Solaris (2002)

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US-Start: 27.11.2002
CH-Start: 06.03.2003

Regie & Buch

Steven Soderbergh - Ocean's Eleven, Traffic, Erin Brockovich, Full Frontal
nach einem Roman von Stanislav Lem
Produktion James Cameron - Titanic, Aliens, Terminator I + II, The Abyss, True Lies
Darsteller George Clooney
Natas
cha McElhone
Jeremy Davies
Ocean's Eleven, Out of Sight, The Perfect Storm
Ronin, Truman Show, Killing Me Softly
Saving Private Ryan, Twister, Dogville
Links imdb, upcomingmovies.com
Verleih / © 20th Century Fox
Bewertung
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Andere Stimmen Roger Ebert (USA) 3½/4 ... it pays full attention to the ideas and doesn't compromise.
James Berardinelli (USA) 3/4 ... This is the first film I have seen in a long time to make me feel some of the things I experienced while watching 2001.


Stanislav Lems "Solaris" ist eines der grossen Werke der Sci-Fi-Literatur. Andrej Tarkovskis Film-Adaption ist für viele ein Meisterwerk des Kinos und eine Art russische Antwort auf Kubricks "2001 - A Space Odyssey". Ich persönlich war minim enttäuscht und würde das Werk eher als "Ingmar Bergman im Weltall" bezeichnen. Egal was, "Solaris" ist definitiv ein Klassiker. Also wer zum Teufel würde sich an eine Neu-Interpretation wagen? Niemand Geringeres als "Mr. Titanic" James Cameron. Jahrelang verfolgte er dieses Projekt, doch nie wurde etwas daraus. Dann, beinahe über Nacht, hiess es, Camerons Lighstorm Enterntainment Produktionsgesellschaft habe grünes Licht gegeben - doch nicht mit Cameron als Regisseur, sondern unter Hollywoods neuem Wunderkind: Steven Soderbergh! Seit "Out of Sight" schwimmt der Independent-Regisseur mit der markanten Hornbrille auf der Erfolgswelle. Er drehte Clooneys besten Film ("Out of Sight"), er brachte mit "Erin Brockovich" den ersten "Oscar" für Julia Roberts, er holte selbst "Oscars" für "Traffic" und er sprengte Kassenrekorde mit dem Star-Vehikel "Ocean's Eleven".

Für die Hauptrolle verpflichtete Soderbergh einmal mehr George Clooney, was die dritte Zusammenarbeit der beiden markiert. Die Darstellerliste wird ziemlich kurz bleiben, denn "Solaris" hat nur wenige Rollen. Auch das Drehbuch ist mit 75 Seiten sehr kurz. Warten wir also mal ab, ob Soderbergh den Film tatsächlich im Dezember 2002 bereits fertig hat. Im Sommer liefert er erst einmal seine dritte Zusammenarbeit mit Julia Roberts ab: Full Frontal. Der Mann ist ein Arbeitstier ...

Wie nicht anders erwartet hat Fox Mitte Mai angekündigt, dass "Solaris" vom 13.12.02 auf Sommer 2003 verschoben wird. Schade. Oder doch nicht? Der Teaser-Trailer (hier) verspricht wieder den 13.12.! Es kommt noch besser: Am 29. Juli verkündeten Fox und James Cameron, da die Post Production von "Solaris" überraschend schnell abgeschlossen war, wird der Start auf 27.11. vorverlegt!

Erste Reviews tröpfeln Mitte August ins Web. Die Tendenz ist eher positiv, während die negativen Kritiken den Film als "langweilig" und "spirituell" oder "eigentlich gar kein Sci-Fi-Film" bezeichnen. Also etwa so, wie Tarkovskis Original? Harhar. Im Ernst: Ich denke, der Film wird genial - aber sicher nichts fürs "Independence Day"-Publikum.

Die offizielle Website ging Ende Oktober online. Hier ein paar Bilder:

Das Startwochenende an Thanksgiving war für "Solaris" eine Katastrophe: 9.4 Millionen in 5 Tagen. Viele Kritiker fanden das Werk genial, doch ebensoviele lehnten es komplett ab - und das Publikum folgte den letzteren. Es gab etliche Walkouts (Leute verlassen das Kino) und ein erbärmliches Cinemascore (Abstimmung nach Verlassen des Kinos) "F". Das deutet darauf hin, dass "Solaris" wohl kein Massen-Film ist, sondern wahrlich Arthouse-Kino.


Review

Steven Soderberghs Neu-Interpretation von Stanislav Lems Kultbuch ist ein Werk, das in Trance versetzt. "Der letzte Tango im Weltall" mit einem Touch Kubrick (v. a. "2001" und "Eyes Wide Shut") und einer Prise Bergman - ein höchst faszinierendes Sci-Fi-Liebesdrama, das die einen frustriert langweilen wird und die anderen ihn als einen der stimulierendsten Filme des Jahres feiern lassen wird. Ich jedenfalls fand diese Interpretation sogar noch besser als jene von Tarkovski. Soderbergh nimmt sich weniger lang Zeit (94 Minuten) und ist darum gezwungen, allen Ballast abzuwerfen und sich voll auf die Beziehung von George Clooney und Natascha McElhone zu konzentrieren. Clooney spielt den Psychiater Kelvin, der auf einer Raumstation, die um den Planeten Solaris kreist, auf seine tote Frau Rheya trifft. Ist sie real? Wenn nicht, was soll er mit ihr machen?

Die Anzahl der philosophischen oder moralischen Fragen, die "Solaris" aus dieser Ausgangslage saugt, ist enorm. Ich werfe einfach mal ein paar in die Runde: Was zeichent einen lebenden Menschen aus? Kann man Fehler der Vergangenheit korrigieren? Was passiert nach dem Tod? Darf man eine Fantasie leben, weil sie schöner ist? Was ist real? Was ist Liebe? Soderbergh präsentiert diese Fragen beinahe auf dem Tablett. Das Clevere an "Solaris" ist, dass die Dialoge und die Story nicht wirklich so kompliziert sind - der Anspruch des Films entsteht erst, wenn man das Gesehene interpretiert. Die Dialoge zum Beispiel sind zu 90% furchtbar banal. Klar wird einmal hochstehend über die Existenz Gottes diskutiert, aber im Normalfall reden die Leute wie aneinander vorbei oder führen Konversationen im Stil von "was passiert hier?" "ich weiss es nicht". Soderbergh führt uns etwas mehr durch das philosophische Dickicht, als Tarkovski es bei seiner Version tat, aber er überlässt das Denken letztendlich immer noch uns.

Dass an "Solaris" nicht alles nur Hirn ist, beweist eine Assage von Autor Stanislav Lem: Er meint, Soderberghs Solaris habe zuviel Herz und zu wenig Hirn. Letzteres stimmt nicht - und ersteres finde ich, ist ein Vorteil. Kelvin und Rheya stehen immer im Mittelpunkt, ihre Liebe ist absolut zentrales Thema. Soderbergh seziert die "Szenen einer Ehe" (->Bergman) durch Episoden voller Leidenschaft (->Bertoluccis Last Tango) und solche von inszenatorischer Kälte (->Kubrick). Die ersten 30 Minuten sind bereits unglaublich eindrücklich. Die spährische Musik, der hypnotisch langsame Schnitt und der Mangel an Dialogen versetzen uns im Geist näher an Solaris, als dass es viele Bilder vom Planeten tun würden. Und wenn wir den Planeten dann endlich sehen, liefert uns Soderbergh mit der Effekt-Power seines Produzenten James Cameron eine der schönsten Weltraumszenen überhaupt. Das Andocken wird zelebriert wie seit "2001" nicht mehr und darunter der geheimnisvolle Planet, der ein bisschen aussieht wie eine Eizelle - was ist es? Ein Gott? Ein Lebewesen? Fragen über Fragen - doch letztendlich ist das Motto, wie es ein Charakter einmal darlegt "There are no answers, only choices".

Technisch ist "Solaris" also erste Sahne. Er benötigt Geduld wegen seiner langsamen, aber extrem starken Inszenierung, aber es zahlt sich alles aus. Und auch schauspielerisch ist "Solaris" top. George Clooney gibt eine der besten Performances seiner Karriere. Er lässt seine üblichen Ticks und Macken meist beiseite und kehrt sein Innerstes nach Aussen. Der Unterschied zu Marlon Brando in "Last Tango in Paris" ist gar nicht so gross. Wie befreit Clooney spielt, zeigt auch der Umstand, dass er zweimal seinen Po zeigt - was in den Medien lang und breit geschlagen wurde und die MPAA dazu brachte, von Soderbergh Kürzungen zu verlangen. Idioten. Was ist gegen dieses bisschen Haut einzuwenden? Die improvisierten Szenen, in denen Rheya und Kelvin nackt sind, sind extrem wichtig, damit wir die anfängliche Leidenschaft ihrer Beziehung verstehen. Auf "Solaris" weicht die Leidenschaft der Verzweiflung, der Hoffnung, der Angst - ach, allen Gefühlen, die man sich ausdenken kann. Dabei ist es essenziell, dass Clooney und McElhone gut harmonieren und gut spielen. Oh ja, das tun sie.

Was soll man noch mehr sagen? Bringt den Mut auf, euch in eine Trance führen zu lassen. Vergesst für einmal Laserkanonen und Aliens und gebt euch einem Kammerspiel im Weltall hin. Mag sein, dass ihr den Film danach hasst (ich möchte das nicht mal werten - alle die behaupten, jemand sei dumm, weil er "Solaris" nicht zu schätzen weiss, sind selbstherrliche Ignoranten), aber wenn nicht, bin ich glücklich, dass ihr den gleichen emotionalen Zugang gefunden habt, wie ich. Ich bin nicht "stolz", dass ich auf Soderbergs Welle mitgeschwungen habe oder dass ich seine Vision "kappiert" habe, vielmehr bin ich froh - denn so kam ich zu einem Kinoerlebniss, das ich so schnell nicht vergessen werde.

Zum Schluss noch ein paar Spoiler, für die, die den Film gesehen haben. Es geht um das Ende. Ich bin mir heute noch nicht ganz sicher, wie ich es interpretieren soll. Kelvin ging zurück ins Raumschiff, seine Kopie landete auf der Erde. Das ist die einfache Variante. Die zweite ist, dass Kelvin im Raumschiff blieb und nun in/auf Solaris lebt. Real oder als "Klon"? Dass die Wunde heilt, deutet auf einen Klon hin, aber das kann auch von Solaris konstruiert werden. Die letzte Variante ist, dass Kelvin schon viel vorher starb. Die vielen Pillen neben seinem Bett, das Schwitzen etc. - ich dachte echt, er habe Selbstmord begangen. Das Problem dabei ist, dass dann der Kelvin am Schluss ein Klon sein muss. Der bleib auf der Station, flog also nicht zur Erde. Dann muss der Klon tatsächlich in/auf Solaris sein. Wie auch immer, ich verzettle mich etwas. Der Schluss ist auf jeden Fall reizvoll in einer "Sixth Sense"-mässigen Art. Er ist tot, lebt aber as Klon seiner selbst weiter, wie auch all die anderen "Geister" auf Solaris. Das einzige winzige Problem, dass ich mit dem Schluss hatte, ist, wieso Kelvin wieder zurück auf die Station geht. Er wusste, die Station wird angesaugt. Es ist nicht 100% glaubwürdig, dass er auf der Station zurückbleiben würde - v.a., da wir nie erfahren, wass er davon erwartet, zu bleiben.

So, papperlapapp, geiler Film :)

Und ein später Nachtrag (Mann das hört ja nie auf:) .... wer den coolen Audiokommentar von Soderbergh und Cameron auf der DVD hört, weiss, dass Clooney zurückging auf die Station. Seine Szenen auf der "Erde" sind in Wahrheit Szenen auf Solaris. Er ist quasi im Himmel - bei seiner Frau. Ob er tot ist oder nicht, ist egal. Er stirbt wohl, als die Station angesaugt wird und tritt in dem Moment in die Solaris-Welt über, als er die Hand des Kindes ergreift. Der Audiokommentar ist wirklich empfehlenswert!



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