Kill Bill - Volume 1 (2003)

Quick-Links: Cast & Crew - Einführung - Review - Volume 2 - Japanische Fassung

US-Start: 10. 10. 2003
CH-Start: 16. 10. 2003


Regie: Quentin Tarantino
Buch: Quentin Tarantino
Produktion: Quentin Tarantino, Lawrence Bender
Kamera: Robert Richardson
Musik: Lars Ulrich, RZA, Ennio Morricone
Cast: Uma Thurman, Lucy Liu, Daryl Hannah, David Carradine, Julie Dreyfus, Vivica A. Fox, Michael Madsen, Chiaki Kuriyama, Sonny Chiba, Gordon Liu
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Kritiken:
Roger Ebert (USA) 4/4 The movie is not about anything at all except the skill and humor of its making. It's kind of brilliant.
James Berardinelli (USA) 2½/4 An incomplete movie, artlessly cleft in the middle. Cinema interruptus
(c) Miramax

 

Endlich, nach 6 Jahren Wartezeit, kommt der neue Tarantino - dafür gleich im Doppelpack! Da der Film eine Lauflänge von 200 Minuten aufwies, hat Quentin ihn kurzerhand zweigeteilt. Volume 1 startet Ende 2003, Volume 2 dann Anfang 2004. Ob das heisst, mehr Tarantino oder doch nur mehr ausgeben für bloss einen Film, das wird sich zeigen. Die Vorzeichen stehen jedenfalls gut: "Kill Bill" dürfte ein mega-brutaler Film werden, worauf nicht nur eine Aussage von Lucy Liu hinweist, sondern auch der Umstand, dass Quentin das Werk nahe bei Battle Royale ansiedelt und sogar jemanden aus dem Cast dieses umstrittenen Brutalostreifens rekrutiert hat: Chiaki Kuriyama. Und wenn wir gerade bei Japan sind: Dort soll auch eine brutalere Version in die Kinos kommen, als in Amerika. Keine Ahnung, welche bei uns kommt - nach meinen Infos die "softe", aber die dürfte noch immer blutig genug sein ...


Review:

30.9.03

"Revenge is a dish best served cold". Ein Film, der mit einem "Star Trek"-Zitat beginnt (aus Wrath of Khan) kann ja schon mal nicht schlecht sein. Und "Kill Bill: Volume 1" geht in diesem Stil weiter: Filmzitat an Hommage an Retro-Chic. Tarantinos Rächer-Epos ist ein Werk für Filmfetischisten - wie mich. Die Geschichte ist schnell erzählt: Die Killer des "Deadly Viper Assassination Squads" attackieren die Hochzeit eines ehemaligen Mitglieds, töten alle vom Bräutigam bis zum Orgelspieler. Doch die Braut (Uma Thurman) überlebt, liegt vier Jahre im Koma und schwört danach eiskalte Rache. Ihr wichtigstes Ziel: Killer-Anführer Bill (David Carradine).

Obwohl nicht ganz chronologisch erzählt ist "Kill Bill: Volume 1" dank der einfachen Story klar gegliedert. Quentin macht sich aber einen Spass daraus, die Kapitel in verschiedenem Stil zu präsentieren, sie unterschiedlich einzuleiten und ein inszenatorisches Chaos heraufzubeschwören. Nach dem einführenden "Shaw Brothers"-Logo (eine Verbeugung vor dem 70er-Hong-Kong-Kino) und dem "Star Trek"-Zitat kommt erst eine sehr rohe Szene in schwarzweiss, die die vermeintlich letzten Sekunden der Braut zeigt, dann kommt gleich Opfer Nummer zwei (Vivica A. Fox) an die Reihe. Knall auf Knall. Die Rückblende, die Lucy Lius Kindheit zeigt, ist als extra-brutaler, aber stilistisch schlicht mitreissender und überraschend bewegender Anime konzipiert - mit der Musik eines Italo-Westerns. Der Stil-Mix in "Kill Bill" dürfte gar nicht funktionieren. Er widerspricht fast allen gängigen cineastischen Regeln. Doch er funktioniert. Und das ist Tarantinos Verdienst.

Der Mann hats einfach drauf. Er kennt Filme aus dem FF - und besonders eben das klassische Martial-Arts-Kino aus Hong Kong, die Kultfilme aus Japan, die Spaghetti-Western, die Gialli, die B-Pictures, die C-Pictures, die Splatter-Streifen. Quentin atmet Kultfilme, sagen seine Freunde, und das wird hier offensichtlich. Er ist nicht darauf aus, Kultur-Schreiber zu beglücken oder zu beweisen, wie genial er sein kann (hat er längst). Er lässt sich daür völlig gehen, fröhnt seiner Liebe fürs spezielle Kino, für Trash, Pulp und Blut. Und hat dabei einfach ungehörig viel Spass. Das färbte auf mich ab. Ich erkannte manchmal seine Quellen, manchmal nicht, aber ich sah in jedem Shot eine genial arrangierte Quentin-Welt, die zwar aus bereits Bekanntem besteht, aber durch Quentins Retro-Gehirn und queren Filmfreak-Geist zu etwas ganz Neuem wurde. Es gibt Szenen, bei denen stellten sich meine Härchen auf Armen und Nacken auf oder es überkam mich ein unkontrollierbares Kichern - vor Glück, dass ich so etwas arrangiert bekomme.

Wie gesagt, ich kenne nicht die Hälfte von den Filmen und Genres, die Tarantino hier zitiert. Ich bin durchaus bewandert im weltweiten (und besonders auch asiatischen) Kino, doch zu eingen Dingen, die QT anfasst, bin ich bisher nicht vorgedrungen. So ist mein Wissen über die Shaw-Filme nicht superb, obwohl ich ein gutes Dutzend ihrer Streifen gesehen habe. Mit Giallis (italienische Krmis der 70er) kann ich sehr wenig anfangen. Doch durch Quentins Kamera finde ich den Zugang und erfreue mich daran. Dann gibt es die Dinge, die ich kenne: Die Filme Kinji Fukasakus (etwa Battle Without Honor and Humanity und Yagyu Conspiracy) werden beigezogen, Anime werden zitiert, Seijun Suzukis Tokyo Drifter und Tattooed Life wird mit dem Pulp-Stil Tribut gezollt, die TV-Serie "Kung Fu" wird nicht nur mit der Anwesenheit von David Carradine geehrt, Takashi Miikes Exploitation-Kino wird beigezogen, die "Godzilla"-Kulisse von Toyko wird für den Anflug auf Tokyo verwendet, Sonny Chiba (hat selbst einen coolen Auftritt als Schwertmacher) und seine Filme, vor allem seine "Streetfighter"-Filme, werden gehuldigt, John Woo bleibt nicht auf der Strecke, Bruce Lees gelber Anzug aus Game of Death wird von Uma getragen und gegen die 88 kämpft sie ähnlich wie Bruce in Fist of Fury und dann eben noch etliche Zitate aus Spaghetti-Western. Diese sind zwar ästhetisch sichtbar, mehr aber noch akustisch. Doch am allermeisten klaut QT von Lady Snowblood. Dieser japanische Rächerfilm von 1973 hat fast alles: Kapitelunterteilung, eine Frau auf Rachetrip, ein Finale bei Schneefall, eine Todesliste, Zeichentrick-Rückblenden, schwarzweiss-Sequenzen und das wunderschön-traurige Titellied "The Flower of Carnage", das QT am Ende einsetzt!

Und das bringt mich zur Musik. Die ist genial, nein perfekt! Sie ersetzt beinahe den Schnitt, denn man merkt, dass QT den Rhytmus, ja sogar die Story des Films durch Musik vorgibt. Schon der fantastische Eröffnungssong "Bang Bang" von Nancy Sinatra versetzt einen in die richtige Stimmung, dann darf Daryl Hannah Bernard Herrmanns Tunes von "Twisting Nerve" (1968) pfeifen, während dem Anime läuft "The Grand Duel" (1972), das wunderschöne Stück "The Lonely Shepherd" von Panflöten-Virtuose Zamfir ist dabei, eines aus "Truck Turner". Dazu noch japanische Songs und grelle HK-Tunes. Allein schon der Quincy-Jones-Track von "Ironside", der eingespielt wird, wenn in der Braut die Wut und Erinnerung aufsteigt (und das Bild in grellem Gelb-Orange erstarrt) ist blendend - die Idee stammt aus dem Martial-Arts-Kultfilm 5 Fingers of Death. Weitere Highlights sind etwa der poppige Remix von "Don't Let Me Be Misunderstood" zum finalen Kampf Lucy Liu / Uma Thurman (wahnsinnig schön und poetisch gefilmt) - wieder eine ungewöhnliche Mischung - und dann der Song aus dem Trailer aus dem Yakuza-Streifen "Another Battle" . Man sieht nur, wie Lucy mit ihrer Gang durch den Gang läuft. Dazu diese Musik - und der Effekt ist atemberaubend. Mir wurde warm ums Herz, da war es wieder, dieses Grinsen. Tarantino, danke!

Um wieder auf die technische Ebene zurückzukehren: "Kill Bill" ist stets over the top. Visuell, akustisch, Dialog-mässig. Und die Schauspieler machen voll mit. Das ist auch der richtige Weg. Nicht subtil, sondern auffahren mit Kult, Retro und Pathos. Eintauchen in QTs Movie-Welt. Uma Thurman ist dabei der beste Leitfaden, den man haben kann. Sie ist brillant. Ebenso genial Lucy Liu. Wenn sie auftaucht strahlt die Leinwand. Ich liebe sie. Und da "Kill Bill: Volume 1" fast ausschliesslich ein Frauen-dominierter Film ist überzeugen auch die diabolische Daryl Hannah und die sadistische Chiaki Kuriyama aus Fukasakus Battle Royale als Go Go. Ihnen allen will man viel länger zuschauen. Doch der Film dauert nur 90 Minuten. Gegen Ende kommt der schon legendäre Fight zwischen Uma und den Crazy 88 Fighters von Lucy Liu. Da fliegen Beine weg und Köpfe ab. Ein Samurai-Kampf war nie blutiger. Choreografiert von "Matrix"-Meister Woo-ping Yuen, unter anderem inspiriert vom ersten Kampf in Fist of Fury sowie vom irren Finale von Tattooed Life bzw. dem modernen Update Samurai Fiction und bis ins Detail einstudiert von Tarantino ist dieses herrliche Blutbad nichts für sanfte Gemüter und bringt den Puls auf 180. Danach folgt das Finale, der Anfang der Credits und ein Cliffhanger mit einem Dialog von David Carradine. Man bleibt nicht in der Luft hängen wie bei The Matrix Reloaded, aber man kann Februar 2004 dennoch nicht erwarten. QT meinte, er wollte zwei Filme, weil er ja einen Grindhouse-Film machen wollte, einen dieser Filme, die typischerweise in Drive-Ins laufen. Und die sind nie länger als 90 Minuten - ein 200-Minuten-Grindhouse-Epos sei ein Widerspruch in sich. Das ist ja okay, aber ein Filmfreak will mehr. Drei Stunden Laufzeit wären völlig okay. So kann ich den Film nicht besser bewerten - obwohl ich ihm gerne 4½ Sterne geben will. "Volume 2" ist so ein integraler Bestandteil dieses Films, dass ich ihn erst gesehen haben muss. Ich will ihn sehen - und ärgerte mich wirklich, dass der Film in zwei Teilen kommt.

Seis drum, "Volume 1" ist ein Fest für Filmfreaks. Der Film ist ein zusammengeklautes Chaos und doch mit jeder Faser ein Tarantino-Film. Vielleicht der, der den Vorlieben des Regisseurs am nächsten kommt, denn er liebt diese Filme. Und das merkt man. Toll gespielt, frenetische Action, dazwischen pathetische bis meditative Dialoge, viel Humor, noch viel viel mehr Blut und Coolness um einen Swimming Pool zu gefrieren: "Kill Bill" ist Kult für alle, die Kino nicht nur lieben, sondern es zum Leben brauchen. Als Vorbereitung sah Quentin jeden Tag 1-2 Filme aus Asien. Das tu ich seit langer Zeit auch. Also fühle ich mich eh seelenverwandt. "Kill Bill" ist ein Film von ihm für sich, für mich - und hoffentlich für euch. Denn wenn ihr mitgeht und mitfiebert, habt ihr eine wunderbare Zeit. Alle anderen tun mir etwas leid ...

Anhang, April 2004: Nachdem ich nun den zweiten Teil gesehen habe, wächst meine Verehrung für den ersten. Die 4½ Sterne kriegt er nun. Zusammen sind sie eine Wucht, einzeln ist Teil eins ein wenig besser ... mehr dazu in der Kritik von Kill Bill, Volume 2

 

Hier gibts einen kleinen Guide zu den Filmen, die zitiert werden und im HKFLIX-Shop bestellt werden können: http://www.hkflix.com/coupons/hkflix_03-10-10/ - und hier gibts ein ausführliches Interview mit QT zum Thema "kopierte Filme": http://www.japattack.com/japattack/film/tarantino.html

Falls ich einen gesehen habe, hier der Link zur Kritik:
Lady Snowblood - Racheplot, Titellied, gezeichnete Rückblenden, Kapitelstruktur, Todesliste ... und mehr.
36th Chamber of Shaolin - Gordon Liu, Ausbildung
5 Fingers of Death - Einer von QTs Lieblingsfilmen. Setzte auch das "Ironside"-Thema bei Rache-Akten ein.
Five Deadly Venoms - Deadly Viper Squad
Samurai Fiction - Leuchtende Wände beim Schwertkampf
Tattooed Life - Leuchtende Wände beim Schwertkampf
Battle Royale - Gogos Messerstich

Wrath of Khan - Zitat am Anfang
Female Prisoner #701: Scorpion - Das von Meiko Kaji gesungene Titellied "Urami Bushi".
Battle Without Honor and Humanity - Musik und Yakuza
Yagyu Conspiracy - Zitat "wenn Gott dir in die Quere kommt, töte ihn". Und Musik.
Goke, Body Snatcher from Hell - Anflug bei glutrotem Himmel

Tokyo Drifter
Shogun Assassin
Ichi the Killer
Executioners from Shaolin - "Pai Mei"-Charakter, wichtiger in "Kill Bill Volume 2"
Rainy Dog - Die "I'll be waiting"-Rede der Braut in Vernita Greens Haus.
"From Dusk Till Dawn" - Michael Parks' Rolle

... und soooo viele mehr.

 

Nachtrag zur japanischen Fassung (28.4.04)

Die meisten wissen, dass das Gemetzel der 88 in der japanischen Fassung in Farbe ist. Doch das ist bei weitem nicht die einzige Änderung. Schon am Anfang ist einiges anders. So erscheint nach dem Shaw-Brothers-Logo eine Widmung, die da heisst: "This film is dedicated to master filmmaker Kinji Fukasaku (1930-2003)". Sehr schön, doch dann wurde mir schmerzlich bewusst, dass dafür das "Star Trek"-Zitat "Revenge is a dish best served cold" fehlt.

Die Anime-Sequenz ist um ein paar Sekunden länger, ein paar Einstellungen beim Kampf gegen Vivica A. Fox sind anders. Dann kommt "Chapter 5", der "Showdown at House of Blue Leaves" (Kapitel 18 auf der DVD). Und der ist nicht mehr Schawarzweiss. Ehrlich gesagt, mir gefiel der alte Trick. Sobald das Auge rausgerissen wird, wechselt das Bild auf Schwarzweiss - sieht einfach hübsch aus. Doch nun das Gemetzel im ganzen Ausmass zu sehen, ist nicht minder eindrücklich! Es sprüht, es spritzt, es läuft. Blut in allerschönstem rot. Gewisse Details fallen einem so viel besser auf - etwa, dass Uma einem Angreifer den Mund aufschneidet, eine kleine Hommage an Ichi the Killer!

Die ganze Sequenz ist auch etwas länger. So ist mir u.a. eine kurze Szene aufgefallen, in der Uma den jungen Yakuza nicht aufschlitzt und ihn in die Menge wirft. Jenen Yakuza, den sie später mit den Worten "go home to your mother" wegschickt. Dafür blinzelt Uma am Schluss der Sequenz nicht mehr - gibt ja keinen Grund, weil die Farbe nicht wechselt.

Gegen Ende hat Uma ihr französisches Opfer Sophie im Kofferraum und meint, sie schneide ihr Dinge ab, die sie brauche. In der internationalen Fassung schreit sie "give me your arm" - und cut. In der japanischen geht die Kamera zu Sophie und wir sehen, wie Uma ihr den zweiten Arm abschneidet und ausreisst. Autsch!

Fazit? Beide Fassungen haben ihre Berechtigung. Künstlerisch ist mir die internationale fast lieber. Doch den Gore-Fan in mir fasziniert die rund eine Minute längere japanische natürlich auch. Nur das Fehlen des Trek-Zitats tut weh.


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