin, die demnächst heiraten will. Die Probleme, die dadurch entstehen, sind ebenso voraussehbar wie Hollywood-Alltag. Tochter darf beim Schatz nicht auf den Töff springen, Tochter spielt zu laut Musik (natürlich in einer "harten" Rockband), Mutter hat nie Zeit ... blablabla. All das, was man kennt.

Doch nach etwa 30 Minuten, wenn Mutter und Tochter dank chinesischen Glückskeksen die Körper getauscht haben, wird der Film erstaunlich gut. Curtis und Lohan gehen nie over the top sondern greifen subtil die Nuancen ihres Gegenübers auf, um überzeugend zu wirken. Man nimmt den beiden wirklich ab, dass die andere in ihr drin steckt. Die zu erwartenden Probleme ergeben sich. Die Tochter muss ihren Stiefpapa in Spe küssen, Mutter muss Töchterchens Schulschatz bezirzen, Mutter muss plötzlich Musik spielen, Tochter eine Psychiaterin abgeben. Echt alles wird aufgeboten, was die Story hergibt. Doch wegen dem puren Charme der Hauptdarstelerinnen macht alles grauenhaft Spass. Sexuelle Implikationen (ein Erwachsener will unbewusst eine 15-jährige küssen ...) werden weitgehend beiseite geschoben, stattdessen geht es Regisseur Mark S. Waters ("Head Over Heels") um etwas ganz Disneyeskes: Die beiden Damen erkennen, dass die andere es auch nicht super hat im Leben - und so beginnt sich die Familie zu erneuern, zu verbessern. Und zusammenzuwachsen. So schön.

Und so schön kitschig. Wer nicht zum Zielpublikum gehört (vor allem 11-16-jährige Mädchen), wird froh sein, wenn nach 90 Minuten alles vorbei ist. Und obwohl ich fand, dass ein Handlungsstrang abgeklemmt wurde (Annabells Streit mit sexy Schulzicke Stacey) und ein anderer sich zu leicht auflöste (Annabells Schwarm verliebt sich in Tess' Körper ...), war ich am Ende doch auch erleichtert, dass es vorüber ist. 90 Minuten davon ist ganz okay - aber meht brauchts nicht. Das soll jetzt nicht zu böse klingen, denn dank dem formidablen Spiel von Lohan und Curtis sowie dem schwungvollen Erzähltempo wurde es mir nie langweilig und ich hab ein paarmal herzhaft gelacht. Genau die richtige Unterhaltung für die ganze Familie an einem verregneten Sonntag Nachmittag ...

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
imdb


Freddy Vs. Jason USA 2003
Horror
Reviewed 24.10.03

Regie: Ronny Yu Yan-Tai
Mit: Robert Englund, Ken Kirzinger, Monica Keena, Jason Ritter, Kelly Rowland, Katherina Isabelle, Chris Marquette

Der hier ist für die Fans! Freddy Krueger wurde ja 1994 nach sieben Folgen ehrenvoll zu Grabe getragen, mit dem besten "Nightmare on Elm Street"-Film seit Wes Cravens erstem Kultfilm 1984. Dazwischen war die Serie Humbug - ich hab sie mir dennoch alle angesehen, denn irgendwie waren sie in den 80ern ja mal sowas wie Kult. Die neue Episode schliesst 10 Jahre nach dem vermeintlichen Ende des Kindermörders nahtlos daran an: Gugus und Trash. Doch diesmal wurde ein etliche Jahre altes Konzept aufgegriffen, das Freddy einen starken Gegner gegenüberstellt: Jason Vorhees, den Killer aus "Friday the 13th". Ich muss zu meiner Schande gestehen, noch nie einen der bereits zehn "Friday"-Filme gesehen zu haben, doch ich weiss schon, wer Jason ist. Und dass sein Kampf gegen Freddy sowas wie der Kampf der Giganten ist. Eine clevere Marketing-Idee, die sich auch prompt auszahlte. Die Fans der beiden längst ausgesaugten Serien vereinten sich und brachten am US-Startwochenende satte 36.4 Millionen in die Kassen. Doch das Endresultat von eindrücklichen 82 Millionen zeigt auch etwas anderes: Kaum jemand hat diesen Quatsch mehr als einmal gesehen. Wenn ein Film bloss das doppelte seines Startwochenendes einspielt, deutet das auf schwache Mund-zu-Mund-Propaganda hin.

Die hat "Freddy Vs. Jason" auch verdient, denn allein schon die Handlung und die Dialoge der ersten Stunde sind grauenhaft. In der letzten halben Stunde weicht beides einem beispiellosen Gemetzel. Dann wird der Film dem Titel auch endlich gerecht. Freddy gegen Jason. Da saftet der Soundtrack. Sprichwörtlich! Es wird gehauen, geschuppst, geschnitten, geschrien, zerschmettert, zertrümmert, erstochen, gelitten - und vor allem geblutet. Das R-Rating wird voll ausgekostet und irgendwie macht das ganze auf absurde Weise Spass. Dazwischen stellen sich ein paar hübsche Teenager, die einfach gemeuchelt werden. Yep, das ist der Film, den man sich vorstellt. Aber zu welchem Preis? Das Ende ist plump, ehrt zwar nochmals beide Helden, bereitet aber anonsten nur ein Sequel vor (gemunkelt wird "Freddy Vs. Jason Vs. Ash") - und die erste Stunde ist einfach zu peinlich.

Die Musik ist aus der Mottenkiste, die Kameraarbeit lichtet alles im muffigen 80's-Nebel-Look ab (ja, Hommage, aber an eine Zeit der visuellen Tiefflieger) und die Dialoge sind wie erwähnt schwer erträglich und bloss dazu da, den hirnrissigen Plot bis ins unnötige (unverständliche) Detail zu erklären. Klar bieten sie kleine Zückerchen für Fans, das macht auch die Handlung, aber das reicht hinten und vorne nicht. Um als Satire durchzugehen ist er nämlich zu wenig helle. Die dummen Teens mit den Megabusen sind da - aber die Kurve zur Satire wird nie gemacht. Das ist okay, aber für einen ernsten, rohen Film ist er dann eben wieder zu doof. Er fällt zwischen Stuhl und Bank und ist bloss noch eins: Fun für Fans. Damit wären wir wieder beim Anfang. "Nightmare on Elm Street 8" gemixt mit "Friday the 13th Part 11". Mehr ist der Streifen nicht. Die "Handlung" ist bloss Aufhänger für den Showdown. Mir gefällt Freddy nicht besonders, weil seine Sprüche alt sind und das Konzept mit dem Morden in der Traumwelt meiner Meinung nach eh nie ganz aufging. Hier ist er immerhin der Nappel des Films, Jason ist zwar strohdumm, hat aber mehr Sympathie auf seiner Seite als der nervige Freddy. Und darum gehts ja eigentlich: Wer ist der bessere, wer gewinnt, wer schlachtet besser. Logik? Furz drauf. Dialoge? Unwichtig. Spannung? Nicht die Spur. Charaktere? Da zum sterben! Inszenierung? Pures Trash-Niveau und beinahe unappetitlich. Sehenswert? Nicht wirklich. Ausser eben man betet Freddy oder Jason an - dann entzieht sich der Film sowieso jeglicher kritischen Beurteilung.

Einen Satz aus der BBC-Kritik muss ich noch anhängen. Der mit Newton ist einfach zu gut: "Judging by the attributes of the female cast (in particular Keena, a woman with a bosom that would make Isaac Newton question a few things), and the amount of bare flesh on display, it's pretty obvious which demographic the movie is aiming for."

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James Berardinelli 2/4
BBC (GB) 2/5
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George of the Jungle 2 USA 2003
Abenteuerkomödie
Reviewed
7.3.04

Regie: David Grossman
Mit: Christopher Showerman, Julie Benz, Angus T. Jones, Thomas Haden Church, Christina Pickles, John Cleese, Michael Clarke Duncan

Nach den Opening Credits schwingt sich ein neuer George ins Bild. Ein Adonis von einem Mann, Top-Body, 3% Körperfett - hab ich jedenfalls auf einem Link gelesen, wo ein Fitnessmagazin ihn interviewt hat. Der Typ heisst Christopher Showerman. Also nicht Brendan Fraser wie im ersten Teil? Genau die Frage stellt auch der Erzähler, der schon im Original so köstliche Kommentare beifügte. "Me new George, studio too cheap to pay Brandon Fraser," erklärt Mr. Sixpack. Cool, ein Film mit Selbstironie! Tatsächlich gibt es während der ganzen Laufzeit immer wieder Andeutungen auf Teil eins, selbstironische Kommentare und Zitate aus "King Kong", "The Lion King", "Charlie's Angels" und dem Zeichentrick-"Tarzan".

Doch damit hat es sich auch bereits mit der Intelligenz. Der Rest dieses unnötigen Direct-to-Video-Sequels ist kindischer Ramsch. Die Handlung ist fast nochmals die Selbe wie im Original. George, der König des Dschungels, fliegt beim Lianenschwingen noch immer in Bäume. Er hat mit Ursula (Julie Benz) einen Sohn (Angus T. Jones) gezeugt. Das passt Oma Beatrice (Christina Pickles) nicht. Sie will Ursula aus dem Dschungel holen und mit dem schleimigen Lyle (Thomas Haden Church) verheiraten. Dazu schmiedet sie einen Plan, Georges Freund Ape (Stimme: John Cleese) die Rechte zu Ape Mountain abzuluchsen. Und auch vor Ort gibt es Probleme: Der Böse Löwe (Stimme: Michael Clarke Duncan) will George vom Thron stossen.

Gähn. Wäre nicht der Erzähler, ich hätte mir wohl ein paar Minuten Schlaf gegönnt. Da ich aber wach bleiben wollte, hab ich mich etwas anderem gewidmet. Der erwachsenen Seite dieses doch eher für Kinder geeigneten Films. Wenn man das Teil nämlich so anschaut, ist es ungehobelt und voll mit Sex. Das beginnt schon bei der Einführung, in der George als "our potent potentate" angepriesen wird. Ursula bezeichnet ihn dann als "swinger" - auch doppeldeutig. Und fügt an "I wonder if I ever come first". Gemeint ist die Frage, ob George mehr mit den Tieren oder mit ihr zusammen ist. Aber eben ... man kann etwas hineinlesen. Das ist pupertär? Ach, ich musste mich beschäftigen. Und ich habe noch mehr Beweise: Ursula erzählt "he gives me, what all you [girls] pray for". Und danach jauchszt und stöhnt sie orgiastisch. Gegen Ende hin muss George Ursulas drei heissen Freundinnen aus der Hypnose küssen (!) und sogar an drei Stellen wurden Beastiality-Gags eingebaut ("you big, hairy man"). Na? Überzeugt? Vielleicht liegt die unterschwellige Sexualisierung ja auch bloss an Chris Showerman. Der Nachname ruft nach einem Gag - und da ich heute auf allzu Offensichtliches setze, muss ichs ja sagen. Welche Frau möchte nicht mit diesem Mann duschen? Eine Mischung aus Brendan Fraser (logo) und dem Profil von Brad Pitt. Nur noch etwas fitter. Und weil ich damit viel zu viele Frauen angespornt habe, sich diesen öden Film anzuschauen, hier ein Link zu einer Website mit Fotos und Kurzprofil. Die Pics sind nichts wert, im Film sieht er besser aus. Aber wenn man liest, dass er 6 Tage in der Woche 2-3 Stunden Workout macht, überrascht das nicht. .

Was das alles mit dem Affentheater von Film zu tun hat? Reichlich wenig. Aber es zeigt, was an "George of the Jungle 2" von Interesse ist. Der lakonische Erzähler und der Body des Protagonisten. Der Rest sind schlechte Spezialeffekte, eine löchrige Story, Gags aus dem ersten Teil, Witze um Elefanten-Dung und mässige Akteure. Sowie ein armer John Cleese, der sicher einen dicken Scheck für seine paar Sätze bekommen hat, aber einem dennoch leid tut.

PS: Im deutschen werden etliche Gags ruiniert. Eingangs erwähnter Joke heisst übersetzt etwa so: "ich bin zweiter George. Studio zu knausrig um ersten George zu zahlen". Das kappiert doch so niemand. Die die Fraser kennen, lachen wenigstens über den englischen Gag.

PS 2: Ja ich habe oben geschrieben Brad Pitt. Und die, dies nicht glauben, sollten mal dieses Bild anschauen. Ein Profil wie Brad, oder?

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Gigli USA 2003
Liebeskomödie
Reviewed 13.2.04

Regie, Buch und Produktion: Martin Brest
Mit Ben Affleck, Jennifer Lopez, Justin Bartha, Lenny Venito, Christopher Walken, Al Pacino

Wer meint, "Gigli" sei einer der schlechtesten Filme aller Zeiten, muss dringend öfters ins Kino. Klar ist das aufgeblasene, fehlkalkulierte Star-Vehikel ein Reinfall, aber vom Flop des Jahrhunderts oder einem Kandidaten der imdb.com bottom 100 (momentan ist er auf Platz 11) kann keine Rede sein. "Gigli" ist einfach ein schwacher Film, dem der ganze Hass, den die normalen Menschen auf die Medien-gehypte Ben-Jen-Beziehung hatten, entgegenschwappte. Affleck spielt den Gangster Gigli (gesprochen Tschiili), der im Auftrag seines Bosses Louis (Lenny Venito) den geistig behinderten Brian (Justin Bartha) entführen muss. Bald taucht die lesbische Ricki (Jennifer Lopez) bei Gigli auf. Sie wurde engagiert, um darauf aufzupassen, dass der etwas trottelige Gigli alles richtig macht ...

Der Rest des mit über 120 Minuten viel zu langen Films besteht aus Wortgefechten zwischen dem Real-Life-Liebespaar. Dazwischen ein abstruser Krimiplot, "Rain Man"-Elemente und zwei schwache Cameos. Eines von Christopher Walken, der noch halbwegs ungeschoren davonkommt. Und spät eines von Al Pacino, der so masslos übertreibt, dass er dafür wie Walken eine Razzie-Nomination als schlechtester Nebendarsteller einsackte. Zwei von neun, die "Gigli" erhielt. Aber auch hier gilt: Der Film ist ein High-Profile-Ziel, auf dem man nun halt gerne herumhackt. Ballistic: Ecks Vs. Sever, Cat in the Hat oder Dumb and Dumberer - das sind die wahren schlechtesten Hollywoodfilme 2003. Nicht dieses doch recht skurrile Produkt. Wer nämlich nicht sieht, dass Ben und Jen sich auf den Arm nehmen und der ganze Film nie ernst zu nehmen ist, hat einen Sprung in der Schüssel. Und so lauscht man halt halbwegs interessiert den oft unfreiwllig komischen Dialogen, die hie und da ganz witzig sind. "Gobble gobble" als J.Los Aufforderung zum Oralsex wird ja immer wieder als schlechtester Dialog des Jahres bezeichnet. Na ja. Der viel zu lange Diskurs Penis vs. Vagina ist schon schmerzhafter. Er hat einen gewissen Erinnerungswert, wie Roger Ebert in der wohl positivsten aller wichtigen Kritiken ausführt, aber er dauert viel zu lange, hat viel zu viele Denkfehler und konzentriert sich viel zu sehr darauf, wie J.Lo Yoga macht. Das ist jedoch ein schöner Anblick. Denn J.Lo ist ein schöner Anblick. Schauspielern muss sie nicht gross, aber sie hat Charme. Klar, wenn man sie hasst, hasst man sie im Film und hasst das ganze Werk, aber ich bin immer noch der Meinung, sie kann was (siehe "Out of Sight"). Hier ist sie passabel und, sagen Kritiker was sie wollen, hat eine gewisse schräge Chemie mit Affleck. Der ist ebenfalls etwas schwächer als sonst, aber ganz okay.

Am nervigsten fand ich den "Rain Man"-esken Subplot um Brian. Und das Ende. Und eben einige der Dialoge. Manchmal muss man sich wirklich fast zusammenrollen vor Pein. Aber "Gigli" ist als Ganzes einfach schwach. Nicht übel, sondern schwach. Die Negativstkritiken, die ihr an etlichen Orten lesen werdet, sind bloss eine Ohrfeige, die die Leute dem Celebrity-Paar auswischen wollen. Was hat die Qualität eines Films mit dem Medien-Exhibitionismus eines mittlerweile getrennten Paares zu tun? Genau ... eigentlich nichts. Und wenn man den Film losgelöst vom Negativ-Hype und losgelöst von der Ben-Jen-Hysterie anschaut, dann ist er nur ein unbedeutender, überlanger, halb-witziger und inhaltlich ziemlich ungewöhnlicher Streifen, der an den Kinokassen gnadenlos abschiffte. Flop des Jahrzehnts? Pah, Leute, die das behaupten, müssten sich mal einen Abend lang Fredi M. Murers "Vollmond" ansehen. Oder Battlefield Earth. Oder einen der unzähligen Thai-Flops, die ich 2003 erduldet habe. Oder Freddy Got Fingered. Oder "Trouble Every Day". Oder "Knallharte Jungs". Oder oder oder ...

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Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli 2/4
BBC 1/5
imdb


Girl With a Pearl Earring GB/LUX 2003
Drama
Reviewed 6.9.04

Regie: Peter Webber
Mit: Scarlett Johansson, Colin Firth, Tom Wiklinson, Judy Parfitt, Cillian Murphy, Essie Davis, Joanna Scanlan

Das Bild links ist "Jeune fille au turban" alias "Girl With a Pearl Earring". Der genaue Name des Bildes (bessere Auflösung hier) ist unbekannt. Johannes "Jan" Vermeer (1632-1675) malte es zwischen 1665 und 1667, heute ist es im "Mauritshuis"-Museum von Den Haag zu sehen. Es ist Vermeers bekanntestes und wohl bestes Bild und inspirierte bereits lange Abhandlungen und Essays. Eine Übersicht über einen Grossteil der Studien zum Bild liefert diese Website. Wenn man das Gemälde betrachtet, fragt man sich unweigerlich: Wer ist das Mädchen? Was geht in ihm vor? Und genau diese Fragen stellte sich Tracy Chevalier. Sie basierte auf diesen Fragen ihren Roman "Girl With a Pearl Earring" und spekuliert, dass das Mädchen Vermeers Hausangestellte Griet ei. Der Roman ist nicht unumstritten, weil er ein Bild des Vermeer-Haushaltes entwirft, das nicht sehr schmeichelhaft ist und das öffentliche Bild des Malers vielleicht für Generationen verzerrt - doch er wurde zum Bestseller.

Und Bestseller verfilmt man in Hollywood gerne. Chevalier befürchtete, dass die Filmemacher ihren Stoff zum Melodrama verwursteten, doch der Regiedebütant und vorherige Werbefilmer Peter Webber versicherte ihr, dass er ihre Stimmungen und Nuancen auf die Leinwand übertragen wolle. Ich habe den Roman nicht gelesen - aber der Film wirkt definitiv subtil und nuanciert. Er dürfte eine gute Umsetzung sein. Nicht nur das: Er ist auch ein guter Film. Scarlett Johansson spielt Griet, die Mitte des 17. Jahrhunderts als Magd ins Haus des Malers Jan Vermeer (Colin Firth) in der holländischen Stadt Delft kommt. Der Haushalt wird von Jans rigoroser Schwiegermutter (Judy Parfitt) geführt, sie achtet auf jeden Gulden, da das Geld knapp ist. Ihre Tochter Catharina (Essie Davis) mag Griet nicht sonderlich - wohl weil sie weiss, wie attraktiv das Mädchen ist und dass ihr Gatte früher oder später darauf aufmerksam würde. Tatsächlich interessiert er sich für Griet. Doch nicht nur wegen ihrem Äusseren, sondern weil sie instinktiv mehr vom Malen weiss, als der Rest des Haushalts. Als Jan vom Mäzen Van Ruijven (Tom Wilkinson) den Auftrag bekommt, Griet zu malen, droht im Hause Vermeer Ungemach ...

Man kann auf viele Arten an den Film herangehen. Der offensichtlichste ist visueller Natur. Mir gefiel der Film primär wegen seinen Bildern. Jeder Shot ist einem Gemälde gleich, wobei die Ausleuchtung einfach brillant ist und an die holländischen Maler von Rembrandt bis (logo) Vermeer erinnert. Kameramann Eduardo Serra verdiente seine "Oscar"-Nomination absolut. "Girl With a Pearl Earring" wirkt nicht immer naturalistisch - aber so, als sei diese Welt einem Gemälde des 17. Jahrhunders entsprungen, die "Oscar"-Nominationen für Ausstattung und Kostüme sind also auch verdient. Und dennoch sind die Figuren darin real. Diese Leistung ist beeindruckend. Dazu kommt die schöne Musik, das gemächiche Tempo und die eher kurze Lauflänge. Nicht zuletzt sind die Akteure umwerfend. Die bezaubernde Scarlett Johansson darf eine weitere Top-Performance in ihren Leistungskatalog aufnehmen. Sie ist das Highlight des Films, keine Frage.

Und dann ist eben der Inhalt. Ich will nicht spekulieren, wie real er ist, dafür bin ich in diesem Bereich zu wenig geschult. Aber was wir vorgesetzt bekommen, wirkt glaubwürdig. Es wird keine Liebe zwischen Griet und Vermeer herbeigezaubert. Es ist vielleicht nicht einmal die Beziehung eines Malers mit seiner Muse. Klar, das spielt mit, doch in erster Linie sieht Vermeer in der jungen Frau eine Geistesverwandte. Obwohl sie aus einem ganz anderen Background stammt, kann sie Farben mischen und einen Bildaufbau verbessern. In einer blendend montierten Szene studiert sie sein Bild lange, rückt dann einen Stuhl beiseite und am nächsten Tag ist der Stuhl tatsächlich aus dem Bild verschwunden. Vermeer hat ihn weggemalt. Er weiss, sie hatte recht. Diese Verbindung, für die es in den Augen der Umgebung keinen Namen gibt, ist die Essenz des Films. Die kurzen Annäherungen mit dem Berühren der Hände fand ich klischiert, aber dennoch okay. Es ist vielmehr die Liebe im Geiste, die mich faszinierte. Die armen Leute reagieren darauf genauso verstört wie Vermeers Familie. Und da niemand diese Form einer Beziehung auch nur in Worte fassen kann, kommt es zum dramatischen Ende, das dennoch sehr schön ist - schliesslich blieb der Nachwelt das Bild erhalten. Und die Möglichkeit, zu interpretieren und fabulieren. Der Film weist eigentlich wenig Dramaturgie auf, sagt aber dennoch viel aus und ist wunderbar anzuschauen. Wie das Bild.

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Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 4/5
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Good bye, Lenin! D 2003
Tragikomödie

Regie und Buch: Wolfgang Becker
Mit: Daniel Brühl, Katrin Sass, Maria Simon, Chulpan Khamatova, Florian Lukas, Alexander Beyer, Burghart Klaussner, Michael Gwisdek

"Good bye, Lenin!" von Wolfgang Becker ("Das Leben ist eine Baustelle") ist eine liebevolle DDR-Nostalgisierung mit spritzigen Einfällen und ohne allzuviel Zuckerguss über den realen Zuständen im Arbeiter- und Bauernstaat. Die Realität, wie sie in der DDR geherrscht hat, wird nicht verharmlost - so gibt es die Stasi oder brutale Behandlung von Demonstranten. Als die Mauer fällt gerät dies jedoch in den Hintergrund. Der Protagonist Alex (Daniel Brühl) muss sich nämlich eine kleine DDR aufbauen. Seine Mutter ist aus dem Koma erwacht, nachdem sie die Wende verschlafen hat, und darf nun keinen Schock erleben - weshlab Alex ihr Zimmer herrichtet, Fernsehsendungen der "aktuellen Kamera" selbst dreht und Spreewald-Gurken auftreiben muss. Da kommt natürlich eine herrliche Portion Nostalgie zusammen, aber Beckers Film wird nie ein "Sonnenallee 2", sondern wagt einen Spagat zwischen Satire und Drama. Mit hervorragendem Resultat.

Von der Lauflänge hätte man rund 10 Minuten wegschneiden können, denn zum Schluss gehen Becker etwas die Ideen aus, aber der Gesamteindruck, den "Good bye, Lenin!" hinterlässt ist ein durchwegs guter. Die Erinnerungen an den Mauerfall sind bewegend, das Schicksal der Mutter berührend und wenn etwa die Lenin-Statue grüssend vorbeifliegt (ein Helikopter trägt sie zum Verschrotten), dann schafft Becker auch die Kurve ins Surreale bis Skurrile. Einer der besseren deutschen Filme seit langem. Ach, und wenn jemandem von euch der Soundtrack bekannt vorkommt (wie mir): Der Komponist ist Yann Tiersen - und ich hatte manchmal das Gefühl, er übernahm die Kompositionen 1:1 aus seinem genialen "Amélie"-Score.

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Gothika USA 2003
Horrorfilm
Reviewed 2.2.04

Regie: Mathieu Kassovitz
Produktion: Joel Silver, Robert Zemeckis, Susan Levin
Mit: Halle Berry, Robert Downey Jr., Penélope Cruz, Charles S. Dutton, John Carroll Lynch, Bernard Hill, Dorian Harewood

"Logic is overrated" sagt Halle Berry gegen Ende von "Gothika" und legt den Kritikern damit quasi die Tagline in den Mund. "Gothika" ist nicht logisch - doch etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Die erste halbe Stunde dieses Horrorfilms des französischen Schauspielers ("Amélie") und Regisseurs ("Les rivières pourpres") Mathieu Kassovitz ist denn auch sehr reizvoll. Die Idee, dass eine Psychiaterin schlagartig auf der anderen Seite, also in der Zelle, sitzt, hat eine Mindfuck-Power, die der Film danach leider nie ausnutzt. Die Sequenzen, in denen Berry sich verteidigt und behauptet, sie sei gesund - und sich so immer "irrer" macht, sind besonders beklemmend. Berry spielt die Psychologin Miranda Grey. Sie hat eine glückliche Ehe mit dem älteren Institutsleiter Douglas (Charles S. Dutton), sieht gut aus und ist erfolgreich. Bis sie eines Tages auf dem Heimweg beinahe ein Mädchen überfährt. Als sie danach aufwacht, sitzt sie in der Zelle. Ihr Kollege Pete (Robert Downey Jr.) erklärt, sie habe ihren Gatten umgebracht!

Wie gesagt: Eine tolle Ausgangslage. Doch dann beginnt der Geist dieses Mädchens mit Halle zu kommunizieren und die Logik und das Storytelling gehen den Bach runter. Unaufhaltsam. Das Finale ist eine Beleidigung, anders kann mans nicht sagen. Ich war bereit, über die kleinen Logiklöcher hinwegzusehen (Wieso sagt der Geist nicht, was Sache ist, anstatt kryptisch "not alone" zu schreiben? Wie soll ein Fettsack wie Charles S. Dutton Halle zur Frau kriegen?? Wer steckt eine Psychiaterin zu ihren ehemaligen Patientinnen???) , doch dafür erwartete ich wenigstens stilsichere Spannung. Stilsicher ist Kassovitz, doch Spannung kann man vergessen. Die obligaten falschen Schrecks (eine Eule fliegt aus einem Versteck ...) unterbrechen bloss ewigt lange Szenen, in denen Halle bloss herumwandert und "instinktiv" nach Hinweisen sucht. Wenn sie die dann beisammen hat, ist alles bloss noch lächerlich. Insbesondere stellt sich die Frage, wieso Penélope Cruz' Charakter, eine Insassin des Irrenhauses, die halbe Zeit von teuflischen Vergewaltigungen redete, anstatt Halle reinen Wein einzuschenken? Schliesslich wird am Schluss (keine Angst, das ist kein grosser Spoiler) suggeriert, Penélope sei nicht wirklich irr. Also dann sollte sie intelligent genug sein, um Halle richtig zu warnen, anstatt verschlüsselte Botschaften zu hinterlassen. Ach, alles ist einfach zu konstruiert in "Gothika". Und wieso der Film eigentlich so heisst, würde ich auch gerne wissen.

Der Besuch des Films lohnt sich kaum. Halle ist passabel. Sie sieht sexy aus im engen T-Shirt und lässt auch eine Chance für eine Wet-T-Shirt-Szene nicht aus (obwohl sie da plötzlich einen BH drunter trägt ...). Penélope darf viel heulen, ist aber okay, selbst wenn sie Sätze wie "He opened me like a flower of pain" aufsagen muss. Die anderen Charaktere haben wenig zu tun, darunter Bernard Hill, König Théoden der "Lord of the Ring"-Trilogie. Der Plot ist wie gesagt nach einer halben Stunde bloss noch blöd. Bloss die Atmosphäre bleibt von Anfang bis Ende annähernd furchteinflössend. Das reicht für angenehmen TV-Schauder daheim, aber den Gang ins Lichtspielhaus kann man sich getrost sparen.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2/4
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The Haunted Mansion USA 2003
Gruselkomödie
Reviewed 5.1.04

Regie und Executive Producer: Rob Minkoff
Mit: Eddie Murphy, Marsha Thomason, Terence Stamp, Nathaniel Parker, Aree Davis, Mark John Davis, Wallace Shawn, Jennifer Tilly

Wie Pirates of the Caribbean basiert "The Haunted Mansion" von "Stuart Little"-Regisseur Rob Minkoff auf einer Abenteuerbahn im Disneyland. Doch während die Piraten-Adapion ein Highlight des Kinojahrs ist, hat die Geister-Posse das künstlerische Niveau einer Geisterbahn: Hübsch ausgestattet, ein paar Gags, ein paar Schock-Momente. Aber auf über 90 Minuten ausgedehnt dominiert mehrheitlich der Gähn-Effekt. Eddie Murphy ist gut besetzt und recht amüsant als Immobilienhändler Jim Evers, der mit seiner Familie zu einer riesigen, alten Villa fährt, um sie zu verkaufen. Der unheimliche Buttler (Terence Stamp) organisiert das Treffen mit dem Besitzer (Nathaniel Parker), der ein grosses Interesse an Jims Frau zeigt.

Die Geschichte, die entwickelt wird, ist hauchdünn, aber immerhin logisch aufgelöst. Neben Murphy sind die anderen Akteure höchstens okay, Stamp ist manchmal amüsant als stoischer Butler. Am besten "spielen" jedoch die Kreationen von Rick Baker. Insbesondere die Zombies des Effekt-Königs sind eine Wucht. Doch das bringt mich zurück zum Hauptproblem: Ausstattung gut, Akteure akzeptabel - den Rest kann man vergessen. Es gibt sogar Momente, die sind bloss noch peinlich. So etwa der ganze "Daddy hat nie für uns Zeit"-Anfang. Wieviele Dutzend mal haben wir das schon in Disney-Filmen gesehen? Da fühlen sich wohl höchstens die Kids wirklich angesprochen.

Der letzte ist das kitschige Finale, das mit seinem religiösen Gedöns bei manchen Älteren im Publikum Brechreiz hervorrufen kann. Und dann die alberne Sache mit den Spinnen. Der Sohn hat zu Filmbeginn Angst vor Spinnen. Man weiss, was passieren wird. Er wird in eine Situation kommen, in der er die Angst überwinden muss. Diese kommt, als Daddy in Gefahr schwebt. Für jemanden wie mich, der wirklich Angst vor Spinnen hat, ist es ein Hohn, wie schnell der Bubi seine anscheinenden Todesängste überwindet. Und dann nicht bloss bei einer Spinne sondern bei hunderten von CGI-Achtbeinern. Igitt! Aber aufregen lohnt sich nicht. "The Haunted Mansion" ist dünne Butter auf einem trockenen Stück Brot. Schaut man, verdaut man, vergisst man. Nichts bleibt zurück- Höchstens ein leichtes Magenbrennen.

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Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli (USA) 2/4
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Haute tension F 2003
Horrorthriller
Reviewed 7.8.04

Regie und Buch: Alexandre Aja
Mit: Cécile de France, Maïwenn Le Besco, Philippe Nahon, Franck Khalfoun, Andrei Finti, Oana Pellea

Was für ein spannender und toll gemachter Film. Und was für ein blödes Ende. "Haute tension" ist ein französischer Horrorthriller von Jungregisseur Alexandre Aja, der moderne Filmmittel mit Inszenierungsstilen der 70er und frühen 80er paart. Exakte Vorbilder auszumachen, ist etwas müssig, man liest auch auf Horror-Seiten alles von "The Texas Chainsaw Massacre" über "Halloween" und "Maniac" bis Fulci und Argento. Da ich die letzten drei nicht mag, seh ich wohl mehr von TCM. Aber egal. Aja inszeniert vorzüglich. Der Mann hat eine grosse Zukunft. Im ersten Akt dominieren schöne Bilder, gelb-rote Abendstimmung, ausgelassene Akteure, lockere Musik ("Sarà perchè ti amo" von "Ricci e Poveri" passt bersonders gut). Nur eine Szene, bei der ein Kerl sich von einem abgeschnittenen Kopf eins blasen lässt, fällt etwas aus dem Rahmen.

Im zweiten Akt kommen die Hauptdarstellerinnen Marie (Cécile De France, "L' auberge espagnol") und Alex (Maïwenn Le Besco, die Diva aus "The Fifth Element") im abgelegenen Landhaus von Alex' Eltern an. Hier wollen sie etwas studieren und vom Alltag abgekapselt sein. Doch während die meisten im Haus schlafen und Marie im Bett masturbiert, taucht ein alter Truck auf. Ein ekliger Mann (Philippe Nahon, Irréversible) entsteigt ihm und hat sogleich Alex' Vater, der die Türe öffnet, eins über den Schädel. Danach killt er ihn auf einer der diabolischsten Arten, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Das Timing der Szene stimmt bis ins Detail. Fortan meuchelt der Mann eine Person im Haus nach der anderen. Der Tod von Alex' Mutter ist besonders eklig. Dann packt er Alex und fährt weg. Marie konnte ihm mit List entkommen und nimmt die Verfolgung auf ...

Schon in diesem Teil gibts etliche Überraschungen, auch wenn die Story nicht die Originellste ist und Parallelen zu anderen Werken auszumachen sind, namentlich Dean Koontz' Buch Intensity. Aja bedient sich zwar im Filmfundus und auch bei Klischees, doch kontrastiert diese mit der Umkehr der Klischees. In die erste Kategorie passt die Szene, in der das Auto nicht anspringen will, die, in der die Polizei dem Anrufer nichts glauben will oder die, in der eine Person ins WC flüchtet. Zur Umkehr gehört etwa der Moment, in dem Marie Wasser trinkt, sich aufrichtet und im Spiegel nicht den Killer steht. So spielt Aja geschickt mit unseren Erwartungen - und es gibt erstaunlich wenig Plausibilitäslücken. Das liegt am absolut teuflischen Killer, am geradlinigen Plot und an den tollen Akteuren. Cécile de France gefiel mir extrem gut. Sie hat eine maskuline Art, wirkt im Gesicht aber dennoch sehr feminin. Eine Sigourney Weaver fürs 21. Jahrhundert. Wie auch immer: eine sehr dynamische Performance.

Soweit, so toll. Etwas habe ich noch nicht erwähnt: Die Gewalt ist extrem. Die koreanische DVD ist deshalb geschnitten, lasst die links liegen. Es gibt nur wenige Gore-Szenen (Design: Giannetto De Rossi), aber wenn sie kommen, dann kommen sie richtig. Blutströme, die in die Kamera spritzen, Kreissägen, Rasiermesser, Stacheldraht - alles wird eingesetzt. Nichts für schwache Mägen. Und nichts für schwache Nerven, denn der Film ist sackspannend. Man fühlt mit Marie mit, ist mit ihr in "haute tension" - extremer (An)spannung. Ja und dann kommt das Ende. Die letzten 10 Minuten des mit 87 Minuten angenehm kurzen Schockers, sind zum Schreien schlecht. Ich wollte dem Film lange vier Sterne geben, aber der Twist ruiniert alles. Ich sags mal ohne Spoiler: Alles was davor kommt, wird auf eine Art relativiert, die plötzlich Logikfragen aufwirft. Psychologisch funktioniert der Twist, da ein Charakterzug eines Charakters klar wird, der schon vorher recht klar angedeutet wurde - doch erzähltechnisch ist der Twist idiotisch und unnötig. Oben genannte Kopf-Blowjob-Szene geht nicht mehr auf, Kamerapositionen im Haus von Alex' Eltern funktionieren nicht mehr. Ich gucke mir den Film jetzt gerade beim Tippen passiv ein zweites Mal an und muss sagen, es gab einige Stellen, die auf den Twist hingewiesen haben - doch es braucht ihn nicht. Schlimmer noch: er ruiniert alles. Bei "The Sixth Sense" war der Twist auch nicht nötig, weil wir ein hübsches Geister-Melodrama vorgesetzt bekamen. Aber kaum kam der Twist, stand alles in neuem, genialen Licht da. Und ging auf. "Haute tensions" Twist ist schluddrig und aufgesetzt. Einer der schlechtesten Twists der Filmgeschichte.

Dass "Haute tension" dennoch so fegt, ist Ajas Talent als Regisseur und Spannungsaufbauer zu verdanken. Hätte er den Film als geradlinigen Horror aufgezogen, als schnörkelloser 70's-Style-Horror, er wäre ein modernes Meisterwerk. Doch Aja ist in der modernen Zeit verwachsen und braucht anscheinend etwas, damit sich die Zuschauer an seinen Film erinnern. Er misstraut seinem eigenen Talent. Also zaubert er diesen falschen Hasen aus dem Hut, versucht sich als Shyamalan-Klon - und scheitert kläglichst. Wie gesagt: Beim zweiten Mal schauen sehen die Dinge dann ganz anders aus, das macht die Sache reizvoll. Dafür ist beim zweiten Mal alle Spannung weg. Nein, nicht, weil man weiss, wer überlebt, sondern aus viel profaneren Gründen. Es gibt faktisch kein Spannungselement mehr beim zweiten Mal anschauen und alle inhaltliche Logik sowie alle Perspektivitätslogik ist weg. Verwirrt? Nicht so schlimm, aber ich will eben nichts spoilern ... anschauen müsst ihr den Film unbedingt. Er ist extrem geil gemacht und gut gespielt. Wäre nicht dieser Twist ...

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Holes USA 2003
Abenteuerfilm
Reviewed
7.7.04

Regie und Produktion: Andrew Davis
Mit: Shia LeBeouf, Khleo Thomas, Sigourney Weaver, Jon Voight, Tim Blake Nelson, Patricia Arquette, Jake M. Smith, Byron Cotton, Brenden Jefferson, Miguel Castro

Disneys "Holes" (aka. "Das Geheimnis von Green Lake") basiert auf dem populären Buch von Louis Sachar. Es ist ein Glücksfall, dass der Autor auch das Drehbuch verfasste. So blieb die Essenz erhalten und der Film verkommt nicht zum verwässerten Kinderfilm. Stattdessen setzt Davis einen waschechten Abenteuerfilm vor, der für die Kleinen etwas gar komplex und brutal sein kann, aber für alle von 8-88 ein grosses Vergnügen darstellt. Der Plot: der junge Verlierer Stanley Yelnats IV (Shia LeBoeuf) wird für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, für 18 Monate ins Jugend-Erziehungslager "Green Lake" geschickt. Das Camp mitten in der Wüste wird von der knallharten Lou (Sigourney Weaver) geführt. Die Jungs müssen jeden Tag in der Wüste Löcher graben, keiner weiss wozu. Erst langsam dämmert Stanley, der glaubt, auf ihm laste ein alter Familienfluch, weshalb sie alle buddeln müssen ...

Mehr sei nicht verraten, denn ein Grossteil des Reizes besteht in der Entdeckung. Davis und Sacher offerieren Rätsel, Mysterien, ein Kiddie-Gefängnisdrama, ein coming-of-age-Film, ein Western-Abenteuer, ein Schatzsucherfilm, eine Komödie, eine Satire und ein Fantasystreifen ... alles in einem. Der für Action bekannte Davis ("The Fugitive") verknüpft spielend die vielen Handlungs- und Zeitebenen zu einem faszinierenden Film mit nur leichter Überlänge. Ein wirklich unterhaltsamer, sehenswerter Film, der umso besser ist, je weniger man über ihn weiss. Loch für Loch kommt die Geschichte so voran und packt die Zuschauer ... mehr sag ich nicht.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
imdb


Hollywood Homicide USA 2003
Krimikomödie
Reviewed 15.2.04

Regie, Buch und Produktion: Ron Shelton
Mit: Harrison Ford, Josh Hartnett, Lena Olin, Bruce Greenwood, Isaiah Washington, Lolita Davidovich, Keith David, Master P, Dwight Yoakam, Martin Landau, Lou Diamond PhilipsKurupt, Eric Idle, Robert Wagner, Dré, Gladys Knight

An Kinokassen erlebte "Hollywood Homicide" gnadenlos Schiffbruch und es ist in der Tat etwas traurig zu sehen, dass der Han Solo und Indiana Jones meiner sechs Lieblingsfilme keine Filme mehr machen kann, die mich wirklich vom Hocker hauen. Aber fairerweise muss ich doch sagen, dass "Hollywood Homicide" mir gefallen hat. Er ist zwar massiv zu lang, hat allzuviele lose Enden und Plot-Probleme, doch er wirkt relaxt, amüsant und sympathisch gespielt. Ford und Hartnett haben zwar nicht gerade das, was man Chemie nennt, aber sie ergänzen sich gut. Sie spielen zwei Cops, die einen Vierfachmord an einer Rap-Gruppe in Hollywood, Los Angeles, untersuchen. Was Regisseur Ron Shelton dabei so schön ermöglicht, etliche Seitenhiebe auf den Hollywood-Lifestyle einzubauen. Masslosigkeit, Star-Gehabe, News-Helikopter in der Luft, Esoterik-Boom, Möchtergern-Schauspieler und vieles mehr. Dazu noch ein paar gelungene Cameos. Die Geschichte mag für sich ja nicht viel hergeben, aber diese Fussnoten funktionieren.

Besonders schwach an der Story ist das Ende. Da wird durch L.A. gejagt, bis kein Stein mehr auf dem anderen steht - wo doch klar ist, dass Fords Job auf der Kippe steht. Er hat wohl mehr Regeln gebrochen als Dirty Harry und dennoch kommt das nie mehr zur Sprache. Geschweige denn, dass die Verfolger zu dem Zeitpunkt ja eigentlich gar keine stchfeste Beweise in der Hand haben! Was solls. Wenn Harrison Ford selbstironisch zu Lena Olin sagt "If I take my gingko, I can still remember where I put the Viagra", dann ist klar, dass Ford an "Hollywood Homicide" seinen Spass hatte und auch darüber scherzen kann, dass seine Indiana-Jones-Zeiten vorbei sind - selbst wenn es um 2005 ja nochmals einen geben soll. Ford ist 62 und sieht für dieses Alter klasse aus. Dies ist eine absolut würdige und gute Rolle für dieses Alter - und Ford darf oft Comedy-Talent zeigen. Seine Anrufe für den Nebenjob als Hausverkäufer, die immer im ungünstigsten Moment kommen, sind amüsant. Und Josh Hartnett bekommt mehrmals die Gelegenheit, sein Image als Teeniegirl-Schwarm zu zementieren, aber auch dies auf ironische Art. Und als Gegenpol zum sexuell (vermeintlich) inaktiven Ford.

Langer Rede, kurzer Sinn: "Hollywood Homicide" hat den Flop nicht verdient. Es ist niemals der beste Film der Beteiligten und schnell verdaute Konfektionsware, aber ironisch, amüsant und sympathisch. Dass er mehr daran interessiert ist, die beiden unterschiedlichen Cops zu porträtieren, als den Fall zu lösen, ist eigentlich ein positiver Aspekt, da Spannung und Thrill hier letztendlich gar nicht hingehören. Denkt stimmungsmässig eher an Columbo mit zwei Cops. So ungefähr. Okay, weit hergeholt. Ich bin ja schon still ..
 

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli 2/4
BBC 3/5
imdb


Honey USA 2003
Musikdrama
Reviewed 11.12.03

Regie: Billie Woodruff
Mit: Jessica Alba, Lil' Romeo, Mekhi Phifer, David Moscow, Zachary Williams, Joy Bryant, Missy Elliott, Ginuwine, Shawn Desman, Tweet, Silkk

Ich kann mir gut vorstellen, wie dieser Film gepitcht wurde: "Hey wir machen einen Mix aus Flashdance und Dangerous Minds für die heutige coole Urban Community. Mit vielen Rapstars, R&B-Soundtrack und sexy Stars. Das bringt Knete! Die Teens lieben das!" ... mag sein, der Film ist trotzdem doof. Jessica Alba, die Süsse aus "Dark Angel", spielt Klischee-Innenstädterin Honey. Sie hat kein Gramm zuviel am Körper, tanzt wie ein Göttchen, hat einen schwarzen Daddy und eine weisse Mom, lächelt immer lieb in die Kamera und trägt Klamotten, die danach alle Teenie-Girlies tragen wollen. Kurz: Sie ist ein wandelndes Werbeprodukt und das Zentrum des Films. Sie will nämlich Tänzerin werden. Siehe da, eines Tages, als sie und ihre magersüchtige Freundin (Joy Bryant) zusammen abgrooven, wird Honey vom Videoregisseur Michael (David Moscow) entdeckt und als Tänzerin eingestellt. Schon bald choreografiert sie die Videos von Ginuwine, Missy Elliott und Tweet - doch glücklich ist sie nicht. Denn sie vernachlässigt nun ihre Freunde und kann auch die Kids von der Strasse nicht mehr unterrichten. Auftritt Sozialkitsch aus der untersten Schublade.

War der Hauptteil der ersten Hälfte das "Flashdance"-Ripoff, kommt nun das "ich tue Gutes im Ghetto"-Thema à la "Dangerous Minds" und "Sister Act" zum Zug. "Honey" mag eine Spur realistischer sein, als diese beiden Filme, aber dennoch ziemlich klischiert. Und langweilig. Und voraussehbar. Und verlogen. Ja, verlogen. Regisseur Billie Woodruff gibt sein Debüt als Kinofilmer, zuvor drehte er Musikvideos für Uster, Britney Spears & Co. Das Spiel mit der Kamera hat er also im Griff, die Videoszenen sind extrem stylish, hip getanzt und natürlich sexy - bis sexistisch, wie die meisten Rap-Videos von heute. Nun, sei's drum, das spiegelt wenigstens die Wirklichkeit wieder. Doch dann der Moral-Hammer, wenn etwa Honey den schwarzen Jungs Vorträge hält, sie sollen sich nicht wie Poser aufführen. Oder wenn Missy Elliot nicht will, dass ihr Tanz wie eine Pornoproduktion aussieht. Hallo? Genauso sind die Acts in dem Film! Die Jungs sind Machos und Poser, die Girls schwingen ihre sexy Ärsche und haben Glück, dass ihnen die Brüste nicht aus den Mini-Tops rausrutschen. Wie kann der Regisseur also hinstehen und sagen "hey seid doch etwas mehr wie Jessica Alba oder ihr braves Gegenstück Mekhi Phifer" - wenn er im gleichen Atemzug dieses Gehabe glorifiziert? Das ist sowas von verlogen. Entweder er macht auf sexy, nennt die Girls Bitches und steckt sie in "Urban Fabulous"-Klamotten, kommt mit solch coolen Dialogen wie "yo, what's chillin'" rüber und macht die Macho-Posen zum Inbegriff der Männlichkeit. Oder er zeigt eine alternative Welt mit (verheizten) Mekhi Phifer als bravem Coiffer und Jessica Alba als Beauty-Queen mit sozialem Gewissen. Beides zusammen ist ein Spagat, der zum Steissbeinbruch führt.

Damit hat "Honey" für mich bereits verloren. Klar sind die Gastauftritte der Musik-Grössen cool, klar ist Jessica ein Wonneproppen und klar ist die Choreografie top - aber wenn ein so voraussehbarer Film mit Dialogen und Charakteren aus der Drehbuch-Hölle auch noch verlogen sein muss, dann sollte man ihn lieber boykottieren. Anonsten passiert was? Kids kommen aus dem Kino, denken sie haben einen Film gesehen, der ihnen sagt "wenn dus willst, dann schaffst du es", der sagt "hab soziales Gewissen, dann läufts besser", und der sagt "tanze anstatt kriminell zu werden". Doch im gleichen Atemzug haben sie gelernt, dass man die Frauen Bitches nennt, ihre knapp verhüllten Bootys anstarrt und mit seinen Homies sexistische Sprüche machen muss, um cool zu sein. Das passt nicht unter den selben Hut. Schaut euch lieber ein Rap-Video an und schaltet danach zum Wort zum Sonntag. Da habt ihr auch beides - aber säuberlich getrennt. Hier wirds zur Ungeniessbarkeit vermischt ...

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Roger Ebert (USA) 2½/4
imdb


The House of Sand and Fog USA 2003
Drama
Reviewed 29.1.04

Regie und Buch: Vadim Perelman
Mit: Jennifer Connelly, Ben Kingsley, Ron Eldard, Shoreh Aghdashloo, Frances Fisher, Kim Dickens, Jonathan Ahdout

Adaptiert vom Roman von Andre Dubus II drehte Regiedebütant und Ex-Werbefilmer Vadim Perelman dieses triste Drama um eine junge Ex-Alkoholikerin namens Kathy (Jennifer Connelly), die vor acht Monaten von ihrem Mann verlassen wurde und sich nicht einmal getraut, dies der Familie mitzuteilen. Eines Tages taucht die Polizei bei ihr auf: Weil sie $500 Gewerbesteuer nicht bezahlt hat, wird ihr Haus, das sie vom verstorbenen Vater geerbt hat, versteigert. Sie muss das Anwesen innerhalb eines Tages räumen und sitzt auf der Strasse. Kathy nimmt sich eine Anwältin (Frances Fisher), doch weil Kathy die Post mit den wichtigen Dokumenten damals nicht geöffnet hat, wird sich die Sache verzögern. Es ist jedoch klar, dass die Behörden geschlampt haben - Kathy sollte ihr Haus bald zurückhaben. Dummerweise wird es in der Zwischenzeit von der Familie Behrani ersteigert. Die iranischen Flüchtlinge sind US-Bürger, doch in den Staaten muss sich der ehemals angesehene Familienvater Massoud Amir Behrani (Ben Kingsley) mit schlechten Jobs durchschlagen und ist verschuldet. In dem Haus sieht er eine Investment-Chance. Tatsächlich kann er es bald zum vierfachen Preis wieder auf den Markt werfen. Verkauft er es, verfällt aber Kathys Anspruch. Sie droht auszurasten, besucht die Behranis und rekrutiert den in sie verliebten Polizisten Lester (Ron Eldard) als Helfer.

Die Ereignisse der ersten Stunde sind genial. Das Drama um das Haus scheint simpel zu sein, doch man sympathisiert mit beiden Seiten. Kathy und Massouds Frau (Shoreh Aghdashloo) würden vielleicht zu einer Einigung kommen, doch die Männer (Kingsley, Eldard) lassen die Sache eskalieren. Danach wird der Film leider immer wie schlechter. "The House of Sand and Fog" bekam von vielen US-Kritikern die Bestnote. Nur wenige wie das immer-giftige Slant-Magazin, griffen ihn an. Und ich muss da einhängen. Zum Beispiel beim Schnitt. Regisseur Perelman hat den assoziativen Schnitt wohl an der Grundschule gelernt. Er schneidet alles nach dem Prinzip der Dualität. Sogar die Sexszene zwischen Kathy/Lester und den Behranis wird gegengeschnitten. Zu welchem Zweck? Um zu zeigen, dass auch Iraner nach dem Sex kuscheln? Wie politisch korrekt. Der Film ist korrekt, weil er Sympathie auf alle Seiten erweckt, doch in seinen Stereotypen ist er fast wieder rassistisch. Und eben in seiner wie oben angesprochenen Billig-Schnitttechnik (Pakistanis - Wolken - Kathy - Wolken). Die Akteure sind fuilminant. Connelly heult wie immer fantastisch und Kingsley (in allzu stark an "Gandhi" erinnerdem Modus) fesselt. Seine Filmfrau Shoreh Aghdashloo ist fast die beste im ganzen Cast. Und in der zweiten Filmhäfte sind sie und Filmsohn Jonathan Ahdout auch die einzigen, mit denen ich mitleiden konnte.

Ihr Schicksal ist wirklich deftig. Connellys Wandel ist hingegen schwer nachzuvollziehen. Von der Szene an, in der sie zum ersten Mal Selbstmord machen will, verlor ich sie. Ich nahm das nicht ab. Kingsleys Charakter macht auch immer seltsamere Dinge und am Ende, wenn der Regisseur ganz offensichtlich denkt, man sei bewegt, fragte ich mich bloss "tja, und wofür denn das alles?" Wars das? Der Film will bloss deprimieren. Es ist schön, dass er zeigt, dass alles zwei Seiten hat, das jedes Schicksal noch eine Backstory hat - doch letztendlich sollte dies auch zu etwas führen. "The House of Sand and Fog" führt bloss zu Tod und einfachen Enden. Er suggeriert Tiefgründigkeit (Selbstmord soll immer tiefgründig sein), dabei sind seine Strukturen komplett offengelegt. "The House of Sand and Fog" ist ein gnadenloser Manipulator. Dass Roger Ebert, der dem Film 4 Sterne gibt, dies nicht sieht und dafür dies beim ebenso manipulativ-deprimierenden The Missing ankreidet, kann ich nicht verstehen. Ich finds okay, wenn mich ein Drehbuch in eine gewisse Riechtung drängt, aber "The House of Sand and Fog" drängt einen nicht in eine Richtung, sondern in einen Zustand. Einen der Gelangweiltheit und des Desinteresses. Die Charaktere sind zum Schluss Abklätsche komplexer Figuren. Ihre Motive, ihre Handlungen lösen sich in einem Mischmasch auf, das zu Tränen rühren soll. Nö, funktioniert nicht. Zum Ende sind mit Connellys und Kingsleys Charaktere so entfremdet vorgekommen, dass ich mich keine Spur mehr für sie interessiert habe. Mutter und Sohn sind arme Dinger, aber die beiden anderen sind Schachfiguren eines überkonstruierten Drehbuchs. Schade, denn gespielt ist er superb. Die "Oscar"-Nominationen für Kingsley und Aghdashloo sind aleso verdient. Jene für James Horners klebrige Musik indes nicht. Und zum Glück gabs auch keine weiteren ...

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Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
imdb


How to Lose a Guy in 10 Days USA 2003
Liebeskomödie

Regie: Donald Petrie
Mit: Matthew McConaughey, Kate Hudson, Kathryn Hahn, Adam Goldberg, Annie Parisse, Thomas Lennon, Shalom Harlow

Wieso kriegt der Film so schlechte Kritiken? Ich weiss es nicht - mir gefiel er gut. Ich würde sogar sagen, "How to Lose a Guy in 10 Days" ist eine der amüsantesten Liebeskomödien der letzten Monate. Matthew McConaughey spielt einen sportlichen Macho-Werber, der seinem Boss beweisen muss, dass er Frauen versteht. Wie tut er das? Er soll in 10 Tagen dafür sorgen, dass eine Frau ihn wirklich liebt. Easy, denkt sich der Charmeur - und wählt Kate Hudson. Der Sonnenschein aus "Almost Famous" spielt eine Journalistin, die für ein Frauenmagazin "How to ..."-Artikel schreibt. Ihr neuster Auftrag: "How to Lose a Guy in 10 Days" - wie werde ich einen Typen in 10 Tagen los. Das heisst, sie sucht einen Mann, der sich in sie verliebt, und tut dann all die Dinge, die eine Frau nicht tun sollte. Wen wählt sie? Na den sportlichen Typen, der sie anspricht. McConaughey.

Was für eine abgedroschene Ausgangslage? Oh ja. Solche Zufälle gibt es nicht. Absolut idiotisch - wer kam nur auf diese olle Idee. Aber ... aaaaber. Nun passiert etwa eine Stunde lang nur Komisches. Wie Kate seinem Penis einen Frauennamen gibt, wie sie sein Bad pink ausstattet, wie sie seinen Männerabend zerstört, wie sie 10 Sekunden vor Basketball-Spielende eine Cola verlangt - all das tut einem Mann richtig weh. Und er muss ihr trotzdem immer wieder verzeihen. Schliesslich muss sie ihn ja lieben. Ich hab mich jedenfalls halb tot gelacht ab diesen (halbwahren?) Geschlechterklischees. Zwei Probleme gibt es: Es ist nicht ganz einfach, zwei Leute charmant zu finden, die sich nur anlügen - Chicagos Ober-Kritiker Roger Ebert hatte genau damit Probleme. Ich eigentlich nicht, denn die zwei (dis)harmonieren blendend. Erst als sie sich wirklich verlieben, verfällt "How to Lose a Guy in 10 Days" in Kitsch. Nichts mehr Gifitiges, kaum mehr Lustiges. Sogar ein paar peinliche Dinge (der Furz-Onkel, der Song während der Party, die alberne Versöhnung nachdem alles aufgeflogen ist) - aber McConaughey und Hudson tragen das Ganze mit Charme. Ich bin wegen der faden letzten halben Stunde auf 3 Sternen geblieben, aber ich hatte immerhin in der ersten Stunde eine Gaudi.

Seid jedoch gewarnt: Die meisten US-Kritiker konnten mit dem Film nichts anfangen. Das Publikum schon: Nachdem der Film passabel gestartet war, hielt er sich sensationell gut und spielte 100 Millionen ein. Er schlug letztendlich sogar den kurz zuvor gestarteten Daredevil. Not bad. Ist ja auch ein süsser Film ...

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Roger Ebert (USA) 1½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
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The Human Stain USA 2003
Drama
Reviewed 25.9.03

Regie: Robert Benton
Buch: Nicholas Meyer nach dem Roman von Philip Roth
Mit: Anthony Hopkins, Nicole Kidman, Gary Sinise, Ed Harris, Wentworth Miller, Jacinda Barrett, Anna Deavere Smith

"The Human Stain" schreit geradezu nach "Oscar". Und zwar so laut, dass man sich belästigt fühlt. Ich hatte weniger das Gefühl, einen Film zu schauen, als einen Appetizer bei den Academy Awards. "The Human Stain" ist kein schlechter Film, aber ein aufdringlicher. Und ziemlich langweiliger. Er verkörpert in gewissem Sinne die Miramax'sche "Oscar"-Politik der letzten Jahre: Ein Bestseller, hochkarätige Stars, ein erfahrener Regisseur, depressive Stimmung. Das geht manchmal gut, manchmal daneben. Und ähnlich wie bei "Shipping News", der in die zweite Kategorie gehört, verpufft auch "The Human Stain" in einem Nebel von "Oscar"-Ambitionen.

Dabei gibt es so viel zu lieben an dem Film. Nicole Kidman spielt toll, kommt aber nicht an Dogville heran. Anthony Hopkins küsst und schmust und überrascht so die Zuschauer. Auch er überzeugend. Er spielt übrigens den alten Professor Silk, dem unter dem Vorwurf des Rassismus gekündigt wird. Dabei weiss niemand, dass in dem Kerl schwarze Gene schlummern! Nunmehr arbeitslos verliebt sich der alte Mann in die kaputte Faunia (Kidman), eine 34-jährige Frau mit gestörtem Ex (Ed Harris), Selbstmordabsichten und lausigen Jobs. Das Paar sollte nicht zusammenpassen - tut es aber. Und das ist auch den beiden oben genannten Schauspielern zu verdanken. Der dritte, den ich in der Kürzest-Zusammenfassung genannt habe, ist Ed Harris. Er ist toll wie immer, allein schon seinen weissen Bart bei den Closups zu studieren, ist toll, aber er ist unterfordert. Gleiches gilt für Gary Sinise, den Erzähler des Films. Alle vier werden in dieses Depro-Schema gedrängt, das der Film vorschreibt. Das heisst, sie sind meist gelassen und platzen dann plötzlich mal wieder. Dann wird geschrien, geheult, gelitten. Wieder und wieder. "The Human Stain" ist noch schwerer zu ertragen als The Hours, ein anderer "ich bin geboren zum leiden"-Depro-Film.

Wie sicher sich Regisseur Robert Benton und Drehbuchautor Nicholas Meyer (Star Trek: The Wrath of Khan) mit ihrer Charakteren-Konstellation sind, zeigt der Umstand, dass sie den Thriller-Aspekt zur Filmmitte begraben. Der Streifen beginnt damit, dass ein Auto Hopkins und Kidman entgegenkommt, sie kommen von der Strasse ab und verunglücken. Wer wars? Das wär Material für einen Thriller, aber "The Human Stain" zeigt einfach so das Auto - und die dazugehörige Person. Thrill weg. Aber das ist eben auch nicht das Zentrale. Zentral sind die Charaktere - und die sind so gut, dass man ihnen gebannt zuschaut. Oder? Na ja, eben nicht. Die Akteure sind brillant, aber sie spielen mit Selbstmitleids-Klischees, die so alt sind wie Miramax. Vielleicht noch etwas älter. Selbst die besten Akteure können dieses steife Wälzen in gegenseitigem Leiden nicht erträglicher machen. Wie abwechslungsreich ist es da, wenn die Rückblenden den jungen Silk zeigen, gespielt von Newcomer Wentworth Miller. Da steckt Power drin, das macht Spass zum Anschauen. Und wenn er sich von seiner Mutter (ebenfalls toll: Anna Deavere Smith) lossagt, weil er als "Schwarzer" keine Zukunft sieht, bricht es einem das Herz. Da hatte ich feuchte Augen. Und als der Film wieder zurück zu Kidman und Hopkins ging, entfuhr mir fast ein "nein!", denn die Szenen wirken dann wie ein Ablöscher. Die Melancholie, die Lethargie und die Selbstgefälligkeit dieser Gegenwarts-Szenen ist so erdrückend, dass man die nächste Rückblende kaum erwarten kann.

Wie eingangs gesagt, "The Human Stain" ist kein schlechter Film. Die Akteure sind klasse, im Stoff steckt Potential und die Rückblenden sind toll. Doch alles von der schläfrigen Musik über die triste Kamera des verstorbenen Jean-Yves Escoffier (dem der Film gewidmet ist) bis hin zu den emotional labilen Charakteren ist so schwer, so mühsam. Und so unglaubwürdig. Kidman hüpft mit Hopkins ins Bett? Na ja. Hopkins spielt einen Schwarzen? Es wird nie erklärt, wieso er weiss ist (wohl ein Gen-Defekt), und ja, es kommt vor, dass die Pigmentfarbe fehlt, aber auch das zerrt an der Glaubwürdigkeit. Und Kidman soll Trailer Trash sein? Dafür ist sie um Klassen zu intelligent. Ach und die scheinbar erotischen Szenen sind nicht erotisch. Ich finde Kidman wunderschön, aber was sie hier tut, ist nicht erotisch. Dass sie vor Hopkins nackt tanzen muss, ist wohl Bentons Altmänner-Fantasie (der ganze Film ist eine) - aber kein Aufsteller. Selbst nackte Haut wirkt also in dem Film lagweilig. Das sagt ja genug. Boykottiert darum den Film. Er ist okay, aber man sollte Miramax mal zeigen, dass sie wieder Filme mit Leben machen sollten. Auch die können "Oscars" holen.

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Identity USA 2003
Thriller
Reviewed 25.9.03

Regie: James Mangold
Mit: John Cusack, Ray Liotta, Amanda peet, John Hawkes, Alfred Molina, Clea DuVall, John C. McGinley, Jake Busey, Pruitt Taylor Vince, Rebecca De Mornay,

"Identity" beginnt als schön geradliniger "Zehn kleine Negerlein"-Thriller (darf man dem heute noch sao sagen?) und wird gegen Schluss immer konfuser. Er hat eine interne Logik, die aufgeht. Aber man bezahlt am Ende einen Preis dafür, nämlich den Verlust jeglicher Spannung der ersten Hälfte. Zum Glück ist sie schon vorbei. Ich spreche in Rätseln? Ach, das bereitet euch nur auf den Film vor! "Identity" von James Mangold ("CopLand", "Girl Interrupted") beginnt mit 11 Leuten, die in einem Hotel zusammenkommen. Die Hommage an "Psycho" ist unverkennbar. Doch danach gehts eben auf Agatha-Christie-Territorium, wenn einer nach dem anderen stirbt. Brrr.

Besonders gruselig wirds leider nicht. Mangold lässt es dauerregenen und hängt Mord an Mord, doch man fürchtet sich nicht wirklich. Spannender ist das Rätselraten. Wer von den vielen Stars wars? Wen erwischts als nächstes? Ich liebe dieses Rätselraten und deshalb liebe ich die erste Stunde. Dann wirds komplizierter. Der Film kommt auf eine Meta-Ebene, die ich noch nicht spoilern mag. Es kommt eine Wendung, die recht clever ist, aber wie alle Wendungen dieser Art ein Problem hat. Die Relativierung des Vorangegangenen. Das kann man nun wirklich nur mit Spoilern verstehen und deshalb widme ich mich nun ein paar Einzelheiten. Seht euch aber zuvor den Film an. Er ist clever, spannend und gut gespielt. Vor allem Amanda Peet und Ray Liotta gefallen. John Cusack wirkt etwas gelangweilt. "Identity" schafft es, dass man mitdenkt. Er ist nicht gar so clever, wie er denkt, aber clever genug, um unser Hirn am rotieren zu halten. Sehr netter Mindfuck.

Nun also zum *Spoiler* und zum Ende. Ich mag diese Enden nicht so, in denen man herausfindet, dass alles nur im Kopf einer Person stattfindet. Es gibt solche Traum-Enden, die funktionieren bestens, doch meistens nehmen sie dem Vorangegangenen im Nu alle Wichtigkeit. Hey, es war nur ein Traum. Bätsch. Reingelegt. "Identity" macht es dann schon ein wenig besser. Der traumatisierte Malcolm lässt in seinem Kopf alle Identitäten seines schizophrenen Geistes aufeinandertreffen. Die Idee ist wirklich nett. Dass das Kind, wohl Malcolms traumatisierter Kindheitscharakter, der Täter ist, kann man ahnen - aber man könnte auch alle anderen erahnen. Schliesslich gibt es für jeden Charakter genug Red Herrings. Nun gibt es Leute, die meinen, es gebe Logiklöcher, wenn das Kind der Mörder ist. Ein oft genannter Punkt: Das Kind schafft es nie, den Baseballschläger in Buseys Rachen zu rammen. Hm, da vergisst man aber, dass ja alles in Malcolms Geist stattfindet. Diese Morde sind nie passiert. Malcolm soll exekutiert werden für Morde, die er vor 4 Jahren begangen hat (siehe Polizeifotos). Das Kind ist nur die mordende Identität in seinem Geist. Und damit kann es alles tun, was Malcolm es tun lassen will. Genau da ist aber das Problem! Der Film stellt Regeln auf (z. B. jeder Tote bekommt einen Schlüssel) und versucht, die Kette der Morde als reale Ereignisse darzustellen. Klar gibt es Hinweise, dass sie nicht real sind (verschwindende Leichen etc.), doch als Zuschauer rät man ja mit, wenn und weil man die Regeln der Filmemacher befolgt. Sie ad absurdum zu führen ruiniert auch den ganzen Ratespass. Ich weiss, es passiert rückgängig, das heisst, man rätselt und erfährt danach, dass man vergebens gerätselt hat, aber dennoch, es ist frustrierend. Ein "10 kleine Negerlein" nach Traum-Regeln macht keinen Spass. Man will da ja gerade nicht, dass alles möglich ist, sondern, dass es fixe Regeln gibt. So dass wir nach diesen Regeln Detektiv spielen können und zum Schluss sagen können "aah so ist's passiert". In "Identity" geht das nicht, denn es ist alles bloss ein Traum - also war eh alles möglich. Nach Traum-Logik geht der Film auf, das möchte ich nicht bestreiten, doch damit geht die "10 kleine Negerlein"-Logik leider flöten - und ebenso alle Sympathie für die 11 Charaktere. Schliesslich sind sie ja nicht real. Nicht mal im Ansatz. Zum Glück kommt in "Identity" der Twist am Schluss, damit ist der Frust etwas gedämpft. Aber die Kombination von Mindfuck und Agatha Christie war vielleicht nicht die beste Idee. Solch elaborierte Mordketten-Konstrukte im Kopf eines Killers? Bäh. Wie dem auch sei. Ich mag den Film, ich rätselte gerne. Aber die letzten 20 Minuten, so clever sie auch sind, haben eine negative Wirkung auf das Vorhergegangene. Ich hoffe, das konnte ich einigermassen erklären :)

PS: John Cusack hat einen ganz schönen Moment kurz vor Schluss. Er denkt, Liotta sei der Böse und tötet ihn, doch er akzeptiert, dass auch er selbst dabei drauf geht, denn er will den richtigen Malcolm überleben lassen. Und nur den richtigen - damit die Schizophrenie seines "Wirts" Malcolm ein Ende hat. Also darf nur Amanda Peet überleben (tja, er weiss halt nicht, dass Timmy noch lebt). Diese Realisation von John Cusacks Charakter, die Erkenntniss, dass er nur eine Identität ist, ist recht hintersinnig.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
BBC (GB) 2/5
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Inspector Gadget 2 USA 2003
Komödie
Reviewed 23.7.03

Regie und Buch: Alex Zamm
Mit: French Stewart, Elaine Hendrix, Tony Martin, Caitlin Wachs, Mark Mitchell, Sigrid Thornton, Bruce Spence

Der erste "Inspector Gadget" von 1999 war ja schon nicht wirklich gut, doch diese direkt für Video & DVD produzierte Fortsetzung unterbietet ihn noch. Zwar ist sie näher an den Comics (v.a. in der Präsentation von Claw), doch es geht dennoch so viel schief, dass ich am Schluss froh war, als die 85 Minuten endlich vorbei waren. Die Story ist lahm, die Darsteller allesamt neu und allesamt mässig bis schlecht. Der knallbunte Ulk pendelt zwischen infantil und peinlich - lachen muss man dagegen selten. Die Gags sitzen einfach nicht und die paar wenigen, die doch einen Lacher produzieren könnten, kennt man aus dem ersten Teil. Können Kinder den Film lieben? Vielleicht, aber ich denke, sogar Kindern wird dieser Kalauer bald einmal zu öde. Ich bin ja gern manchmal ein wenig Kind, aber "Inspector Gadget 2" tötete für rund eineinhalb Stunden das Kind in mir und brachte einen Erwachsenen hervor, der den Film in die Hölle der hinterletzten Videoregale wünschte. Der Streifen ist eure Zeit nicht wert ...

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Intolerable Cruelty USA 2003
Komödie
Reviewed: 1.10.03

Regie und Buch: Joel Coen
Buch und Produktion: Ethan Coen
Mit: George Clooney, Catherine Zeta-Jones, Cedric the Entertainer, Billy Bob Thornton, Geoffrey Rush, Edward Herrmann, Richard Jenkins, Paul Adelstein

"Intolerable Cruelty" ist der zugänglichste Film der Coen-Brüder und dürfte wohl auch ihr erfolgreichster werden. Sie holen ihren "O, Brother, Where Art Thou?"-Star George Clooney zurück und schneidern um ihn eine Rolle, für die er geboren ist. Clooney spielt den smarten Scheidungsanwalt Massey, der besessen von seinen schönen Zähnen ist - und jedem Klienten den Anteil gibt, den er wünscht. Manchmal auch mit dubiosen Mitteln. Doch dann verguckt sich der Sunnyboy ausgerechnet in die sexy Gattin (Catherine Zeta-Jones) eines Klienten (Edward Herrmann). Es folgt eine Serie von Verwicklungen in bester Screwball-Tradition. Ein Happy-End ist vorprogrammiert, doch auf dem Weg dahin schneit es Zynismus, Galgenhumor und Coen-typische schräge Einfälle.

Ein Happy End? Ja, tatsächlich. Doch das ist nicht so tragisch, wie man denkt. Man darf nicht vergessen, dass selbst der Coens bester Film "Fargo" ein Happy End hatte - ein herzerwärmend schönes. "Intolerable Cruelty" ist viel offensiver happy, doch das ist nicht das Problem des Films. Vielmehr ist es die allzu chaotische zweite Hälfte. Die erste ist grandios, Clooney ist in Bestform. Wenn er Catherine an den Kopf schleudert "you fffffascinate me!" (siehe Trailer), dann stimmt das Timing bis auf den Tupf. Die Chemie stimmt und kleine Auftritte von Geoffrey Rush und Billy Bob Thornton versüssen das Hin-und-her dieser Hassliebe. Ein wunderbarer Film mit schwarzem und zynischem Humor.

Doch danach bringen die Coens Elemente rein, die nicht richtig passen wollen. Ein Killer, der surreale Boss von Clooney und ein paar Twists, die man vorausahnen kann. Und dann eben das allzu plumpe Happy End. Doch all dies mag den Film als Ganzes nicht ruinieren. "Intolerable Cruelty" ist nicht der beste Film der Coens, aber eine unterhaltsame Screwball-Komödie mit einer erstklassigen Besetzung ist das Werk allemal. Und Clooney allein ist mit seinem genialen Spiel den Eintritt wert.

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The Italian Job USA 2003
Thriller
Reviewed 7.11.03

Regie: F. Gary Gray
Mit: Mark Wahlberg, Charlize Theron, Edward Norton, Jason Statham, Seth Green, Mos Def, Donald Sutherland, Franky G, Olek Krupa, Gawtti

Der britische Gangsterfilm "The Italian Job" von 1969 war ein ganz akzeptabler Film, der mit Michael Caine einen tollen Hauptdarsteller aufwies, dazu ein klasse Finale hatte und dank den eingesetzten Minis zum Kultfilm wurde. Aber ist man ehrlich, kommt man zum Schluss, dass er kein Meisterwerk ist. Schön zu sehen, dass das US-Remake sogar noch etwas besser ist. Der Film von Regisseur F. Gary Gray ("Set It Off", "The Negotiator", A Man Apart) ist zwar auch weit entfernt von einem Meisterwerk, ist aber auf relaxt coole Art enorm unterhaltsam. Ihr wisst, was relaxt cool ist? Das Gegenteil von 2 Fast 2 Furious - der ist aggressiv cool. Will um jeden Preis cool sein. Bei "The Italian Job" kommt das natürlicher. Die Coolness kommt durch die Relaxtheit der Inszenierung, durch die groovige Musik (John Powell) und durch die gut aufgelegten Akteure. Fast wie in Ocean's Eleven.

Mark Wahlberg etwa ist als Charlie um einiges Sympathischer als in seinem letzten Remake: The Truth About ... na ja, nochmals Charlie. Anyway, Wahlberg ist Charlie, Anführer einer Gaunerbande, die in Venedig 35 Millionen Dollar in Gold gestohlen hat. Doch nun am Ziel dreht einer in der Gang den Spiess um, tötet den alten Safeknacker John (Donald Sutherland) und macht sich mit der Beute aus dem Staub. Ein Jahr später trommelt Charlie seine Truppe sowie Johns Tochter (Charlize Theron) zusammen, um dem Verräter das Gold wieder abzunehmen.

Damit gibt es einen wunderbaren Heist (Raub) am Anfang und einem am Schluss, stets temporeich und spannend inszeniert, sehr stylish in Szene gesetzt - das fängt schon bei den gelungenen Opening Credits an. "The Italian Job" hat so manche Unglaubwürdigkeit, ist rund 10 Minuten zu lang, er hat aber einen Erzählfluss, einen Beat, könnte man sagen, der die Zuschauer bei der Stange hält. Wie eingangs gesagt: Kein Meisterwerk - aber sehr unterhaltsam. Und diese blöden Minis sind immer noch kultig!

Bestellt die DVD hier oder hier im Set dem 1969er-Original.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 4/5
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It's All About Love USA/Dän/D/S/J/GB/NL 2003
Liebesthriller
Reviewed
15.2.04

Regie und Buch: Thomas Vinterberg
Mit: Joaquin Phoenix, Claire Danes, Sean Penn, Douglas Henshall, Alun Armstrong, Margo Martindale, Mark Strong, Geoffrey Hutchings, Sean-Michael Smith

Schön zu sehen, dass sich Thomas Vinterberg von den Fesseln von "Dogma 95" gelöst hat. Sein Dogma-Film "Festen" ist zwar eindrückliches Kino, doch ich konnte mit den idiotischen Dogma-Regeln, die die Kraft des Kinos zurückbanden, anstatt sie zu entfalten, nie etwas anfangen. Und nun dreht Vinterberg den Spiess regelrecht um. Sein "It's All About Love" hat einen Soundtrack, Spezialeffekte, Kamerafilter, Sets - alles halt, was zum modernen Filmemachen dazugehört. Das Werk spielt im Jahr 2021. Der Manager John Marcrewski (Joaquin Phoenix) reist nach New York, um die Scheidungspapiere zu unterzeichnen, die seine Beziehung zu Elena (Claire Danes). Elena ist die berühmteste Eiskunstläuferin der Welt und residiert wie ein Star. Es kommt zu Verzögerungen und John muss länger in der Stadt weilen. Derweil steht die Welt Kopf. Im heissen Sommer beginnt es plötzlich zu schneien, eine Süsswasser-Gefrierung tritt weltweit für zwei Minuten ein, in Uganda beginnen Menschen mysteriöserweise zu fliegen. Und in New York sterben die Leute wie die Fliegen, fallen einfach tot um. Wegen gebrochenem Herzen, lautet die etwas verwirrende Erklärung ...

Und da muss man auch mit dem Titel ansetzen. It's all about love - das gilt für den gesamten Inhalt. Nicht mit den Details aufhalten, was zählt, ist nur die Liebe. Am Anfang fand ich es extrem reizvoll, wie nebensächlich Vinterberg mit diesen seltsamen Phänomenen umgeht. Allein schon die Idee der "fliegenden Menschen von Uganda" ist inspiriert - doch letztendlich wurde mir klar, dass Vinterberg keine Ahnung hat, wo er hin will. In den letzten 20 Minuten fällt alles in sich zusammen. Nichts findet eine Erklärung, ein wirkliches Ende oder einen Sinn. Sean Penn plappert die Gedanken des Regisseurs in sein Telefon und bringt damit Pseudo-Erklärungen, die auch nicht weiterhelfen. "It's my portrait of the world [...] my warning [...] conceived not as a controlled thought process" sagt Vinterberg und macht damit selber klar, dass er all die coolen Ideen einfach niederschrieb, aber letztendlich eben nicht weiss, wie er sie verknüpfen soll. "It's more like a painting." Aha. Sehr aufschlussreich.

"It's All About Love" ist ein ideenreicher, stimmungsvoller, faszinierender und befremdender Film, daran besteht kein Zweifel. Doch letztendlich ist er leider auch ein extrem unbefriedigender. Die Story ist nichts als heisse Luft, ein unausgegorenes Statement für die Macht der Liebe, vermischt mit einer elitären Weltuntergangsfantasie. Irgendwie ein ausgesprochen hochnäsiger und selbstverliebter Film. Doch neben den kleinen genialen Details gibts noch mehr zu lieben. Die Musik von Kieslowski-Komponist Zbigniew Preisner ist bezaubernd, die Kamera von 28 Days Later- und Dogville-Filmer Anthony Dod Mantle nicht minder erregend. Das erzeugt einen Look, der nahe bei Stanley Kubrick angesiedelt ist. Leider macht Vinterberg daraus eben keinen vollständig befriedigenden Film. Soviel Talent, soviel Genie. Und so wenig Talent zum Drehbuschschreiben. C'est domage.

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Jeepers Creepers 2 USA 2003
Horrorfilm
Reviewed 23.2.04

Regie und Buch: Victor Salva
Executive Producers: Francis Ford Coppola, Kirk D'Amico, Lucas Foster
Mit: Ray Wise, Eric Nenninger, Jonathan Breck, Garikayi Mutambirwa, Nicki Lynn Aycox, Marieh Delfino, Diane Delano, Josh Hammond, Justin Long

Der erste "Jeepers Creepers" war ein spannender Horrorfilm mit bitterböser Auflösung, charmanten Akteuren und einem Anfang, der an Spielbergs "Duel" erinnerte. Kurz: Ein Film mit vielen Überraschungen. Nun, da die Katze aus dem Sack ist, und wir wissen, dass der Creeper eine menschenfressende Mixtur aus Dämon, Mensch und Fledermaus ist, hat Regisseur Vicor Salva das Element der Überraschung natürlich nicht mehr auf seiner Seite. Und so wendet er sich dem "Alien"-Prinzip zu. Will heissen: Für den zweiten Teil mehr Leute, mehr Action. Das geht nicht ganz gut, denn ich muss sagen, ich habe mich bei "Jeepers Creepers 2" kein einziges Mal wirklich gegruselt oder gefürchtet. Als Horrorfilm versagt er weitgehend. Aber er ist unterhaltsame Teenie-Action. Mag seltsam klingen, aber als solche hatte ich durchaus meinen Spass an dem Teil.

Die Handlung beginnt mit einer superb gefilmten Szene auf einer Farm, bei der ein Bauer (Ray Wise) seinen kleinen Sohn an den Creeper verliert. Die Titel-Einblendung verrät, dass der Creeper alle 23 Jahre auftaucht und 23 Tage lang frisst. Nun ist der 22. Tag. Also darf er nochmals zulangen. Seine weiteren Opfer: Eine Ladung von Highschool-Sportlern mit ihrem Trainer und ein paar Cheerleadern, die mit dem Bus auf einem einsamen Land-Highway unterwegs sind. Der Creeper legt den Bus lahm, killt alle Erwachsenen und macht sich dann genüsslich über das junge Fleisch her ...

Dieses zeigt Salva ausgesprochen üppig und bevor ich zur eigentlichen Kritik komme, muss ich doch noch schnell erwähnen, dass die Menge an nackter Jünglings-Haut in dem Film etwas sauer aufliegt. Vicor Salva gestand 1988, dass er mit dem damals 12-jährigen Star seiner Filme "Clownhouse" (1988) und "Something in the Basement" (1986) Oralsex hatte und den Akt auf Video aufnahm. Dafür kassierte er drei Jahre Knast von denen er 15 Monate absass. Seither ruft jeder von Salvas Filmen wieder Protest von Gruppierungen und Angehörigen des missbrauchten Jungen hervor. Ich bin der Meinung, jemand, der vom Staat zu einer Haft verurteilt wurde und diese abgesessen hat, hat seine Strafe verbüsst. Ob sie zu niedrig war oder nicht, das liegt nicht in meinem Ermessen sondern in jenem des Gerichts. Salva ist ein freier Mann - basta. Aber er tut seiner Sache wenig Gutes, wenn er einen Film macht, der aussieht, als käme er von David DeCoteau, nur mit jüngerem Cast. Drew Tyler Bell war während dem Dreh 17, Shaun Fleming, der den herzigen Blondschopf in der Eröffnungssequenz spielt, war 15. Und obwohl die beiden selbst nie mit nacktem Torso durchs Bild stolzieren, so sind sie doch umgeben von jugendlichem Testosteron: Die Jungs liegen halbnackt auf dem Bus-Dach, gehen gemeinsam in Reih und Glied pinkeln, verlieren den Kopf und taumeln dann erneut mit nacktem Oberkörper (dafür eben ohne Kopf) durchs Bild und sogar die Schlussszene, die Teil 3 ankündigt, wird von einem Jungen getragen, der nur mit Jeans bekleidet ist. Ich bin der Letzte, der sich gegen wohlgeformte nackte Haut in einem Film wehren würde, aber mit Salva hinter der Kamera ergibt sich ein ungewollt trotziger Ton. "Seht her ich filme wieder knackige Jungs" scheint er uns entgegenzuschreien. Ist sein gutes Recht, aber es wird sich wohl jeder seine Gedanken dazu machen ...

Zurück zum Film. Besagte Jungakteure, von denen die meisten komplette Neulinge sind, sehen nicht nur gut aus, sie spielen auch ganz akzeptabel. Herauszuheben ist etwa Eric Nenninger, dessen Charakter Scott ziemlich bösartig erscheint. Ray Wise ("Twin Peaks") ist in seiner Captain-Ahab-Rolle dagegen manchmal einfach schlecht. Die Musik ist gut, die Kameraperspektiven des Creepers beim Fliegen und Jagen der Teens sind hübsch. Die Inszenierung ist akzeptabel, auch wenn Spannung und Logik flöten gehen. Die Charaktere sind leider grösslich dumm und laufen immer direkt in den Gefahrenherd. Und die Traumsequenzen mit "Jeepers Creepers 1"-Star Justin Long sind einfach doof, weil einmal mehr kaum etwas sinnvolles verraten wird, doch die Person danach aufwacht und die ganze Sache durchschaut. Weniger solcher Quatsch und mehr Backstory des Creepers hätte den Film interessanter gemacht. Und etwas Straffen hätte ihn rasanter gemacht. So ist er okay, ein knapper 3-Sterne-Film, der gut aussieht und ein paar colle Effekte hat. Schnell verdauter Horror-Fun, sozusagen.

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Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) 1½/4
BBC (GB) 3/5
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Johnny English GB 2003
Komödie

Regie: Peter Howitt
Mit: Rowan Atkinson, John Malkovich, Natalie Imbruglia, Ben Miller, Douglas McFerran, Tom Biggot-Smith

"Johnny English" ist kein wirklich schlechter Film. Aber ein ziemlich unnötiger. James Bond zu parodieren, ist ein dankbarer Job, aber mit Austin Powers, Undercover Brother, "Spy Hard", ja selbst xXx sind wir gut bedient. Herrjeh selbst James Bond selbst nimmt sich nicht mehr wirklich ernst. Also wieso sollte man sich "Johnny English" ansehen? Um fair zu bleiben, die Idee ist etwas älter als die von "Austin Powers". "English" basiert nämlich auf einer Werbereihe die Rowan Atkinson für Barclay 1992-1997 drehte. Die Filmadaption kommt nun wohl einfach zur falschen Zeit.

Die Zutaten wären nämlich gut: Da ist zum einen das Autorenduo Neal Purvis und Robert Wade, das auch Bonds The World Is Not Enough geschrieben hat, und da ist der (v.a. in Europa) ungebrochen beliebte Rowan Atkinson alias Mr. Bean. Atkinson hält sich mit Bean'schen Verrenkungen angenehm zurück und spielt manchmal richtig suave, dann wieder trottelig. Aber nur recht selten fällt er auf Bean-Niveau. Das ist für die einen eine Enttäuschung, für mich wars gut, obwohl ich Bean mag. Dies ist nun schliesslich kein bean-Film. Was ist es dann? Eine Art Mischung aus "Bond" und "Naked Gun". Oder halt eben "Spy Hard" auf Britisch. Viele Unterschiede gibts nicht. Die wirklich guten Gags beschränken sich auf rund 5, den Rest des Films schmunzelt man. Kurzweilige 90 Minuten. Aber ... es hat auch einige Punkte, die den Film von den dafür zu gewährenden 3 Sternen auf 2½ runterziehen ...

Da wäre John Malkovich, der Johnnys französischen Erzfeind spielt. Er hat es auf die Kronjuwelen Englands abgesehen - und noch auf viel mehr. Leider ist Malkovich mit dem französischen Akzent kaum auszuhalten und nervt, sobald er das Maul aufmacht. Zudem sind die Franzosenwitze in der heutigen Zeit etwas deplaziert - aber dafür kann der Film ja nix. Natalie Imbruglia hat in ihrem Kinodebüt nicht viel zu tun. Die Rolle der sexy Gehilfin von Johnny ist für die Sängerin jedenfalls eine schwache Rolle. Die Handlung: Ziemlicher Gugus. Die Fäkal-Gags: wää, das brauchts nun wirklich nicht. All diese Punkte sowie eine langweilige letzte halbe Stunde rechtfertigen keine 3 Sterne. So gefällig der Film, so süss Natalie und so nett der Song von Robbie Williams auch sein mögen, der Gesamteindruck von "Johnny English" ist doch einer von absoluter Mittelmässigkeit. Glaubt mir: Den Film habt ihr sehr schnell vergessen ...

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The Jungle Book 2 USA 2003
Zeichentrickfilm

Regie: Steve Trenbirth
Sprecher: Haley Joel Osment, John Goodman, Bob Joles, Tony Jay, Phil Collins, Jim Cummings

Wieso kommt dieser Film ins Kino? Wieso existiert er überhaupt? "The Jungle Book" von 1967 ist einer der beliebtesten Zeichentrickfilme aus dem Disney-Archiv und feierte bei den endlosen Wiederholungen im Kino Erfolge. Auch ich habe ihn irgendwann Anfang der 80er-Jahre im Kino gesehen. Wieso also nicht einfach dieses Meisterwerk nochmals bringen, anstatt ein dürftiges Sequel zu drehen, das nur den Wert des Originals sabotiert? Ich weiss es nicht, aber bei Disney gilt seit Mitte der 90er eh nur noch der Auftrag zum Geldvermehren. Diese lästigen Video-Sequel, die damals aufkamen, gibt es auch heute noch. Jeder, der "Cinderella II" gesehen hat, weiss, was ich meine. Und eigentlich gehört "Jungle Book 2" in diese Kategorie: Auf DVD & Video wäre die Sache noch OK und gefällig bis erheiternd, aber den Film ins Kino zu bringen, ist ein Fehlgriff. Da gehört der mässig animierte, komplett un-innovative Film einfach nicht hin. Die Story ist banal, die wunderbaren Songs sind wieder die selben und jeder der geschätzten Charaktere hat einen Auftritt nach dem Motto "na erinnerst du dich an mich?" - aber beitragen zur Story tun sie selten.

Am nervigsten ist jedoch die Moral. Disney hatte immer moralische Geschichten, aber diese wurde gut transportiert oder leicht untergraben. Seit die Video-Sequels aufkamen, dominiert aber eine aufdringliche Moral-Vorstellung. "Susi und Strolch 2" zum Beispiel  ist eigentlich identisch mit "Jungle Book 2": Junge reisst aus, um sich nochmals die Hörner abzustossen, kehrt dann aber zu den Erwachsenen, zu Verantwortung und Arbeit zurück. Das "Erwachsenwerden" als dick aufgetragener Aufruf zur Anpassung. Nichts dagegen (diesen Kern haben viele Kinderfilme), aber dann bitte gut präsentieren. "Jungle Book 2" ist nicht gut präsentiert und gehörte eigentlich nie ins Kino. Oder eben: gar nie produziert ...

(PS: Zweieinhalb Sterne gibts, weil der Film ja nicht abstossend schlecht ist. Er hat witzige Sequenzen und einige gute Charaktere. Aber eben: unnötig!)

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Roger Ebert (USA) 1½/4
James Berardinelli (USA) 2/4
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Just Married USA 2003
Liebeskomödie

Regie: Shawn Levy
Mit: Ashton Kutcher, Britanny Murphy, Christian Kane, David Moscow, David Rasche, Veronica Cartwright, Valeria, Raymond J. Barry

"Just Married" beginnt als Gegenstück zu all den romantischen Hollywoodkomödien - nämlich indem das frisch verheiratete Paar streitend von den Flitterwochen zurückkommt, und sich trennt. Danach lernen wir, warum. Das Paar sind Britanny Murphy (8 Mile) und Ashton Kutcher ("Dude, Where's My Car?"). Das grosse Problem der beiden ist: Sie haben keine Chemie. Britanny ist zwar verdammt sexy in ihren Lederhosen und Kutcher erinnert manchmal an Josh Hartnett (vielleicht sind deshalb beide im Rennen als neuer "Superman") - aber in einigen Dialogszenen sind sie so hölzern, dass man nur beschämt auf den Boden schauen kann. Selbst wenn sie sich innig küssen, nimmt man ihnen die Liebe nicht so richtig ab. Eben: Mangel an Chemie.

Dafür sind sie goldig, wenn sie sich streiten. Die Szenen in Europa sind zwar voller Klischees (potente Italiener, arrogante Franzosen ...), aber in diesen Flitterwochen-Szenen hat es einige wirklich wirklich lustige Szenen. Am lautesten musste ich bei Kutchers "Hochzeits"-Traum in der Kindheit lachen. Mädchen träumen vom Heiraten - Jungs von "Star Wars". Stimmt doch so, oder? Oder die alte Lady in den Alpen. Na ja, hat keinen Sinn, die Sequenzen aufzuzählen, ihr solltet sie sehen, damit ihr wisst, was ich meine. Bloss eben: Lohnt es sich denn? Jein. Wie gesagt bieten die beiden in Europa ein launiges Paar, über das man sich gerne amüsiert, doch schon gegen Ende der Flitterwochen macht sich Langweile breit. Sind sie dann erst einmal zuhause, fällt der Film aus allen Wolken. Gähn!! kann man dann nur noch sagen. Das Ende ruiniert alle Fiesheiten von vorher und lässt "Just Married" im Kitsch waden. Nö, das hat er nicht verdient. Ohne Ende: fast drei Sterne. Mit Ende noch knapp 2½. Jetzt wo ichs mir so überlege, sinds eigentlich sogar fast nur 2. Also schnell abspeichern und uploaden, bevor ichs mir anders überlege :)

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 1½/4
James Berardinelli (USA) 2/4
imdb


The League of Extraordinary Gentlemen USA 2003
Comicverfilmung
Reviewed 4.2.04

Regie und Produktion: Stephen Norrington
Mit: Sean Connery, Naseeruddin Shah, Peta Wilson, Stuart Towensend, Shane West, Jason Flemyng, Tony Curran, Richard Roxburgh, David Hemmings

Das Konzept ist ja so cool: Eine handvoll viktorianischer Literaturhelden soll 1899 einen Weltkrieg verhindern. Allan Quatermain (Sean Connery), Kapiän Nemo (Bollywood-Star Naseeruddin Shah), das zum Vampir gewordenen Dracula-Opfer Mina Harker (Peta Wilson), der nicht alternde Dorian Gray (Stuart Towensend), der amerikanische Geheimagent Tom Sawyer (Shane West), Dr. Jeckyl alias Mr. Hyde (Jason Flemyng) und der unsichtbare Mann (Tony Curran). All ihre Kräfte wurden für den Film arg ausgedehnt - ausser jene von Quatermain und Sawyer, bei denen man sich die ganze Zeit fragt, was sie eigentlich in dieser Superhelden-Liga zu suchen haben.

Sei's drum, das ist nicht LXGs grosses Problem. Auch nicht die Übertreibungen in den Charakteren. Vielmehr stört, dass die Dialoge oftmals arg übel sind. Die Effekte sind auch nicht immer der Knüller. Das Hirn ging vergessen und die Handlung wird oftmals ausgetauscht durch viel viel Lärm. Und last but not least: Es gibt soviel, was keinen Sinn macht! Die riesige Nautilus in den Kanälen Venedigs, ein gigantischer Palast in der Eiswüste der Mongolei, ein Auto rast durch Venedigs Strassen (ja genau, welche Strassen?) - oh und halb Venedig explodiert, doch kaum ist es vorbei, feiern die Leute ihren Karneval weiter und Quatermain darf verkünden "Venice still stands". Ach ja? Es häufen sich nach dem guten Auftakt einfach diese Fehler und Löcher, die so gravierend werden, dass man nur noch ungewollt Lachen kann. Und eben: Das ist nicht einmal das Übelste, schliesslich mag man das einem Fun-Film verzeihen. Nein, viel übler nehm ich ihn, wie die wirklich coole Ausgangslage in Krach und Rauch aufgeht. Es rummst die halbe Zeit, Leute rennen, kämpfen. Wieso, warum, wo ... das wird höchstens kurz angeschnitten, bevor zum nächsten grossen Set gezogen wird, das man genüsslich in die Luft jagen kann.

Es hat ein paar wirklich tolle Momente. So etwa Minas Konfrontation mit dem Verräter am Ende. Oder ein paar Szenen der riesigen Nautilus. Oder ein paar Sequenzen am Anfang, in denen die Legenden ihre Spezialfähigkeiten erstmals demonstrieren können. Doch diese Höhepunkte sind rar und verpuffen in der nächsten Explosion. Ich geb 2.5 Sterne, weil ich die Personen mag, das Genre, die Stars, die Sets, die Ausgangslage. Aber als gelungen kann man LXG einfach beim besten Willen nicht bezeichnen ...

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
imdb


Legally Blonde 2: Red, White & Blonde USA 2003
Komödie
Reviewed 10.7.03

Regie: Charles Herman-Wurmfeld
Mit: Reese Witherspoon, Sally Field, Regina King, Jennifer Coolidge, Bruce McGill, Luke Wilson, Dana Ivey,

"Legally Blonde 2" ist ein absolut unnötiger Film. Der erste (* * * ½) war witzig und clever, diese Fortsetzung bringt eigentlich nochmals die selbe Story - bloss mit anderem Drehort und weniger Intelligenz. Viel weniger. Besagter Ort ist Washington und Elle (Reese Witherspoon) landet dort, um ein Gesetz durchzubringen, dass alle Labor-Tiere des Landes freigelassen werden müssen. Die Autoren dachten wohl, dies sei ein Motiv, hinter dem alle stehen können. Deshalb ist es nicht allzu provokativ. Und genau deshalb funktioniert der Film nicht. In gewissen Sinne ist er nämlich eine Kopie von Frank Capras Klassiker "Mr. Smith Goes to Washington", doch der handelte von etwas, der war couragiert. Elle ist nicht couragiert. Sie kommt in einen Raum, alle drehen sich nach ihr um. Sie sagt was Clevers. Dann wieder von vorne: Elle betritt einen Raum - das wird bald sowas von langweilig. Und immer wenn sie was sagt, hören ihr alle lang zu und nicken danach. Dies ist kein Kongress, dies ist ein Club von Halbaffen.

Diese Plüsch-Version des Parlaments ist unglaubwürdig (das ginge ja noch) und verniedlichend. Hier gibt es keine Korruption, keine Intrigen. Und wenn, dann nur ganz kleine. Und Elles klebrige Schlussrede saugen alle wohlwollend auf: "So speak up, America. Speak up for the home of the brave!". Schöne heile Welt. Schöne heile amerikanische Welt - denn so sind die Zuschauer besänftigt, ihnen wird gesagt, der Kongress tue letztendlich doch etwas für sie und sei eigentlich eine Organisation von ganz ganz lieben Leuten. Ist vielleicht auch so - aber es ist auch der Kongress, der Kriege beschliesst, Medicare verschiebt und Waffenverbote torpediert. Der Gipfel: Elle umschwärmt einen republikanischen NRA-Mann (Bruce McGill) mit einem schwulen Hund. Danach ist er ihr liebes Schosshündchen. Ich hasse Filme, die Republikaner so durch und druch nett wirken lassen. "Maid in Manhattan" tat das auch. Nach dem Motto: Republikaner sind zwar tough, aber eigentlich meinen sies mit uns allen gut und sind gute nette Leute. In "Legally Blonde 2" ist die Partei zwar eh egal. Beide seiten hören zu, wenn Elle redet. Das ist jenseits von Kitsch, das ist Gehirnwäsche. Und eben: Wofür? Für ein paar Hunde. Welch tiefschürfendes Thema. Elle hat ihren Biss eindeutig verloren!

Aber nicht ihren Modegeschmackt. Reese ist nämlich noch immer ein Wonneproppen in pink. Sie ist das Highlight des Films - das einzige. Sie geht in der Rolle völlig auf, Zuckerwatte mit Puderzucker-Überguss: Sie ist sowas von süss. Gäbe man ihr ein Drehbuch und eine Sache, für die sich zu kämpfen lohnt, "Legally Blonde 2" wäre ein interessantes Projekt gewesen. Anstatt eine Kopie des Originals. Bloss an einem anderen Ort. Und ohne - ich wiederhole mich - Hirn. Frank Capra hätte wohl gekotzt. Und nein, nicht pink.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 1/4
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Looney Tunes: Back in Action USA 2003
Komödie
Reviewed
17.11.03

Regie: Joe Dante
Musik; Jerry Goldsmith
Mit: Brendan Fraser, Jenna Elfman, Steve Martin, Timothy Dalton, Joan Cusack, Heather Locklear, Dick Miller, Robert Picardo, Ron Perlman, Roger Corman

Die "Looney Tunes" - Bugs, Daffy, Road Runner, Wile E. Coyote, Taz, Sylvester, Tweety & Co. - sind auf der ganzen Welt bekannt und beliebt. Zwischen 1930 und 1969 produzierte Warner Bros. mit solch bekannten Leuten wie Tex Avery und Chuck Jones die Zeichentrick-Kurzfilme und gewann etliche "Oscars". Ab den 70ern feierten die Cartoons ein Comeback im TV und 1996 folgte der erste Kinofilm, der die Looneys in die reale Welt einband: "Space Jam", ein mässig amüsanter Werbefilm für Basketballstar Michael Jordan. Der zweite Realfilm-Zeichentrick-Mix "Looney Tunes: Back in Action" ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn er macht die Figuren wieder zu den Stars und gibt dem Film einen Teil des anarchischen Touchs zurück, den "Space Jam" so schmerzlich vermissen liess.

Der Dank dafür gebührt Regisseur Joe Dante, der ein riesiger Fan der Looneys ist. Der "Gremlins"-Vater inszeniert "Back in Action" als wildes, farbenfrohes Cartoon-Spektakel mit etlichen Gags und noch mehr Referenzen an Kunst, Popkultur und Warner-Bros.-Geschichte. Eine wahre Fundgrube für Filmfans. Dante ist nämlich auch ein ausgesprochener Fan von 50er-Jahre Sci-Fi-, Fantasy- und Horrorfilmen, wie unter anderem seine B-Picture-Hommage "Matinee" (1993) zeigt, und so geben sich etliche Kreaturen aus dieser Zeit die Klinke in die Hand: Robby der Roboter aus "Forbidden Planet" (1956) ist zu sehen, das Alien im Affenkostüm aus dem Trashfilm "Robot Monster" (1953), ein schwarzweisser Kevin McCarthey aus "Invasion of the Body Snatchers" (1956) oder die Riesenspermien aus "Fiend Without a Face" (1958). Daneben sind etliche Warner-Bros-Markenzeichen zu sichten, darunter "Batman" oder der legendäre WB-Wassertank. Dann lässt Dante Duffy und Bugs in einem Dali-Gemälde schmelzen und zollt auch Nicht-WB-Produktionen wie "Star Wars" oder "Finding Nemo" Tribut. Der glatte Wahnsinn.

Die Story spielt dabei sprichwörtlich die zweite Geige: Brendan Fraser und sexy Jenna Elfman müssen mit Hilfe von Bugs und Daffy den Diamanten "Blue Monkey" finden und Frasers Vater (Timothy Dalton) retten, der in den Händen des grössenwahnsinnigen ACME-Bosses (Steve Martin) ist. So manches an "Looney Tunes: Back in Action" ist gewöhnungsbedürftig - so etwa Martins nervöser Abklatsch von "Dr. Evil", die plumpe Story und ein paar Spässe, die nicht zünden wollen - aber Joe Dante gibt dem Film wenigstens die Energie, die ein "Looney Tunes"-Film haben muss. Die frechen Kerle funktionieren ja auch als Kurzfilme am Besten und so ist es alles andere als einfach, daraus einen Feature Film zu fertigen. Dante macht dabei aber das meiste richtig. Er erreicht nie die Qualität des unumstrittenen Genre-Königs "Who Framed Roger Rabbit?" (1988), aber mit schierem Gespür für Chaos, vielen Gags, Popkultur- und Filmreferenzen sowie etlichen Ambossen zaubert Dante einen höchst unterhaltsamen Nonsens aus dem Hut. Da erinnert man sich wieder, dass "loony tunes" auf deutsch eben "verrückte Melodien" heisst - an diesen Slogan hielt sich Dante auf jeden Fall.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
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Lost in Translation USA 2003
Melodrama
Reviewed 13.11.03

Buch, Produktion und Regie: Sofia Coppola
Mit: Bill Murray, Scarlett Johansson, Giovanni Ribisi, Anna Faris, Catherine Lambert, Fumihiro Hayashi, Takashi Fuji

Der Witz, dass Japaner das R als L aussprechen, ist etwas angegraut. Wenn schon, dann trifft er auf die südchinesische Sprache Kantonesisch zu, die sehr L-lastig ist. Die japanische Sprache ist dagegen durchzogen mit Lauten, die wie ein Gemisch aus R, L und D tönen. Die Aussprache eines westlichen "R" mag deshalb etwas unsauber tönen, aber nicht wie ein reinrassiges "L". Was hat das mit "Lost in Translation" zu tun? Nicht viel, aber es ist wichtig für eine Kritik, die ich an dem sonst wunderbaren Film anzubringen habe. Er macht etliche L-Jokes. "Can you lip my stockings?" meint eine Prostituierte. Gemeint ist rip. "Can you act like Loge Mool?" Gemeint ist Roger Moore. Zugegeben, diese Gags sind sehr witzig - aber hätte Regisseurin Sofia Coppola ("The Virgin Suicides") den Schwerz nicht dezenter einsetzen können? So wird ein Vorurteil noch zementiert. Abgesehen davon: "Lost in Translation" ist ein wunderschöner Film! Er spielt in Toyko und handelt von zwei unterschiedlichen Menschen, die sich in einem grossen Hotel langweilen. Der eine ist Bob Harris (Bill Murray), ein Schauspieler, Mitte 50, der seine besten Tage gesehen hat. Seine Ehe ist am dahinserbeln, sein Geld verdient er nun mit japanischer Whiskey-Werbung. Dann trifft er Charlotte (Scarlett Johansson). Die 22-Jährige ist mit ihrem Ehemann (Giovanni Ribisi) im Hotel. Er ist Fotograf und lässt sie die meiste Zeit alleine. Nachts können Bob und Charlotte nicht schlafen und ziehen sich in die Hotelbar zurück. Dort kommen sie ins Gespräch.

Was sich nun entwickelt, ist eine Anti-Romanze, wie man sie in Hollywood selten sieht. Behutsam tasten sich die beiden vor, werden Freunde in einem fremden Land. Bob und Charlotte schöpfen neuen Lebensmut, alleine, weil sie einander kennen gelernt haben. Doch dies spiegelt sich nicht in überschwänglichem Benehmen wieder oder in euphorischen Liebesausbrüchen wieder. Vielmehr in subtilen Gesten, einem Lächeln hier, einer kurzen Berührung da. Sex gibt es keinen - und wenn Bob mit der Barsängerin einmal im Bett landet, schadet dies dem Film eher, weil es unnötig ist und den verheirateten Bob zum Ehebrecher macht. Gerade dass er dies mit Charlotte nicht tut, macht die Beziehung so speziell.

Murray spielt dabei schlicht genial. Der Film ist bereits bei vielen Kritikern auf der Top-10-Liste des Jahres und Murray hätte die "Oscar"-Nomination spielend verdient. Er ist amüsant, aber ebenso tragisch. Er ist nicht mehr Bill Murray, der Filmstar, sondern Bob Harris, der abgehalfterte Filmstar. Er ist ganz sein Charakter - und was für ein wunderbarer Charakter dies ist. Die junge Scarlett Johansson steht ihm in nichts nach. Sie ist eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation und "Lost in Translation" dürfte ihr endlich die verdiente Anerkennung bringen. Giovanni Ribisi als schlampiger Gatte und Anna Faris als überdrehte Film-Tussi bieten guten Support. Eine weitere Rolle spielt eigentlich Tokyo selbst. Coppola filmt die Metropole bezaubernd ab. Die Neon-Welt Japans wird zu einem elementaren Teil des Films. Die östliche Kultur ist den Protagonisten sehr fremd und verstärkt ihre Einsamkeit. Dass Coppola die Beziehung der beiden Hauptfiguren letztendlich nicht in ein gewöhnliches Finale überführt, ist der letzte Coup. Nach etwa drei Verabschiedungen flüstert Bob Charlotte etwas ins Ohr - und das Publikum hört es nicht. Diese Privatsphäre haben sich die Charaktere verdient. Danach sind sie bedrückt, aber etwas glücklicher. Und die Zuschauer dürfen rätseln, was denn gesagt wurde.

"Lost in Translation" ist ein medidatives Melodrama, das zwar nicht die hypnotische Kraft von Coppolas "The Virgin Suicides" erreicht, aber in seiner Bildsprache überzeugt und zwei brillante Hauptdarsteller aufweist. Hie und da wirkt eine Szene unnötig oder zu lang. Und allzu oft werden Stereotypen präsentiert - doch das gehört dazu. Irgendwie passt dann nämlich der L-Gag auch wieder. Denn die Regisseurin filmt in Japan als Besucherin. Sie gibt nicht vor, Japan zu kennen - sie ist eigentlich wie ihre beiden Protagonisten. Verwirrt und leicht fasziniert von der fremden Kultur. Diese Naivität der Regisseurin spiegelt sich auf positive Art im Film wieder. Ein bisschen war Coppola wohl selbst "lost in translation". Und das macht den Film noch eine Spur faszinierender.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 4/4
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Love Actually GB 2003
Liebeskomödie
Reviewed 22.10.03

Regie und Buch: Richard Curtis
Mit: Hugh Grant, Liam Neeson, Laura Linney, Alan Rickman, Colin Firth, Emma Thompson, Keira Knightley, Bill Nighy, Billy Bob Thornton, Heike Makatsch, Martine McCutcheon, Chiwetel Ejiofor, Rowan Atkinson, Claudia Schiffer, Denise Richards

Achtung, Kitsch-Alarm! Das Regiedebüt von Hit-Autor Richard Curtis ("Four Weddings and a Funeral", "Notting Hill", "Bridget Jones's Diary") ist das ideale Date Movie für Weihnachten. Ein starbesetzer Ensemble-Film mit Zuckerguss. Nein, Curtis lässt hier ausnahmsweise (fast) allen Sarkasmus beiseite und schachtelt zum Schluss Happy End auf Happy End. Eindeutig: "Love Actually" ist nichts für Zyniker und Diabetiker.

Doch was für ein wunderbarer Film für die, die sich darauf einlassen. Allein das Ensemble lässt einem das Wasser im Mund zusammen. All die Stars (siehe oben) spielen mehr oder weniger wichtige Rollen in teils lose, teils stark miteinander verbundenen Episoden. "Love Actually" ist kein britisches "Short Cuts", aber die Episoden sind dennoch hübsch miteinander verknüpft. Manchmal durch Musik, manchmal durch Charaktere. Ein Highlight herauszupicken, ist etwas schwer, deshalb erst die schwächeren. Martin Freeman und Joanna Page sind als Darsteller eines Softsexfilms zu sehen. Wie sie miteinander quasseln, während sie erotische Szenen spielen sollen, ist köstlich - doch die Szenen sind schlecht mit dem Rest des Films verbunden und enden allzu easy. Anders gesagt: Es passiert nichts. Dann gibt es ein Liebesdreieck zwischen yummi Keira Knightley (Pirates of the Caribbean) und zwei Männern. Den einen heiratet sie, der andere steht scheinbar auf ihren Gatten. Es passiert sehr viel und zum Schluss gibts einen überraschenden, recht bewegenden Twist. Und dann puff, nichts mehr. Auch zu leicht aufgelöst. Dann ist da Colin (Kris Marshall), der nicht gerade attraktive Brötchenverkäufer. Er glaubt, in Amerika kriege er alle Chicks mit seinem "cute British Accent"™. Also reist er hin - und kriegt gleich vier! Ich erwartete eine Wendung, eine Racheaktion der Ami-Tussis, weil der englische Premier ihren Präsidenten (Billy Bob Thornton) beleidigt hat. Nichts. Er kriegt die Girls, keine Ironie.

Anscheinend will Curtis die britische Seele streicheln. Denn auch besagter Premierminister, mit Gusto gespielt von Hugh Grant, ehrt Britannien, indem er es eben wagt, gegen Bush-Verschnitt Thornton aufzustehen. Blair-Verschnitt Grant verliebt sich dann Clinton-mässig in seine Sekretärin Natalie (Martine McCutcheon) und sorgt für eine sehr amüsante Storyline. Grants Schwester spielt Emma Thompson. Sie hat die emotionalste Story, weil ihr Gatte (Alan Rickman) sich in ein Büromädchen (sexy: Heike Makatsch) verliebt hat. Wie Emma ihren Frust und ihre Tränen runterschluckt, nur damit ihre Kinder schöne Weihnachten haben und die Familie intakt bleibt, ist zwar unfeministisch aber sehr stark - und bewegend.

Derweil verliebt sich in Rickmans Büro die zierliche Laura Linney in einen Bürokollegen. Die Story gibt romantisch einiges her, wird aber am Schluss liegen gelassen. Es zeigt sich wohl einmal mehr, dass es schwer ist, allen Handlungssträngen gerecht zu werden. Oh wir sind noch nicht fertig. Dann ist da Liam Neeson, dessen Frau gerade gestorben ist. Nun spielt er Stiefpapa für deren Sohn und erfährt von dem 10-Jährigen, dass er verliebt ist. Ich hass es, wenn Kinder zu "erwachsen" sind, und das ist der Bub hier zweifellos - aber die Szenen mit ihm sind herzallerliebst. 12 wäre aber dennoch ein besseres und glaubwürdigeres Alter gewesen. Apropos Glaubwürdigkeit: Die ist oft nicht vorhanden. So lernt der Bub in 4 Wochen Schlagzeug spielen, weil er seine Freundin beeindrucken will. Und Colin Firth lernt in 4 Wochen Portugiesisch - zum gleichen Zweck. Seine Story dreht sich um einen Kerl, der von seinem Bruder mit seiner Frau betrogen wurde und sich in Frankreich in ein portugiesisches Hausmädchen (Lucia Moniz) verliebt. Die Szenen, in denen sie sich verknallte Sätze sagen - und keiner den anderen versteht und dafür fast das selbe sagt - sind sehr süss.

Damit zur letzten Story: Der Ex-Junkie und Rockstar Bill (Bill Nighy) nimmt eine Weihnachtsversion von "Love Is All Around Us" auf und wird zum Hit-Künstler. Wie der Dandy-Musiker die Freundschaft zu seinem fetten Manager zu schätzen lernt, geht ans Herz und mündet in einem Happy End - wie alle anderen. Ich hoffe, ich habe alle abgedeckt. Zum Schluss gibt es drei grosse Finale mit wuchtiger Musik (Craig Armstrong) und wer zuvor schon dachte, das alles sei reichlich kitschig, wird aus dem Kino stürmen. Alle anderen kuscheln sich an ihren Partner (oder den Sessel) und schwelgen. "Love Actually" ... wer kann bei diesem Titel auch was Zynisches erwarten, na?

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Luther D 2003
Historiendrama / Biografie
Reviewed 8.8.03

Regie: Eric Till
Mit:
Joseph Fiennes, Bruno Ganz, Peter Ustinov, Jonathan Firth, Uwe Ochsenknecht, Alfred Molina, Mathieu Carrière, Benjamin Sadler, Claire Cox, Marco Hofschneider, Lars Rudolph

Ich war früher Mitglied der evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz, bin aber seit zehn Jahren konfessionslos. Ich glaube an keinen Gott, keine Widergeburt und kein Paradies. Wenn es doch ein Nach-dem-Tod gäbe, wäre ich positiv überrascht, denn der Gedanke an einen alles beendende Tod bängstigt auch mich. Aber ich habe nicht das Bedürfnis deswegen in die Arme einer Religion zu rennen. Wieso erzähle ich das? Nun, weil jeder zu einem Film wie "Luther" persönlichen, religiösen Ballast mitnimmt. Ich nehme mich da nicht aus, aber damit ihr informiert seit, aus welcher Ecke ich denke, habe ich dies kurz rekapituliert. Jeder hat schon vor dem Film seine eigene Einstellung zum Film. Ein Atheist mag sagen "da hat einer ein Übel durch ein anderes ersetzt." Protestanten meinen "er hat uns den Weg gezeigt" und Katholiken kontern "er kam vom Weg ab, wir haben uns mittlerweile selbst reformiert". Juden könnten lädhelnd dazufügen "ich habe die ganze Aufregung um einen genagelten Gutmenschen eh nie verstanden" und ein Anhänger einer afrikanischen Naturreligion kann fragen "Martin ... wer?" ... das wäre ein religiös-soziologischer Ansatz. Ich versuchs mit einem filmischen.

Der international besetzt "Luther" erzählt nicht aus dem ganzen Leben (1483 - 1546) des Reformators, sondern konzentriert sich auf den Zeitraum von seiner Entscheidung, Mönch zu werden, bis zu seiner Heirat mit Katerina und damit dem Ausschluss aus der Kirche. Martin Luther, gespielt von Joseph Fiennes, wird von seinem Mentor, Vater Johann von Staupitz (Bruno Ganz), nach Wittenberg in Sachsen geschickt, wo er studieren und predigen soll. Der von Zweifeln geplagte Luther soll so wieder zu Gott finden. Schon bald wird der gescheite und beliebte Luther Professor an der Schule und zum Schützling des Herrschers Friedrich (Sir Peter Ustinov). Doch mit immer kritischeren Augen beobachtet Luther die Exzesse der katholischen Kirche. Besonders stört er sich an ihrer Verehrung von Relikien und an den käuflichen Ablässen, die einem einen Teil des Fegefeuers ersparen sollen. Als er genug davon hat, hängt er seine 95 Thesen zur Reformation der Kirche an die Kirchentüre. Die Thesen werden hundertfach kopiert, kommen unters Volk und sorgen für Aufruhr. Dieser gelangt bis nach Rom, wo der neue Papst Leo X (Uwe Ochsenknecht) vom Kaiser des römisch-deutschen Reiches, dem jungen  Karl V (Torben Liebrecht), verlangt, Luther zur Rechenschaft zu ziehen ...

Soweit so gut. Dass der Film gewisse antikatholische Gefühle hegt, ist vorauszusetzen, immerhin ist "Luther" von einem lutheranischen Finanzkonzern gesponsert. Grossen Revisionismus kann man also lange suchen. Dafür wird die katholische Kirche von anno dazumals als grässliche Institution gezeigt. Fakt ist aber, dass sie dies auch war. Heute ist die katholische Kirche nur noch eine unter vielen und keine Instutution, die man bekämpfen muss - mag der Papst noch so viel Stuss über Verhütung und Frauen erzählen. Aber damals war es ja eigentlich beinahe Pflicht für einen freiheitsliebenden Menschen, sich gegen dieses korrupte Machtkonglomerat zu wehren. Und so wird Luther dargestellt, als gläubiger, leicht verwirrter Revoluzzer, der aber zum Schluss nicht das wollte, was aus seinen Bemühungen entstanden ist. Historisch grösstenteils ganz passabel, aber grauenhaft vereinfacht, vermag "Luther" nie wirklich hinter die Geschichtsbücher zu blicken. Es wird nichts Neues erzählt, wir erfahren wenig über Luther den Menschen und die politischen Machtspiele hinter Luthers Reformation. Der Film wirkt deshalb wie ohne Ecken und Kanten. Die Inszenierung ist noch schwächer. Die üppigen Sets wirken steril - bezeichnenderweise regnet es einmal kurz, ansonsten wirkt alles sauber und, tja, eben wie im Film. Oder wie in einem Krippenspiel der Amateur-Truppe.

"Luther" fehlt deshalb das Leben. Aber auch die Spannung. Und ein schlaues Ende. Fiennes und Ganz enttäuschen, Ochsenknecht ist eine köstliche Gegen-den-Strich-Besetzung, Mathieu Carrière ist ersaunlich gut und Peter Ustinov ist der Einzige, der überhaupt etwas Spass zu haben scheint. "Luther" muss man nicht gesehen haben. Egal welchen Glauben man hat. Und falls man ihn dennoch sieht, wird man wohl kaum bekehrt. Ich hab Mel Gibsons "The Passion of the Christ" noch nicht gesehen, aber so unreflektiert der Inhalt auch sein mag (wenn er das den überhaupt ist), wenigstens scheint der Film cineastischen Punch zu haben. "Luther" ist dagegen ein laues Lüftchen ...

Roger Ebert (USA) 2/4
Cinema (D) 3/5
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A Man Apart USA 2003
Actionthriller

Regie und Executive Producer: F. Gary Gray
Produktion: Vin Diesel u.a.
Mit: Vin Diesel, Larenz Tate, Timothy Olyphant, Geno Silva, Jacqueline Obradors, Steve Eastin, George Sharperson

Regisseur F. Gary Gray ("The Negotiator") drehte "A Man Apart" im März 2001 unter dem Titel "Diablo" ab. Er kam ewig lange nicht ins Kino. Kein gutes Zeichen. Als er am 4. April 2003 unter dem Titel "A Man Apart" den Weg in die US-Kinos fand, spielte der 36-Millionen-Dollar-Streifen letztendlich immerhin 26 Millionen wieder ein. Gerade noch am Flop vorbei, aber nachdem Vin Diesel mit xXx zum Superstar avanciert war, hat man sich wohl mehr Kohle erhofft. Unter dem beleidigend doofen "deutschen" Titel "Extreme Rage" findet das Werk nun den Weg in die heimischen Kinos. Und wir sehen endlich, wieso der Film erst nicht ins Kino kam ... er ist höchstens besseres Video-Futter.

Vin Diesel ist mit seiner charismatischen Show und seiner tiefen Stimme zwar ein grosses Plus und die Gewalt gibt dem Film doch immerhin Ecken und Kanten in der heutigen PG-13-Welt, doch ansonsten hat "A Man Apart" einfach nichts zu bieten. Sinnentleerte schöne Bilder, mässige Schauspieler, eine laue Story, ein schreckliches Ende, stumpfsinnige Dialoge und einige Längen. Ein paar Punkte kann ich herausgreifen: Die Dialoge à la "I know that you are with me in spirit but I still miss you" sind einfach doof und kämen sie nicht aus Vins Mund, man würde sich richtig ärgern. Dann gibt es Szenen, die sind schlicht unter aller Sau. Eine zeigt Vin bei einem Dealer. Zuerst schuppst er eine Stripperin vom Knie mit den Worten "You should have more respect for yourself" (und das in einem Film, der keine Chance auslässt, nackte Haut zu zeigen - vor allem in der sexy Anfangsszene) - und dann rastet Vin auch noch aus, weil der andere ihn Schwuchtel nennt. Nichts macht ihm was aus, aber wegen dem Wort Schwuchtel killt er fast. Schöne neue Macho-Welt. Und das mit der Stripperin ist einfach verlogen. Der Film ist eh ziemlich verlogen, da das ganze Rache-Motiv nicht hinterfragt wird. Vin schaut traurig und blickt aufs Meer - ja der Ärmste hat keinen anderen Weg als Dutzende Leute niederzumetzeln und seine Frau zu rächen (ach ja die Story: Vin ist ein DEA-Cop, der in Mexiko den grössten Drogenboss des Landes festnimmt. Kurz danach wird seine Frau von den Schergen "Diabolos" ermordet - dem Nachfolger des verhafteten Drogenbarons. Leid. Rache. Job weg. Noch mehr Rache. Ende. Na ja fast.)

Ca 30 Minuten vor Schluss nimmt der Film eine Wende, die mich hoffen liess, die Moral würde auf den Kopf gestellt. Ich kann nichts verraten, aber die Leute in dem Film spielen falsch - und das gibt Vins Rachefeldzug eine neue Komponente. Leider wird dies überhaupt nicht ausgereizt. Und als Gray ein schlicht doofes Ende aufsetzt, ist "A Man Apart" definit auseinandergefallen. Es ist ein Film, der gut aussieht und einen starken Star hat, doch Vin, Gray und nahezu alle Beteiligten könnens besser. Und das ist irgendwie frustrierend.

Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
BBC (GB) 1/5
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Matchstick Men USA 2003
Gauner-Tragikomödie
Reviewed 18.8.03

Regie und Produktion: Ridley Scott
Executive Producer: Robert Zemeckis
Musik: Hans Zimmer
Mit: Nicolas Cage, Sam Rockwell, Alison Lohman, Bruce McGill, Bruce Altman

Ich bin kein Fan von Ridley Scotts nicht-Genre-Filmen. "G. I. Jane", "Someone to Watch Over Me", "White Squall" und in gewissem Sinne auch "Black Rain" sind nicht mein Ding. Dagegen zähle ich "Alien" (* * * * *), "Blade Runner" (* * * * *) und Gladiator (* * * * ½) zu den besten Filmen aller Zeiten. Ausnahmen bestätigen die Regel und deshalb gehört das Roadmovie "Thelma & Louise" (* * * * *) zu den allerbesten. "Matchstick Men" ist nun ein Ridley-Film, der in der heutigen Zeit spielt und von mehr oder weniger normalen Leuten handelt. Ich ging also nicht gerade mit positiven Erwartungen ins Kino. Und das zu Recht: "Matchstick Men" wird nie in den Kanon der grossen Scott-Werke aufsteigen. Aber er ist ein bekömmlicher, solide gemachter und gut gespielter Gangsterfilm. Kein Scott'sches Meisterwerk, aber ein akzeptabler Film.

Nicolas Cage verkörpert brillant den Gauner Roy, der einen Sauberkeitswahn hat. Mit seinem jüngeren Partner Frank (Sam Rockwell) haut er Leute übers Ohr. "Sie geben mir das Geld ja freiwillig" besänftigt er sein Gewissen. Als ihm eines Tages die Pillen gegen seine Phobien ausgehen, muss er einen neuen Psychiater (Bruce Altman) besuchen, der ihm neue Tabletten verschreibt und Roys geschiedene Frau anruft. Dabei knüpft er Kontakt mit Roys Tochter Angela (Alison Lohman). Sie ist 14, frech und unordentlich - ein Greuel für Roy. Doch er lässt einen Besuch zu. Und die beiden verstehen sich aussergewöhmlich gut.

Gespielt ist "Matchstick Men" toll - einerseits von Cage, andererseits von Rockwell. Doch der wahre Szenen-Dieb ist Alison Lohman. Die 14-Jährige ist wahrlich ein Energiebündel und strahlt erfrischenden Charme aus. Ihr ist es auch zu verdanken, dass die Annäherungsszenen an Filmdaddy Cage nicht klebrig wirken. Der Film hat ausgesprochen viel Herz und das "Bye Daddy", das Alison Lohman nach dem überraschenden Ende ihrem Vater zuruft, bricht einem das Herz. Etwas, was man von Stilist Ridley Scott eigentlich nicht erwartet. In manchen Kreisen gilt der Ex-Werbefilmer ja noch immer als Top-Techiker und Flop-Geschichtenerzähler. Ich sträube mich gegen dieses Vorurteil. Als ob nicht schon "Thelma & Louise" das Gegenteil beweiesen hätte, tut das nun "Matchstick Men", denn der Streifen ist ganz Story und ganz Charaktere. Die Musik von hans Zimmer bleibt dezent im Hintergrund (für Zimmer ein seltener Fall!) und die Kamera von John Mathieson ist zwar aufdringlich und Licht-geflutet à la Catch Me If You Can, doch letztendlich dient auch sie der Story. Und diese Story mündet in eine veritable Überraschung. Ein Twist-Ende, das hier natürlich nicht verraten sei und sehr gelungen ist, bildet die Krönung der Geschichte. Eigentlich ist es ein böses Ende, aber versmischt mit fast Disney'esker Lebensbejahung. Die Läuterung des Roy - auf Ridley Scotts Weise.

In gewissem Sinne ist "Matchstick Men" Scotts Ocean's Eleven. Nicht nur, weil der selbe Kerl (Ted Griffin) das Drehbuch schrieb, sondern weil der Film einem vorkommt, wie eine verspielte Fingerübung. "Ocean's Eleven" hatte mehr Stars und viel mehr Coolness, aber wie bei "Matchstick Men" hat man das Gefühl, der Regisseur mache dies so zwischendurch zum eigenen Spass - um danach wieder wichtigere und grössere Projekte in Angriff zu nehmen. Insofern erinnert er auch ein wenig an "Catch me If You Can". "Ocean's Eleven" und "Catch Me If You Can" gefallen mir noch einiges besser als "Matchstick Men", aber Ridley hat damit bewiesen, dass er ganz locker und leicht einen kleinen, feinen Film drehen kann, der keine "Oscars" gewinnen wird, der aber gut unterhält - und bald wieder vergessen geht ... ist das gut so? Nun, Ridley kanns besser. Aber für den Moment ist das ganz okay. Ein kleiner Ridley-Film ist schliesslich besser als gar keiner, oder?

Roger Ebert (USA) 4/4
imdb


The Medallion USA/HK/GB 2003
Actionkomödie
Reviewed 2.2.04

Regie und Buch: Gordon Chan
Action: Sammo Hung
Executive Producers: Jackie Chan, Willie Chan, Albert Yung
Mit: Jackie Chan, Lee Evans, Claire Forlani, Julian Sands, Anthony Wong, John Rhys-Davies, Christy Chung

Die besten Jahre sind für Jackie Chan vorbei. In "The Medallion" hat der bald 50-Jährige zwar noch immer ein paar saftige Stunts auf Lager, doch sie zünden nicht mehr so, wie in seinen überzeugenderen Filmen. Die Handlung, soweit man von einer solchen sprechen kann, dreht sich um das titelgebende Medallion, das in den Händen eines Kindes Superkräfte verleiht und unsterblich macht. Hinter dem Teil ist der böse Snakehead (Julian Sands) her, doch der erste, der die Kräfte des Medallions zu spüren bekommt, ist Jackie, der einen Hongkong-Interpol-Cop spielt. Und von da an ist der Film ein Tuxedo Reloaded, denn es ist nicht nötig, Jackie Superkräfte zu verleihen. Einen Teil des Reizes, Jackie zuzusehen, ist das Wissen, dass er alles selbst und ohne Tricks macht. Hier und in Tuxedo dagegen, gibt es etliche CGI- und Wire-Tricks, die das Ganze nicht nur aussehen lassen wie eine Parodie auf "The Matrix", sondern auch den essenziellen Kern einer Jackie-Fightnummer eliminieren.

Was bleibt? Ein paar echt gute Stunts wie zum Beispiel während einer Verfolgungsjad durch Dublin. Und dazu viel Mittelmass, das man mittlerweile aus anderen Actionstreifen genausogut kennt. Und eine Romanze, die nicht funktioniert. Jackie muss aufpassen, dass er kein zweiter Woody Allen wird, denn er ist immerhin schon 18 Jahre älter als die zierliche (und blasse) Claire Forlani, die seine Geliebte spielt. Chemie? Keine. Ach und nicht zu vergessen gibt's noch Comedy. Die von Chan ist okay, doch die von Lee Evans hat eine Hit-Miss-Ration von etwa 40:60. Sätze wie "you sound like an obscene phone call" zum keuchenden Jackie sind amüsant, doch ebenso oft ist's bloss peinlich. Bestes Beispiel: Als ein Dialog zwischen Lee und Jackie sich anhört wie die Sex-Diskussion eines Schwulenpärchens und Lee danach stotternd und langfädig alles "richtigstellt". Gähn.

Die Nebendarsteller sind nicht viel besser dran. Julian Sands als Bösewicht ist akzeptabel. Indy-Partner und "Lord of the Rings"-Zwerg John Rhys Davies hat einen coolen Namen (Cmdr. Hammerstock-Smythe) aber zuwenig zu tun. Anthony Wong ist gnadenlos unterverwertet und macht sich zum Hampelmann. Und Christy Chung (Samsara, Jan Dara) als Lees Ehefrau, die in meinen Augen die geilsten Kampfszenen hat, kommt ebenfalls zu kurz - zudem wird ihre Verwandlung zur Kampfkünstlerin in der Handlung gar nie erklärt. Lapsus. Alles Mittelmass, könnte man "The Medallion" also zusammenfassen. Und genau dort, im Mittelfeld, hat Jackie Chan früher nicht gespielt. Er sollte sich vielleicht überlegen, seine Karriere in eine neue Richtung zu lenken, bevor er immer tiefer sinkt und sich keiner mehr um ihn schert.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2/4
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Monster USA 2003
Drama
Reviewed 19.6.04

Regie und Buch: Patty Jenkins
Mit: Charlize Theron, Christina Ricci, Bruce Dern, Lee Tergesen, Annie Corley, Pruitt Taylor Vince, Marco St. John, Marc Macauley, Scott Wilson

Patty Jenkins hat die Verhandlung gesehen, in der Aileen Wuornos zum Tode verurteilt wurde. Das Schicksal dieser siebenfachen Mörderin habe sie ergriffen und sie sah sofort, dass mehr hinter dieser Fassade steckt, als "Americas First Female Serial Killer"™ (was sie eh nicht war: die vor ihr wurden wohl einfach nie gefasst ...). Jenkins' Mitgefühl mit Wuornos machte mir etwas Angst. Würde sie uns mit ihrem Langfilmdebüt "Monster" nun die menschliche Seite von Wuornos zeigen und sie damit verharmlosen? Würde sie um Vergebung bitten, uns sagen, seht her, Aileen hat in der Jugend gelitten, man müsse deshalb ihre Taten verstehen? Die Angst war jedoch nicht begründet. "Monster" leuchtet tatsächlich den Menschen hinter der Legende aus, zeigt ihre Liebe, ihren Absturz, ihre Sehnsüchte. Doch ein Serienkiller ist immer auch ein Mensch und eine Vermenschlichung deshalb noch keine Glorifizierung. Diesen Hochseilakt schafft Patty Jenkins sehr wohl, denn sie klagt die Verurteilung von Wuornos nicht an. Man kann mit dieser Frau mitleiden aber man muss auch bereit sein, ihre Taten zu verurteilen und sie zu bestrafen. Der Film meistert diese Botschaft durchaus.

Im Zentrum steht dabei stets Charlize Theron als Aileen Wuornos. "One of the greatest performances in the history of cinema" schrieb Roger Ebert über Therons "Oscar"-gekrönten Auftritt. Er ist tatsächlich brillant. Natürlich sorgt es für Aufmerksamkeit, wenn eine schöne Akteurin sich hässlich macht - doch Theron ist nicht nur eine Tussi unter schlechtem Makeup. In ihr gehen Dinge vor, die möchte man gar nicht sehen. Sie spielt mit solcher Verinnerlichung und übernimmt die Ticks und Macken von Wuornos so genial, dass sie regelrecht in der Rolle aufheht. Brillant. Christina Ricci ist nicht viel schwächer. Sie hat den undankbareren Job, Wuornos' Geliebte Selby zu spielen. Selby war Wuornos' letzte Chance zur Liebe. Und selbst wenn sie nie wirklich lesbisch war, so sah Wuornos eine Hoffnung, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Und sie konnte sich trainieren, eine Frau zu lieben. Daraus entwickelte sich eine richtige Beziehung. Denn auch Selby war verzweifelt. Das verwöhnte Mittelklasse-Gör wurde von der Familie ausgestossen und ist zu schüchtern, zu schwach und zu faul, um voranzukommen. Wuornos kam ihr deshalb gerade recht. Gut weg kommt sie jedenfalls nicht. Aber wenn ihr letztes Gespräch am Telefon im Gerichtssaal abgespielt wird, geht das ans Herz.

"Monster" ist also zweifellos fantastisch gespielt. Auch die Musik von BT fällt auf. Der von Anfang an als 5.1-Score konzipierte Soundtrack nutzt den Surround-Sound des Kinos für einen zusätzlichen Effekt. Insbesondere bei Aileens Morden ist die Musik ein zentraler Faktor. Und letztendlich ist natürlich auch die Geschichte dramatisch, da Aileen Wuornos wirklich eine tragische Figur war. Aber: wussten wir das nicht schon vor dem Film? Hat "Monster" eigentlich etwas Neues zu sagen? In diesem Bereich holpert der Film für mich. Jenkins inszeniert den Streifen ohne viele Überraschungen. Die spannendste Szene ist jene mit dem letzten Freier, dem Aileen gegenübersteht. Tötet sie ihn oder nicht? Es ist der bewegendste Moment des Films und der spannendste, weil man nicht weiss, wie er ausgeht. Der Rest läuft auf Autopilot ohne Innovation. Böse gesagt auf dem Niveau eines TV-Films. Wären die Performances nicht so grandios, "Monster" wäre ein gut gemeintes, aber schales Real-Life-Drama. "Monster" will nie gross anecken und bleibt mehrheitstauglich. Akzeptabel für extrem-Feministinnen, die Aileen als Rache-Engelin gegen die bösen Männer vergöttern können, akzeptabel für die Todesstrafen-Befürworter, die sich freuen können, wie Aileen bestraft wird (sie wurde 2002 exekutiert). Akzeptabel für die sozial engagierten Gutmenschen, die die geschundene Frau hinter der sozial verzerrten Maske sehen wollen. Akzeptabel für Serienkiller-Fanatiker, die von diesen Krebsgeschwüren der Gesellschaft so unverhältnissmässig angezogen werden. Jenkins wollte die Reaktion des Publikums nicht zu sehr steuern, das ist ja löblich, doch damit nimmt sie dem Film auch seine Ecken und Kanten.

"Monster" ist trotz seinen Mängeln ein faszinierender und bewegender Film mit grandiosen Akteuren. Ein Film auch, der von euphorischem Lob bis "whatever" alles hervorrufen kann. Deshalb hier zwei der wohl extremsten Kriken: jene von Roger Ebert (hier) und jene des Slant-Magazins (hier). "What Charlize Theron achieves in Patty Jenkins' "Monster" isn't a performance but an embodiment. With courage, art and charity, she empathizes with Aileen Wuornos, a damaged woman who committed seven murders. She does not excuse the murders. She simply asks that we witness the woman's final desperate attempt to be a better person than her fate intended" im Gegensatz zu "Former model Charlize Theron transforms herself into a Wuornos caricature, taking the title literally. Looking like a sun-baked wooly mammoth, Theron comes equipped with a fright wig, flaked-out skin, bad teeth, no lipstick and a laconic drawl. [...] Monster is pretty tepid stuff, conventionally told in a series of Lifetime confrontations between Wuornos and her naïve little girlfriend." Es ist schon unglaublich, wie komplett anders Leute auf eine Darbietung reagieren können, oder?

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Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
BBC (GB) 3/5
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My Boss's Daughter USA 2003
Komödie
Reviewed 18.5.04

Regie: David Zucker
Mit: Ashton Kutcher, Tara Reid, Terence Stamp, Molly Shannon, Michael Madsen, Carmen Electra, Andy Richter, Jon Abrahams

Bei diesem Film schreien Cineasten auf. Filmkritiker verspüren physische Schmerzen. Und die Zuschauer in den USA blieben aus. Doch ich bin icht hier, um zu sagen, was andere denken. Und auf die Gefahr hin, dass ich dafür auf immer in der Film-Hölle brate: ich fand "My Boss's Daughter" ziemlich witzig. Ich kann mich noch tiefer in die Scheisse reiten: ich seh mir diesen Film noch jeden Tag lieber an als steifes Zeugs wie Kiarostamis "T a'm e guilass", Dreyers "Gertrud" oder Antonionis "Il grido". Ja ich bin der Teufel. Nun, da das aus dem Weg geräumt ist: "My Boss's Daughter" hat tatsächlich Szenen, die sind so bodenlos schlecht, dass ich mich auf dem Sofa wälzte, abdrehte und vor Pein aufschrie. Aber 40% der Gags trafen für mich isn Schwarze. Und das zählt halt bei einer Komödie. Wieviele Lacher hat er. Für die meisten Leute wird er zwei haben. Oder drei. Bei mir warens viel mehr. Ergo die 2½ Sterne.

Ein Teil der Attacken rührt wohl daher, dass Ashton Kutcher der Hauptdarsteller ist. 2003 wurden zwei Paare so durch die Klatschspalten geritten, dass man schon nur beim Erwähnen der Namen zusammenzuckte. Jennifer Lopez / Ben Affleck sowie Ashton Kutcher / Demi Moore. Es ist ja bezeichnend, dass diese beiden Pärchen zwei der schlechtesten Filme 2003 abgeliefert haben sollen - Gigli und eben "My Boss's Daughter". Und zugegeben, sie sind beide nicht wirklich gut, doch steckt nicht eine Abwehrhaltung gegenüber Bennifer bzw. Kutcher/Moore dahinter? Ist man nicht automatisch einem schlechten Film gegenüber regelrecht aggressiv eingestellt, wenn man den Hauptdarsteller ausserhalb des Films hassen gelernt hat? Ich hasse Kutcher nicht. Ich habe mich ja schon bei seinem letzten Zoten-Bombardement "Dude, Where's My Car?" unstatthaft amüsiert. Und damit endlich zur Story: Kutcher spielt Tom Stansfield. Einen kreativen Kopf in Chicago, der immer zu allen nett ist und nie wütend wird. Sein Freund Paul (Jon Abrahams) drängt ihn, sich endlich an die süsse Lisa (Tara Reid) ranzumachen. Die ist dummerweise die Tochter des Bosses. Und der ist ein Tyrann: Jack Taylor (Terence Stamp) feuert Leute wegen schlechtem Kaffee, beleidigt alle, die ihm vors Mundwerk kommen und foltert seine Mitarbeiter. Da bittet Lisa Tom, am Abend bei ihr aufzukreuzen. Tom glaubt an ein Date, doch in Wahrheit soll er das Haus hüten. Das heisst, Taylors Möbel nicht beschmutzen, keine Fremde reinlassen und seine melancholische Eule O.J. pflegen. Der Beginn des totalen Chaos'

In gewissem Sinne ist "My Boss's Daughter" die Fusion von "Deuce Bigelow" und "There's Something About Mary". Die Wohnungs-aufpass-Story ähnelt Bigelow und zu Mary gibts etliche Parallelen: der trottelige, aber nette Protagonist, der alles nur aus Liebe tut. Die Gags unter der Gürtellinie. Die Missverständnisse. Und das seltsame Haustier, das eine zentrale Rolle spielt. Am Anfang scheint dieser Mix ja auch noch zu funktionieren, insbesondere der steife Terence Stamp hat etliche Lacher mit Kutcher. Beispiele: "Is that a bear trap?" - "Yes, it's to keep the neighbour's kids out of my yard" oder "his name is OJ" - "like the murderer?" - "(erstaunt) no, like the football player". Dieser OJ-Simpson-Witz ist besonders amüsant, wenn man bedenkt, dass der Regisseur David Zucker heisst, der mit dem echten OJ bei den "Naked Gun"-Filmen zusammenarbeitete. Doch der Name Zucker sorgt auch für Wehmut. Der grosse Komödien-Regisseur ist recht tief gesunken mit diesem Film. Und wenn Michael Madsen das Wohnzimmer vollpisst oder Kutcher Terence Stamps Arschloch begutachtet (!!!), dann hat man nicht nur Mitleid mit den Akteuren sondern auch mit Zucker. Ja, das waren zwei der Tiefpunkte. Es gibt noch viel mehr. Das aufgedrückte Happy End, ein paar faule Gags, die bis auf einen Strip eher blasse Tara Reid ... und so weiter und so fort. Aber wer sagt schon nein zu Carmen Electra, die mit nassem T-Shirt in Slo-Mo einem Brunnen entsteigt? Oder einer Eule, die Koks schlürft? Oder Kaffee, der so bitter ist, dass man dafür gefeuert wird? Hört sich blöd an? Dann bleibt diesem Firm auf jeden Fall fern oder ihr fallt ins Koma. Wenn euch dagegen solche Dinge ansprechen, dann solltet ihr zugreifen. Macht aber erst den Test: mochtet ihr "Deuce Bigelow"? Mochtet ihr "The Chick"? Oder "Not Another Teen Movie"? Oder eben "Dude, Where's My Car?" - das sind ideale Voraussetzungen, damit ihr auch dieses Machwerk des niederen Humors geniessen könnt ...

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James Berardinelli (USA) ½/4
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National Security USA 2003
Actionkomödie

Regie: Dennis Dugan
Mit: Martin Lawrence, Steve Zahn, Eric Roberts, Bill Duke, Colm Feore, Timothy Busfield, Matt McCoy, Steven Tobolowski

Über den Film muss man eigentlich nicht viele Worte verlieren: Eine Buddy-Komödie nach gewohntem Muster, manchmal sehr witzig, dann wieder hungsgewöhnlich - und stets alles andere als innovativ. Alle die typischen Buddy-Szenen sind drin und werden kaum variiert. Damit hängt alles an den Hauptdarstellern und ihrer Chemie. Und die ist gut. Das reicht für rund 1 ½ Stunden gute Unterhaltung. Highlights: Lawrences stetiges Geplapper darüber, dass man ihn diskriminiere, weil er schwarz ist (dabei ist er der einzige Rassist im Film), die "Flucht" von der Brücke. Wie gesagt: Damit kommt szenenweise Freude auf - aber einen Monat später habt ihr den Film ziemlich sicher vergessen ...

James Berardinelli (USA) 2/4
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Old School USA 2003
Komödie

Regie, Buch und Produktion: Todd Phillips
Mit: Luke Wilson, Will Ferrell, Vince Vaughn, Jeremy Piven, Ellen Pompeo, Juliette Lewis, Leah Remini, Seann William Scott

"Old School" greift ein Genre wieder auf, das 1978 mit "Animal House" seinen Höhepunkt erreichte: Die Frat-Komödie, in denen College-Jungs (und Mädels) bloss auf zwei Dinge aus sind: Alkohol und Sex. Zugegenermassen sind fast alle Beiträge an dieses Genre sehr primitiv, aber die besseren Filme haben eine anarchische Kraft, der man sich nur schwer widersetzen kann. Nicht so "Old School". Der ist dem Titel gerecht eben alte Schule - und fährt zum Schluss mit Moral auf. Das passt nicht zum ausgelassenen Chaos einer Frat-Komödie. "Old School" hat sehr versierte Akteure und mit Luke Wilson einen sehr charismatischen Hauptdarsteller zu bieten, aber zünden wollen die Campus-Anektoten nie richtig. Wilson spielt einen 30-jährigen Kerl, der seine Frau (Juliette Lewis) beim Gruppensex ertappt und sie verlässt. Er zieht in ein Haus neben seiner alten Uni. Doch der Rektor (Jeremy Piven) lässt das Gebäude umzonen und macht es zum Studentenhaus. Mitch muss raus. Doch seine Kumpels (Will Ferrell, Vince Vaughn) haben eine Idee: Das Haus soll eine Bruderschaft (Fraternity) behausen, dann können sie bleiben. Also gründen sie mit einem Haufen Luschen eben eine Frat.

Der Zoff ist voraussehbar, die Gags manchmal zugegebenermassen recht amüsant. Doch dem Genre hat Road Trip-Regisseur Todd Phillips mit "Old School" nichts neues hinzuzfügen. Höchstens vielleicht ein paar männliche Selbstverwirklichungs-Fantasien, die seltsam an Fight Club erinnern. Ansonsten: Old School. Höchstens an einem verregneten Sonntag-Nachmittag einen Blick wert.

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Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
BBC (GB) 4/5
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Once Upon a Time in Mexico USA/MEX 2003
Actionfilm
Reviewed 5.12.03

Regie, Buch, Produktion, Musik, Kamera, Schnitt, Production Design und Effekte: Robert Rodriguez
Mit: Antonio Banderas, Johnny Depp, Willem Dafoe, Salma Hayek, Eva Mendes, Danny Trejo, Ruben Blades, Enrique Iglesias, Marco Leonardi, Cheech Marin, Pedro Armendariz Jr

Eine satte Enttäuschung. Ich bin fürwahr nicht der grösste Fan von "El Mariachi" und "Desperado", doch die beiden Mexiko-Actionfilme waren straff strukturierte Fun-Filme, der erste ein Paradebeispiel, wie man aus wenig Geld viel machen der kann, der zweite eine Fingerübung in Coolness, Sexiness und Style. "Once Upon a Time in Mexico" schliesst die Pseudo-Trilogie ("Desperado" war eher ein Remake als ein Sequel) nun ab - und ist gleichsam Robert Rodriguez schwächster Film. Ich mag den Kerl echt. Er ist jung, dynamisch, voller Euphorie und Film-Wissen. Er dreht mit sehr wenig Geld aber mit umso grösserem Einfallsreichtum seine Filme, und waltet dabei meistens in allen Jobs, die es hinter der Kamera zu vergeben gibt, gleichzeitig. Es ist jedoch bezeichnend, dass Rodriguez' beste Filme ("From Dusk Till Dawn", "The Faculty") bis auf den süssen "Spy Kids" nicht von ihm geschrieben wurden - anscheinend hat der quirlige Mexikaner einfach Mühe mit dem Verfassen eines sinnvollen Drehbuchs.

"Once Upon a Time in Mexico" ist das beste Beispiel dafür. "Shot, chopped and scored by Robert Rodriguez" zeigen die Credits einmal, und die Betonung sollten auf "chopped" liegen. Ein zerstückelter Actionfilm ohne den Hauch von Verstand. Ein heilloses Chaos ohne inszenatorische Stringenz. Banderas kehrt zurück als El Mariachi, spielt aber eigentlich bloss eine Nebenrolle. Das einzige, was er tun darf, ist entweder melancholisch oder cool dreinschauen. Dies ist seine Paraderolle, aber er langweilt darin in ikonografischen Posen. Die Show gehört vielmehr Johnny Depp als süffigem CIA-Agenten, der die Leute in ein undurschaubares Netz verwickelt. Er ist grauenhaft brutal und sehr zynisch. Super gespielt. Allein die T-Shirts, die er trägt, sind den Kino-Eintritt wert. Leider hat Rodriguez sein Finale vergeigt. Das gleiche gilt für Salma Hayek, die nach einem grossartigen Auftritt bloss noch in lahmen Rückblenden zu sehen ist. Die Szenen, in denen sie an Banderas gekettet ist, wirken cool, spielen sich aber ohne Spannung ab. Dann sind der unterbenutzte Willem Dafoe, der als Schauspieler untalentierte Enrique Iglesias und die schöne aber ebenso unterbenutzte Eva Mendes zu sehen. Der Film wimmelt von Charakterdarstellern und Kult-Personen, aber niemand kriegt genug Screen-Time, um sich wirklich zu entfalten.

Und dann ist da noch das Finale, das selbst im Vergleich zum Rest der zerstückelt-sinnlosen Story überhaupt nicht funktionieren will. Ein riesiges Chaos inhaltlicher und visueller Natur ohne befriedigendem Schluss. Was für ein lahmer Abschluss der Trilogie. Die Digi-Kamera, die Rodriguez einsetzt, tut zwar im Freien tolle Arbeit, aber im Innern fehlt ihr die Tiefe. So gibt es etliche Szenen im Palast, die aussehen, wie ohne Filter gedreht, und wirken deshalb wie ein Home-Video. Visuell bin ich Besseres von Rodriguez gewohnt. Überhaupt bin ich mehr von ihm gewohnt. Depp ist gut, die operettenhaft überzogene Musik ist nett, die Gewalt fährt ein - doch so sehr ich bewundere, wie Rodriguez das Ganze für bloss 30 Millionen Dollar gedreht hat, so sehr muss ich die Mängel ankreiden. Die Story ist idiotisch, der Schnitt und die Kamera plump, die Spezialeffekte manchmal B-mässig. Sicher nicht der Kino-Event des Jahres und kein würdiger Abschluss der Trilogie.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 2/5
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Open Range USA 2003
Western
Reviewed 25.2.04

Regie und Produktion: Kevin Costner
Mit: Robert Duvall, Kevin Costner, Annette Bening, Michael Gambon, Michael Jeter, Diego Luna, James Russo, Abraham Benrubi, Dean McDermott, Kim Coates

Kevin Costner versteht den Western, daran gibt es nichts zu rütteln. Sein "Dances With Wolves" ist einer der wichtigsten und schönsten Beiträge zum Genre. Und obwohl er nie sein eigenes Lieblingsgenre hinterfragte (à la Eastwood mit "Unfogiven"), kennt er die Konventionen, baut auf ihnen auf und ändert sie leicht, ohne modernistisch zu werden. Das Resultat davon ist "Open Range", ein betont altmodischer, sehr ruhiger und wunderschöner Western, den Coster "nur" in der zweiten Hauptolle zeigt. Star ist Robert Duvall als alternder Cowboy Boss Spearman. Er schaut zu seiner Kuhherde, seinen Pferden - und seinen Freunden. Dem wortkargen Charley Aits (Costner), der eine brutale Vergangenheit hat. Dem gutmütigen Riesen Mose (Abraham Benrubi). Und dem jungen Mexikaner Button (Diego Luna, Y tu mamá también). Als die Männer des Cowboy-hassenden Farmers Denton Baxter (Michael Gambon) eines Tages Mose töten und Button verletzen, beschliessen Boss und Charley, die Angreiffer dafür büssen zu lassen. Auch wenn die Gegner Geld und Sheriff (James Russo) hinter sich wissen.

"Wir üben Gerechtigkeit, nicht Vergeltung", sagt Boss an einer entscheidenden Stelle. Und so kommt einem "Open Range" auch vor. Kein Selbstjustiz-Epos, sondern zwei Männer, deren urtümliche und friedliche Welt sinnlos kaputt gemacht wurde. Und die jemanden dafür büssen lassen. Darin Irak-Parallelen zu suchen ist sinnlos, vielmehr handelt es sich um ein fundamentales Western-Thema. Und Costner spielt mit einigen davon. Die erste halbe Stunde scheint nur die Cowboys bei ihrer Arbeit zu zeigen. Ein Film voller Marlboro-Eindrücke, zweifellos wunderbar gefilmt, aber arm and Handlung. Das nimmt man Costner nicht übel, denn zum einen muss man die harte, aber schöne Welt des Quartetts erst einmal sehen, zum anderen wird das Drama des späteren Films aufgegleist (weil die Kutsche stecken blieb, wird Mose erst in die Stadt geschickt). Neben all den Themen, die man aus Western kennt, bringt Costner aber auch durchaus Neues. So wusste ich bisher nicht, dass die Stadt-Leute und Farmer die Cowboys, die ihre Herden durchs Land treiben und sie dort grasen lassen, wo sie wollen, ausgesprochen unbeliebt sind. Das Bild vom uramerikanischen Helden wird dadurch etwas korrigiert.

Doch wie gesagt, Costner ist nicht ausgeritten, um das Genre auf den Kopf zu stellen. Vielmehr zaubern er und sein Kameramann James Muro (sein Debüt!!) wunderbare Bilder, spielen Duvall, Costner und Bening einfach umwerfend, liefert Michael Kamen einen epischen Score und wird eine Gesichte erzählt, die einfach, aber stark ist. Alles läuft auf den Schusswechsel hinaus. Und der ist sackgut. Räumlich perfekt geplant, sehr hart und explosiv, aber dennoch realistisch und frei von "Quick and the Dead"-scher Comic-Ästhetik. Zudem ist er realistisch, weil die Leute nicht einfach zuschauen, sondern in Horden die Stadt verlassen, selbst Waffen zücken, um sich zu verteidigen und nachdem alles vorbei ist, die Kinder beruhigen, die angeschossenen Pferde töten und die Leichen bergen. Der dritte Akt ist definitiv ein krönendes Finale. Danach ist das aufgesetzte Liebesgesäusel zwischen Bening und Costner nicht ganz nötig, aber wie Costner erzählt, wollte er das einfach als Abschluss drin haben. Er wollte keinen düsteren Western machen, sondern primär einen realistischen um Themen wie Freundschaft, Vertrauen, Ehre und Liebe. Das ist ihm rundum gelungen.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
Cinema (D) 4/5
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Paycheck USA 2003
Sci-Fi-Thriller
Reviewed
9.1.04

Regie und Produktion: John Woo
Mit: Ben Affleck, Uma Thurman, Aaron Eckhart, Paul Giamatti, Colm Feore, Joe Morton, Michael C. Hall

Ich liebe Sci-Fi, mag John Woo und assoziiere mit Autor Philip K. Dick fast ausschlisslich Meisterwerke: "Blade Runner", "Total Recall", Minority Report. Und doch konnte "Paycheck", John Woos Sci-Fi-Thriller nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick, so in die Hosen gehen. Woo ist halt eben kein Thriller-Mensch. Er kann Spannung erzeugen, aber dies nur in Actionszenen und auf emotionaler Ebene (siehe "Bullet in the Head"). Doch Fingernägelkauer-Spannung ist nicht sein Ding. Hätten Leute wie Paul Verhoeven, James Cameron oder David Fincher das Thema angegangen, es wäre wohl was draus geworden. So steht man vor einem ziemlich coolen Konzept und einer teils idiotischen Ausführung.

Ben Affleck spielt Michael Jennings, ein Mann, der Wirtschaftsspionage begeht, danach jahrelang an einer Verbesserung der Apparate bastelt und dafür eine grosse Summe kassiert. Nach Abschluss werden seine Erinnerungen gelöscht - als Sicherheit für die beauftragende Firma. Wie Jennings über all die Jahre intelligent bleiben konnte und sich überhaupt weiterbilden konnte (alle Erfahrung wird ja wieder gelöscht) wird nicht thematisiert. Egal, jedenfalls stellt ihn sein alter Freund James Rethrick (Aaron Eckhart) für einen ganz brisanten Job an: Er soll drei Jahre lang für ihn arbeiten und dann die Erinnerungen löschen lassen. Er kassiert dafür fast 100 Millionen Dollar! Michaels Freund Shorty (Paul Giamatti) rät ihm ab, aber das Geld lockt. Und so wacht er drei Jahre später wieder auf, scheinbar steinreich. Die Bank erzählt ihm aber, er habe auf das Geld verzichtet und sich dafür einen Umschlag mit 20 Gegenständen geben lassen. Bevor Michael Zeit hat, durchzudrehen, werden Attentate auf ihn verübt. Bald ist ihm klar: Er hat die letzten drei Jahre an etwas Dubiosem gearbeitet. Was war es? Wofür will es Rethrick nutzen? Wer ist Rachel Porter (Uma Thurman)? Wer hat die 20 Gegenstände an ihn geschickt - denn jedes der Dinger gibt Michael einen Hinweis oder eine Hilfe, um zu überleben. Die Lösung liegt auf der Hand, aber ich will sie dennoch nicht spoilern ...

Wie Affleck anhand der Gegenstände siene Vergangenheit rekonstruiert, erinnert seltsamerweise an den letzten Actionfilm seines Kumpels Matt Damon ("The Bourne Identity"), doch "Paycheck" orientiert sich eben an Philip K. Dick und so kommt viel Technisches und Fantastisches zu Afflecks Recherchen dazu. Schnell zeigt sich, dass 20 Gegenstände rund 15 zuviel sind. Jennings sollte sie immer am richtigen Ort einsetzen - aber manchmal ist das so forciert und ungalubwürdig, so willkürlich, dass man das Interesse bald verliert. Die Gegenstände werden zu Gimmicks, Jennings Schicksal zu einem Witz. "Komm zum Schluss", dachte ich immer wieder, "das mit den Gegenständen führt leider zu nichts mehr". Und damit verliert der Film seinen wichtigsten Trumpf - denn viel mehr hat er nicht:

Die Schauspieler sind mässig. Aaron Eckhart ist passabel, Paul Giamatti ganz witzig, verschwindet aber plötzlich für den halben Film. Uma Thurman ist - und das kann ich nicht anders sagen - schlecht. Sie scheint ihre doofen Dialoge abzulesen. Manchmal ist eine derartige theatralische Künstlichkeit von Nutzen (Kill Bill), doch hier ist es deplatziert. Ich hab mich dabei erwischt, Umas hübschen Bauch zu studieren, anstatt ihrer albernen Rolle zu folgen. Und Affleck ist eigentlich ideal als einer, der keine Ahnung hat, was um ihn herum abgeht. Aber er ist schlicht der falsche Mann fürs Actiongenre. Indie-Filme ("Chasing Amy") und Komödien sind okay für ihn. Oder wenn er Teil eines Ensembles ist ("Armageddon") - aber diese Art Film wie "Paycheck" einer ist, ist so falsch für ihn.

Die Action, ja nicht einmal die rettet den Film. Dass Woo ausgerechnet dabei versagt, ist besonders frustrierend. Zum einen ist die Action spärlich gesät, dann ist sie nicht sonderlich spektakulär - und am schlimmsten - sie hat weder Stil noch Choreografie, beides Dinge, bei denen Woo der King sein sollte. Traurig, aber seine Schüler und Nachäffer haben ihn mittlerweile überholt. Wenn Woo so weitermacht, dreht er bald Filme für Steven Seagal. Ja, so ernst ist die Sache! Bei einer der spannenderen Actionszene etwa, bei der Affleck und Thurman vor ein paar Autos fliehen, verunfallen immer wieder Verfolger, doch man weiss nie, wer am Steuer sitzt. Ist der Hauptverfolger (Colm Feore) verunfallt? Ah nein, da ist er wieder. Die Choreografie ist furchtbar! Und wenn man an der Action einen Woo-Film nicht mehr erkennt, sondern höchstens noch eine übersteigert kitschige Taube an den grossen Regisseur erinnert, dann ist das bedenklich.

Die Logiklöcher (wieso aktiviert Affleck zum Schluss die Maschine? Wieso drückt nie jemand mit seiner Pistole ab? Wieso verschwinde Giamatti?) sind schlimm genug, aber der Film ist auch noch schluddrig gemacht und mühsam gespielt. "Paycheck" ist Woos bisher schlechtester US-Film zusammen mit "Hard Target". Und ein trauriger Tiefpunkt für einen begnadeten Stilisten.

Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 1½/4
imdb


Peter Pan GB/USA 2003
Fantasyfilm
Reviewed 8.3.04

Regie und Buch: PJ Hogan
Mit: Jeremy Sumpter, Jason Isaacs, Rachel Hurd-Wood, Lynn Redgrave, Richard Briers, Olivia Williams, Ludivine Sagnier, Geoffrey Palmer, Harry Newman

"All children, except one, grow up". So beginnt JM Barries legendärers Buch "Peter and Wendy" (1907), das nach seinem Bühnenstück "Peter Pan" (1904) verfasste. Der Autor entführt darin in sein fantastisches Reich Nimmerland, dessen Wegbeschreibung ebenso legendär ist: "beim zweiten Stern rechts, und dann immer geradeaus!" Ja, man kann bei dieser Vorlage eigentlich nichts falsch machen. Und dennoch ist PJ Hogans "Peter Pan" die erste Big-Budget-Hollywood-Adaption im Live-Action-Stil. Disneys "Peter Pan" (1953) war gezeichnet und Spielberg erzählte in "Hook" (1991) was passiert wäre, wenn Peter Pan eben doch erwachsen geworden wäre. Hogans Pan ist aber auch die vorlagentreuste Verfilmung. Und eine wahre Schatztruhe ...

Die Geschichte erzähl ich jetzt halt doch nochmals kurz: Wendy Darling (Rachel Hurd-Wood) lebt mit ihren zwei Brüdern und ihren Eltern in London. Sie ist 13 und wird langsam erwachsen. Deshalb wollen die Eltern sie auch zu Tante Milicent (Lynn Redgrave) schicken. In dieser Nacht erscheint Peter Pan (Jeremy Sumpter), der Bub, der nicht erwachsen wird, aber dafür fliegen kann, an Wendys Fenster. Er nimmt sie und ihre Brüder mit nach Nimmerland, wo Peter und seine Lost Boys gegen den bösen Piraten Hook (Jason Isaacs) kämpfen. Und so beginnt das grosse Abenteuer, das eine der Ebenen von "Peter Pan" ausmacht - vielleicht die kindlichste.

Fliegende Kinder, den bösen Erwachsenen eins auswischen, Leben ohne Eltern, essen, soviel man will - Spass haben. Das ist der kindliche Abenteuer-Aspekt des Buchs und des Films, den Hogan mit Hilfe von farbenfrohen Bildern präsentiert. Die Flugeffekte, aber auch die CGI-Tricks, sind nie ganz ausgefeilt, aber das hilft dem Charme. Alleine schon auf dieser Ebene wäre "Peter Pan" ein grossartiger Kinofilm. Doch es kommen noch zwei Ebenen dazu, die sich leicht überschneiden. Die eine ist eher an die Erwachsenen gerichtet. Die Wehmut der Jugend. "Foul and insolent youth!" schreit Captain Hook, und eigentlich hat er ja recht. Peter ist frech, recht bösartig, wenn es sein muss, und ohne Respekt für die Erwachsenen. Man kann sogar einen Hass gegen alles Erwachsene bei ihm ausmachen. Diese Lust an der Jugend und Abscheu für Erwachsene macht ihn zur idealen Figur für die Kiddies im Publikum, doch bei Älteren sorgt er für Wehmut. Man wird an die eigene Sterblichkeit erinnert, das eigene Altern. Daran, dass Unsterblichkeit nur ein Traum ist. "Peter Pan" spielt mit dem menschlichen Verlangen nach ewiger Jugend und ewigem Leben sehr geschickt. Für Wendy ist es eine Versuchung. Vielleicht ist das ganze Neverland-Abenteuer bloss ein Traum von ihr, nicht zuletzt passiert es, nachdem ihre Eltern sie wegschicken wollen und nicht umsonst wird Hook wie auch Wendys Vater von Jason Isaacs gespielt - doch ob Traum oder nicht, für Wendy ist es ein Scheideweg. Weg von den Eltern, Abenteuer, Fantasie, ewiges Leben ... doch zu welchem Preis?

Und das Thema Scheideweg bringt mich zum letzten Thema, das in Disneys Version unter den Teppich gekehrt wurde, aber bei Barrie sehr wohl vorhanden ist. Sexualität. Wendy ist eine Pupertierende, wie Barrie schnell klar macht: "Now Wendy was every inch a woman, though there were not very many inches, and she peeped out of her bed clothes…she also said she would give him a kiss if he liked, but Peter did not know what she meant, and he held out his hand expectantly" Der Kuss für Peter kommt sehr früh. Und ein Antrieb, nach Neverland mitzugehen, ist die Aussicht auf Liebe, ja sogar Sex. Die beiden sind 13, das macht das Thema natürlich kontrovers, doch "Peter Pan" war immer ein ebenso rebellischer wie konservativer Stoff, ein ebenso kindlicher wie erwachsener. Und die Thematisierung von jugendlicher Sexualität ist mehrfach und eindeutig belegt. Was Hogan so genial hinkriegt, ist, dass er diese aufblühende Sexualität zulässt, aber nicht so aufdringlich macht, dass der Film für Kinder unbrauchbar wird. Ein Grossteil des versteckten Dramas basiert aber auf der Sexualität im Film. Wendy ist angezogen vom kecken, virilen Peter. Doch in Nimmerland wird ihr bewusst, dass er auf immer ein Kind bleiben wird, während sie zur Erwachsenen werden möchte. Sie will Ehe und Kinder (da der konservative Aspekt), etwas, was Peter ihr nie geben kann. Tinkerbell, etwas hysterisch gespielt von Swimming Pool-Schönheit Ludivine Sagnier gespielt, und Indianermädchen Tiger Lily komplettieren die allesamt sexuell weiter fortgeschrittenen Mädchen / Frauen in Barries Welt. Für sie alle ist Peter letztendlich nicht mehr gut genug. Und das ist sein grosses Drama - umgemünzt auf die Realität vielleicht das Drama aller jungen Männer, die ein wenig länger Kind sein wollen, als die Gesellschaft ihnen erlaubt. Von allen Charakteren im Buch (und im Film) finde ich deshalb den von Peter den traurigsten. Wendy kriegt ihre Familie, die Lost Boys kriegen auch eine, alle scheinen glücklich. Peter dagegen kehrt nach Nimmerland zurück, nunmehr auf ewig allein. Es gibt kein Spielen mit den Lost Boys, kein Kämpfen mit Hook und kein Knuddeln mit Wendy. Kindheit und Adoleszenz sind ihm verwehrt, er wird auf immer in einer Zeit exakt zwischen diesen Lebensabschnitten stecken bleiben. Diesen konservativen Ansatz in Barries Welt, hab ich nie besonders gemocht. Familienwerte siegen über die Verlockung jugendlicher Virilität. Und Peter hat das Nachsehen.

All dies macht "Peter Pan" so vielschichtig, so spannend, so zeitlos. Aber auch filmtechnisch macht Hogan so vieles richtig. Primär die Inszenierung, aber auch die Besetzung. Jason Isaacs ist diabolischer, als die meisten Hooks vor ihm - und dennoch ist er der erste Hook, den ich nicht sterben sehen wollte. Denn er ist eigentlich ein armer, traumatisierter Charakter - und eben, Peter nicht gerade ein Goldschatz. Ebenso gut Rachel Hurd-Wood, der man den Übergang vom Mädchen-Sein zum Frau-Sein zu jeder Minute abnimmt. Und Jeremy Sumpter (Bild). Es ist natürlich politisch unkorrekt zu sagen, ein 14-Jähriger sei sexy, doch darum dreht es sich ja bei Barrie: Wendy springt sofort auf den flinken Kerl an, der naiv, aber fordernd ist. Und der spärlich gekleidet in ihr Zimmer tritt. Es braucht keinen Siegmund Freud, um den Kontext in Barries Vorlage hineinzulesen. Und Jungschauspieler Sunter verkörpert diese Dualität perfekt. Unschuldige blonde Löckchen, gerissene Augen, unterschwellige Sexualität. Erst später wird klar, dass Peter ja eigentlich ein das Schicksal eine Eunuchen teilt - und damit wären wir wieder beim tragischen Aspekt. Wie kann man über einen Kinderfilm soviel schreiben? Na eben... "Peter Pan" ist nicht einfach ein Kinderfilm. Ist steckt Freud drin, es steckt der Traum von ewiger Jugend drin, Jugendsexualität, erste Liebe, Abenteuer, Träume, Lüste, Freuden, Spass - das perfekte Abenteuer für jung und alt, das überfüllt ist mit Interpretationsmöglichkeiten und Themen.

PS: Zum Thema "Peter Pan und Sexualität" gibt es Artikel, die strikte verneinen, dass Barrie jemals Sex und Erotik in seine Geschichte untergebracht hat. Hier gibt es einen Artikel. Die Mehrzahl ist sich jedoch einig darüber, dass das Thema geradezu aus dem Text harsussticht. Hier gibt es einen, hier einen, der auch noch homosexuelle Aspekte und Gender-Fragen mitienbezieht.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 5/5
imdb


Phone Booth USA 2003 (2002)
Thriller
Reviewed 17.7.03

Regie: Joel Schumacher
Buch: Larry Cohen
Mit: Colin Farrell, Forest Whitaker, Kiefer Sutherland, Redha Mitchell, Katie Holmes, Paula Jai Parker, Richard T. Jones, Dell Yount, Keith Nobbs

"Phone Booth" zählt zur Gattung Film, die man in Hollywood "high concept" nennt. Das heisst, eine simple, irgendwie recht weit hergeholte Handlung - die man aber ganz leicht zusammenfassen kann. Es braucht eine spezielle Art Regisseur, ein solches Konzept zu verfilmen. John McTiernan ist einer. Michael Bay ist einer. Vielleicht wollten die Produzenten von "Phone Booth" deshalb auch Bay engagieren mit Jim Carrey in der Hauptrolle. Denn der Plot (ein Typ steht in einer Telefonkabine, kriegt einen Anruf vom Killer, wenn er auflegt, ist er tot) ist definitiv high concept. Doch als Carrey absprang und Bay ebenfalls das Handtuch schmiss, kam Joel Schumacher an Bord. Der holte seinen "Tigerland"-Star Colin Farrell an Bord. Colin meinte im Interview, "das Arschloch Bay wollte die Handlung schnell aus der Telefonkabine raushaben" - und das tut Schumacher eben nicht. Er bleibt dem Konzept treu. Ein 80 Minuten langer Film, 95% davon in der Telefonkabine. Geht das überhaupt? Und hier zeigt sich Schumachers Genie: Es geht.

Schumacher hat seine Flops auf dem Konto ("Batman & Robin", Bad Company, "Flawless"), aber wenn er will, kann er ein kompetenter Thriller-Regisseur sein: "The Client", "Falling Down" - und "Phone Booth". Der gehört definitiv auch in diese Kategorie. Ein spannender, sauber inszenierter Film, der vor allem in der ersten Hälfte extrem fesselt. Denkt man im Nachhinein über einige Aspekte des Films nach, fällt er auseinander, doch während den 80 Minuten packt Schumacher das Publikum am Hals und lässt nicht mehr los. Bezeichnend, dass Larry Cohen das Skript in den 60ern bereits Hitchcock angeboten hat, denn es stecken viele Hitchcock-Elemente drin. Falsche Identität, gefangen in einer Situation ohne Ausweg, beschränkte Lokalität - nämlich eine Strasse in New York (gedreht wurde zwar in L.A.). Was macht den Film so spannend? Da ist zum einen die Unberechenbarkeit der Situation. Ein unbekannter Anrufer, Farrell weiss nicht einmal, was der Kerl will. Wie Gott redet er aus dem Off (nicht durch das Telefon), will, dass Farrell Busse tut. Dann sind die Spannungselemente: Es gibt einen Toten, die Polizei rückt an, vedächtigt Farrell des Mordes, er kann nicht aus der Kabine, er kann sein Mobiltelefon nicht aus der Tasche ziehen, seine Frau und seine Geliebte tauchen am Tatort auf ... und und und. Es geht Schlag auf Schlag. In der zweiten Hälfte lässt die Spannung etwas nach und es kommt ein allzu moralischer Aspekt dazu, doch "Phone Booth" fesselt bis zum Ende.

Ein Grossteil des Lobs muss an Farrell gehen. Der Daredevil-, Recruit- und Minority Report-Star ist schon seit "Tigerland" bei mir auf der Top-Liste, doch in jüngster Zeit beweist er auch auf dem grossen Hollywood-Spielfeld, dass er was drauf hat. Er trägt als versnobter New Yorker Promoter den Film auf den Schultern. Kiefer Sutherland sieht man zwar nie bis auf den Schluss, aber er ist als Sniper bedrohlich weil unberechenbar. Eine tolle Besetzung. Und Forest Whitaker als Cop bringt genug Herz in die Rolle. Die Schauspieler, Schumachers Inszenierung und das high-concept-Drehbuch sorgen für 80 Minuten Spannung. Wie absurd das Szenario auch ist, es hat durchaus Sprengkraft: Der Film hätte nämlich Mitte November 2002 in den USA starten sollen, doch wegen den Sniper-Morden in Washington wurde er verschoben. Ein solches Kino-Szenario wollte man den Leuten nicht zumuten. Aus dem Grund hab ich auch den Film unter 2003 eingeordnet. Er lief 2002 schon am Toronto-Film-Festival, doch wirklich gestartet ist er erst 2003. Verzeiht mir also diese Abweichung von imdb, die den Film als 2002 einstuft. Wann auch immer man ihn ansetzt: Er ist spannend und sollte im Kino nicht verpasst werden ...

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
imdb


The Recruit USA 2003
Thriller
Reviewed 12.6.03

Regie: Roger Donaldson
Buch: Robert Towne, Kurt Wimmer
Mit: Colin Farrell, Al Pacino, Bridget Moynahan, Gabriel Macht, Karl Pruner, Kenneth Mitchell, Eugene Lipinski

Colin Farrell verströmt verdammt viel Energie. Der sexy Ire gefällt mir, seit ich ihn in "Tigerland" gesehen habe. Manche haben ihn in Minority Report ins Herz geschlossen, andere in Hart's War, viele erst in in seinem Solo-Trip "Phone Booth". Und dann war er noch der durchgeknallte Bösewicht in Daredevil. In "The Recruit" ist er unwiderstehlich und stiehlt sogar Veteran Al Pacino spielend die Show. Es scheint, als stünde er konstant unter Hochdruck - und die Arbeit mache ihm dennoch Spass. Das verströmt eine Leichtigkeit, die gemischt mit Colins Stallburschen-Charme eine einzigartige Leading-Man-Atmosphäre verströmt. Mit wem kann man ihn vergleichen? Eine Mischung aus Brad Pitt und George Clooney vielleicht - Pitts Agilität und Body, Clooneys Gesicht und Suave. Wie auch immer, "The Recruit" ist sein Baby und wer ihn danach noch immer nicht mag, dem ist nicht mehr zu helfen.

Al ist keineswegs schlechter, aber er spielt halt das, was er immer tut - und das auf kompetente aber unüberraschende Weise. Anders gesagt: Solider Support in dem Colin-Stück. Al spielt Colins Trainer, der ihn zur CIA holt und ihm eine Agenten-Ausbildung verpasst. Die Story ist nichts besonderes, doch Regisseur Roger Donaldson ("No Way Out", "Thirteen Days", "Dante's Peak") inszeniert mit Gespür für Tempo und passt sich Farrell an. Der Audiokommentar der DVD ist ziemlich erleuchtend in diesem Bereich, man merkt, dass Donaldson seinen Star bewundert und von seiner Natürlichkeit schwärmt. Einmal fragt er Colin, ob er Fitness mache. "No, I hate working out", antwortet er in wunderbarem irischen Akzent. "Once I tried that protein shit for four weeks until my arse couldn't take it any longer". Ja, das ist Colin. Schnorrt, wie ihm die Schnauze gewachsen ist, weshalb ihn viele im Busniess noch immer für einen kleinen Flegel halten (und das ist ganz OK so). Bloss das mit dem Fitness nehm ich ihm nicht ganz ab. Hier, in "Tigerland" und später in "S.W.A.T." sieht er definitiv pumped aus. Von Bier allein kriegt man jedenfalls keinen solchen Body. Glaubts mir, sonst hätt ichs längst versucht ;)

Aber ich schweife ab - gehen wir vom Körper zur Chemie. Die Spielereien zwischen Farrell und Bridget Moyanahan (The Sum of All Fears), die eine CIA-Anwärterin spielt, ist glaubhaft und ist für einen Grossteil des Interesses im Mittelteil verantwortlich. Gegen Ende hin präsentieren die Autoren Robert Towne und Kurt Wimmer (Regisseur von Equilibrium!) jedoch mehr und mehr Twists, bevor ein paar sehr schwache Dinge passieren: Wie haben das "Bösewicht erzählt den halben Plot"-Syndrom, wir haben das "Ein Twist zuviel"-Syndrom und das "Hmm, geht das wirklich logisch auf?"-Syndrom. Es wurde definitiv zu viel in das Ende reingepackt und zu wenig damit erreicht. Das rundet den Film leider sehr schlecht ab. Bis dahin bietet "The Recruit" gutes, solides Entertainment mit einem faszinierenden Colin Farrell. Und wenn er einmal "Bond, James Bond" sagen darf, hat er sich sogar ins Spiel für die Rolle eines bekannteren Agenten gebracht ...

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Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
BBC (GB) 3/5
imdb


Runaway Jury USA 2003
Justizthriller
Reviewed 4.2.03

Regie und Produktion: Gary Fleder
Mit: John Cusack, Gene Hackman, Dustin Hoffman, Rachel Weisz, Bruce Davison, Bruce McGil, Jeremy Piven, Nick Searcy, Cliff Curtis, Jennifer Biels, Luis Guzman, Bill Nunn, Orlando Jones, Dylan McDermott, Leland Orser, Joanna Going, Stanley Anderson, Nora Dunn

Ist die Zeit der John-Grisham-Verfilmungen vorüber? Eigentlich ja, aber einem guten Justizthriller kann man auch heutzutage nicht widerstehen, oder? Zu dieser Gattung gehört "Runaway Jury" nur bedingt, aber eines ist er zweifellos: fantastisch besetzt und brillant gespielt. Dustin Hoffman spielt darin den liberalen Anwalt Wendell Rohr, der in New Orleans gegen eine Waffenfirma klagt. Der Mann (Dylan McDermott) seiner Mandantin (Joanna Going) wurde mit elf anderen Leuten mit einer Waffe dieser Firma erschossen. Der Fall hat Präzedenzcharakter, weshalb die Waffenlobby den knallharten Prozess-Manipulator Rankin Fitch (Gene Hackman) engagiert. Der prüft jeder der Juroren penibelst und wählt die Geschworenen (u.a. John Cusack, Cliff Curtis, Jennider Biels, Bill Nunn)  nach seinem Gutdünken. Doch dann bekommen beide Seiten Briefe von Marlee (Rachel Weisz). Sie hat einen Juror eingeschleust, der die anderen in der Hand hat und das Vorum steuern kann. Sie will 10 Millionen Dollar, um das Urteil in die gewollten Bahnen zu lenken.

Es hat mehrere reizvolle Ansatzpunkte in dieser Ausgangslage: Dass die Anwälte die Juroren nicht nach dem Neutralitätsprinzip auswählen, sondern nur ihnen wohlgesonnenene Leute aussuchen. Dass man einen Prozess manipulieren kann, indem man die Geschworenen lenkt. Dass ein gigantischer Apparat hinter den Anwälten steht. Und letztendlich ist die politische Frage da: Pro und contra Waffenlobby. Wo ich stehe, ist kein Geheimnis - die Waffenlobby soll für jeden toten Menschen zahlen, nur so kann man dieses Geschäft mit dem Morden ausrotten. Waffen sind kein Sport, kein Spass, sondern Tötungsinstrumente, die höchstens in die Hände der Polizei gehören. Klar kann jeder Gegenstand zum Morden verwendet werden, aber ausser Waffen gibt es nichts, was auschliesslich diesen Zweck verfolgt. Und was nur diesen einen Zweck hat, hat keine Existenzberechtigung. Insofern spielt mir der Film entgegen, denn seine Absichten sind ganz klar liberal. Aber leider zu offensichtlich. Das Finale, ich versuche nichts zu verraten, bringt ein paar neue Twists, die das ganze in ein iberales Happy End leiten. Das ist ein Verrat an der Botschaft. Wäre das Ende düster, es wäre nicht nur realitätsnah, es würde die Zuschauer auch sauer machen auf die Manipulationen der Waffenlobby. Damit wäre das Ziel erreicht: Hass auf die Massenmörder hinter ihren Schreibtischen, Hass auf die NRA, Hass auf die Republikaner, Hass auf alle, die auf der Pro-Seite ihre Finger drin haben. So wie "Runaway Jury" endet, ist es jedoch bloss Balsam auf die Seele der Waffengegner. Und dieser Balsam verbdunstet, sobald er mit der Realität konfrontiert wird. Das Resultat ist nichtig - und der Film damit nicht nur kitschig, sondern auch vergeudet.

Doch bis zum wirklich absolut misslungenen Finale ist der Film teilweise eine Wucht. Hauptgrund ist, dass Gene Hackman und Dustin Hoffman, die seit 46 Jahren eng befreundet sind, zum ersten Mal zusammen auftreten! Das hat "Heat"-Proportionen. Und wenn sie dann auf dem Herrenklo (!) zum ersten Mal in ein Wortduell steigen, klebt man an der Leinwand. Hackman ist der bessere der beiden und bringt Sätze wie "I hate Baptists as much as I hate Democrats" oder "Trials are too important to be decided by juries" mit solcher Überzeugung, dass die Wände wackeln. Cusack und Weisz sind sympathisch und absolut richtig für die Rollen. Jeder noch so kleine Part ist zudem toll besetzt. Und Hoffman, der seine besten Szenen mit Hackman und Weisz hat, geht dabei fast etwas unter. Sein grosses moralisches Dilemma wird leider ausgeblendet: Soll er den Fall kaufen und damit endlich den Sieg gegen die Waffenlobby davontragen - etwas, wofür er seit vielen Jahren kämpft? Das hätte unbedingt besser ausgelotet werden sollen. Und auch seine Reaktion am Schluss (ein Lächeln) ist zwar hübsch subtil, ignoriert aber, dass Rohr nicht nur gegen Waffen kämpft, sondern auch an die Justiz glaubt. Und gerade die wird mit dem Finale ja torpediert.

All dies beiseite, der Film ist gut. Vor allem der Schauspieler wegen - aber auch, weil Gary Fleder einigermassen spannend inszeniert und seine Agenda gut herüberbringt. Dass das Ziel vom Buch (Drogen) zum Film (Waffen) geändert wurde, ist okay, schliesslich hatten wir das Thema Drogen schon oft genug. Und wenn man "Runaway Jury" sein schmusiges Ende vergibt, hat man durchaus eine gute Zeit im Kino. Bloss eine Frage liess mich nicht los: Wieso eigentlich das grosse Traritrara? Wenn eine Seite verliert, kann sie doch herausrücken, was alles manipuliert wurde. Damit würde der Fall wohl neu verhandelt - also wieso der grosse Druck? Na ja, vielleicht bin ich einfach zuwenig Jurist, um das zu kappieren ...

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
imdb


The Rundown (Welcome to the Jungle) USA 2003
Abenteuerkomödie
Reviewed 1.3.04

Regie: Peter Berg
Mit: Dwayne "The Rock" Johnson, Seann William Scott, Christopher Walken, Rosario Dawson, Ewen Bremner

Gleich in den ersten Minuten von "The Rundown" (in Europa als "Welcome to the Jungle" lanciert) trifft Hauptdarsteller Dwayne "The Rock" Johnson auf den Governator Arnold Schwarzenegger, der sich für ein Cameo die Ehre gibt. Arnie macht sozusagen eine Stabsübergabe an den Wrestler, auf dessen starken Schultern die Zukunft des maskulinen Actionkinos zu ruhen scheint, sieht man mal von Vin Diesel ab. Und Noldi weist an: "Have fun!" Tolles Motto, ich wollte dem folgen. Doch ich habe den Moment, um auf den Zug aufzuspringen scheinbar immer verpasst. Regisseur ("Very Bad Things") und Schauspieler ("The Last Seduction") Peter Berg verleiht "The Rundown" einen nicht ganz fassbaren Beat. Als ob der Schnitt stets leicht versetzt war, die Pointen stets eine Spur zu trocken oder ein wenig zu schlüpfrig. Nie scheint die Szene ganz richtig. Es gibt ein paar Momente, die sind wirklich genial. So etwa ein Fight zwischen Guerillieros und "The Rock", in der eine modifizierte asiatische Kampfsportart mit Wrestling und härtesten Stuntmen-Einsatz kombiniert wird. Sackgeil. Da dachte ich, kommt der Film auf Touren. Doch Sekunden später verheddert sich Berg wieder in Rhytmus-Wechseln.

Die Story handelt vom Kopfgeldjäger Beck (The Rock), der im Dschungel des Amazonas' den ausgerissenen Travis (Seann William Scott) aufstöbern und zurück zu seinem Daddy schaffen soll. Doch sexgeile Affen, ein megalomanischer Sklaventreiber (Christopher Walken) und aufständische Rebellen machen Beck das Leben schwer. Ganz zu schweigen vom nicht gerade kooperativen Travis. Den spielt "American Pie"-Blödler Scott ganz gut, jedenfalls überzeugender als eine ähnliche Sidekick-Rolle in Bulletproof Monk. Doch der Star heisst The Rock und der Kerl hat wirklich Charisma. Die hawaiianischen Drehorte, die für Südamerika herhalten mussten, sind ebenfalls fantastisch, die Musik ist cool, die Atmosphäre ähnlich jener von "Romancing the Stone". Also alles super ... oder eben nicht. Zu keiner Sekunde fühlte ich mich auf einem Abenteuer-Rollercoaster à la "Indiana Jones". "The Rundown" ist ein Film der Momente. Er hat ganz gelungene, die durch die nächste wieder rehabilitiert werden. Eine geile Kampfszene, dann eine mit vergewaltigenden Affen. Erst eine pseudo-sozialkritische über Sklavenarbeit, dann eine über Penis-fressende Bakterien. Hmmm. Es geht einfach nie ganz auf. Und dass Christopher Walken so dick aufträgt, wie er nur kann, hilft auch nicht. "The Rundown" ist sehenswert wegen The Rock und wegen den fantastischen Fights. Er hat seine Dosis an guter Unterhaltung, aber bricht leider nie ganz zu dem Bereich Abenteuer-Knüller hindurch. Das liegt an Peter Berg. Sorry, aber bei seiner scheinbar schrägen Inszenierung steckt einfach irgendwo der Wurm drin ...

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
imdb


Scary Movie 3 USA 2003
Parodie
Reviewed 19.1.04

Regie: David Zucker
Mit: Anna Faris, Charlie Sheen, Simon Rex, Leslie Nielson, Pamela Anderson, Anthony Anderson, Jeremy Piven, Jenny McCarthy, Regina Hall, Drew Mikuska, Eddie Griffin, Queen Latifah, Denise Richards, George Carlin, Ja Rule, Macy Gray, RZA, Redman

Gleich vorweg: Dieser Film gefällt sicher nicht allen. Er wird sogar nur wenigen gefallen. Aber ich finde, er ist ein gigantischer Sprung nach vorne im Vergleich zum zweiten Teil. An den ersten, der damals auch noch von einem gewissen Neuigkeits-Potential lebte (so gewagt war noch nie eine Parodie), kommt "Scary Movie 3" nie heran. Zumal er in den USA das Rating PG-13 bekam, was zeigt, dass er etwas braver ist. Aber politisch inkorrekt ist der Streifen noch immer. Und genau damit macht er schon mal Punkte. Hinter der Kamera stand der Veteran David Zucker vom legendären ZAZ-Team, das uns Klassiker wie "Airplane" und "Naked Gun" brachte. Die Wayans-Brüder, die die ersten beien Teile drehten, verschwanden aus der Serie, weshalb deutlich weniger schwarze Schauspieler die Leinwand bevölkern. Zucker hat aber genug schwarze Nebendarsteller aufgeboten, um eine gewisse Kontinuität herzustellen. Für die grösste Gemeinsamkeit sorgt jedoch Anna Faris als Hauptdarstellerin.

Die niedliche Faris war seit ihrem "Scary Movie"-Durchbruch in einigen beachtenswerten Filmen zu sehen (May, Lost in Translation), doch sie findet für "Scary Movie 3" in alte Parodien-Form zurück. Kaum jemand macht so erschrockene grosse Augen wie sie. Faris spielt erneut Cindy Campbell. Diesmal geht sie einem seltsamen Fall nach, der sich um ein Videoband dreht, das alle, die es angucken, nach sieben Tagen tötet. Ob die Kornkreise, die auf Farmer Toms (Charlie Sheen) Feld auftauchen, etwas damit zu tun haben? Damit ist auch angedeutet, wer die Haupt-Opfer der Satire sind: The Ring und Signs, beides Filme, die ich sehr schätze. Deshalb mag ich auch die Satire davon. Was "Scary Movie 3" nicht macht, ist ein paar offensichtliche Pointen aufzunehmen. Bei Signs muss man in meinen Augen die Religiösität des Originals auf die Schippe nehmen. Zucker verpasst da einige Chancen. Dafür macht er andere wilde Sachen. Er parodiert oder zitiert weitere Filme wie 8 Mile, Matrix Reloaded, The Two Towers, Minority Report. Einige Attacken funktionieren fantastisch - die sind leider fast alle im Trailer zu sehen.

"Scary Movie 3" ist schliesslich auch bloss rund 80 Minuten lang, also ist nicht so viel Material vorhanden. Die Pamela-Anderson/Jenny-McCarthy-Pre-Credits-Sequenz aus The Ring leitet schon mal gut ein. Wie der Blick auf die Silikonwunder der selbstironischen Pamela wandert, ist witzig. Die Signs-Gags sind ebenfalls sehr funny. Meine Lieblinge: Die "shocking videos" am TV, bei denen die Aliens im Hintergrund durchlaufen. Oder der US-Präsident (Nielsen), der die Behinderten für Aliens hält. Ein seeeehr unkorrekter Gag, aber herrjeh, schaut man diesen Film, um politisch korrekt zu sein? Denise Richards wird halbiert und ein kleiner Junge endlos gequält. Dieser Running Gag wird vielen sauer aufstossen - insbesondere, weil eine Pointe einen kinderschändenden Priester beinhaltet. Na ja, ich fands köstlich. Leidende Kinder sind halt so 'ne Sache. Meiner Meinung nach darf Satire fast alles - und einen Buben als Running Gag zu malträtieren, das darf sie auf jeden Fall. Wenns so lustig ist wie hier.

Andere Juxe hauen nicht so ganz. Es gibt etliche Witze, die auf die Unterschiede schwarz/weiss abziehlen, und darunter hat es zuviele Gangsta-Stereotypen. Irgendwann ist dieser Gag ausgereizt. Auch an dem aus dem Trailer bekannten Michael-Jackson-Witz habe ich mich nicht mehr so gefreut. Dafür gibts eine morbide Leichenwache-Szene, eine komische Sequenz, in der Anna Faris ihrem Adoptivsohn erklärt, wie seine Mutter wegen ihm zu Tode blutete, viele viele absurde Side-Gags (Parkuhr mitten im Feld, der Hut des Sherrifs wächst plötzlich) und Leslie Nielsens Abschieds-Gag direkt aus "Airplane". Ach es gibt soviel aufzuzählen. Als Parodie ist "Scary Movie 3" kein voller Erfolg, weil er oft die Filme bloss zitiert und verulkt, anstatt wirklich ihre Substanz zu attackieren. Aber als Ansammlung von absurden, bösen und manchmal schlicht doofen Gags, die auf Filmen basieren, die man kennt, ist das Werk für mich der Brüller. Lasst einfach Hirn und guten geschmack am Eingang zurück ...

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
imdb


Seabiscuit USA 2003
Drama
Reviewed 21.8.03

Buch, Produktion und Regie: Gary Ross
Musik: Randy Newman
Mit: Tobey Maguire, Jeff Bridges, Chris Cooper, William H. Macy, Elizabeth Banks, Gary Stevens

Ich bin kein Pferde-Fan, weshalb meine Erwartungen an diese Romanverfilmungen über ein legendäres Rennpferd doch relativ tief gesetzt waren. Doch die "Drei Männer und ein Gaul"-Story hat mir imponiert. Sie handelt von Charles Howard (Jeff Bridges), der kurz vor der US-Rezession als Autohändler reich wurde und nach dem tödlichen Auto-Unfall seines Sohnes auf ein Rennpferd setzt. Er sucht sich den Aussenseiter Tom Smith (Chris Cooper) als Trainer. Der alte Fuchs sucht sich ein Pferd aus: Seabiscuit. Das faule und gefrässige Tier ist zu klein, wurde schlecht behandelt und ist aggressiv. Genau das, was Smith braucht. Und den passenden Jockey findet er auch gleich: Red Pollard (Tobey Maguire) ist zu gross, wurde schlecht behandelt und ist aggressiv. Und pleite. Ein Dream-Team ist geboren ... und schon bald stellen sich zum Erstaunen aller die Erfolge ein.

"Seabiscuit" ist der Stoff, aus dem amerikanische Träume gemacht sind. Ich habe selten einen Film gesehen, bei denen Leute so oft auf die Nase fallen und sich wieder aufrappeln. Diese Idee, dass man es aus eigener Kraft zu etwas bringen kann (oder muss ...), ist so uramerikanisch, dass der Film ausserhalb der USA wohl nicht so gut ankommen wird. In "Seabiscuit" geschieht das rund ein halbes Dutzend mal: Howard arbeitet sich aus dem Nichts nach oben, Cooper wird berühmt, das lahme Pferd wird ein Star und Verlierer Red bringts zu was. Pferd und Red fallen vor Schluss nochmals in ein Loch und steigen erneut auf. Mit der Zeit wird dieses Underdog-Thema dann doch etwas zu stark ausgereizt und man wünscht sich, der Film wäre rund eine halbe Stunde kürzer. Er ist 140 Minuten lang.

Doch es gibt ansonsten viel zu mögen an dem Streifen: Da sind die Akteure. Chris Cooper und Jeff Bridges sind famos, Tobey Maguire überzeugt ebenfalls. William H. Macy stiehlt jede Szene, in der er vorkommt. Sein Radiomoderator/Entertainer/Paparazzo ist eine köstliche Figur und auf Macy zugeschnitten. Und dann ist das Pferd. Der wahre Star des Films. Denn eigentlich ist Seabiscuit der wichtigste Underdog. Selbst wenn jemand anderes auf Seabiscuit reitet, drücken wir die Daumen, denn wir sind auf der Seite des Pferdes. Das Tier allein kriegt das mit seinem "Schauspiel" nicht fertig, es braucht einen talentierten Regisseur. Und wer wäre da besser geeignet, als jemand mit dem sinnigen Namen Gary Ross? Ross, der mit Tobey Maguire bereits die süsse 50's-Satire "Pleasantville" gedreht hat, inszeniert mit viel Nostalgie, viel Sentimentalität, viel Heroismus und genug Humor. So sind auch die Untiefen in der Handlung schnell umschifft. Was einen dann immer wieder aus dem Stuhl reisst, sind die klasse gemachten Rennszenen. Zwar gibt es auch von denen ein wenig zu viel, doch sie haben enorme Power und packen sogar einen Pferde-Muffel wie mich.

Ein toll gespieltes, kraftvoll inszeniertes und zu Herzen gehendes Drama - das gefällt doch. Die manipulative Seite des Werks, die "Americana"-Philosophie und die Überlänge kann man zwar nicht ausblenden, aber sie fallen nicht so stark ins Gewicht. Und wenn der wahre Held des Films ein fauler Gaul ist, dann ist die Underdog-Story doch irgendwie sympathisch, oder?

Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
imdb


Shade USA 2003
Thriller
Reviewed 5.6.04

Buch und Regie: Damian Nieman
Mit: Gabriel Byrne, Stuart Townsend, Thandie Newton, Sylvester Stallone, Jamie Foxx, Melanie Griffith, Hal Holbrook, Bo Hoskins, Dina Merrill, Patrick Bauchau, Michael Dorn

Trotz den Stars fand dieser Film nie den Weg in die Kinos. Eigentlich nicht verwunderlich, denn er ist ein eher unspektakulärer Independentfilm. Gabriel Byrne, Thandie Newton und Stuart Towsnend spielen drei Poker-Gauner, die sich darauf spezialisiert haben, anderen am Tisch das Geld abzuluchsen. Nun bringen sie Jamie Foxx dazu, Geld vorzuschiessen, damit sie zu viert einen grossen Coup landen können. Sylvester Stallone ist zurückhaltend aber überzeugend als Pokergenie Stevens, Melanie Griffith taucht kurz auf als seine Geliebte. Es ist wirklich ein Vergnügen, den Akteuren beim gegenseitigen Bescheissen zuzusehen. Ganz in der Tradition von Filmen wie "Grifters", Confidence oder Werken David Mamets weiss man nie so recht, wer denn nun mit falschen Karten spielt. Der Plot ist ansonsten nicht der Grösste und die Spannung beschränkt sich auf den Pokertisch. Dafür gibts Thandie Newtons wunderbaren Rücken zu bestaunen, erlesene Schauspieler bei ihrer Arbeit im kleinen Stile. Relaxt, verzwickt, angenehm involvierend. Ich kanns nicht weiter ausdehnen ... sehenswert!

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Shanghai Knights USA/GB 2003
Actionkomödie
Reviewed 1.11.03

Regie: David Dobkin
Mit: Jackie Chan, Owen Wilson, Fann Wong, Aidan Gillen, Donnie Yen, Tom Fisher, Aaron Johnson, Kim Chan

"Shanghai Noon" war 2000 ein moderater Hit, der gut ankam. Eine Fortsetzung war schnell beschlossen, doch es dauerte drei Jahre, bis sie auch ins Kino kam. Die Reihe ist nie so erfolgreich wie Chans "Rush Hour", aber dafür sympathischer. Das liegt an Owen Wilson. Jackie ist in beiden Serien toll, doch in "Rush Hour" nervt Chris Tucker als Sidekick. Dagegen ist Owen ein Komödien-Profi, der mit seinem relaxt-subversiven Humor grossartig mit Chan harmoniert. Diesmal ist Chan alias Chon Wang Sheriff von Carson City, als er von Schwester Lin (Fann Wong) erfährt, dass sein Vater (Kim Chan) ermordet wurde. Chon gabelt Roy (Wilson) in New York auf und reist mit ihm nach London, wohin Lin den Mörder verfolgt hat: Lord Nelson Rathbone (Aidan Gillen). Er hat es auf den Thron abgesehen und macht deshalb mit Wu Chow (Donnie Yen) gemeinsame Sache, dem Bruder des chinesischen Kaisers.

Damit findet ein Grossteil der Story in London statt. Schade, denn Jackie im Wilden Westen zu sehen, war cool. London ist auch nicht übel, vor allem, weil die Autoren nette Winks an Arthur Conan Doyle, Jack the Ripper und Charlie Chaplin eingebaut haben. "Shanghai Knights" fehlt der Schwung des Vorgängers und er ist mit 114 Minuten etwas auf der zu langen Seite - aber dem dynamischen Duo schaut man gerne zu. Jackies Stunts sind toll, die Gags amüsant, die Schauspieler überzeugend. Neben dem Duo fällt auf: Donnie Yen. Leider ist sein Fight mit Jackie (ein Duell der Martial-Arts-Helden) etwas kurz. Und dann ist da Aiden Gillen, den man aus der britischen Version von "Queer as Folk" kennt. Vom schwulen Macho zum sadistischen Royal. Nicht schlecht.

"Shanghai Knights" erfindet das Genre nicht neu, bietet wenig intellektuelle Stimulation - reizt aber die Lachmuskeln gut genug, um als solide Unterhaltung durchzugehen. Da der Kassenerfolg moderat war, ist anzunehmen, die Serie sei gestorben. Schade - ich hätte lieber "Rush Hour" begraben und dafür "Shanghai Down Under" gesehen. Oder "Shanghai Jungle". Oder ...

Bestellt die DVD hier.

James Berardinelli (USA) 2½/4
Roger Ebert (USA) 3/4
BBC (GB) 2/5
imdb


Spy Kids 3-D: Game Over USA 2003
Sci-Fi-Action
Reviewed
25.4.04

Regie, Buch, Kamera, Musik, Schnitt, Effekte, Production Design: Robert Rodriguez
Mit: Daryl Sabara, Ricardo Montalban, Alexa Vega, Sylvester Stallone, Antonio Banderas, Robert Vito, Salma Hayek, Mike Judge, Carla Gugino, Holland Taylor, Courtney Jines, Emily Osment, Matt O'Leary, George Clooney, Ryan Pinkston, Steve Buscemi, Cheech Marin, Danny Trejo, Alan Cumming, Tony Shaloub, Elijah Wood, Bill Paxton

Autsch, meine Augen!! "Spy Kids 3-D" ist, wie der Titel sagt, zu zwei Dritteln in 3-D gefilmt. Die Empfehlung, man solle die DVD am Computer schauen, weil der schärfere Bilder erzeugen kann, ist durchaus ernst zu nehmen. Denn am TV erzeugt dieser Film Kopfweh und Übelkeit. Die 3-D-Effekte sind cool, doch der Grün- und Rotstich des Bildes, die Unschärfe gewisser Objekte und die Geschwindigkeit mancher Bewegungen kulminieren in einen Effekt, der nur noch Übelkeit hervorruft. Die ersten "Spy Kids"-Filme waren cool, weil sie günstig gedreht wurde und doch maximaler Fun für die ganze Familie bedeuteten. Bei "Spy Kids 3-D" versucht Robert Rodriguez, der erneut fast jeden Job hinter der Kamera übernahm, nur, die Technologie nach vorne zu bringen. Das ist löblich, aber ich schick ihm gerne die Rechnung für meinen Besuch beim Augenarzt ...

Die Story kann man vergessen. Juni (Daryl Sabara) hat gekündigt und wird als Agent reaktiviert, als seine Schwester (Alexa Vega) im Computerspiel des bösen Toymaker (Sylvester Stallone) gefangen wird. Er muss sie befreien und taucht ins Spiel ein. Dies ist der Moment, so verkündigt auch der Film unmissverständlich, an dem man die Brille (4 Stück werden in der DVD mitgeliefert) aufsetzen muss. Und los geht der Spass. Wie gesagt: ein paar Anblicke sind atemberaubend. Aber ich bin kein Fan von 3-D. Es ist ein Gimmick, eine Spielerei, die letztendlich wichtige Dinge wie Handlung, Charakterisierung und Logik nicht ganz ausser Kraft setzen darf. Wirklich beschissen wird der Film aber erst zum Schluss. Rodriguez holt fast alle Akteure, mit denen er einmal zusammengearbeitet hat, und wirft sie kurz in die Handlung. Die meisten haben nicht einmal zusammen gespielt, sondern wurden separat vor Green Screen abgefilmt. Das Resultat ist technisch beeindruckend, aber die Story geht flöten. Selbst die Lösung und die aufgedrückte Moral sind zum Schreien. Von den Akteuren tun mir einige richtig leid (Antonio Banderas, Carla Gugino, Steve Buscemi). Andere geben sich nicht gross Mühe (Alexa Vega, Holland Taylor, Danny Trejo). Einige sind richtig witzig (Elijah Wood). Wieder andere machen das Beste aus dem Ganzen und stellen sich blöd - aber unterhaltsam. Moment, das sind nur zwei: Sylvester Stallone und George Clooney. Letzterer meint im Abspann, "that may be the end of my career right there" als er Sylvesters Visage nachmachen muss. So weit würde ich nicht gehen, aber "Spy Kids 3-D" ist sicher kein Fall für die Ewigkeit. Sondern hochtechnisierter Fun im Stil eines Video-Games. Wenn die 3-D-Brillen schon mitgeliefert werden, wieso nicht gleich noch eine Packung Aspirin ...?

PS: Auf der DVD gibts auch die 2-D-Version. Das raubt zwar einen Teil des Spasses, macht aber das Aspirin unnötig. Na ja fast.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 1½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
BBC (GB) 3/5
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Stuck on You USA 2003
Komödie
Reviewed 9.12.03

Buch, Produktion und Regie: Bobby und Peter Farrelly
Mit: Matt Damon, Greg Kinnear, Eva Mendes, Wen Yann Shih, Cher, Meryl Streep, Seymour Cassel, Griffin Dunne

Seit langem schon bewundere ich eine Fehlinterpretation der Farrelly-Brüder. Seit "Dumb and Dumber" oder "There's Something About Mary" werden die beiden als Inbegriff für Toilettenhumor abgetan, als politisch inkorrekte Filmemacher, die stets auf einen leichten Gag aus sind. Das ist zwar durchaus zutreffend, aber im Herzen sind die zwei Regie-Brüder aus Rhode Island herzensgute Humanisten. Ihr Mitgefühl für Aussenseiter der Gesellschaft findet sich ansonsten bei kaum einem US-Filmemacher in dieser simplen, naiven Form wieder. "Dumb and Dumber", "Me Myself & Irene", "Shallow Hal" und nun "Stuck on You" - stets sind die Protagonisten leicht bis stark behindert, körperlich oder geistig. Und stets bringen die Brüder ihre Freunde als Schauspieler in den Film. Darunter auch etliche Behinderte. In "There's Something About Mary" wurden die Farrellys attackiert, weil sie sich über Behinderte lustig machen. Stimmt nicht! Die Farrellys lieben sie! Sie sind mit behinderten Freunden aufgewachsen - aber getrauen sich auch, über sie Witze zu machen. Oft lachen wir in ihren Filmen zwar über sie, aber eigentlich geht die Attacke auf Kosten der Leute, die Behinderte ausgrenzen oder schlecht machen. Wer sich nicht getraut, über Minoritäten jeglicher Art Witze zu machen, ist eigentlich ein verkappter Ausgrenzer. Und dies trifft auf die Farrellys nun eben überhaupt nicht zu.

Aber genug soziales Blabla, der Gebrüder neustes Werk steht zur Diskussion. "Stuck on You" ist sicher ein Fortschritt gegenüber "Shallow Hal", kommt aber nicht an "There's Something About Mary" heran. Matt Damon spielt Bo, Greg Kinnear seinen Zwillingsbruder Walt. Die beiden wohnen in einem Fischerdorf, harmonieren perfekt - und sind in der Leberregion zusammengewachsen. Sie sind siamesische Zwillinge und die Stars des ganzen Ortes. Bo ist der Sportler der beiden, Walt der Schauspieler. Alles machen sie gezwungenermassen zusammen, sie sind ein wahres Dreamteam. Als Walt beschliesst, in Hollywood Schauspieler zu werden, geht Bo mit ihm. Während Walt Kontakte zu Meryl Streep und Cher aufnimmt, trifft Bo auf seine Brieffreundin May (Wen Yah Shih). Doch er getraut sich nicht, ihr zu sagen, dass er einen siamesischen Zwillingsbruder hat. Die Gags, die daraus resultieren kann man sich etwas vorstellen. Das grösste Problem von "Stuck on You" ist, dass es eine Ein-Pointen-Ausgangslage ist. Alles dreht sich um diese Behinderung und die Missverständnisse, Probleme und Situationen, die sich daraus ergeben. Bei einer Lauflänge von fast zwei Stunden etwas wenig ...

Doch ich war überrascht, wie gut die Farrellys die abstruse Sache hinkriegen. Nach einem inszenatorischen Holperstart kommt der Film spätestens mit der Ankunft in L. A. in die Gänge. Eva Mendes taucht mit einem Decolté auf, das einen Waffenschein benötigt. Meryl Streep und Cher spielen sich selbstironisch selbst. Als Chers Lover tritt zum Beispiel kurz Frankie Muniz (18) auf und Cher meint später, sie sei traurig, weil ihr Boy nun aufs College gehe. Hihi. Meryl in einer kompletten Anti-"Oscar"-Rolle als sich selbst zu sehen, tut ebenfalls gut. Inklusive grossem Schluss-Auftritt in einer coolen aber etwas antiklimaktischen Musicalversion von "Bonnie & Clyde". Dazu ein paar gelungene Gags von Seymour Cassell und ein sympathischer Auftritt von Newcomerin Wen Yann Shih.

Doch im Zentrum stehen Damon und Kinnear. Die beiden ziehens durch mit einer Ernsthaftigkeit, die man bewundern muss. Die Rollen sollten nicht funktionieren, tun es aber. Man entwickelt richtiges Mitgefühl und viel viel Sympathie für die beiden. Klar lacht man oft über sie, aber letztendlich nehmen sie unser Herz gefangen. Wenn man etwa erfährt, dass Bo 90% der gemeinsamen Leber hat und bei einer Operation 50% Chance besteht, dass Walt stirbt - es jedoch Bo ist, der die Operation ablehnt, dann werden zwei liebene Charaktere geschaffen, die in dieser Form sicherlich einzigartig in der Filmgeschichte sind. Die Farrellys hängen an ihnen ihre Lieblingsthemen auf. Eben die Liebe für die Aussenseiter und den Wert der Freundschaft. Wahrer Freundschaft. Natürlich gibts etliche niedere Gags (wovon die abgebrochenen und dadurch sexuell  implizierten Dialoge die besten sind) - doch im Herzen geht es den Farrellys eben um ihre humane Botschaft. In "There's Something About Mary" steckte das auch drin, aber der Humor überwiegte und war genial. In "Shallow Hal" dominierte dagegen eher die Moralinsäure (schöne Menschen = böse, hässliche Menschen = lieb), wobei der Humor auf der Strecke blieb. "Stuck on You" findet die Ballance wieder besser. Sicher nicht die Komödie des Jahres, aber ein ungewöhnlicher, menschlicher und nichtsdestotrotz sehr amüsanter Film mit wagemutigen und überzeugenden Akteuren.

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S.W.A.T. USA 2003
Actionthriller
Reviewed 8.8.03

Regie: Clark Johnson
Mit: Colin Farrell, Samuel L. Jackson, Michelle Rodriguez, LL Cool J, Josh Charles, Jeremy Renner, Olivier Martinez

"S.W.A.T." ist ein dummer Film, der die Intelligenz der Zuschauer verhöhnt. Das ist sicher nichts Neues im Actiongenre, doch "S.W.A.T." setzt neue Massstäbe. Wer schon länger meine Kritiken liest, weiss, dass ich ein sehr sehr weiches Herz für Colin Farrell habe - und selbst er kann "S.W.A.T." nicht vor dem Mittelmass retten. Wo liegt denn das Problem? Es ist die Handlung. Oder noch weiter ausgeweitet: Das, was in dem Film so passiert. Ich mag die Schauspieler, die Musik, die schnellen Cuts, einige der One-Liner ... aber der Rest ist Humbug. Das beginnt bei der ersten Stunde, die zusammengeflickt aus allen Klischees des Ausbildungs- und Cop-Films ist. Böser Captain, okay. Aufmüpfige Cops, okay. Der vermasselte Auftrag und die Degradierung, okay. Die Rekrutierung durch einen neuen Chef, okay. Der Boss, der die Qualitäten des Underdogs sieht, okay. Ausbildungslager, okay. Zusammenwachsen des Teams, okay. Die Liste ist endlos! Es passiert nichts aber auch gar nichts, was man nicht kennt. Die erste Stunde wird nur durch den Drive der Inszenierung sowie der Darsteller erträglich gemacht. Colin Farrell verströmt Charisma. Ich mag den Kerl einfach verdammt gut leiden. Es ist nicht so, wie viele behaupten, dass er zum Star gepusht wurde. Farrell ist vielmehr als Star geboren. Pures Charisma, pure Energie. Und er spielt gut. In "S.W.A.T." übertrupmft er sogar Samuel L. Jackson an Coolness, denn dessen Dialoge wirken bekannter, sein Spiel erzeugt ein déja-vu. Und er wirkt gelangweilt. Der einzige, der an Power mit Farrell halbwegs mithalten kann, ist LL Cool J. Und Michelle Rodriguez ist mal wieder hübsch tough, aber das Typecasting ist bei ihr mitlerweile zu weit fortgeschritten.

Dann tauchen wir in die zweite Stunde. Ach ja, was ist passiert: Farrell spielt den SWAT-Cop Jim Street (was für ein Name), der von seinem Captain in die Waffenkammer verdonnert wurde. Der Haudegen Hondo (Jackson) nimmt ihn nun in sein neues SWAT-Elite-Team auf und trainiert ihn hart. Auftritt Olivier Martinez. Der Kylie-Freund (glücklicher Mistkerl!) und Unfaithful-Verführer spielt einen durchgeknallten französischen Millionär, der verhaftet wird und ausbricht. Und wieder gefangen wird. Nun setzt er am TV 100 Millionen Dolla für die aus, die ihn befreien! Diese Idee ist abstrus, aber irgendwie clever. Doch gehen wir einen Schritt zurück: Alex, Martinez' Charakter, landet in den USA und wird wegen einem kaputten Rücklicht verhaftet. Als nächstes sehen wir ihn mit seiner Anwältin reden, dann in einem Gefangenentransporter sitzen! Wegen einem Rücklicht soll er in ein Staatsgefängnis gebracht werden? Sind die Drehbuchautoren irr?? Denn erst jetzt entdecken die Cops, dass Alex ein internationaler Terrorist ist und fangen ihn bei einem Fluchtversuch ab. Dass sie den Kerl wegen den Rücklicht nicht gerade nach Guantanamo verfrachtet haben, ist ein Wunder. Jetzt ist er als Terrorist etabliert, hat die 100 Millionen ausgesetzt - und nun wird er wieder transportiert. O je, was für ein Gefängnissystem diese USA haben. Etliche Gangster lauren dem Trek nun auf, um die 100 Millionen zu kassieren. Woher kennen sie die Route des Transports? Keine Ahnung. Woher haben sie Anti-Panzer-Geschosse? Weiss der Teufel. Die Folge ist ein Krieg auf L.A.s Strassen, der nur noch hirnrissig ist. Die SWAT-Leute scheren sich zudem einen Deut um Zivilisten oder Geiseln. Sitzt eine solche in einem Flugzeug feuert man halt drauf, ohne Rücksicht auf Verluste. Es bummst und tätscht halt einfach schön.

Ich kanns nur wiederholen: "S.W.A.T." ist ein dummer Film. Farrell ist geil, die Action brauchbar, die Inszenierung gleicht einem Musikvideo und die Spannung bleibt halbwegs intakt. Aber wenn ein Drehbuchautor solchen Quatsch verzapft und die Klischees sich ins Endlose türmen, kann nichts mehr helfen. Das Ganze endet damit, dass mal wieder der Bösewicht den Helden einfach nicht töten will. Ans Steuerrad ketten und weiterrennen. Später Messer in die Hand rammen und weiterrennen. Ach Mensch, mach ihn tot und der Film ist vorbei. Nein, der Fiesling rennt weiter und lässt sich dann töten. Hat er ja auch nicht anders verdient, wenn er so dumm ist. Mir fällt gerade auf, wie oft das Wort "dumm" in dieser Kritik aufaucht. Dumm gelaufen. Aber eben: dummer Film. Da kann man nur dumm rummotzen. Das sei hiermit getan.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli 2/4
imdb


Swimming Pool F 2003
Satire
Reviewed 12.6.03

Regie und Buch: François Ozon
Mit: Charlotte Rampling, Ludivine Sagnier, Charles Dance, Marc Fayolle, Jean-Marie Lamour, Mireille Mossé, Michel Fau,

Man stelle sich vor, ich armer Filmkritiker muss an einem der heissesten Tage des Jahres über die Mittagsszeit ins Kino anstatt an den kühlen See. Schweissüberströmt ächze ich bei 32° Celsius über den Asphalt und flitze ins Kino. Immerhin lautet der Titel ja "Swimming Pool", also könnte Abkühlung angesagt sein. Und sogar die Klimaanlage funktioniert. Tja ... und dann das. Ludivine Sagnier. Meine Bluttemperatur muss irgendwo im Bereich von 40°C gelegen haben. Fieber. Ich habe Fieber wegen Ludivine Sagnier. Und dabei habe ich dieses Mädchen doch so keusch und bieder in Erinnerung. Habt ihr 8 femmes gesehen? Da ist sie die Kleinste in der Damenrunde, die Unscheinbarste. Die spielt nun eine kleine Göre, die Charlotte Rampling beim Schreiben eines neuen Buchs im sonnigen Frankreich stört. Doch eben ... Mademoiselle Ludivine sieh hier nicht mehr so aus wie in Ozons knallbuntem Agatha-Christie-like-Musical, sondern wie eine verluderte Sexbombe. Oh ja. 40°C und keine Abkühlung in Sicht.

Hier gibts ein Bild. Und hier François Ozons Website mit Bildern. Aber zurück zu Wichtigerem: Ludivines Busen. Einerseits ist der wunderschön, andererseits ist sich Ozon wohl dessen bewusst und lässt seine Schauspielerin den halben Film lang nackt herumlaufen. 40°C. Fast möchte man meinen, "Swimming Pool" sei ein Altherren-Voyeurs-Film, doch Ozon ist schwul und damit macht das wenig Sinn. Gibt er dem Publikum, was es will? Sex, Mord und noch mehr Sex? In gewisser Weise ja, denn Ozon weiss, wie man das Publikum bei der Stange hält (und das mein ich weniger doppeldeutig, als es klingen mag). Ozon kann mit Tabu-brechendem Inzest schocken ("Sitcom"), Ozon kann haarige Einsiedler unschuldige Jungs vergewaltigen lassen ("les amants criminels"), Ozon kann Catherine Deneuve und Emmanuelle Béart einen Lesben-Kuss austauschen lassen ("8 femmes"). Ozon kann aber auch ganz sutbil sein ("Sous le sable"). Er weiss, mit welchen Mitteln man das Publikum fesseln kann - und bei "Swimming Pool" ist es Sex. Nein, eher noch nackte Haut. Charlotte Rampling lässt sich von dieser Haut sofort irritieren und dem Zuschauer geht es genauso. Bei einem Gespräch zwischen Rampling und Ludivine baumelt ständig deren wohlgeformter Busen im Bild herum. "Was soll das?" denkt sich der geneigte Zuschauer halb irritiert, halb erregt - und goutiert deshalb Ramplings unbehaglichen Blick auf die zwei Wunderwerke der Natur mit einem Schmunzeln. Rampling gehts genauso wie uns. Und da hat Ozon uns bereits an der Angel: Wir assoziieren unsere Gedanken mit denen von Rampling. Klar sind wir nicht verklemmt wie ihre britische Krimiautorin im Film, doch wir schauen mit der selben Irritation und Faszination auf dieses junge Geschöpf, das so leicht durch die aufgeheizte Welt tanzt.

Ziel von "Swimming Pool" ist es, in Ramplings Kopf zu gelangen und gleichsam von Ludivine fasziniert zu sein, zwei Dinge, die jedem leicht fallen werden und zwei Dinge, die zum Schluss essentiell sind. Doch dazu komme ich noch. Zuerst wieder zurück zur nackten Haut - und zum Sex. Ludivine badet ihren schönen Körper natürlich nicht nur in der Sonne, wo wir ihn bestaunen können, sondern lässt alle was davon haben. Sprichwörtlich. Jeden Tag einen anderen Kerl im Bett. Wünscht sich das Rampling auch? Wieder ist sie irritiert und fasziniert. Als Zuschauer war ich vor allem wegen etwas irritiert: Da haben wir ein wundersüsses Mädchen und sie schleppt bloss hässliche Typen ab. Wieso? Ozon hat ein Auge für schöne Männer, das ist ja klar, also wieso wählt er absichtlich hässliche Kerle aus? Eine Frage, die erst zum Schluss einigermassen geklärt wird - aber mir blieb die Frage jedenfalls im Kopf stecken. Und wieder hat Ozon sein Ziel erreicht. Seine Geschichte mag billig sein, seine Psychologie durchschaubar, seine Offenlegung von nackter Haut plakativ - doch hinter allem steckt Kalkül. Und bei denen, die Ozons frühere Filme kennen (aus der "Sitcom"- oder "amants criminels"-Zeit) wird sein pervers-satirisches Taktieren auf fruchtbaren Boden fallen.

Ein wenig enttäuscht war ich deshalb schon vom Schluss. Ich habe etwa eine Stunde lang alles aufgesaugt, was Ozon mir vorsetzte und meine Augen an Ludivine gelabt, doch die letzten fünf Minuten hab ich nicht kappiert. Erst danach gingen mir Dinge, die ich im Abschnitt vorher genannt habe, wieder durch den Kopf und ich arrangierte mir meine Interpretation des Endes [Siehe Spoiler] - doch wirklich glücklich war ich nicht. Ozon hat den Schluss nicht vergeigt, doch er ist zu billig. Viel zu billig. Und wenn Leute das Gefühl haben, sie würden billig abgefertigt, reduziert sich auch der Eindruck vom Vorhergegangenen. Das ist katastrophal: Wenn man nämlich Ozons Display an nackter Haut als billig anguckt, ist man bei einem verklemmten Softsex-Film angelangt - und das will "Swimming Pool" ja nicht sein. Schade also um das Ende, das lässt alles Vorhergegangene etwas verblassen. Was solls, ich hatte einen Heidenspass daran. Und ein nasses T-Shirt. Ich war froh, wieder nach draussen zu kommen. Dort waren es mittlerweile wohl um die 35°C. Nach Ludivine Sagnier ist das direkt eine Abkühlung ...

Also die Spoiler wegen dem Ende: Charlotte Rampling trifft in London die Tochter ihres Verlegers: Julia. Sie glaubte aber, Ludivine (im Film Julie) sei seine Tochter. Aha! Ein Twist. Bloss welcher? War Julie Julia und Rampling hat bloss die schöne Julie in die weniger schöne Julia hineininterpretiert? Dieser Ansatz bröckelt, weil Julia Rampling in London nicht kannte. So bleiben zwei weitere Ideen übrig: Julie war eine Fremde die sich einquartiert hat (unwahrscheinlich) oder Julie war Ramplings Einbildung (wahrscheinlich). Rampling wollte von einer sexy Frau provoziert werden. Wir gingen also im Laufe des Films ganz weit in ihren Kopf. Alles ist in ihrer Fantasie entstanden, Julie gibts nicht, sondern war bloss eine Figur, die sie erfand, um ein neues Buch zu schreiben. Wir waren ganz tief drin in der ungewöhnlichen Arbeitsweise von Rampling. Und sucht nicht nach dem Sinn. Sagt nicht "aber wir haben Ludivine mit dem und der reden sehen" - das fand nicht statt. Alles Fantasie. Vielleicht hat Rampling das Buch von Julies Mutter gefunden und alles erfunden. Oder spontan erfunden. Real war der Mord an Franck. Rampling hat ihn wohl selbst umgebracht. Und sie liess sich wohl auch wirklich vom Alten betatschen, um den Mord zu vertuschen. Aber der Rest ... Fantasie. Clever oder doof? Irgendwo dazwischen. Für mich war der Twist jedenfalls nicht 100% ausgereift.

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Tears of the Sun USA 2003
Kriegsfilm
Reviewed 26.6.03

Regie: Antoine Fuqua
Musik: Hans Zimmer
Mit: Bruce Willis, Monica Bellucci, Cole Hauser, Eamonn Walker, Johnny Messner, Nick Chinlund, Tom Skerritt

"Tears of the Sun" von Regisseur Antoine Fuqua ("Training Day") ist weniger ein Film über den Bürgerkrieg in Nigeria, sondern Balsam für die amerikanische Seele. Der Film tut nämlich vor allem etwas: Er versucht, mit Pathos die US-Interventionspolitik zu legitimieren. Der Film könnte also genauso gut in Irak spielen. Das Resultat ist das selbe: Gute US-Boys gehen in ein Kriegsland, tun Gutes und ziehen als Helden ab. Am Anfang ist noch nicht so offensichtlich, dass der Film in einem Sumpf aus Klischees und amerikanischem Internationalismus enden wird ... Bruce Willis kriegt da nämlich den Auftrag, eine Ärztin (Monica Bellucci - auch dreckig sexy) aus einer Mission zu retten. Sie weigert sich, wenn Willis nicht auch ihre Patienten rettet. Will er erst nicht, doch dann wurmt ihn sein Gewissen. Verfolgt von nigerianischen Soldaten bahnt er für sich, seine Männer und die Flüchtlinge einen Weg nach Kamerun.

Fuqua inszeniert eigentlich recht gut: Regen, Dreck und Dunkelheit machen einen Grossteil seines Films aus. Dazwischen immer wieder das Gesicht von Bruce Willis. Man kann es nicht anders sagen, aber Willis ist schlecht in dem Streifen. Er definiert das Wort stoisch neu und macht einem Steven Seagal durchaus Konkurrenz. Aber zum Glück ist er nicht der einzige Schauspieler. Was um ihn herum passiert ist wenigstens halbwegs interessant gemacht. Jedenfalls bis zu einer grausamen Szene der "ethnischen Säuberung", in die die Amis beherzt eingreifen. Die Szene ist extrem roh, endet aber mit einer seltsamen Note. Schuldig ist Komponist Hans Zimmer, dessen Score von da an immer käsiger wird. Pseudo-kitschige afrikanische Klänge mit heroischen Fanfaren. Das ergibt einen furchtbaren Brei. Ich mag Zimmer sonst, doch das ist kein Soundtrack, das ist ein Murks. Die Bilder passen sich bald an, genauso wie die Story. Immer offensichtlicher wird Fuquas und Willis' Absicht, die amerkanischen Weltpolizisten als heldenhafte Retter dastehen zu lassen. Denkt euch "Three Kings" ohne einen Hauch von Ironie oder Sarkasmus. Genau darauf steuert "Tears of the Sun" zu. Die letzten 15 Minuten des Kriegsfilms sind zwar reich an Action, aber schlicht nicht mehr auszuhalten. Bedeutungsschwangere Männerblicke, heroische Abgänge, klebrige Musik und dankbare schwarze Gesichter. Der weisse Mann hilft dem schwarzen Volk aus der Patsche. Es ist echt peinlich, wie schablonenhaft am Ende gezeichnet wird.

Black Hawk Down wurde kritisiert dafür, den (schwarzen) Feind unsichtbar dargestellt zu haben, als tödliche Masse - aber das hatte in diesem Film seine Berechtigung weil er konsequent aus US-Sicht in eine einzige Schlacht eintauchte. So nahm man die Angreifer nicht als Menschen, sondern als Ziele war. Wie die US-Soldaten. Damit wurde Ridley Scotts Film viel realistischer. Ob er rassistisch ist, musste man sich selbst fragen. Sieht man die Gegner als Ziele, als Menschen, als Masse? Die GIs gaben ihnen Übernamen wie "Skinnies" und schossen sie als gesichtslosen Feind ab - damit kritisierte Scott die US-Soldaten auf eher subtile Weise. Jeder, der ein wenig Hirn hat, sieht, wie die Amis in der Hitze des Gefechts vom Rassismus übermannt werden. Rasse spielt in "BHD" insofern keine Rolle - die GIs hätten alles gekillt, ob gelb, ob rot, ob weiss, ob pink, ob schwarz. Das ist ehrlicher als das, was Fuqua tut. Er zeigt die schwarzen Gegner und die Flüchtlinge als Menschen. Doch beide Gruppen sind eigentlich Spielbälle. Katalysatoren für den heroische US-Einsatz. Damit beweist "Tears of the Sun" eindrücklich eines: Mit der Charakterisierung des Feindes ist ein Kriegsfilm nicht wirklich intelligenter geworden, den selben Fehler machte etwa auch We Were Soldiers. "Black Hawk Down" ist realistisch und gefährlicher für den Zuschauer, weil man sich bei Gedanken wie "schiess sie nieder" erfasst und selbst über rassistische Vorurteile nachdenkt. "Tears of the Sun" ist kitschiger, weil er glauben lässt, Schwarz und Weiss sind super-Freunde und helfen einander und alles ist gut. Rassismus wird in beiden Filmen quasi ausgeblendet, doch während er in "Black Hawk Down" gerade duch seine offensichtliche Abwesenheit thematisiert wird, wird er in "Tears of the Sun" verkitscht. Und auf das Niveau von "Rambo" gedrückt, in dem die (vietnamesischen) Feinde zwar Gesichter haben, aber deswegen keine Spur menschlicher werden.

Langer Rede, kurzer Sinn: "Tears of the Sun" ist ein dümmlicher Film, der soviel besser gewesen wäre, wenn er sich auf das Drama der Bürgerkriege in Afrika konzentriert hätte. Wenn er aber mit dem Zitat "The only thing necessary for the triumpf of evil is for good men to do nothing" endet wird gnadenlos klar, dass dieser Film bloss drei Dinge will: Die amerikanische Armee moralisch unterstützen, die US-Interventionspolitik legitimisieren und die schwarze Bevölkerung Afrikas als kriegerische Völker darzustellen, denen nur der weisse (amerikanische) Mann Ruhe und Frieden bringen kann. Ein hemdsärmlig inszenierter Kriegs-Abenteuerfilm, als hätte es Filme wie "Saving Private Ryan", "Platoon" oder "Black Hawk Down" nie gegeben.

Oh und für die, die den Film gesehen haben, ein paar Fragen: Wieso können die Leute, die am Anfang alle durch den Dschungel krochen, plötzlich rennen? Womit taucht der Captain am Schluss an der kamerun'schen Grenze auf - Visas für alle? Wieso gehen Bellucci und der Präsidenten-Sohn nicht einfach mit einem Heli mit? Ein Mann wird ins Holzbein geschossen und schreit "aua"? Der Captain telefoniert vom lauten Deck anstatt von innerhalb des Flugzeugträgers? Die Amis haben alle Gegner als Punkte auf einem Computer - wieso nicht früher die F/A-18s angreifen lassen? Wieso treffen 300 gegnerische Soldaten nicht ein bisschen besser?

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
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The Texas Chainsaw Massacre USA 2003
Horror
Reviewed 13.5.04

Regie: Marcus Nispel
Produktion: Michael Bay, Mike Fleiss
Mit: Jessica Biel, Erica Leerhsen, Mike Vogel, Eric Balfour, Andrew Bryniarski, R. Lee Ermey, David Dorfman, John Larroquette, Harry Knowles

Tobe Hoopers "Texas Chainsaw Massacre" ist ein Klassiker nicht nur des Horrorgenres. Ein Furcht einflössender Gruselsteifen, der nicht halb so blutig ist, wie der Titel suggeriert. Die Bildsprache, das Erzähltempo, die Musik. Alles passte zusammen. Ein Remake drängte sich eigentlich nicht auf. Aber das soll mal jemand Geldmacher Michael Bay erzählen. Der heuerte den deutschen Musikvideo- und Werberegisseur Marcus Nispel an und tat es eben doch. Ein Remake. Oder wie man heute sagt, ein "Re-Imagining". Der Plot beginnt relativ ähnlich: ein paar attraktive Teenager sind 1973 mit dem Bus unterwegs. Sie haben in Mexiko Pot gekauft und wollen zurück nach Dallas. Doch unterwegs lesen sie eine verstörte Frau auf, die im Wagen Selbstmord begeht. Die Teens rufen die Polizei, doch der Sheriff (R. Lee Ermey), der erscheint ist ziemlich unheimlicher. Noch gruseliger ist das Haus, in dem Erin (Jessica Biel) Hilfe holen will. Dort lebt eine Sippe degenerierter Menschen, deren Sohn mit einer Kettensäge wütet: Leatherface.

Und da Leatherface heute eine Kultfigur ist, darf er auch mehr vorkommen als im Original. Es gibt mehr Kettensägen-Massaker, im Original war die legendäre Waffe ja kaum zu sehen. Damit ist auch das grösste Problem angesprochen: die mehr-von-allem-Philiosophie fuktioniert nicht immer. Obwohl Nispel bei einigen Szenen ausblendet (Morgans Halbierung findet offscreen statt) ist der Film blutiger als der Vorgänger, was ihn nicht unbedingt gefürchiger macht, sondern bloss grotesker und ekliger. Und in der 1974-Version wurde schon zuviel gerannt, diesmal wird die ganze zweite Hälfte lang gerannt! Insofern war es entscheidend, dass eine Hauptdarstellerin gefunden wurde, die sexy aussieht, wenn sie rennt. Jessica Biel erfüllt diese Voraussetzung bis aufs "i"-Tüpfelchen. Die kurvige Schauspielerin aus Rules of Attraction sieht zwar wie ihr sexy Mitfahrer Mike Vogel überhaupt nicht nach 70er-Jahre aus, aber sie hat dehn richtigen Traum-Body. Ihr Busen wogt beim Rennen, ihre engen Hosen drohen immer fast herunterzufallen. Und da das nicht genug ist, gibt es zwei Gelegenheiten, ihr mickriges T-Shirt nass zu machen, damit die ganz Verzweifelten auf der Leinwand ausmachen können, ob man denn nun Nippel gesehen hat oder nicht. Aber eigentlich ist das ja Sinn der Sache: die Vernichtung der Schönheit, das Zerhacken der Beauty-Standards. Schon Hoopers Film machte keinen Hehl daraus, dass einige der Teens schön sind (die Kamera auf Arsch-Höhe ist legendär und wird hier kopiert). Und da insbesondere Hauptdarstellerin Marilyn Burns auch noch ausgesprochen fragil wirkte, hatte man das Gefühl des "ausgeliefert Sein". Eine schöne, junge Frau inmitten einer schauerlichen, abstossenden Situation zu sehen, gehört zum Standard-Repertoire des Horrorfilms und wirkt auch bei diesem Remake gut.

Doch in Zeiten der Emanzipation darf das Girl natürlich nicht nur rennen und schreien, sie darf auch zurückschlagen. Sie hackt Leatherface einen Arm ab und fährt einen der Hinterwäldler tot. Diese Veränderung ist irgendwie geil, aber denkt man darüber nach, funktioniert es nicht zum Vorteil des Films. Zum einen wird Leatherface dadurch von der unzerstörbaren, dumpfen Macht zum Irren mit der Kettensäge, den man einfach mal zerstückeln kann - womit die Idee des "ausgeliefert Sein" eben verloren geht. Und zum anderen verkommt der Film zum Selbstjustiz-Horror, der das Andersartige als besiegt darstellt. Die "Mutanten", die anderen, werden von der schönen Dame quasi überwältigt. Im Original kommt Sally zwar davon, doch das legendäre geniale Schlussbild mit Leatherface, der seine Säge in der Luft schwenkt, suggeriert ein Unentschieden. Dem Remake entgeht diese Nuance. Noch mehr entgeht ihm. Unter anderem ein paar der besten Szenen - wie etwa das surreale Dinner am Schluss. Dafür gibts eben mehr Kettensägen, mehr Rennen, mehr Blut, mehr Plot, mehr Hinterwäldler, mehr Dunkelheit, mehr Regen. Alles unnötig. Im Original schien immer die Sonne und es war dennoch gruseliger. Das ist wahre Horror-Kunst! Nispel vergeigt zudem ein paar wichtige Szenen. Die Rahmenhandlung, für die wieder John Larroquette die Stimme lieh, ist absurd schwach. Man denke an den mehr als genialen Start im Original, dagegen ist der neue ein Hosenschiss.

Doch all diesen Mängeln zum Trotz: "The Texas Chainsaw Massacre" (Remake) unterhält. Vorausgesetzt, man guckt eine Neuverfilmung nicht zum Vornehinein als Sakrileg an und vorausgesetzt, man mag abstossenden Grusel. Jessica Biel macht sprichwörtlich eine klasse Figur und alleine zu sehen, wie sie es schafft, ihre geilen Kurven immer in Textilien gehüllt zu lassen, verdient Beachtung. Und für die Mädels bietet Mike Vogel ein bisschen Testosteron und Haut. Bloss leider hat er am Schluss nicht mehr alle Körperteile. Damit wären wir wieder bei der Zerstörung des Schönen. Und bevor ich mich im Kreis drehe, höre ich auf. Zip .... mmmmmmmmm.

Bestellt die DVD hier. (Remake)
Bestellt die DVD hier. (Original)

Roger Ebert (USA) 0/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
BBC (GB) 3/5
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Thirteen USA 2003
Drama
Reviewed 6.2.04

Regie: Catherine Hardwicke
Buch: Catherine Hardwicke, Nicki Reed
Mit:
Evan Rachel Wood, Nikki Reed, Holly Hunter, Deborah Kara Unger, Jeremy Sisto, Brady Corbet, Kip Pardue

Nach 3-4 Jahren ist alles vorbei und man fragt sich, worüber man sich eigentlich die ganze Zeit aufgeregt hat. Kleinigkeiten werden aufgeblasen, Mücken werden zu Elefanten und kleine Mädchen zu jungen Frauen: Die Pubertät übersteht ein Grossteil der "Betroffenen", sieht man von den leider zu zahlreichen Teenager-Selbstmorden ab. Die Frage ist eben nicht "ob", sondern "wie". Wie bringt man die 4 Jahre vorüber? Ein Patentrezept gibt es nicht und das bekommt Holly Hunter bitter zu spüren. Sie spielt die geschiedene, ex-alkoholsüchtige, aber eigentlich ganz nette und moderne Vorstadt-Haarstylistin Melanie. Sie zieht einen Bub namens Mason (Brady Corbet) gross und eine 13-jährige Tochter namens Tracy (Evan Rachel Wood). Die brave Schülerin ist jedoch fasziniert von Evie (Nikki Reed), dem angesagtesten Girl der Schule. Und eines Tages spricht Tracy sie an. Geht mit ihr Shoppen. Und Klauen. Und sie ist drin.

Drin in einem etwas klischierten, aber nachvollziehbaren Zyklus. Die beiden Girls experimentieren mit Drogen, Piercings, Rebellion und Jungs. Evie dealt schon lange und organisiert für Tracy allerlei Dinge, die sie nicht tun sollte. Mutter Mel merkt, dass etwas passiert, aber sie kann es nicht aufhalten. Und wenn sie es versucht, blockt Tracy nur noch mehr ab. “I’m not allowed to see your body anymore?” lautet eine von Melanies Schlüsselfragen. Tracy entdeckt ihren Körper, will ihn neu gestalten. Und in der heutigen Zeit schreibt eine ganze Armada von Freunden, Freundinnen, Medien und Stylisten vor, wie man ihn gestalten soll. Aber es ist nun ihrer. Mutter hat mit ihm nichts mehr zu tun - erst jetzt wird eigentlich die Nabelschnur durchgeschnitten. Der Prozess, wie er in "Thirteen" geschildert wird, passiert so sicher nicht in jedem Haushalt. Aber Teile des Gesehenen erkennt man wieder. Ein paar von Tracys Dramen klingelten bei mir jedenfalls. Und dass die Teenie-Studie alles andere als an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt, dass das Drehbuch von der damals 15-jährigen Hauptdarstellerin Nikki Reed stammt. Sie hat einen Teil der geschilderten Dinge erlebt. Catherine Hardwicke war mit ihrem Vater zusammen und meinte, sie solle alles in ein Tagebuch packen. Nikki schrieb lieber ein Drehbuch und verfilmte es mit Regiedebütantin Hardwicke. Das Resultat ist stimmig, bedrückend, menschlich - aber nicht per se schockierend.

Die Werbung wollte "Thirteen" als eine Art "Kids" verkaufen, doch "Thirteen" ist nicht so schockierend. Wie gesagt erkannte ich vieles aus meinem eigenen Umfeld. Und Hardwicke macht auch nicht den Fehler, Tracys Wandel zu verteufeln. Erst zum Schluss gibt es eine Wendung, die Evie dämonisiert und das Ende aufdrückt. Der Schlusshot ist zwar wunderschön und zeigt, dass menschliche Nähe insbesondere in der Familie Wunder wirken kann, doch es ist noch lange nicht überstanden. Der Film suggeriert, die oben genannten 3-4 Jahre seien damit geritzt. Ist sicher nicht der Fall. Aber ein Schritt zum Überstehen ist gemacht. Tracy ist nämlich akut gefärdet, zu denen zu gehören, die's nicht schaffen. Sie ist eine Ritzerin und als sie im Film zum ersten Mal an ihrem Arm herumschneidet, sieht man bereits Wunden. Ich finde diese Selbstverstümmelungsszene eine der wichtigsten von "Thirteen". Sie zeigt, dass Tracy zuvor schon traumatisiert und/oder einsam war und auch, dass das Verletzen des eigenen Körpers nicht nur bei den Lauten (wie der späteren Tracy) sondern auch bei den Leisen (der früheren Tracy) vorkommt. Eine sehr wichtige Komponente. Damit wird auch Evie nicht zum Teufel in ihrem Leben, sondern höchstens zum Katalysator.

Doch was tun die Girls eigentlich? Sie folgen dem Trieb. Man liest immer wieder so schön, Pubertät sei Rebellion, doch viel zentraler ist der Sex. Selbst die Rebellion kann auf diesen Hormontrieb zurückgeführt werden. Und die beiden leben diesen Sex nun aus - in Form von Jungs, untereinander experimentieren, in Drogen-Fantasien und nicht zu vergessen, in Gewalt. Die Anfangsszene zeigt, wie sie sich gegenseitig verprügeln. Nicht unähnlich zu Fight Club wird das Prügeln zu mehr als sich verletzen oder herumalbern. Es ist a) das Aufgreifen des "mein Körper gehört mir"-Themas und b) der Sex. Das Abreagieren eines Triebs. Nicht durch Beischlaf alleine, sondern durch alle sich bietenden Ventile. Insofern ist "Thirteen" wie Fight Club auch ein wenig verlockend. Hardwicke bleibt den beiden Girls gegenüber nämlich recht neutral. Ihre Shopping-Touren, ihr narzistisches Teenie-Gebaren und den Sex, den sie wollen, kann man durchaus im positiven Licht sehen. Ganz blöde gesagt: Ich dachte ein paar mal, das hätt ich als Teenager auch gewollt. Die zwei lebens einfach aus. Schockierend? Ach was. Sollen sie sich die Hörner abstossen. Die Mehrheit der Teenies möchte das vielleicht, tuts aber nicht. Wer nach diesen 3-4 Jahren dann den besseren Deal hatte, ist schwer zu eruieren. Aber Tracy kommt sicher nicht schlecht weg. Ja ich weiss, sie hat sich verstümmelt und erleidet so einiges an Drama. Aber wenn alles vorüber ist muss ich doch sagen, sie hatte es gut. Ihre rebellische Phase war kurz, am Ende hat sie mehr Halt und Hoffnung als zuvor, und sie hatte eine gute Zeit. Soll mir ja niemand sagen, sie bereue später den Sex, die Drogen und die Abenteuer mit Evie. In gewissem Sinne brauchte sie diese Phase, um zum reiferen, besseren und letztendlich wohl glücklicheren Menschen zu werden.

Das bringt mich zu Holly Hunter. Sie ist eine klasse Mutter und es braucht wohl die ganze Filmlänge, bis Tracy das merkt. Und dennoch ist sie die tragischste Figur im Film. Nicht Tracy, sondern ihre Mom. Die alles gibt, alles versucht, und doch zu scheitern droht. Bei ihrem Leiden ist fürhwahr kein Spass dahinter, sondern bloss Angst. Um ihre Tochter, um ihe Familie. Hunter spielt dies genial und mit einem riesigen Herzen. Die "Oscar"-Nomination ist absolut verdient. Evan Rachel Wood steht ihr in nichts nach und macht aus dem eigentlich klischierten Wandel ein glaubwürdiges Teenie-Schicksal. Nikki Reed ist gut, Kip Pardue darf den Nachbarsboy spielen, den sie fast vergewaltigen. Eine interessante Szene, die mich übrigens wieder zu obriger Behauptung bringt, die beiden hättens eigentlich gut gehabt. Die Männer unter den Zuschauern, die wie ich schon über 18 sind, leiden mit Kip, der von zwei Minderjährigen aggressiv verführt und abgeküsst wird - aber genau weiss, sie sind "Jail Bait", sexy Biester, die ihn in den Knast bringen würden. Und so muss er schweren Herzens abbrechen. Ja, schweren Herzens. Niemand kann mit angeben, die Szene sähe nicht verdammt heiss aus und lasse einen Mann (egal wie alt) träumen. Bis es "klick" macht und das Hirn einsetzt "shit, die sind erst 13. Cancel. Cancel!" Danach steht Kip blöd da. Auf mehrere verschiedene Arten. Aber die Girls hatten ihren Spass. Tragisch? Vielleicht für die Zuschauer und Kip, aber nicht für die Girls.

All das Gelaber, dass ich hier rauslasse, führt eigentlich nur zurück zu ein paar grundsätzlichen Aussagen: Der Film ist toll. Etwas gar kamera-wacklig gefilmt, aber sonst technisch superb. Inhaltlich ein eigenwilliger und doch ganz alltäglicher Mix aus "Kids" und eben auch ein wenig Fight Club (Konsumgeilheit, Abreagieren, Rebellieren, Sexualisieren). Schauspielerisch ist er noch besser - vor allem Holly Hunter ist erste Sahne. Klischees gibts (Entfremdung von der braven vorherigen Schülerin, Piercings als zeichen der Rebellion, schwarze Schüler, die andauernd rappen), aber das Leben ist voller Klischees. Und genauso viele Szenen sind 1:1 aus dem Leben gegriffen. Ich will jetzt nicht aufzählen, welche es für mich waren, das wäre etwas zu persönlich - aber jeder wird das eine oder andere Wiedererkennen. Das gibt "Thirteen" eine schöne Balance aus Universalität und Einzelschicksal. Aus Mitgefühl und Faszination. Ja, nochmals: Faszination. Die Girls haben viel Geiles in dem Film erlebt. Vergleicht's mal mit Mason, Tracys Bruder. Was hat er davon, dass er ganz brav pupertiert? Na also. Und das lenkt ich zu einer nur entfernt zum Thema gehörenden Abschluss dieses doch recht zersausten Texts: Wer macht ein Teenie-Drama über Boys? Wenn Jungs pupertieren, tun sie das weniger laut. Deshalb bekommen sie von Hollywood Pupertäts-Komödien, wo's nur um Sex als Witz geht. Girls dagegen kriegen immer Dramen. Dabei muss man sich schon mal überlegen: Was macht eigentlich Mason, stellvertretend für alle Brüder, mit: Die Schwester schreit und motzt und rebelliert (und hat doch viel Spass dabei) und kriegt alle Liebe und allen Fokus der Mutter. Brüderchen dagegen schleicht sich etwas stiller durch die kritischen Jahre - und hat nichts davon. Weder die Fürsorge der Eltern noch den Spass der Girls. Ich verlange damit ultimativ, dass es ein Teenager-Boy-Drama gibt. Jawohl. Auch die stillen Pubertierer haben ein Anrecht auf einen Film ... dann andererseits wäre das wohl etwas langweilig, oder? Und damit sind wir wieder bei der Faszination: Wir alle schauen doch jemandem gerne zu, der exzessiv pubertiert. Wie würden wir es tun, wenn wir es nochmals nachholen könnten ... ?

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
imdb


Timeline USA 2003
Sci-Fi-Abenteuer
Reviewed 28.5.03

Regie und Produktion: Richard Donner
Mit: Paul Walker, Frances O'Connor, Gerard Butler, Billy Connolly, David Thewlis, Anna Friel, Neal McDonough, Matt Craven, Ethan Embry, Michael Sheen, Lambert Wilson

"Timeline" ist eine Enttäuschung, daran führt kein Weg vorbei. Richard Donner zeichnet schliesslich für einige der besten Unterhaltungsfilme überhaupt verantwortlich: "Superman", "Lethal Weapon", "The Goonies", "The Omen". Und Autor Michael Crichton, der die Vorlage liefert, ist eigentlich ein Profi, wenn es darum geht Pseudo-Wissenschaft spannend in eine Geschichte zu verweben - siehe etwa "Jurassic Park". Doch in "Timeline" geht zu vieles schief. Ich habe mich bei dem Streifen wohl noch mehr unterhalten, als die meisten anderen, weil ich einfach Sci-Fi- und Historienabenteuer mag und der hier beides in einem präsentiert - aber von einem guten Film kann schlicht keine Rede sein.

"Timeline" handelt von einer Gruppe Forscher (u.a. Paul Walker, Frances O'Connor, Gerard Butler), die durch ein vom Industriellen Doniger (David Thewlis) zufällig entdecktes Wurmloch ins englisch besetzte Frankreich des Jahres 1357 reisen, um ihren Boss (Billy Connolly) respektive Vater zu retten. Natürlich geraten die jungen Leute direkt in einen finalen Kampf zwischen den beiden Nationen. Leider zieht Donner daraus kaum Nutzen und lässt seine Akteure stattdessen fast nonstop herumrennen, doofe Dialoge aufsagen und noch mehr rennen. Die Sets, so betont er immer wieder, sind echt und die Effekte sind kaum CGI, was dem Film einen rustikalen Charme verleiht. Aber dennoch sieht das Ganze Set-mässig aus. Vielleicht liegt es ja dran, dass Surferboy Paul Walker einfach nicht in diese Zeit passt. Klar ist das das Konzept des Films (moderne Menschen im Mittelater), doch dann ist halt das Konzept nicht gut für einen Film. Walker passt einfach nicht in diese Landschaft. Nicht in diesen Film sogar. Ich mag den Kerl ja, aber hier ist er komplett fehlbesetzt. Und wenn er dann nur noch rennen darf und ihm immer ein "whoa, dude" auf den Lippen zu liegen scheint, dann ist der Film unfreiwillig komisch und man erwartet jeden Moment, die Leute von Monty Python würden durchs Bild hüpfen.

Tun sie nicht, der Film bleibt bierernst. Dagegen hätte ich nicht, wenn man die Ereignisse ernst nehmen könnte. Aber die Fragen häufen sich, die Zeitparadoxen mehren sich und die Zufälle und Logiklöcher türmen sich zum unüberwindbaren Hinderniss. Wenn wenigstens etwas Action Abwechslung bieten würde - aber nix davon. Bloss rennen rennen. Einmal sagt einer, sie hätten 600 Jahre mehr Wissen auf ihrer Seite. Aber dieses wird nie eingesetzt! Der Professor erfindet griechisches Feuer, das schon lange vorher entdeckt wurde. Und Paul Walker sieht aus, als ob er die High School kaum geschafft hätte. 600 Jahre mehr Wissen? Am Arsch. Und so bleibt's halt bei kleinen Scharmützeln, kleinen Fights. Bis zur finalen Schlacht, die doch recht geil aussieht mit ihrem heftigen EInsatz farnzösischer Trebuchets. Leider hat man da die Charaktere noch lange nicht ins Herz geschlossen und der Fight läuft auf Autopilot ab. Spätestens wenn die Amis und Schotten, die den normalen französischen Soldaten nicht gesagt haben, dass sie keine verfeibdeten Engländer sind, in der Mitte der Schlacht englische Worte schreiend durch die französischen Einheiten rennen können, ohne abgeschossen zu werden, wirds blöd. In letzter Sekunde ist alles vorbei und zurück bleibt eben ... die Enttäuschung. Soviel mehr hätte dringelegen! Ein anderer Hauptdarsteller, weniger Rennen, mehr Action unterwegs, langsamer Buildup zur grossen Schlacht, weniger Zeitsprung-Paradoxen - irgendwie hätte man was Besseres draus basteln können. Ich möchte zum Schluss nochmals betonen, dass der Film nicht ganz übel ist. Insbesondere jemand wie ich, der auf diese Genres, die hier vermischt werden, steht, hat durchaus Spass an dem Spektakel. Die Musik und die Effekte sind auch überzeugend. Aber es bleibt nichts hängen, es involviert nichts. Und so kann man bloss enttäuscht sein und sich wünschen, Richard Donner hätte für sein Comeback nach 5 Jahren Pause eine bessere Nase bewiesen ...

Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 1½/4
imdb


Touching the Void GB 2003
Dokudrama
Reviewed 22.4.04

Regie: Kevin MacDonald
Mit:
Simon Yates, Joe Simpson, Richard Hawking, Brendan Mackey, Nicholas Aaron

"Touching the Void" ist ein beeindruckendes Dokudrama vom Regisseur von "One Day in September". Das spannende, hochdramatische Abenteuer der beiden Kletterer Simon Yates und Joe Simpson wird von den beiden per Interviews neu aufgerollt und mit zwei Schauspielern nachgestellt. Nach einer Viertelstunde sind sie auf dem Gipfel des Siula Grande in Peru angekommen - doch das Herunterklettern wird zum Drama. Das Gas zum Kochen geht aus, Joe bricht sich das Bein und stürzt danach in eine gigantische Gletscherspalte. "Touching the Void" ist ein Dokument über den Überlebenswillen des Menschen.

Doch ich mag eigentlich keine Dokus. Und ich bin kein Bergsteig-Freak. Das sind wohl die Gründe, warum ich eine bessere Berwertung für mich persönlich nicht machen kann. Dokus haben für mich etwas nicht-bewertbares an sich, da das reale Drama dahinter ja das eigentlich Geniale ist. Die Inszenierung ist oft gezwungenermassen billig. Bei "Touching the Void" ist das nicht der Fall, weil Kevin MacDonald wirklich spannend aufbereitet - doch wieso daraus nicht einen richtigen Film machen? Wieso die beiden Männer stets die Geschichte erzählen lassen? Es hat seine Vorteile, denn so ist man 1:1 dabei. Doch nach dem dreissigsten Mal "I knew I was going to die" hat man das mal gehört. Klar war das mehrere Tage lang in seinem Kopf - aber ist es cineastisch geglückt, es stets wieder zu wiederholen? Das Drama an sich ist beklemmend und man fragt sich, ob man selbst auch überlebt hätte - und wie gewaltig die Schmerzen gewesen sein müssen. Doch das ändert nichts daran, das manches, was Joe und Simon sagen, irgendwie banal ist. "Klettern ist mein Leben". Hmm, okay, wenn ihr euch auf einen Extremsport einlasst, dann müsst ihr auch mit dem Schlimmsten rechnen. Ich weiss, das ist ganz böse ausgedrückt, doch ich konnte so keinen emotionalen Kontakt zu den Figuren aufbauen. Ihr Leid, ihr Mut, ihre Kraft haben mich beeindruckt, aber nicht berührt. Schliesslich sind die Deppen ja selber schuld - und gelernt haben sie auch nichts, schliesslich klettern sie heute munter weiter.

Aber "Touching the Void" will eventuell gar kein Mitgefühl erwecken. Joe und Simon wollen kein Mitgefühl. Sie wissen sehr wohl, dass sie sich das Ganze selber eingebrockt haben - wie ein Bungee-Jumper, der abstürzt, wie ein Neuschnee-Skifahrer, wie ein Formel-1-Fahrer, wie ein S-Bahn-Surfer. Wer diese Form von Extrem-Abenteuer sucht, muss sich nicht beklagen, wenn es danach mit seinem Körper nicht mehr so doll aussieht. Oder er tot ist. Okay, dann kann er sich nicht beklagen - wie dem auch sei: Ich weiss, es ist in dieser Form krass ausgedrückt, aber ich kann meine Einstellung gegenüber Extremsportlern nicht anders ausdrücken. Und Simon und Joe wissen wohl, dass es vielen Leuten so geht. Deshalb suchen sie auch nicht das Mitgefühl. Deshalb erzählen sie relativ nüchtern. "So habe ich überlebt" - das ist viel mehr das zentrale Thema. Eben: die Kraft, die ein Mensch aufbringen kann, wenn es ums Überleben geht. Die Distanz macht den Film etwas kühl, der Mangel an Mitleid meinerseits unterstreicht dieses Empfinden. Aber abgesehen davon ist "Touching the Void" ein klasse Abenteuer. Nur eines eben, dass auch real ist.

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
imdb


Les triplettes de Belleville F/B/CAN 2003
Zeichentrickfilm
Reviewed 3.2.04

Regie und Buch: Sylvain Chomet

Roger Ebert hat nach dem passenden Wort gesucht, um "Les triplettes de Belleville" zu beschreiben. Weil "seltsam" es nicht trifft, hat er eine ganze Serie abgeliefert. Ich muss es ihm gleichtun, such mir jedoch mal meine eigenen Adjektive: Der französisch-belgisch-kanadische Zeichentrickfilm ist düster, clever, irr, witzig, tragisch, schön, exzentrisch, schräg, innovativ, kurzweilig, liebenswert, sarkastisch, kurlig, politisch inkorrekt und sehr unterhaltsam. Dass er für zwei "Oscars" nominiert ist, mag man ihm gönnen, auch wenn er nie die Qualität des Kategorien-Gegners Finding Nemo hat. Während der Pixar-Film ein Ereignis ist, ist "Les triplettes de Belville" eher ein Kuriosum. Aber was für eines!

Die Handlung dreht sich um ein kleines Grossmütterchen mit Klumpfuss, das seinem fetten Enkel einen Hund schenkt. Das Tier unterhält das Bubi, doch fordert es nicht heraus. Erst als Oma dem Kleinen ein Fahrrad schenkt, wendet sich das Blatt. Jahre später ist ein Viadukt über das Haus gebaut, der Hund, mittlerweile extrem fett, bellt jedesmal zum Fenster raus, wenn ein Zug vorbeifährt. Und der Junge ist zum gertenschlanken Radler gereift, dessen Waden dicker sind als sein Oberkörper. Oma trainiert ihn eisern, damit er an der Tour de France siegen kann. Er nimmt Teil, doch auf der Bergstrecke wird er von finsteren Gesellen entführt und nach New York verschleppt. Ach, ich hab schon etwas viel verraten, obwohl es eigentlich erst die Ausgangslage ist. Ein Teil des Reizes des Films besteht schliesslich darin, den Charme selbst zu entdecken. Doch keine Bange, ich habe noch nicht erklärt, wer eigentlich die Triplettes sind, was in New York passiert - und und und. Die Krux liegt eh im Detail. Die kleinen Dinge, etwa, wenn Oma dem Enkel die Waden mit einem Mixer massiert, wenn eines der alten Drillinge Frösche mit einer Handgranate jagt oder wenn der Köter in New York der ständig fahrenden U-Bahn nachbellen muss und dabei gehörig in Stress kommt. Dutzende solcher Kleinstszenen oder Mannerismen der Charaktere (Omas kurzer Schielen vor dem Zurechtschieben der Brillengläser ...) gibt es zu entdecken und jeder davon ist eine kleine Freude.

Zu Beginn gibts ein paar nackte Brüste und es hat doch arg sadistische Szenen drin, vor allem jene mit den Fröschen und mit den Radfahrern - doch "Les triplettes de Belleville" richtet sich nicht per se an Erwachsene. Kinder die ein Flair für das Absurde haben, kommen genauso auf ihre Kosten. Absurd. Das müsste unbedingt noch in den Adjektiv-Katalog oben aufgenommen werden. Absurd im Stile einer Mixtur von Jacques Tati, Monty Python, Jeunet & Caro, Salvador Dali und und und. Dabei behält der Film dennoch stets seinen eigenen Stil und fasziniert mit Charakteren, Handlung, Musik und Bildern. Ein tolles, schräges .... ach, etc. Vergnügen.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 4/5
imdb


Underworld USA 2003
Horror-Action
Reviewed 17.1.04

Regie und Story: Len Wiseman
Mit:
Kate Beckinsale, Scott Speedman, Michael Sheen, Shane Brolly, Bill Nighy, Erwin leder, Sophia Myles

"Underworld" basiert nicht auf einem Comic oder Anime, und dennoch hat Len Wiseman sein Regiedebüt klar an diesen beiden Kunstformen orientiert. Starke Inspiration holt er bei neueren Filmen, allen voran "Blade", "The Matrix", "Blade II", "Dark City" und "Vampire Hunter D". Der Mix ist visuell sehr befriedigend, auch wenn man nach einer halben Stunde starke Lust auf die Farbe rot bekommt: "Underworld" ist blau, schwarz, hellblau, schwarz, leicht grün und nochmals blau. Ein monochromer Look, der in letzter Zeit in zuvielen Filmen verwendet wurde, aber hier ganz gut passt. Am Look gibt es auch sonst nichts auszusetzen: Kostüme sind edel und sexy (jene von Kate Beckinsale jedenfalls), Sets sind düster, Effekte sind passabel, die Kameraarbeit ist stylish und etwas over the top und das Art Direction suggeriert ein Zeit- und Ort-unabhängiges Setting: Gedreht wurde in vorwiegend in Budapest, doch die Stadt kann genauso gut das Prag aus Blade II sein. Und wenn man moderne Autos, supermoderne Waffen - und dann eine dampfbetrieben Zug sieht, dann wird klar, dass dies keine Stadt im traditionellen Sinne ist, sondern eine Projektion, die bloss dazu dient, den Krieg zwischen Werwölfen und Vampiren in einen eindrücklichen Background zu verlegen.

Denn darum gehts in dem Film: Vampire vs. Werwölfe. So hat Wiseman den Film wohl gepitcht und die Ausgangslage macht auch Spass. Der Krieg dauert seit Tausenden von Jahren. Seit dem Tod von Lucian haben die Vampire die Oberhand gewonnen. Doch nun, da die Erweckung eines Vampir-Ältesten bevorsteht, bemerkt die Vampirin Selene (Kate Beckinsale), dass die Werwölfe aufrüsten. Und sie haben es auf einen Menschen abgesehen: Michael (Scott Speedman). Was wollen sie von ihm? Der Vampir-Führer Kraven (Shane Bolly) lässt Selene ihren Vermutungen nicht nachgehen, weshalb sie zu einem drastischen Schritt gezwungen ist: Sie weckt den Vampir-Ältesten Viktor (Bill Nighy) auf, der erst in 100 Jahren geweckt werden sollte. Er soll ein Machtwort sprechen und den drohenden Grossangriff der Werwölfe abwehren.

Bill Nighy ist ein witziger Anblick. Er soll ein grosser Vampir-Oberer sein, doch ich sah in ihm immer nur den Hippie-Sänger aus Love Actually. Aber das ist mein Fehler. Nighy ist gut. Auch Beckinsale ist gut, jedoch vor allem optisch. In Leder sieht sie yummi aus. Leider fehlt ihr der Saft und die Chemie mit Speedman ist mässig. Das kann gut an Speedman selbst liegen, denn der ist viel zu blass. Die Nebenfiguren sind passabel - viele werden gar nicht richtig eingeführt und sterben, bevor wie sie kennengelernt haben. Kein grosser Verlust.

Das grösste Problem hatte ich mit ein paar Logiklöchern, mit der Überlänge und der Darstellung der legendären Monster-Kasten: Die Werwölfe können sich verwandeln, wenn sie wollen (der Effekt ist komischerweise nicht annähernd so gut wie in "American Werewolf in London"). Silberkugeln töten sie nur, wenn Sie im Dutzend abgeschossen werden (aus Pistolen, die wie MGs feuern). Und sie sind als Behehls-empfangende Herdentiere einfach nicht mehr so angsteinflössend wie als unkontrollierbares Einzelwesen. Den Vampiren geht's noch schlechter. Sie sind dekadent und verkrustet - das kann ich akzeptieren, weil es im Verlauf der Story wichtig wird. Doch sie können anscheind auch ganz "normal" Kinder zeugen, sie trinken nie mehr Blut aus der Quelle (der Saft wird neu geklont ...). Sie haben Reflektionen und sind ein feiges Pack. Angst muss man vor dieser Brut sicher nicht haben. Diese Schwächung beider Fraktionen nimmt "Underworld" viel von seiner Power. Aber nochmals zurück zu den Vampiren: Sie zu dekadenten Aristokraten zu machen, funktioniert, weil die Sympathie später im Film Richtung Werwölfe wandern muss. Die Gründe kann ich nicht darlegen, aber insbesondere ein Vampir macht gegen Schluss keine gute Figur. Da kann man nun allerlei Sozialkritik reinlesen (Aufstand der Sklavenrasse gegen die Aristokratie), aber das möchte ich jetzt nicht ausführen. Ich will nur andeuten, dass die Story für einen "Vampir vs. Werwolf"-Actionhorror komplexer ist, als man denken könnte. "Oscar"-Material mit sicherheit nicht, aber ein Plot der wachhält. "Underworld" lohnt sich deshalb für alle Fans des Gothic Horrors. Wer auf Logik, Tiefgang und Substanz aus ist, ist falsch bei dem Film. Aber wer eine düstere Welt mit einem einem blutigen Monster-Krieg sehen will, der wird gut bedient.

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
BBC (GB) 3/5
imdb


Uptown Girls USA 2003
Komödie
Reviewed 8.2.04

Regie: Boaz Yakin
Mit: Brittany Murphy, Dakota Fanning, Marley Shelton, Donald Faison, Jesse Spencer, Austin Pendleton, Heather Locklear

Brittany Murphy macht auch den schwächsten Film immerhin noch mittelmässig. Wie etwa Just Married. "Uptown Girls" steht noch etwas besser da, weil sie einen mittelmässigen Film halbwegs okay macht. Hilfe kriegt sie von Dakota Fanning (Cat in the Hat), die perfekt besetzt ist, als hypochondische 8-jährige Göre. Murphy spielt Molly, Tochter von verstorbenen Rockstars, steinreich und masslös dekadent. Bis eines Tages ihr Vermögensverwalter Bob mit allem geld durchbrennt, Molly ihr Apartment verliert und arbeiten muss! Sie kriegt einen Job als Kindermädchen der verzogenen Ray (Dakota Fanning). Während das Kind seinem Alter voraus ist, sich nie amüsiert und unter allerlei Psychosen leidet, ist Molly ein Kind im Körper einer 22-Jährigen. Die beiden scheinen nicht zueinander zu passen ("Newsflash Mussolini!") ...

... freunden sich aber natürlich an. Da die beiden Schauspielerinnen so überzeugend sind, wird auch der voraussehbare Plot verdaubar. Die Nebenhandlung von Molly und dem Jung-Rocker Neal (Jesse Spencer) hat auch ihre Twists und geglückten Momente. Während die erste Elemente von "Clueless" aufnimmt, konzentriert sich die zweite auf emotionalere Momente. Auch diese getragen von den Akteuren. "Uptown Girls" ist kein innovativer Film, kein herausragender und keiner, über den es wirklich so viel zu sagen gibt. Aber er hat mich unterhalten und bewegt. Das reicht für eine moderate Empfehlung.

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Roger Ebert (USA) 3/4
imdb


View from the Top USA 2003
Komödie
Reviewed 25.10.03

Regie: Bruno Barreto
Mit: Gwyneth Paltrow, Christina Applegate, Mark Ruffalo, Candice Bergen, Mike Myers, Kelly Preston, Rob Lowe, Joshua Malina, Stacey Dash, Jon Polito

2001 wurde "View from the Top" abgedreht, doch die Verleihfirma Miramax glaubte nicht wirklich an den Film, für den Gwyneth Paltrow 10 Millionen Dollar Gage kassiert haben soll. Erst 2003 kam er ins Kino - und floppte. Tatsächlich ist die Komödie nicht besonders gut, aber auch nicht übel. Sie unterhält vor allem in der ersten Hälfte noch formidabel mit ein wenig Romantik, einigem Humor, Mike Myers mit Seh-Handicap und poppigem Soundtrack. Nichts besonderes, aber farbenfroher Fun. Leider wird das Ganze am Schluss komplett voraussehbar und die "Karriere oder Liebe"-Frage wartet am Horizont wie ein hungriger Geier. Wenns dann tatsächlich zu dieser ach-so-modernen Fragestellung kommt, ist die Antwort nicht kitschig, sondern plump. Schade, sonst hätte es wegen der sehr gefälligen Besetzung durchaus für 3 Sterne reichen können.

So wie der Film nun aussieht, muss man ihn nicht gesehen haben. Neben den oben erwähnten Amusements sind höchstens noch dei End Credits mit Outtakes und einer Neu-Interpretation des Songs "We Are Family" zu erwähnen. Ansonsten hat man die Komödie schnell vergessen. Bei ethaicd gibts die DVD in guter Qualität jedoch für gerade mal zwölf US$ - portofrei. Ich mach gerne Webung für die, denn die Produkte sind gut und günstig. Den Link findet ihr unten. Und diesen Betrag zahlt man für den Film noch ohne zu murren. Ging mir jedenfalls so ...

Bestellt die DVD hier.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2/4
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Werner - Gekotzt wird später! D 2003
Zeichentrickfilm
Reviewed 9.7.03

Regie: Michael Schaak
Buch: Rötger und Andi Feldmann

Oh Mann, hört doch endlich auf mit dem Scheiss! Der erste Werner war bis auf die Realszenen noch ganz witzig, der zweite dank dem Fehlen besagter Realszenen ebenfalls ganz nett, doch bereits mit "Werner - Volles Roää!!!" ging die Zeichentrick-"Kult"-Serie bachab. "Werner - Gekotzt wird später!" ist über weite Strecken noch eine Spur ungeniessbarer als der Vorgänger, doch dank ein paar netten Einfällen alles in allem nicht die übelste Folge der Serie. Bloss: das will nun echt nichts heissen ...

Der Start ist geglückt, denn das legendäre Werner-Fussballturnier aus dem ersten Film geht in die zweite, spektakuläre und rasante Halbzeit. Danach kommt der grosse Durchhänger und man schaut sich nur peinlich berührt im Kinosaal rum. Bin ich der einzige, der sich diesen Quatsch antut? Lachen oder weinen die anderen? Wann ist Pause? Ist die Wand frisch gestrichen? ... Ellenlang langweilt der Film mit dem Wählen eines Königs, unnötigen Nebencharakteren und dem Plattwalzen der Pointen. Manche ziehen sich so endlos dahin, dass selbst der Ansatz eines Lachers bald zu Tode getrampelt wird. Es wird wieder etwas besser, später wenn die Wernersens "on the road" sind, mit Haschisch die Schweiz durchqueren und endlich nach Korsika übersetzen. Der Film endet mit einer Deus ex machina - so wir sind in Korsika. Das wars, bis zum nächsten Mal.

Die Highlights? Da es so wenige sind, kann ich sie aufzählen: Röhrich ist doof wie immer und wie er den armen Hund tilgt, ist funny. Die vielen Tierchen am Strassenrand sind noch lustig. Und eben das Fussballspiel. Ach ja und Otto Sander als lakonischer Sprecher kriegt auch 'n Punkt. Das Negative? Och, ich fang einfach mal an: Das Ende, die Songs, dass die Wernersens den Film hindurch von Röhrich getrennt sind, die Handlung, die ständigen Königswahlen, dass das Eichhörnchen mit den beiden Bügeleisen so'n schwachen Kurzauftritt hat - und so weiter. Es wäre eine lange Aufzählung. Doch das Schlimmste ist wohl, dass niemand ausser eingefleischten Werner-Fans besonders viel lachen wird. Ich hab nicht gezählt, aber ich hab wohl etwa fünf mal gelacht und über mehrere Szenen geschmunzelt. Und damit war ich noch einer der Amüsiertesten im Saal. Das ist zu wenig. Ich hoffe, für Werner hat sichs ausgekesselt!

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What a Girl Wants USA 2003
Komödie
Reviewed 16.6.03

Regie: Dennie Gordon
Mit: Amanda Bynes, Colin Firth, Kelly Preston, Anna Chancellor, Oliver James, Jonathan Pryce, Tom Harper, Eileen Atkins

Ihr kennt diese Momente, wenn die Augen im Kino zur Decke wandern und man sich einredet, man habe die Szene, die gerade auf der Leinwand läuft, nicht gesehen? Wenn man lieber die Ventilatoren Im Saal anschaut, anstatt den verkrampften Dialogen zu lauschen? "What a Girl Wants" ist voller solcher Momente - und der Film ist ein famoses Beispiel dafür, dass charmante Akteure ein leckgeschlagenes Schiff manchmal aus dem Kitsch-Sumpf ziehen können. Na ja, fast. "What a Girl Wants" basiert auf "The Reluctant Debutante" (1958) mit Rex Harrison, könnte aber genausogut ein Remake der Disney-Komödie "The Princess Diaries" sein. Mit einem Schuss "Little Lord Fauntleroy".

Wo fangen die Klischees an? Die Aufzählung würde die ganze Kritik füllen. Aber es ist ja schon ziemlich vielsagend, wenn der Film beim ersten Anblick von London wieder "London Calling" einspielt. Sicher das vierte Mal innert einem Jahr (man erinnere sich u.a. an Die Another Day). Und dann gehts erst richtig los: Aufgerehte Amis vs. verklemmte Engländer, cute boyfriend, Glückskeksweisheiten, zugeknöpfter Brit-Adel, die beim ersten Anzeichen von Rhytmus mitzutanzen beginnen, arm=gut-Ideologien und so weiter. Genau auf den letzten Punkt möchte ich schnell eingehen, um zu zeigen, wie verlogen der Film ist. Aber zuerst die "Story": Dahpne (Nickelodeons Amanda Bynes, Big Fat Liar) erfährt, dass ihr Daddy (Colin Firth) in England ein Lord ist, verlässt ihre Hippie-Mamma (Kelly Preston) und reist von New York nach London, wo sie ihren Daddy besuchen will. Dort lernt sie unter anderem den niedlichen Iam (Oliver James) kennen, der sagt, er wäre auch Adeliger, aber er habe aber deren "Verlogenheit" durchschaut und sei seither lieber arm. Ok, das solls ja geben *hust*. Nun erzählt er aber auch noch, dass es besser ist, arm zu sein. So'n Müll kann sich nur jemand ausdenken, der niemals arm war. Es gibt so viele amerikanische (und übrigens auch indische) Filme, die Armut als Voraussetzung für ein reines Herz hinstellen. Arm sein ist moralisch wertvoll. Als ob diese Idee nickt schon beschissen genug wäre, sind die Helden zum Schluss des Films dann aber immer dennoch reich. Dann sind die Ideale plötzlich vergessen, denn wenns drauf ankommt, ist man halt doch lieber reich als arm. Wieso vorher grosse Reden über die Tugend der Armut schwingen und am Ende dann doch im Überfluss leben? Verlogen - und der Film ist voll mit solchen Dingen.

Die meisten werden in den kitschigen Glückskeks-Dialogen verbraten. Bis auf ein paar coole One-Liner der Oma ("No hugs dear, I'm British. We only show affection to dogs and horses") klingen die Dialoge im Stil von "It's not the crown that makes a queen, it's what it's in the heart". Gähn. Das ist selbst für einen Kinderfilm zu banal. Und wenn die Mamma in 17 Jahren keinen anderen Lover hatte (man bedenke: Sie war ein Kind der freien Liebe), wenn die Schwiegermutter mal wieder ganz böse ist und der cute Boyfriend eine Quell von Weisheiten (bloss dass Daphne als Lord-Tochter sich etwas anpassen muss, sieht er nicht ein) - dann sind das nicht Zutaten für ein Märchen sondern Elemente direkt aus einem Kitsch-Albtraum. Und dann wandern die Augen eben nach oben. Wieder und wieder. Wie angetönt, sind die Schauspieler charmant. Colin Firth ist wunderbar britisch, Kelly Preston süss, Oliver James eben wirklich cute - und Amanda Bynes ein richtiges Energiebündel, das bloss bei den Dialogszenen ziemlich Mühe hat. Aber das alles nützt nicht viel. Die Akteure helfen dem Film, von einem auf zwei Sterne aufgerundet zu werden, aber mehr nicht. Zu blöd das Drehbuch, zu heftig die Klischees, zu dumm die Dialoge, zu dick der verlogene Kitsch. Und das sagt jemand, der Kitsch eigentlich gern hat. Das sollte jedem eine Warnung sein ...

Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2/4
imdb


Wrong Turn USA 2003
Horrorfilm
Reviewed 11.7.03

Regie: Rob Schmidt
Produktion und Effekte: Stan Winston
Mit: Desmond Harrington, Eliza Dushku, Emmanuelle Chriqui, Jeremy Sisto, Lindy Booth, Julian Richings, Kevin Zegers, Garry Robbins

Eigentlich ist "Wrong Turn" ja ein schrecklich doofer Film. Die Dialoge sind schwach, die Spannung verhalten, die Akteure unbeholfen - aber der Horrorfilm hat etwas, was Filme dieses Genres in dieser Generation wenig haben: Er ist roh. Am Anfang wähnt man sich noch in einem Teenie-Slasher, in dem attraktive, verwöhnte Stadt-Twens zusammenkommen. Doch Rob Schmidt ("Crime and Punishment in Suburbia") macht das recht clever: Er wirft 2003-Boys und Girls in eine 1970er-Situation. "Wrong Turn" orientiert sich nämlich komplett an zwei Filmen aus dieser Dekade: An "Deliverance" und an "Texas Chainsaw Massacre". Die Idee, die im Zentrum steht, ist in beiden Filmen die selbe. Städter (arrogant, attraktiv, technikverliebt, selbstüberschätzend) geraten an eine ungebändigte Kraft, an Menschen, die nicht mehr rational reagieren, sondern nur töten. An Hinterwäldler eben.

"Wrong Turn" steigert die Idee. Die Städter sind eben noch typische 2003-Leute, die fast nicht in den Film passen wollen. Und auf der anderen Seite sind die Bösewichter nicht bloss Rednecks, sondern durch Inzest mutierte, kannibalistische Rednecks! Yihaaa! Und die machen den Film hindurch Jagd auf die Städter. Das ist eigentlich der Inhalt des Films. Entweder man will sowas sehen - oder eben nicht. Wer es will wird mit netten Hommagen an oben genannte 70's-Filme belohnt. So ist etwa die Szene, in der die jungen Leute das Haus der Hillbillys zum ersten mal betreten ganz ähnlich zu der, in der wir das Haus in "Texas Chainsaw Massacre" zum ersten Mal sehen. Unheimlich gefilmt, recht gruselig. Und die Rednecks sind nicht zimperlich - sie schlachten ihre "Beute" gnaddenlos ab. Ein paar heftige Mordszenen sind also inbegriffen. Die beste ist jene, als ein Girl mit einer Axt auf Mund-Höhe halbiert wird. Der obere Kopf-Teil bleibt auf der Axt liegen, der Rest des Körpers fällt hinunter. Die Szene ist aber nicht fertig. Man sieht noch die Pupillen langsam aufgehen. Dies ist der Moment, der mir in Horrorfilmen immer am meisten einfährt: Man merkt, für ein paar Hundertstel lebt die Person noch und merkt, was mit ihr passiert ist. Dies müssen wohl die grausigsten vorstellbaren Sekunden im Leben sein. Die wohl effektivste (neuere) solche Szene ist die Anfangssequenz in Ghost Ship.

Doch zurück zu "Wrong Turn". Und zurück zum Negativen. Er ist leider doch nicht so gut, wie er hätte sein können. Die Akteure sind schwach, ja sogar Eliza Dushku. Alle sind verdammt hübsch und leicht bekleidete Girls vor diesen monströsen Hinterwäldlern fliehen zu sehen, hat seinen Reiz. Aber alle spielen recht schlecht. Zudem hat Leading Man Desmond Harrington etwas wenig Charisma. Die Dialoge sind lapidar und, das ist wohl das grösste Problem, die Hinterwäldler sind lachhaft. Stan Winston steckte wohl viel Geld in die Masken, aber die Leute sehen aus wie Orks und ich konnte sie zu keiner Sekunde ernst nehmen. Hinterwäldler sind gut, Inzest ist gut, Kannibalen sind gut - doch hier wäre weniger wohl mehr gewesen. Wenn die drei killenden Hillbillys nicht überzeugen überzeugt auch der Film nicht. Und genau das passierte bei mir leider. Zudem ist das Finale nach den ersten Sekunden der Credits etwas hohl. Und noch etwas ganz Abwegiges: Wenn der Film schon keine Kompromisse einzugehen scheint und diese Hillbillys als mordende Ungetüme zeigt, wieso dann keine Vergewaltigung? Diese aufreizenden Girls, wecken die nicht den Fortpflanzungstrieb in den "Männern"? Es gibt nämlich keine Frau in diesem Trio, das sich gewohnt ist, zu nehmen, was es will. Wieso also nicht diese Girls schwängern, um den Hinterwäldler-Samen zu verbreiten? Einfach nur die Leute abhacken ist nämlich auf Dauer etwas billig. Ein Vergewaltigungs-Aspekt hätte den Film erst noch düsterer gemacht. Man denke nur an, ihr ahnt es, "Deliverance".

Alles in allem können sich Horrorfans auf "Wrong Turn" aber freuen. Gute Musik, tolle Morde, Verbeugungen vor "Texas Chainsaw Massacre" und "Deliverance", sexy Girls fliehen vor dreckigen Redneck-Mutanten - die Bevölkerung von West Virginia war jedenfalls erzürnt über den Film. Man liess verlauten, in West Virginia leben im Fall nicht nur inzestuöse Hinterwäldler. Ok, mag sein, aber nach diesem Film dürfte man jedenfalls seine Reiseroute durch die USA anders planen ...

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