Selected Reviews 2004 (A-N)


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Ich habe weder Platz noch Zeit, allen Filmen eine eigene Seite zu widmen. Andererseits sind Ein-Satz-Kritiken für viele Filme auch wieder zu schade. Deshalb hier, für ein paar ausgewählte Filme, mittellange Kritiken. Achtung: Warten, bis die Seite ganz geladen ist. Lange Wartezeit.

 

Die Filme:
9 Songs, 13 Going on 30, 50 First Dates
After the Sunset, Along Came Polly, Around the World in 80 Days
Before Sunset, Birth, Bridget Jones: The Edge of Reason, The Butterfly Effect
The Calcium Kid, Catch That Kid, Cellular, Closer, Collateral
Dawn of the Dead, De-Lovely, Derrick, Dirty Shame, Dodgeball: A True Underdog Story
Eros, Eurotrip
Fahrenheit 9/11, Finding Neverland
Garfield: The Movie, Germanikus, The Girl Next Door, The Grudge
Hellboy, Hidalgo, A Hole in My Heart, A Home at the End of the World, Home on the Range
I Heart Huckabees, Immortel (ad vivam), In My Country
Jersey Girl
Kinsey
Ladder 49, The Ladykillers, Life Aquatic With Steve Zissou
The Machinist, La mala educación, The Manchurian Candidate, Mean Creek, Mean Girls, Meet the Fockers, Million Dollar Baby, Millions, Mysterious Skin
The Notebook
A Piece of My Heart, The Prince and Me, The Punisher
Ray, Resident Evil: Apocalypse, Les rivières pourpres 2: Les anges de l'apocalypse
Saved!, Saw, Scooby-Doo 2: Monsters Unleashed, The Secret Window, Shall We Dance?, Shaun of the Dead, Sideways
Spanglish, Starship Troopers 2: Hero of the Federation, Starsky & Hutch, The Stepford Wives, Strähl

Taking Lives, Temporada de pacos, (T)Raumschiff Surprise - Periode 1, Two Brothers
Der Untergang
Vanity Fair
Walking Tall, Wild Things 2, Win a Date With Tad Hamilton!, Der Wixxer

 


9 Songs GB 2004
Sexdrama
Reviewed 31.3.05

Regie, Buch, Schnitt: Michael Winterbottom
Mit: Kieran O'Brien, Margot Stilley, Black Rebel Motorcycle Club, The Von Bondies, Elbow, Primal Scream, The Dandy Warhols, Super Furry Animals, Franz Ferdinand, Michael Nyman

Der Unterschied zwischen Pornografie und "9 Songs"? Ein Porno macht Spass. Genau darauf verzichtet der britische Regisseur Michael Winterbottom ("Jude", "Welcome to Sarajevo") aber ganz bewusst. Denn sein Streifen soll kein Porno sein, keine Stimulation bieten, schliesslich geht "9 Songs" als Kunstfilm durch. Die britischen Zensurbehörden liessen sich überzeugen und gaben zum ersten Mal einen Film mit Hardcore-Sequenzen für eine Mainstream-Auswertung frei. Gelohnt hat sich dieser revolutionäre Akt nicht, denn Winterbottoms Film ist prätentiöser, langweiliger Quatsch. Ficken, Blasen, Lecken, Abspritzen. Ja, so profan sollte man es ausdrücken, denn bei aller Beteuerung des Verleihs und von Winterbottom ist der Film nicht viel anderes als ein künstlerisch verbrämter Porno, bei dems nur um die explizite Darstellung von Sex geht. Dagegen hätte ich ja nichts einzuwenden. Aber das Aneinanderreihen von Sexszenen macht noch keinen guten Film. Selbst wenn der Scheiss nur 69 Minuten dauert. Diese Lauflänge birgt noch den besten Lacher.

"9 Songs" erzählt von Matt (Kieran O'Brien) und Lisa (Margot Stilley). Die zwei lernen sich an einem Konzert kennen und schlafen fortan bei jeder Gelegenheit miteinander. Sie besuchen weitere Konzerte, die die titelgebende Rahmenhandlung abliefern. Dazwischen mehr Sex und immer expliziterer Sex. Bis hin zu einem ziemlich saftigen Cumshot von Matt. Erst wenn man den Film auf diese Einzelteilchen reduziert, erkennt man, wie belanglos er ist. Der Background von Matt ist lausig - er ist Brite und Ingenieur und erzählt die Ereignisse rückblickend aus der Antarktis. Wieso? Damit er ein paar geschwollene Frauen- und Beziehungsmetaphern einbauen kann. Sie ist Amerikanerin, macht ein wenig Fesselsex und versuchts mal mit ein wenig lesbischen Befingern. Dann darf sie einen Vibrator benutzen, dessen Summen fast noch einschläfernder ist als der Film selbst.

Ist die Sache kontrovers? Nein, wieso auch. Aber sie ist unangenehm. Das Zielpublikum für diesen Streifen sind schliesslich Kunstprofessoren und Hobby-Esotherikerinnen und die will ich nicht mit Sex assoziieren. Ist die Sache sexy? Bisweilen schon. Das 21-jährige Model Margot Stilley, das nach dem Film den Namen zurückziehen wollte, gibt sich schön sinnlich, Bühnendarsteller O'Brien zeigt erfrischend offen seine Männlichkeit. Aber auch das hat man nach ein paar Minuten dann mal satt. Dann ist egal, ob der Film sexy ist, ob er kontrovers ist und gute Musik hat (bei Letzterem bin ich mir bei diesen faden Live-Performances nicht einmal sicher). Dann soll Substanz her! Nicht Surren von Vibratoren, nicht dämliche Antarktis-Metaphern, improvisierte Dada-Dialoge oder Flutsch-Geräusche beim Eindringen. Eigentlich ist der Film derart lächerlich, dass er als Parodie all dieser lustkillenden französischen Erotik-Dramen durchgehen würde - doch darauf legt es Winterbottom ja nicht ab. Worauf sonst, ist zwar auch schwer zu sagen.

Letztendlich ist es wohl schon die Kontroverse. Wie weit kann ich mich wagen? Was kann ich zeigen? Er zeigt alles und es ist Pornografie. Vielleicht ausgeglichere, schön gefilmte und nicht per se Männer-dominierte Pornografie - aber trotzdem Pornografie. Dafür braucht sich auch gar niemand zu schämen. Doch leider ist es weder gute Pornografie noch gutes Kunstkino. Und deshalb lohnt es sich, diesen amateurhaften Ramsch zu verreissen. Nach derartigen körnigen Bildern, der schmuddleigen Beleuchtung und dem ganzen Lecken und Saften will man erst einmal duschen. Kalt.

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BBC (GB) 1/5
imdb


13 Going on 30 USA 2004
Liebeskomödie
Reviewed 2.9.04

Regie: Gary Winick
Mit: Jennifer Garner, Mark Ruffalo, Judy Greer, Andy Serkis, Kathy Baker, Samuel Ball, Christa B. Allen

Die 13-jährige Jenna wünscht sich nichts mehr, als 30, schön und erfolgreich zu sein. Dank "Wunderstaub" geht ihr Wunsch in Erfüllung und sie ist schön, erfolgreich - oder anders gesagt: sie ist Jennifer Garner. Doch sie muss entdecken, dass sie als 30-Jährige eine fiese Schlampe ist und ihren besten Freund (Mark Ruffalo) verloren hat. Sie geht durch all die Rituale, die Tom Hanks in "Big" durchmachen musste, nur um zum Schluss zu den voraussehbaren Erkenntnissen zu kommen. Der Weg dahin ist leider viel zu langweilig. Dass Body-Switch-Komödien spassig sein können, haben "Big" und das "Freaky Friday"-Remake bewiesen. "13 Going in 30" kann mit diesen beiden nicht mithalten, obwohl Jennifer Garner extrem charmant ist.

Es fehlt an Innovation, Tiefgang und Witz. Vor allem der Mittelteil ist langweilig. Wenn Jenna dann die Ideen vorstellt, um das Modemagazin, bei dem sie arbeitet, wieder in Schwung zu kommen, kommen jemandem wie mir, der in diesem Business arbeitet, die Tränen. Die naive Vorstellung, dass eine solche Idee ankommt und dass alle applaudieren, ist zu schön, um wahr zu sein. Zu kitschig. Das ist umso bedauerlicher, weil Regisseur Gary Winick zuvor mit "Tadpole" einen in meinen Augen ungemein cleveren und spritzigen Film gedreht hat. Wie er diesmal dermassen auf Nummer sicher geht, ist traurig. Kommt dazu, dass Mark Ruffalo als männlicher Hauptdarsteller schlicht eine Schlaftablette ist.

"13 Going on 30" ist nicht ganz übel, was primär an Jennifer Garner liegt. Sie ist selbst dann charmant, wenn sie gar nichts tut. Und in ihr steckt tatsächlich manchmal die 13-Jährige. Mit Tom Hanks kann sie nicht ganz mithalten, aber sie hat die selben Vibes. Leider ist das Drumherum eben zu formelhaft, zu abgehalftert. Das reicht für seichtes Entertainment, aber nicht für einen wirklich guten Film.

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 3/5
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50 First Dates USA 2004
Liebeskomödie
Reviewed 22.3.04

Regie: Peter Segal
Produktion: Adam Sandler, Drew Barrymore (uncredited) u.a.
Executive Producer: Jay Roach u.a.
Mit: Adam Sandler, Drew Barrymore, Rob Schneider, Sean Astin, Blake Clark, Lusia Strus, Dan Aykroyd, Amy Hill, Alan Covert

Eine durch und durch sympathische Adam-Sandler-Komödie. Das sieht man doch nicht alle Tage, oder? Bis auf den schrägen Punch-Drunk Love kann ich mit Sandlers Filmen wenig anfangen. Ich hasse den Kerl, wenn er seine cholerischen Anfälle hat und ich finde ihn oft schlicht nicht witzig. Der letztjährige Anger Management war ein Schritt in die richtige Richtung. Und dessen Regisseur Peter Segal ist zurück - und liefert Sandlers bisher vielleicht beste Komödie ab. Charmant, amüsant und dennoch nie ganz korrekt. Ein Mix, der komplett aufgeht. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass Sandler und Co-Star Drew Barrymore bereits beim fast genauso guten "The Wedding Singer" zusammen trainieren konnten und nun viel Charme zusammen entwickeln.

Dabei beginnt alles relativ eklig. Ein kotzendes Walross, Dialoge über Walross-Pimmel, ein Frau-Schrägstrich-Mann namens Alexa, dessen geschlechtliche Zugehörigkeit im ganzen Film nie geklärt wird und Möglichkeiten für homophobe Gags liefert, ein rassistoider Auftritt von Rob Schneider ... doch sobald die Handlung in Schwung kommt, schaut man darüber hinweg. Ja einige dieser Elemente werden sogar plötzlich lustig. Vor allem Rob Schneider - oder besser gesagt die Szene, in der Drew den Kerl mit einem Baseballschläger fast kaputt schlägt. Na sowas wünscht sich der geneigte Kinogänger doch schon lange, oder?

Drew spielt Lucy, eine hübsche Blondine, die mit ihren Waffeln gerne Häuschen baut. Das fällt dem Meeresbiologen Henry Roth (Adam Sandler) auf, dem führenden Casanova von Hawaii, der bekannt dafür ist, seine One Night Stands mit irren Lügen wieder loszuwerden. Lucy beisst bei ihm an - doch am nächsten Tag vertreibt sie ihn, als er sich an ihren Tisch setzen will. Die Restaurantbesitzerin klärt Henry auf: seit einem Unfall ist Lucys Kurzzeitgedächtnis defekt. In der Nacht vergisst sie immer wieder alles. Für sie ist also stets der selbe Tag - und das schon mehrere Monate! Henry lässt sich davon nicht einschüchtern. Auch nicht von Lucys Vater (Blake Clark) und ihrem muskelbepackten Bruder (Sean Astin), die ihn von ihrem Schatz fernhalten wollen. Henry erobert Tag für Tag ihr Herz ... und da liegt der emotionale Kern des Films. Wie Henry es jeden Tag neu versuchen muss, hat eine extreme Romantik. Gut, seine Tricks sind manchmal doof und hie und da ist er eher auf Sex als auf Liebe aus, doch seine Hingebung ist bewundernswert. Auch jene der Familie, die immer versucht, Lucy den selben Tag zu verkaufen, immer die selben Dinge sagen und den selben Film ("Sixth Sense") angucken muss. "Ich hätte nie gedacht, dass Bruce Willis ein Geist ist!" - und das jeden Tag ...

Das ist nicht das einzige, was den Film spannend macht. Auch die Handlung, die an "Groundhog Day" erinnert, liefert viele Möglichkeiten für Pointen und Romantik. Und ich rechne es den Machern an, dass sie die vorhandene Dramatik und Melancholie der Ausgangslage nie verraten. Nicht einmal das Finale ist ein billiger Trick, sondern recht doppelbödige, melancholische Romantik. Ein schönes Finale für einen schönen Film. Dass ich bei Sandler mal das Wort "schön" in den Mund nehme, kappier ich selber nicht, aber der Comedian ist selbt ganz gut. Er hat nur einmal eine Wutattacke und er harmoniert bestens mit seinen Co-Stars, denen er auch viel Platz einräumt. Sean Astin ist ein Two-Joke-Guy (Steroide und Lispeln), aber seltsamerweise bleibt er immer amüsant. Vielleicht auch, wiel man stets versucht, hinter ihm den dicken Sam zu entdecken. "50 First Dates" wird damit zum Top-Date-Movie mit ein paar Ausrutschern, aber viel Herz und Humor. Das reicht für gefälliges Filmvergnügen.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
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After the Sunset USA 2004
Thrillerkomödie
Reviewed 2.12.04

Regie: Brett Ratner
Musik: Lalo Schifrin
Kamera: Dante Spinotti
Mit: Pierce Brosnan, Salma Hayek, Woody Harrelson, Naomie Harris, Don Cheadle, Chris Penn, Obba Babarundé, Shaquille O'Neal, Edward Norton

"After the Sunset" ist ein gefälliges Caper-Movie, das den Thriller-Plot mit leichtem Humor und ein wenig Erotik mischt. Pierce Brosnan spielt den Superdieb Max Burdett, der immer ein Alibi zur Hand hat. Er und seine sexy Freundin Lola (Salma Hayek) haben gerade den zweiten von Napoleons Diamanten gestohlen und setzen sich mit dem Geld auf der Bahamas-Insel "Paradise Island" zur Ruhe. Doch da taucht nach langer Idylle der FBI-Beamte Stanley P. Lloyd (Woody Harrelson) auf. Er jagt Burdett schon lange und nun vermutet er, der Gauner wolle den dritten der Napoleon-Diamanten von einem Kreuzfahrtschiff klauen. Max hatte dies nicht vor - doch nun ist sein Interesse geweckt. Lola hasst ihn dafür, Stanley bleibt ihm mit Hilfe der örtlichen Polizistin Sophie (Naomie Harris) auf der Spur und der aus Detroit stammende Gangster Henry Mooré (Don Cheadle), der eine Art Bürgermeister der Insel ist, will ihn anheuern.

Alles ganz hübsch, doch der Film kriegt nie wirklich Dampf. Brett Ratners ("Rush Hour" 1 + 2) Absicht, den Caper-Plot mit Romantik und Humor anzureichern, sabotiert enorm die Spannung. Andere solcher Einbrecher-Filme sind spannend, "After the Sunset" kolpotiert lediglich Klischees. Und auch vom Geknutsche zwischen Pierce und Salma hat man irgendwann genug gesehen. Woody Harrelson ist amüsant, doch mit der Zeit gehen die Gay-Gags zwischen ihm und Pierce ein wenig auf den Keks. Auch sie stammen klar aus dem Klischee-Katalog. Nimmt man dazu ein antiklimaktisches Finale und die müden Twists bleibt nur wenig, um den Film zu empfehlen: Die schöne Insel-Landschaft der Bahamas, die relaxte Musik, die gut gelaunten Akteure. Ein harmloser Film als belanglos-kurzweiliger Zeitvertreib, der kaum lange im Gedächtnis bleiben dürfte.

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 2/5
Slant Magazine (USA) 1/4
imdb


Along Came Polly USA 2004
Liebeskomödie
Reviewed 27.2.04

Regie und Buch: John Hamburg
Mit:
Ben Stiller, Jennifer Aniston, Philip Seymour Hoffman, Debra Messing, Alec Baldwin, Hank Azaria, Bryan Brown, Jsu Garcia

"Polly" war in den USA der erste Hit des Jahres 2004, was vor allem am amüsanten Trailer gelegen haben dürfte. Doch es ist einmal mehr so, dass der Trailer tatsächlich bloss ein Best-of des Films war. Das ganze Drumherum ist nicht mehr so witzig. Aber was solls, "Along Came Polly" ist dennoch amüsant und charmant, was beides der Besetzung zuzuschreiben ist. Die Inszenierung von "Meet the Parents"- und "Zoolander"-Autor John Hamburg ist passabel, die Handlung ein Konglomerat besserer Ben-Stiller-Komödien, vor allem "There's Something About Mary". Stiller spielt den Risikoanalysten Reuben, der auf der Hochzeitsreise seine Frau Lisa (Derba Messing) in den Armen eines französischen Machos (Hank Azaria) entdeckt und sich von ihr trennt. In dieser schwierigen Phase trifft er auf seine ehemalige Schulkollegin Polly Prince (Jennifer Aniston). Obwohl sie eine Chaotin ist, die nie Pläne macht und ein hässliches, blindes Frettchen als Haustier hat, kommt sie dem pinneligen Reuben näher ...

Das Schwache ist, dass die beiden ja eigentlich wirklich nicht zusammenpassen. Das Drehbuch kann es noch so biegen und dehnen, die zwei geben einfach kein Paar ab. Aber ihre Beziehung bietet reichlich Material für komödiantische Szenen. Das Frettchen stiehlt so manche Pointe und rennt wacker in allerlei Hindernisse. Ebenso cool ist Philip Seymour Hoffman als Reubens ekliger bester Freund, Ex-Schauspieler und Angeber Sandy Lyle. Für den Charme sorgte Ben Stiller, der sich einmal mehr (vor allem in der ersten Hälfte) als Meiser der physischen Comedy beweist. Und natürlich "Friends"-Babe Jennifer Aniston. Viele sind ja neidisch auf sie, dass sie den sexiesten Mann der Welt vom Single-Markt genommen hat, aber Mr. Pitt kann man eigentlich auch nur beneiden: Jennifer sieht einfach umwerfend aus, etwas, das man zwar schon lange entdecken konnte, aber in "Polly" kommt es besonders gut zum Ausdruck. Beweis? Guckt ihr beim Salsa-Tanzen zu oder beobachtet genau die Szene, in der Stiller ihr beim Sex auf den Po klopft. Was für köstliche Rundungen. Nun, das macht "Along Came Polly" zwar nicht wirklich besser und fällt höchstens hormongesteuerten Reviewern auf, aber macht den Streifen definitiv zum Hingucker. Die Komödie liefert damit etwa das, was man von ihr erwartet. Und das ist genug für 90 Minuten Lachen und Schmunzeln ...

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
BBC (GB) 3/5
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Around the World in 80 Days USA 2004
Abenteuerkomödie
Reviewed 11.9.04

Regie: Frank Coraci
Executice Producer und Choreographie: Jackie Chan
Mit: Jackie Chan, Steve Coogan, Cécile de France, Jim Broadbent, Karen Mok Man-Wai, Ewen Bremner, Arnold Schwarzenegger, Sammo Hung Kam-Bo, Kathy Bates, Daniel Wu Yin-Cho, Rob Schneider, Mark Addy, Owen Wilson, Luke Wilson, John Cleese, Maggie Q, Macy Gray

Jules Vernes Klassiker bekommt mal wieder ein modernes Update. Michael Andersons "Oscar"-gekrönte Version von 1956 ist ja auch nicht über alle Zweifel erhaben, deshalb ist ein Remake durchaus eine Idee wert. Leider fehlt Regisseur Frank Coraci ("The Waterboy") die Inspiration, aus dem Weltreise-Stoff ein wirklich tolles Abenteuer zu machen. Mit Jackie Chan hatte ich keine Probleme. Literatur-Puristen mögen opponieren, doch als Sidekick Passepartout ist Jackie glaubwürdig. Sogar seine Martial-Arts-Szenen machen Sinn, denn er ist immerhin ein Freund von Wong Fei-Hong. Dazu später. Passepartout ist in dieser Version der, der seinen unfreiwilligen Meister Phileas Fogg (Steve Coogan) erst zu der Wette gegen den rückständigen Wissenschafts-Akademie-Leiter Lord Kelvin (Jim Broadbent) bringt. Fogg soll in 80 Tagen die Welt umkreisen, sonst darf er nie mehr etwas erfinden. Und so gehts los, man hüpft von Land zu Land und lernt Leute und Bräuche kennen. In Frankreich gabeln sie Haute Tension-Girl Cécile de France auf, in der Türkei treffen sie auf einen eitlen und chauvinistischen Prinzen (Arnold Schwarzenegger), in China auf Wong Fei-Hong (Sammo Hung), in Amerika auf die Wright-Brüder (Luke und Owen Wilson). Stets verfolgt von einem doofen Inspektor (Ewen Bremner) und einer chinesischen Kriegsherrin (Karen Mok), die an den Jade-Buddha möchte, den Passepartout in seine Heimat zurückbringen will.

Der Plot ist recht plump und dient nur als Reisebericht um die Welt. Coraci hält immerhin das Tempo aufrecht. Die 110 Millionen, die der Film gekostet haben soll, sieht man selten. Die CGI-animierten Wechsel zwischen den Drehorten sind absichtlich low-key - und gedreht wurde leider oft nicht an Originalschauplätzen. Besonders lieblos sieht Indien aus. Gefilmt wurde in Thailand. Die 1956er-Fassung hat diesbezüglich einen grandiosen Vorteil: Jener Film wirkt epischer, grösser als diese Version. Dafür kann sich Coraci halt auf die Comedy konzentrieren. Aber visuell war er eine Enttäuschung für mich.

Die Gags sind auch nicht immer grandios. Viele der Slapstick-Jokes fallen auf die Nase, die One-Liner von Steve Coogan gefielen mir am besten, auch wenn ich Coogan selbst für zu steif hielt. Man stelle sich jemanden wie John Cleese (der ein Cameo hat) in dieser Rolle vor. Schwarzeneggers Auftritt ist zwiespältig. Er ist mutig und absolut schrill, doch wenn es eine Minute länger gedauert hätte, mir wäre schlecht geworden. Diese Szene ist absoluter Trash und wäre der ganze Film auf diesem Niveau, er wäre wenigsten konsequent. So wie er ist wechselt er alle paar Minuten den Tonfall von Farce zu Slapstick, von Drama zu Lovestory, von Abenteuer zu Trash. Historisch ist das Ganze nicht sonderlich ernst zu nehmen, geographisch schon gar nicht.

Die beste Szene war für mich jene in China. Sammo Hung hat da seinen Gastauftritt als Wong Fei-Hong, dem südchinesischen Martial-Arts-Pionier um die Jahrhundertwende. Sammo hat Wong zuvor schon gespielt, doch seine bekannteste Rolle ist jene als Wongs Sidekick Metzger Lam in The Magnificent Butcher. Sammo nun zum berühmten Wong-Fei-Hong-Lied (siehe z.B. Once Upon a Time in China) auftreten zu sehen, lässt dem geneigten Hongkong-Fan warm ums Herz werden. Mehr noch: Jackie (übrigens auch Wong-Darsteller in Filmen wie Drunken Master II) und seinen Peking-Oper-Kumpel Sammo zusammen zu sehen, ist wunderbar - das grösste Manko: Die beiden haben kaum gemeinsame Szenen. Wer weiss, wie genial sowohl Sammo wie auch Jackie kämpfen können, wird frustriert sein über Coracis Mangel an Einsicht. Die beiden sollten zusammen fighten, ihre Tricks zusammen aufführen und die Zuschauer verblüffen. So ist die Szene (übrigens mit Daniel Wu als Feind) zwar gut, aber nicht so wunderbar, wie sei hätte sein können ...

Das trifft eben auf viele Teile des Films zu. Nie wird er wirklich genial, zu oft wird er dagegen fad. Bei dieser Vorlage, bei diesen Cameos, bei diesem Budget - da hätte einfach mehr dabei rausschauen sollen. Jackie ist gut, ein paar Gags sind gut, die Action ist okay, die wuchtige Musik von Trevor Howard passabel. Doch Vernes Story verkommt zum Gerüst, der Slapstick ist unterdurchschnittlich und viele Sequenzen bestenfalls Füller auf dem Weg zurück nach London. Es fehlt das Epische, das Entdeckerische. Fogg und Passpartout reisen ohne Enthusiasmus: "Aha, das ist jetzt also Indien. So sieht nun China aus. Sieh an, San Francisco!"... da hat selbst Harrison Ford mit zwei Worten in "Indiana Jones and the Last Crusade" mehr Flair gezeigt: "Aaah, Venedig!" Aber "Around the World in 80 Days" ist kein "Indiana Jones", kein mitreissendes Abenteuer. Vielmehr harmloser Family-Fun, den man im Nu wieder vergisst ...

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2/4
BBC (GB) 3/5
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Before Sunset USA 2004
Liebesfilm
Reviewed 19.5.04

Regie und Produktion: Richard Linklater
Buch: Richard Linklater, Ethan Hawke, Julie Delpy
Mit: Ethan Hawke, Julie Delpy, Vernon Dobtcheff, Louise Lemoine Torres, Rodolphe Pauly, Diabolo, Albert Delpy

"Before Sunrise (DVD hier bestellen) aus dem Jahr 1995 ist einer der Filme, die man beim ersten Mal anschauen ganz charmant findet, aber der überraschend präsent bleibt. Ich habe ihn mit 3½ Sternen bwertet, weil er aus cineastischer Sicht kein grosser Wurf ist: zwei Leute treffen sich in Wien, reden, flirten und reden noch mehr. Das geht auch auf der Bühne, da der Film vollständig von seinen Dialogen lebt. Das ist für mich kein Film im eigentlichen Sinne, sondern abgefilmtes Theater. Schön gefilmtes Theater (danach will man direkt nach Wien fliegen), aber eben aus cineastischer Sicht ein simpler Streich. Dafür einer mit grossartigen Charakteren. Wenn Jesse und Celine zum Schluss verabreden, sich in 6 Monaten wieder zu treffen, und Regisseur Richard Linklater einfach ausblendet, dann baut er eine Aura um den Film auf, die ihn am Leben hält. Treffen sie sich oder treffen sie sich nicht? Die Frage, die Romantiker von Realisten zu trennen scheint ...

Neun Jahre später wird diese Frage aufgelöst. Eine Fortsetzung drängt sich sicher nicht auf, aber wenn es eine geben muss, dann sollte sie sein wie "Before Sunset". Er spielt 9 Jahre später, knüpft aber direkt an den Vorgänger an. Jesse (Hawke) hat ein Buch über jene Nacht mit Celine (Delpy) in Wien geschrieben und tourt nun damit durch Europa. In Paris sind die interviewenden Journalisten so aufgeteilt, wie wohl das Publikum auch: eine glaubt, sie hätten sich wieder getroffen, einer meint, sie hätten nicht - und einer hätte gern, wenn sie sich getroffen haben. Romantiker vs. Realisten. Schon sind wir halb beim Thema. Schein gegen Sein. Und dann steht Celine vor ihm. In echt. Sofort reden sie, gehen durch Paris, bevor Jesses Flug geht. Der Film ist darum auch bloss 80 Minuten lang und besteht nur aus Reden und teils forschem, teils subtilem Flirten. Wie der Vorgänger. Wir erfahren, dass einer damals am Treffpunkt war, einer nicht. Wir erfahren wieso und was dazwischen passiert ist. Die Dialoge, die Delpy, Hawke und Linklater via e-Mail ausgebrütet haben, sind wunderbar. Sie strahlen eine Echtheit aus, weil sie gleichzeitig alltäglich und doch tiefgründig sind. So reden Leute wirklich und man hat das Gefühl, vieles sei improvisiert.

Wieder kann ich nicht mehr als 3½ Sterne geben, weil der Film bloss aus simplen Einstellungen besteht (man sieht kaum was von Paris), die die beiden Leute zeigen. Doch in den 3½ Sternen steckt viel drin, denn wenn ein Film alleine durch seine Hauptfiguren und seine Dialoge eine so gute Wertung ergattert, will das bei mir was heissen. Ich hatte das Gefühl, ich verbringe 80 Minuten mit Freunden. Manchmal wollte ich geradezu sagen "oh wie wahr" oder "ja sag mal nichts, du hast so recht!" - vielleicht liegts am Alter. Ich bin fünf Jahre jünger als Hawke und 6 Jahre jünger als Delpy, doch sie spielen zwei Leute um die dreissig. Genau mein Alter. Und ich hatte das Gefühl, ich sei in den 9 Jahren ebenso gereift wie sie - und gleichzeitig so geblieben, wie ich war. Eine Theorie, über die Hawke einmal referiert. Die Dialoge der beiden haben Gewicht, weil sie so real erscheinen. Sie reden manchmal über Absurdes, bei dem man den Kopf schütteln kann, dann über Banales und oft über Sex. Und einmal reden sie über sehr Tiefgründiges. Im Auto, wenn die ganze Melancholie und Verzweiflung über sie hereinbricht. Ich mochte die Szene am wenigsten, vielleicht, weil sie einen auf einer so direkten Ebene anspricht und man den halben Frust des Lebens vor Augen gestellt bekommt. "Before Sunset" ist nämlich nicht nur Romantik, es ist auch viel Wehmut. Insofern hatte ich das Gefühl, es handle sich weniger um einen Film, als um einen Diskurs zwischen Linklater, Delpy, Hawke und mir - über nichts Geringeres als das Leben selbst, den Wert des Lebens, der Freundschaft, der Erinnerungen und der Liebe. Die deftigsten Dinge werden gesagt und durch "I'm just kidding" abgwertet, aber so macht man das ja auch im realen Leben: Man sagt, man habe bloss gescherzt - dabei weiss man genau, wieviel Wahrheit im Gesagten drinsteckt. Solche Momenter gibt es viele, bevor Linklater abermals ausblendet und eine Frage im Raum stehen bleibt. Keine so Gewichtige wie damals, aber eine zum Abschluss sehr befriedigende. Haben sie oder haben sie nicht?

Ich bin auf der "sie haben"-Seite, aber es ist letztendlich egal. "Before Sunset" und "Before Sunrise" ergänzen sich ideal. Das Sequel brauchte es nicht, aber ähnlich wie bei Truffauts Antoine-Doinel-Reihe ist es schön, zu sehen, was aus diesen Leuten, die man ins Herz geschlossen hat, geworden ist. Vielleicht liegt die Qualität des Films weniger darin, was tatsächlich auf der Leinwand zu sehen ist, sondern in seiner Resonanz zum Publikum. Hinter mir hat einer konstant gegähnt und gemeint, da werde ja nur geredet. Er war etwa 60. Richtet sich der Film an eine gewisse Altersgruppe? Glaube ich nicht. Selbst 60-Jährige können diese Gefühle nachfühlen - auch wenn Delpy und Hawke aus einer ganz bestimmten Generation stammen, mit der Leute in meinem Alter besonders gut mitfühlen können (doof gesagt die "Ex-Generation-X") ... und "Before Sunrise" deshalb bei mir eben diese Resonanz ausgelöst hat. Ich mochte den Film, aber mehr noch liebe ich diese Figuren. Ihre Fehler, ihre Normalität, ihre nicht-so-Normalität. Mit denen könnte ich stundenlang durch Paris schlendern. Und dabei mag ich Paris nicht einmal sonderlich. Geschweige denn Filme, bei denen nur geredet wird. Das ist Teil des Genies von Linklater: er liess mich einen Film mögen, der mir nach allem, was ich über mich weiss, nicht gefallen sollte. Aber man kann ja nie genug über sich selbst wissen oder über sich selbst dazulernen, nicht wahr Jesse? Cecile? Bis zum nächsten Mal in neun Jahren ...

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Birth USA 2004
Melodrama
Reviewed 4.6.05

Regie: Jonathan Glazer
Mit: Nicole Kidman, Cameron Bright, Danny Huston, Lauren Bacall, Anne Heche, Peter Stormare, Arliss Howard, Ted Levine

!! [SPOILER] !!

Ich wollte erst gar nichts zu dem Film schreiben, weil ich ihn relativ spät gesehen habe. Aber da der geneigte Kritiker bei dem Film nicht gänzlich stumm bleiben kann, tippe ich doch mal meine Sicht des Films ab. Die Story behalte ich kurz: Nicole Kidman kriegt Besuch von einem 10-Jährigen, der behauptet, er sei ihr vor 10 Jahren verstorbener Ehemann Sean. Diese Ausgangslage böte Stoff in manchen, teils heissen, Themen: Kindsmissbrauch, Reinkarnation, Verarbeitung von Todesfällen. Regisseur Jonathan Glazer ("Sexy Beast") geht aber ersterem aus dem Weg. Der Screenshot oben, der die im Vorfeld wohl am kontroversesten diskutierte Szene zeigt, ist nicht halb so brenzlig, wie man denken könnte. Die Badewanneszene ist in der Tat ungemütlich, doch sie ist asexuell. Denn Glazer interessiert sich nicht unbedingt dafür, sondern für die Liebe im Kopf. Kann Anna (Nicoles Charakter) über den Umstand hinwegsehen, dass sie nun ein Kind liebt?

Ist das Ganze überhaupt nachvollziehbar? Schwer. "Birth" ist denn auch für zwei Fraktionen des Publikums ganz unterschiedlich in seiner Wirkung. Menschen wie ich, die Reinkarnation für Humbug halten, werden den Jungen schnell als kleinen Lügner abstempeln und Annas Aktionen nicht nachvollziehen können. Den "Twist" mit den vergrabenen Briefen habe ich auch nach 10 Minuten schon erraten, wenngleich ich von einem Tagebuch ausging. Aber das ist nicht so tragisch - denn auch darum geht es Glazer nicht wirklich. Die Erklärung beweist nämlich nichts. In gewissem Sinne steht man am Ende da wie vor dem Film. Wer an Reinkarnation glaubt, wird weiterhin denken, Sean sei der tote Sean. Alle anderen sind überzeugt, er sei ein Lügner. Der Film lässt beide Möglichkeiten offen, was ihn durchaus reizvoll macht. Das Argument der "Gegner" ist, dass Sean nicht erklären kann, wieso er Anne Heches Charakter nicht erkannt hat. Heche spielt die ehemalige Geliebte von Sean. Damit wird er als Lügner entlarvt. Dagegen spricht aber der Umstand, dass Sean zuvor andeutet, seine Erleuchtung sei wie ein déja-vu gekommen.

Also hat er Heche nicht sofort erkannt, sondern steckte immer noch in einem Realisierungsprozess drinnen. Als sie ihm die Wahrheit auftischte, war er aber derart voll von Scham über sein eigenes, früheres Ich, das die geliebte Anna betrog, dass er weiteren Schaden verhindern wollte. Diese romantische Interpretation finde sogar ich als Reinkarnations-Ablehner reizvoll. Dann ist es halt ein Fantasyfilm. Aber trotzdem hätte ich mir einen etwas besseren Schluss gewünscht. Dinge offen lassen ist okay, aber Glazer scheint so überzeugt von seinem dünnen Plot, dass er ihn zu sehr sich selbst überlässt. Die Handlungen der Erwachsenen bleiben nämlich aus welcher Sicht auch immer kaum nachvollziehbar. Alle agieren wie gelähmt, aus welchem Grund auch immer. Und Glazer unterstreicht dies mit einer glazialen Inszenierung. Es gibt einen fast dreiminütigen Shot von Kidman in der Oper, der einfach fulminant ist. In diesen Minuten dämmert es ihr, dass Sean wirklich der Sean ist - und wir Zuschauer haben in einer nicht enden wollenden Einstellung daran Teil. So toll ich den Shot fand, so stark wirkt er prätentiös, vor allem in einem Film, der bereits an seiner eigenen Schwermütigkeit und Bedeutungsschwere zu ersticken droht. Glazer inszeniert den Film als sei er (danke James Berardinelli für den schönen Ausdruck!) "The Most Important Motion Picture Ever To Be Made" - und das strapaziert. "Birth" hat viel Gutes. Eine umwerfende Nicole Kidman, eine nicht minder überzeugende Anne Heche, wunderbar komponierte Melancholie-Bilder. Aber letztendlich ist es doch viel Lärm, oder eher Stille, um nichts.

Dazu kommen schwache Darstellerleistungen von Lauren Bacall und Cameron Bright, der eigentlich den Film hindurch nur einen, traurigen, Gesichtsausdruck kennt. "Birth" spaltet das Publikum in Liebende und Hassende. Ich siedle mich einfach mittendrin an, denn man kann einen stilistisch so überzeugenden Film, der auch einige famose Anstösse in seinem Plot hat, nicht einfach als Müll abtun. Aber Glazer nutzt alles Potenzial nicht aus und zaubert einen selbstverliebten, langsamen und zum Schluss leider auch ausflüchtigen Film, der jene kontroversen Themen, die er scheinbar ankündigt, umschifft, und uns dafür 90 Minuten Leid und Seelenpein serviert. Das gabs dann ja auch schon besser, oder?

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 1½/4
BBC (GB) 2/5
Slant Magazine (USA) 1½/4
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Bridget Jones: The Edge of Reason GB 2004
Liebeskomödie
Reviewed 11.11.04

Regie: Beeban Kidron
Buch: Helen Fielding, Richard Curtis, Andrew Davies, Adam Brooks nach dem Roman von Helen Fielding
Mit: Renée Zellweger, Colin Firth, Hugh Grant, Jacinda Barrett, Sally Phillips, Gemma Jones, Jim Broadbent, James Callis

"The Edge of Reason" setzt sechs Wochen und 71 tolle Shags nach "Bridget Jones's Diary" ein. Bridget (Renée Zellweger) ist nun mit dem hinreissend kultivierten Menschenrechtsanwalt Mark Dary (Colin Firth) liiert. Doch je länger je mehr kommt sich die schusselige Mittdreissigerin Bridget vor, als ob ihr Geliebter und seine Freunde auf sie herabschauen. Dieses Gefühl verstärkt sich, als Mark immer mehr Zeit mit seiner Assistentin Rebecca (Jacinda Barrett) verbringt, die gertenschlank ist, immer das Richtige sagt und Beine bis hier (Hand fährt zum Hals) hat. Das Resultat: Bevor Mark und Bridget sich überhaupt zu einer Heirat durchringen können, kriselt es gehörig. Da kommt es gerade recht, dass Bridgets TV-Sender sie zu einem Thailand-Report schickt. Ihr Partner ist niemand anderes als ihr charmanter Ex-Boss Daniel Cleaver (Hugh Grant) ...

Soweit die Geschichte, die eigentlich die selbe Struktur aufweist, wie das Original von 2000. Jenes war eine wunderbare Komödie, die genau den Geist eines Mitt-Dreissiger-Singles traf. Zugeschnitten war der Film zwar auf Frauen, aber auch die meisten Männer konnten bestens mitfühlen - ob sies nun zugaben oder nicht. Diesmal haut der Plot aber irgendwie am Ziel vorbei und wirft Bridget in Situationen, mit denen man nicht mehr mitfühlen kann. Das beraubt den Streifen eines gigantischen Publikums-Euphorie-Potenzials. Bridget in einem Thai-Knast? Bridget auf Drogen? Bridget im Saustall? Alles ziemlich an den Haaren herbeigezogene Momente, die bloss dazu dienen, Bridget lächerlich zu machen. Oder wie Daniel es einmal so schön formuliert: über sie lachen statt mit ihr. Die Fortsetzung ist klamottiger und schwächer.

Die Struktur, wie angetönt, ist dazu auch noch beinahe identisch. Die Ausgangslage stellt zwar die Frage, was passiert nach dem Happy-End, doch die Probleme sind die selben: Hin- und Her zwischen Bridget und Mark, die Frage, ob Mark nicht doch zu steif ist, Flirt mit Daniel, Bridget zwischen zwei Männern, Schlägerei, Ende. Bloss diesmal werden die einzelnen Stopps ind Bridgets Leben viel schematischer abgehakt. Regisseurin Beeban Kidron ("To Wong Foo, Thanks for Everything! Julie Newmar")  beginnt den Streifen mit ein paar Filmzitaten, massgeblich "The Sound of Music" und "The Spy Who Loved Me" - in Form von von Carly Simons "Nobody Does It Better" zu einem Fallschirm-Flug (leider ohne Union-Jack-Gleiter). Danach dauert es eine Zeit, bis der Film vorankommt. Das Tagebuch wird kurz wieder hervorgeholt, die Freunde wieder eingeführt, die Eltern kurz besucht - in einem beschämend kurzen Auftritt für den meisterhaften Jim Broadbent.

Anders gesagt: Es herrscht ein Déjà-vu vor, grenzend an Langeweile. Renée, die erneut für die Rolle Gewicht zugelegt hat, rettet das Ganze immerhin mit ihrem Charme während Colin Rollen-bedingt als Schlaftablette durchgeht. Immerhin muss ich auf seiner Seite stehen, denn Bridget verhält sich wirklich wie eine Kuh. Sie verdächtigt den Geliebten allerlei übler Dinge und verlangt von ihm, dass er zwei Monate nach Liebes-Beginn sich in Sachen Heirat und Baby festlegt. Reality Check, Girl? Aber dann kommt Hugh Grant. Der britische Schauspieler ist ja schon länger von seiner frühen Standard-Rolle als stotternder Brite befreit und spielt das, was er am besten kann (siehe "Bridget 1" und "About a Boy"): einen verführerischen, wortgewandten und doch verdorbenen Macho. Er ist erneut göttlich in dem Part und seine Dialoge lassen das Grinsen im Gesicht nicht vergehen. Für ein paar Minuten - dann muss er gehen. Hugh ist bestenfalls für eine Nebenrolle an Bord und das frustet.

So bleibt letztendlich ein enttäuschender Film, der seine besten männlichen Darsteller (Grant und Broadbent) verheizt. Der Soundtrack ist nicht mehr so gut eingesetzt wie letztesmal und Bridgets Thai-Knast-Besuch rangiert von unnötig bis peinlich und glattwegs Erstwelt-chauvinistisch. Dass am Schluss "Material Girl" läuft relativiert und ironisiert die Sache ein wenig, doch die Performance von "Like a Virgin" ist an dieser Stelle deplaziert. Zudem hätte genau dort eine nette Insider-Pointe gelegen, schliesslich sang Broadbent genau diesen Song zur Perfektion in "Moulin Rouge!" Aber eben: "Bridget Jones 2" lässt sich zuviele goldene Möglichkeiten durch die Finger gleiten. Renée ist schnucklig, Colin okay, Hugh suave. Ein paar Gags richtig gut. Das ist geradezu bescheidenes Lob im Vergleich zum gewitzten Vorgänger.

James Berardinelli (USA) 2/4
Slant (USA) 1/4
BBC (GB) 3/5
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The Butterfly Effect USA 2004
Thriller
Reviewed 16.8.04

Regie und Buch: Eric Bress, J. Mackye Gruber
Mit: Ashton Kutcher, Melora Waters, Amy Smart, Elden Henson, William Lee Scott, John Patrick Amedori, Logan Lerman, Eric Stoltz

"The Butterfly Effect" ist ein unterhaltsamer, aber überlanger "was wäre wenn"-Thriller, der auf der "Schmetterlings-Aussage" basiert, die die Chaos-Theorie erläuert. Insofern etwa der selbe Plot, den Ray Bradbury in "The Sound of Thunder" aufzeigt. Oder ein Thriller nach Jeff Goldblums Erklärungen in "Jurassic Park". Bloss weniger wissenschaftlich - dafür übersinnlich. Demi-Moore-Lover Ashton Kutcher, der auch als ausführender Produzent waltete, spielt den jungen Mann Evan, der, wenn er in seinem Tagebuch liest, in die Vergangenheit zurückspringt. Fortan versucht er, sein Leben zu korrigieren und seine Freunde, vor allem seine Geliebte Kayley (Amy Smart) vor Unheil zu retten. Doch dabei geht natürlich so einiges schief und jedesmal, wenn Evan zurückkehrt ins Jetzt, ist alles ganz anders. Ich mag solche Ausgangslagen, doch "The Butterfly Effect" strapaziert die Glaubwürdigkeit etwas gar stark. So tritt immer das Worst-Case-Szenario just in dem Moment ein, in dem Evan zurückspringt. Bloss nicht am Ende (keine Angst, ich verrate nichts), da passiert ausgerechnet das Bestmögliche. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, das Ende fünf Minuten vor Schluss anzusiedeln, als der Arzt Evan ein paar grundsätzliche Dinge erklärt. Das wäre ein krasses Ende. Oder ein Ende, in dem Evan viel opfert - und wieder das Worst-Case-Szenarion eintritt.

Okay, für die, die den Film nicht gesehen haben, hört sich das jetzt alles etwas zu kryptisch an, deshalb lass ich es sein. "The Butterfly Effect" ist halbwegs spannend und intelligent, doch gegen Schluss verheddert er sich und verliert immer mehr an Logik. Gespielt ist er mässig, Ashton und Amy sind nicht wirklich gut. Zudem fehlt etwas Humor, was besonders bedauerlich ist, haben doch die Autoren des überaus (bösartig)-witzigen Final Destination 2 den Film inszeniert. Auf der DVD liefern die beiden ihren "Director's Cut" ab. Das Ende ist ziemlich surreal und wurde von den Zuschauern nicht gouttiert. Die Aussage ist die Selbe wie beim Kino-Cut, einfach noch krasser umgesetzt. Beide Enden sind etwa gleich gut (oder gleich mässig) - doch der "Director's Cut" ist noch etwas gewagter. Zudem gibt es ein paar Szenen im Verlauf des Films, die dieses Alternativende vorbereiten und ziemlich gut funktionieren. Sie seien natürlich auch nicht aufgezählt. Und da ich eigentlich gar nichts mehr schreiben kann, ohne zuviel zu verraten, lass ich es lieber sein. Lohnt er sich? Ja, für alle die solche Szenarien mögen, ist er einen Blick wert.

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Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
Slant Magazine (USA) 1½/4
imdb


The Calcium Kid GB 2004
Komödie
Reviewed 10.11.04

Regie: Alex De Rakoff
Mit: Orlando Bloom, Omid Djalili, Michael Peña, Tamer Hassan, Michael Lerner, Mark Heap, Rafe Spall, Billie Piper

Nach Ruhm mit Nebenrollen in Hits wie "Lord of the Rings", Troy" und "Pirates of the Caribbean" wagt sich Orlando Bloom an eine richtige Hauptrolle - aber in einem nur halb so überzeugenden Film. Er spielt den Londoner Milchmann Jimmy Connelly, dessen Vater im Knast sitzt und dessen Mutter sich als Prostituierte ein Zubrot verdient. Der naive Jimmy beschliesst, sich ein wenig fit zu boxen und bekommt gleich am ersten Tag die Chance, mit dem Mittelgewichts-Star Pete Wright (Tamer Hassan) zu trainieren. Da Jimmy so viel Milch trinkt, sind seine Knochen pickelhart - und als Pete Jimmy eins auf die Rübe haut, bricht er sich prompt das Handgelenk. Der schmierige Manager Herbie Bush (Omid Djalili) ist entsetzt, denn in einer Woche stand Petes Titelkampf mit dem Mexikaner Jose Mendez (Michael Peña) an. Ersatz muss her - in Person von Jimmy, der den Übernamen "Calcium Kid" bekommt.  Joses Manager Artie Cohen (Michael Lerner) akzepriert. Jimmy trainiert, tritt aber wegen Bushs miesem Management von einem Fettnäpfchen ins nächsten - all dies wird von einer Dok-Crew unter Sebastian Gore-Brown (Mark Heap) dokumentiert.

Und so ergibt sich ein recht witziger Mockumentary-Stil, der nie ganz so clever ist, wie er sein könnte. Das gilt für den ganzen Film des "Grand Theft Auto 2"-Computergame-Regisseurs Alex De Rakoff, der hiermit sein Kinodebüt gibt: Orlando ist charmant, aber auch etwas blass. Omid Djalili ist sehr witzig, doch viele seiner Gags voraussehbar. Und der Plot hat auch nicht gerade viel zu bieten, insbesondere das Finale ist etwas flachbrüstig. Für 85 Minuten halbgares Brit-Comedy-Entertainment reicht es, aber damit dürfte Mr. Bloom kaum als Solo-Star etabliert werden.

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BBC (GB) 2/5
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Catch That Kid USA 2004
Thrillerkomödie
Reviewed 20.11.04

Regie: Bart Freundlich
Mit: Kristen Stewart, Max Thieriot, Corbin Bleu, Jennifer Beals, Sam Robards, John Carroll Lynch, James Le Gros

Das US-Remake des dänischen Kinderhits "Kletter-Ida" ("Klatretøsen", 2002) zeigt "Panic Room"-Girl Kristen Stewart in ihrer ersten richtigen Hauptrolle als Maddy, deren Vater Tom (Sam Robards) durch seine vielen Kletterunfälle eine Verletzung erlitten hat. Er muss in Dänemark operiert werden, die Kosten betragen $250'000. Maddys Mama Molly (Jennifer Beals), die Sicherheitsbeauftragte einer Bank ist, kann das Geld nicht auftreiben. Maddy und ihre Freunde Austin (Corbin Bleu) und Gus (Max Thieriot) schmieden deshalb einen Plan: Sie wollen in die Bank einbrechen und das Geld klauen.

Für Kinder bietet der Streifen sicherlich angenehme Spannung und ein bisschen Humor, doch es fehlt an Plausibilität und wahrer Spannung. Kristen Stewart ist eine gute Wahl für die Hauptrolle, da sie dem Part die nötige Ernsthaftigkeit verleiht. Das die beiden Buben in sie verknallt sein müssen, ist etwas albern, zumal Molly dadurch sexualisiert wird, dass sie die Liebe der beiden ausnutzt. Später verführt sie in einem roten Ballkleid Gus' dummen Bruder, der als Security-Mann arbeitet. Auch die Szene ist etwas deplaziert und funktioniert nur, weil die zur Drehzeit 15-jährige Kristen hat eine Art an sich, die sie bei Bedarf recht erwachsen macht. Siehe auch "Panic Room".

Doch an solchen Dingen stören sich bestenfalls die Erwachsenen. Auch daran, dass die Kids für Mollys Baby-Bruder plötzlich einen Einbruchs-Anzug zur Hand haben oder andere Logiklöcher sich geradezu aufdrängen. Schliesslich geht es vielmehr darum, durch einen kurzweiligen Caper-Plot die Junior-Generation zu gewinnen. Das klappt auch, da Go-Cart-Rennen, Kletterpartien und gewiefte Einbruchsstrategien für Unterhaltungswert sorgen. Kein grosser Wurf, kein "Spy Kids" - aber amüsant und gefällig.

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Roger Ebert (USA) 3/4
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Cellular USA 2004
Thriller
Reviewed 6.2.05

Regie: David R. Ellis
Buch: Chris Morgan nach einer Story von Larry Cohen
Produktion: Dean Devlin, Laure Lloyd
Mit: Chris Evans, Kim Basinger, Jason Statham, William H. Macy, Noah Emmerich, Richard Burgi, Adam Taylor Gordon, Jessica Biel, Eric Christian Olsen

Larry Cohen hat einen Narren am Telefonthriller gefressen. Nachdem zuletzt ein Drehbuch von ihm zu Phone Booth verarbeitet wurde, macht sich Final Destination 2-Regisseur David R. Ellis nun an eine Cohen-Idee, die auf Handys basiert. Ein kleiner Sprung von der Idee her, aber mit grosser Auswirkung auf die Inszenierung. War Phone Booth nämlich ein klaustrophobischer, minimalistischer Thriller, lebt "Cellular" vom Gegenteil. Verfolgungsjagden, Twists, Rennen gegen die Zeit - ganz Los Angeles wird zum Teil der irren Geschichte. Und irr ist sie wirklich. Wie so oft bei einem "high concept"-Thriller (man denke an "Speed") muss man die Ausgangslage erst schlucken, nur dann übersieht man die Logiklöcher und hat grenzenlosen Spass. Ich habe Kommentare gelesen, die die Plausibilität von "Cellular" angezweifelt haben oder sich über die Zufälle geärgert haben. D'uh. Das ist genau der Sinn davon! Fast jeder in dem Film hat etwas mit dem anderen zu tun, Twists und Zufälle sind massgeblich für die Aufrechterhaltung der Spannung. Wer sich darüber ärgert, hat wohl mit dieser Art von Thriller ein grundsätzliches Problem.

Doch worum gehts überhaupt? Ein paar finstere Kerle um den wortkargen Ethan (Jason Statham) brechen in das Haus der Bio-Lehrerin Jessica Martin (Kim Basinger) ein. Sie sperren sie in den Estrich und zerstören das Telefon. Doch ihr gelingt es, mit den Überresten des Telefons eine Leitung herzustellen. Der Anruf landet beim jungen Santa-Monica-Beachboy Ryan (Chris Evans). Erst will er der Frau am Handy nicht glauben, doch er erkennt den Ernst der Lage. Er versucht, ihren Sohn aus der Schule zu holen und einen Polizisten (William H. Macy) zu alarmieren, doch die Pläne scheitern. Wie gesagt, es folgt Twist auf Twist, und auch nur einen davon zu erwähnen, wäre strafbar. Der Plot kettet die Ereignisse mit solcher Leichtigkeit und Geschwindigkeit zusammen, dass ich wirklich voll involviert war.

Massgeblich mitbeteiligt ist auch Ellis' Inszenierung. Schnörkellos, stets mit ein wenig Humor versetzt, und trotzdem immer spannend, dreht er die Hetzjagd durch Los Angeles ab. Wie schon bei Final Destination 2 gelingt ihm ein Part auf dem Highway besonders stylish. Und auch die Schauspieler rückt er ins beste Licht. Bis auf Kim Basinger vielleicht. Ihre Hysterie erinnert eher an Bette Davis an einem schlechten Tag, eigentlich ironisch, da Bette ihren letzten Film mit Larry Cohen drehte. Kim hat zwar wenig, womit sie arbeiten kann, da sie fast nur in ihrem Gefängnis hocken muss, aber sie überzeugt nicht wirklich. Bis auf eine Szene, bei der sie ihr Biologie-Wissen einsetzen kann. Besser kommt Chris Evans weg. Der athletische Kerl aus Not Another Teen Movie (wo auch Co-Star Eric Christian Olsen mitspielte) macht die Wandlung vom Surferboy zum Retter gut und erstaunlich glaubwürdig durch, wobei die anfängliche Aussprache mit seiner Freundin (die kriminell unterverwendete Jessica Biel) prophetische Qualität bekommt. Jason Statham ist Mr. Evil in Person und William H. Macy ist einmal mehr ein Fels in der Brandung. Er meistert sogar Actionpassagen toll.

Was will man denn eigentlich mehr von einem Thriller als tolle Akteure, hohes Tempo, kurze Lauflänge und etliche Überraschungen? Logik? Nun, wenns sein muss, aber dass es auch ohne geht, beweist "Cellular" eindrücklich und ohne Anspruch, ein grosser Film zu sein. Vielmehr ist es ein kleiner, feiner Thriller, bei dem Produzent Dean Devlin beweist, dass er auch ohne Mr. Emmerich Filme machen kann. Nun gut, ganz ohne den Namen Emmerich gehts nicht, immerhin ist NewLine-Producer Toby Emmerich ausführender Produzent und sein Bruder Noah Emmerich spielt eine Nebenrolle. Und noch ein Gedanke zum Schluss: Nokia ist in dem Film omnipräsent. Wen das stört, sollte gar nicht erst einschalten. Wer bei einem Film mit dem Namen "Cellular" einen anderen Sponsor als Nokia, Motorola & Co. erwartet, lebt auf dem falschen Planeten.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 3/5
Slant Magazine (USA) 2½/4
imdb


Closer USA/GB 2004
Liebesdrama
Reviewed 8.12.04

Regie und Produktion: Mike Nichols
Mit: Julia Roberts, Jude Law, Clive Owen, Natalie Portman

Die Figuren in "Closer" sind nicht real. Kaum jemand ist so suave wie Jude Law, so maskulin wie Clive Owen, so schön wie Julia Roberts oder so entwaffnend wie Natalie Portman. Selbst die geschliffenen Dialoge der vier sind nicht real. Kaum ein Mensch ist derart artikuliert: Es ist definitiv der Autor, der spricht - Patrick Marber, der auch die Bühnenvorlage von "Closer" verfasste. Doch dennoch ist das Vierpersonenstück schmerzhaft real. Der mittlerweile 73-jährige Mike Nichols ("The Graduate") ist ein Meister des Sezierens von Beziehungen, wie er es etwa in "Who's Afraid of Virginia Woolf?" getan hat. In "Closer" modernisiert er die Thematik, würzt sie mit frechen Dialogen und modernen Menschen. Doch im Zentrum stehen die Lüste der vier, diffuse Liebesabsichten, die bösartige Verwendung von Lüge und Wahrheit. Manche Aussagen tun mehr weh als ein Moment in einem Splatterfilm. Nichols hat nichts von seiner Härte verloren. In einer Welt der Neil LaButtes und Steven Soderbergsh ist er noch immer ein Meister.

Die Geschichte beginnt mit Alice (Natalie Portman) und Dan (Jude Law), die sich auf einer Strasse von London anlächeln. Die junge Amerikanerin Alice läuft daraufhin auf die Strasse und wird angefahren. Dan bringt sie ins Spital. Ihre Worte "hello stranger" binden ihn an sie. Sie werden ein Paar. Monate später ist aus dem Todesanzeigen-Autor Dan ein Schriftsteller geworden. Sein Buch handelt von Alice. Für das Cover muss er Fotos machen. Das übernimmt die hübsche Anna (Julia Roberts). Dan will sie, doch Anna weist ihn zurück. Wieder später gibt sich Dan in einem Chatroom als schöne Frau namens Anna aus und kriegt den bodenständigen Dermatologen Larry (Clive Owen) an die Angel. Dan macht ihn mit Masturbationsgeschichten heiss und verarbredet ein Treffen. Dort wartet jedoch Anna auf Larry - und aus dem Missverständnis wird Liebe. Doch nicht für lange ...

Am Schluss des Films haben die Männer mit beiden Frauen geschlafen, doch wer wen liebt, bleibt ungelöst. Die Beziehungen wechseln, die Wahrheiten wechseln, die Dialoge bleiben die selben. Die vier verlangen nach Wahrheit, manchmal mit regelrechter Aggression. In einer Szene schreit Larry Anna an und will Details von ihrem Seitensprung. "Why are you doing this?" fragt sie ihn und plötzlich sprudeln die Beleidigungen aus ihr heraus. Dan ficke besser und sei zärtlicher. Auf diesem Sofa hätten sie es getan, sie sei zweimal gekommen. "Danke", sagt Larry, "und nun geh, du Schlampe". Es sind wirklich böse Worte, die so zynisch sind, dass einem manchmal das Lachen im Hals stecken bleibt. Denn obwohl man immer den Autor am Figuren und Dialoge schieben sieht, wirken manche Momente so real. Man erkennt plötzlich einen Charakterzug in einer Person, den man von sich kennt, von der Freundin, vom Freund oder von den Schauspielern, die sie spielen. All dies verschmilzt zu einer fremden und doch so echten Welt, in der Worte die grösste Waffe sind. Der scheinbar dümmste der vier, Larry, kann damit besonders bösartig umgehen. Dan ist verletzlicher, verletzt aber genauso. Anna ist scheinbar freundlich, aber sie berechnet. Und geht ihrer Lust nach, nur um danach mit der Wahrheit die Leute blosszustellen. Und selbst die scheinbar unschuldigste, Alice, wird zum Schluss in ein ganz anderes Licht gerückt.

Die vier sind keine Monster. Sie sind Menschen, ihre Beziehungen, Lüste und Ängste treiben sie aber in emotionale Extremsituationen. Die artikulierten Worte sind grob in Form und Inhalt. Wer hätte jemals gedacht, dass Julia Roberts einem Kerl ins Gesicht geifert, dass das Sperma eines anderen Typen gleich gut schmecke wie seins - nur süsser. Die härtesten Dialoge, jene im Chatroom, sind noch die witzigsten. Klar tippt Dan die sexistischsten Männerträume, doch da gibts wirklich was zu lachen. Später, wenn solche ähnlichen sexuellen Erfahrungen ein déjà-vu in der Realität auslösen, gibt es kaum mehr etwas zu lachen. Die Sympathien wechseln, der Sexismus kommt von beiden Seiten. Und egal ob man diese Leute nun versteht oder nicht, ob man sie mag oder nicht - sie sind verdammt faszinierend. Man würde sich gerne mit ihnen abgeben, obwohl man weiss, dass sie einen betrügen würden bevor die Sonne untergeht. Die Faszination von Verlangen, von Verstanden werden und von der Macht der schönen Worte ist zu stark. Auch für die Zuschauer. Und deshalb gehört den Schauspielern alles Lob der Welt. Clive Owen müsste bereits jetzt eine "Oscar"-Nomination übergeben werden. Julia ist mutig und ihre Dialoge blendend. Natalie Portman zeigt sich in ihrer gewagtesten Rolle - etwa im Stripraum mit Clive Owen, als sie ihn verbal niedermacht und gleichzeitig sexuell verführt. Nichts ist in "Closer" einseitig, jeder verfolgt verschiedene Ziele. Sex, Rache, Lust, Wärme. Liebe. "Love is a battlefield" kommt einem mehrmals in den Kopf. Jude Law zuguterletzt, ist einmal mehr sehr charmant, doch genau dies macht seinen Charakter so gefährlich. Tut er einem am Schluss leid? Kaum. Man hat das Gefühl, er sei schnell über alles weg. Die anderen drei auch. Oder sie fangen das Ganze wieder von vorne an. Solche kalkulierenden Charaktere sind nie am Ziel. Wir durften ihnen bloss zwei Stunden zuschauen. Und das ist ein wahrer Genuss.

Ich gebe nicht mehr Sterne, weil "Closer" nicht cineastisch ist. Es ist ein Vierpersonenstück, das perfekt auf der Bühne funktioniert. Braucht es einen Film? Ja, weil ich nie ins Theater gehe und weil diese Akteure einfach allererste Sahne sind. Aber Mike Nichols macht wenig aus der Kamera - und solchen Charakteren-bezogenen Filmen fehlt für mich etwas, was ich auf über vier Sterne bringen kann. "Closer" ist ein Film, den ihr unbedingt sehen müsst, da er einige der besten Schauspielleistungen des Jahres bietet und mit bitterbösen Dialogen die Illusion von Liebe beinahe zerstört. Ein böser Film, der trotzdem unterhält. Es ist kein "grosser" Film, sondern einer, der den Zeitgeist in übertriebener aber tiefgründiger Weise einfängt und nie langweilt, da die Personen so derb sind. Kurz blitzt jeweils Liebe auf, doch der Fall danach ist umso härter. Und irgendwann glauben selbst die Zuschauer ihren verführerischen Worten nicht mehr.

Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
Slant Magazine (USA) 2/4
imdb


Collateral USA 2004
Thriller
Reviewed 2.9.04

Regie und Produktion: Michael Mann
Executive Producers: Frank Darabont, Chuck Russell, Rob Fried, Peter Giuliano
Musik: James Newton Howard
Mit: Jamie Foxx, Tom Cruise, Jada Pinkett-Smith, Mark Ruffalo, Peter Berg, Bruce McGill, Irma P. Hall, Javier Bardem, Debi Mazar, Jason Statham

"Collateral" ist ein starker Streifen. Er ist gleichsam altmodisch und doch ausgesprochen modern. Altmodisch, weil seine Geschichte das Rad nicht neu erfindet, einen klassisches Finale liefert und ohne allzu viel technischen Firlefanz auskommt. Modern, weil Michael Mann mit digitaler Kamera filmt, seine Charaktere durchleuchtet und die Akteure gegen ihr Image besetzt. Letzteres gilt massgeblich für Tom Cruise, der mit ergrauten Haaren den Killer Vincent spielt. Er kommt vom Flughafen und steigt in L.A. ins Taxi von Max (Jamie Foxx). Der fährt seit 12 Jahren Taxi, träumt aber davon, ein Limousinen-Unternehmen aufzubauen. Er fährt Vincent ans Ziel - worauf eine Leiche auf seinem Dach landet. Erst nun erkennt Max, dass sein Passagier ein Profikiller ist. Und seine Liste hat noch die Namen von vier weiteren Personen, die er für den Gangster Felix (Javier Bardem) umlegen muss. Max soll ihn zu den Jobs fahren.

Das moralische Dilemma von Max ist einer der Haupt-Komponenten von "Collaterals" psychologischer Seite. Ein weiteres sind die Dialoge zwischen Max und Vincent, an denen beide zu wachsen scheinen. Der Verlierer Max sammelt ganz langsam Mut, aber nie soviel, dass er zum eigentlichen Helden werden würde. Und Vincent eintwickelt ein umgekehrtes Stockholm-Syndrom, denn er mag seinen Fahrer eigentlich. Ansonsten ist er eiskalt, schiesst präzise und ihne Fragen zu stellen. Die Diabolik ergibt sich aus Cruises Spiel, das keinerlei Emotionen zu zeigen scheint, sondern analytisches Denken. "Es ist nur ein Job" sagt er lakonisch, doch ganz glauben wir ihm nicht, denn seine Dialoge von "Darwin, I Cheng, blabla" sind zu einstudiert, zu leer. Als mache er sich etwas vor. Michael Mann ist trotz seinen Glitzerfassaden-Filmen schliesslich doch noch ein Moralist und er stellt die Frage, ob es wirklich egal ist, was andere tun. Ob wir einfach unser Leben leben sollen oder ob wir uns einmischen sollen. Wie Cruise es sagt "join fucking Greenpeace". Mann bleibt relativ vage, doch er opponiert gegen die Laissez-Faire-Zeit des neuen Jahrtausends. Wie man das umdeutet, ist dem Zuschauer überlassen.

Wichtiger sind letztendlich doch die Charaktere. Jamie Foxx wächst einem richtig ans Herz. Dass er in einem entscheidenden Moment nicht weiss, wie er eine Tür einschlagen soll oder wie eine Pistole funktioniert, macht ihn zum typisch modernen Helden, der eben gar keiner ist. Er ist ein normaler Mensch und genau deshalb fühlen wir mit ihm mit. Wir fühlen auch mit Jada Pinkett-Smith mit, die am Anfang des Films mit Max flirtet - aber auf ungemein natürlich Art, ohne den Klischees zu verfallen. Es ist eine wunderbare Szene, die zeigt, dass Mann auf Realismus aus ist - und eine Szene, die uns Max als Menschen näherbringt. Etwas, wofür viele moderne Thriller keine Zeit mehr finden.

Der Look ist während der ganzen Zeit entscheidend. Der Film spielt während einer Nacht. Die Symbolik, die sich daraus ergibt, diktiert quasi das Ende (aus der Dunkelheit zum Sonnenaufgang) - doch das Nacht-Setting ist auch zuvor ungemein überzeugend. Ich bin nicht der grösste Fan von Digitalkameras, doch hier passt es perfekt. Das künstliche Licht der Nacht dient als Beleuchtung, man spürt die Grosstadt, man atmet L.A. Die Beleuchtung mit Strassenlaternen, Neon-Reklamen und ähnlichem wirft einen Schatten auf die Akteure und sorgt für eine konstant unheilschwangere Atmosphäre. Der Digi-Look bringt uns zuden hautnah an die Figuren. Man sieht durch das Makeup - auch dies Teil des Realismus', der angestrebt wird. Dieser Realismus zieht sich bis in die Actionszenen, die kurz und intensiv sind. "Collateral" ist mit 122 Minuten etwas auf der langen Seite, v.a. für jene, die Spannung und Action erwarten. Action gibts wenig, Spannung ergibt sich aus der Beziehung zu den Charakteren. Ich habe jedenfalls ungemein mit Max mitgelitten - und mit Vincents Opfern, vor allem einem Kerl im Jazz-Lokal. Eine fantastische Szene.

Zu den brillanten Akteuren, dem atmosphärisch urbanen Look und der einfachen, doch tiefgründigen Story gesellt sich ein fantastischer Soundtrack, der von Jazz über Latino-Sound bis zu Hardrock und Elektro-Beats alles bietet. Ein klasse Score für einen klasse Film. Vielen dürfte das Ende zu konventionell sein, der Held zu schwach, der Plot zu dünn - doch diese Argumente schiessen am Ziel vorbei. Michael Mann hat "Heat" schon gedreht, diesmal will er nichts beweisen, sondern einen beinahe kleinen Thriller drehen. Ein langes Gespräch zwischen einem Killer und einem Kerl, der um sein Leben bangt. Das geht, wenn man sich mitreissen lässt, an Herz und Nieren - und unterhält dennoch gut. Nicht zuletzt im Finale, dass eine rasante U-Bahn-Szene bietet und ein hochspannendes Katz-und-Maus-Spiel in einem Bürogebäude. In Amerika startete "Collateral" verhalten, fiel danach in den Charts aber kaum ab. Die Mund-zu-Mund-Propaganda war blendend. Dies ist immer ein gutes Zeichen für die Qualität eines Films ...

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
imdb


Dawn of the Dead USA 2004
Horrorfilm
Reviewed 1.6.04

Regie: Zack Snyder
Mit: Sarah Polley, Ving Rhames, Jake Weber, Mekhi Phifer, Ty Burrell, Michael Kelly, Kevin Zegers, Michael Barry, Lindy Booth, Jayne Eastwood, Matt Frewer

George A. Romeros "Dawn of the Dead" von 1978 ist überschätzt. Da, ich habs gesagt! Ich weiss, dass alle von Roger Ebert (4/4) bis zum Horror-Geek den Streifen vergöttern und als einen der besten Zombie-Streifen aller Zeiten hinstellen. Doch er ist es nicht. "Night of the Living Dead" ist spannender und atmosphärischer, "Day of the Dead" ist rasanter. Aber "Dawn of the Dead" hat einen grossen Pluspunkt: Gesellschaftskritik. In viele Zombiefilme kann man Themen vom Rassenhass bis zur Antikommunismus hineinlesen, doch bei "Dawn of the Dead" ist das Ziel eindeutig die Konsumgesellschaft. Das Setting der Mall nutzt Romero fantastisch aus. Dazu kommen einige wirklich haarsträubende Ekel-Effekte. Der Rest ... na ja. Überlang und hie und da unfreiwillig komisch, Reicht aber für solide 3½ Sterne.

Das Remake bekommt gleich viel. Bloss aufgerundet. "Dawn of the Dead", die 2004er-Version, stammt von Werbefilmer Zack Snyder mit einem Drehbuch von James Gunn (Scooby-Doo 2). Die beiden legen ihre Version klar auf das junge Publikum an und zeigen eine entschlackte Version, ausgelegt auf Unterhaltung. Insbesondere die ersten 10 Minuten sind der Knüller. Die bedrohliche Atmosphäre entlädt sich in dieser schrecklichen Szene, in der Sarah Polley realisiert, dass ihr Mann nicht mehr wirklich ihr Mann ist. Dies ist schliesslich für mich noch immer die grausamste Sache an den Zombiefilmen (bzw. an allen Seuchenfilmen) - die Zivilisation geht vor die Hunde, niemand kann sich wehren und sogar die eigenen Liebsten werden infiziert. Und müssen gekillt werden, sonst fressen sie einen auf. Gibts denn etwas Furchtbareres? Danach kommt der coole Vorspann, bei dem ich nur eine Frage hatte: musste die erste Szene betende Muslims zeigen? Egal, was Snyder dabei dachte, aber nun drängt sich der Gedanke auf, er wolle Muslims mit Zombies gleichsetzen. Zu sagen, blind religiöse Leute seien wie Zombies, ist eine witzige Idee und müsste aufgegriffen werden, aber der Shot dieser betenden Leute bleibt unreflektiert und ist in der heutigen Zeit grob fahrlässig. Insbesondere, da es die allererste Einstellung beim Vorspann ist.

Anyway, das ist eine kleine Sache. Danach gehts in den eigentlichen Film und da lässt er etwas nach. Sarah Polley verschanzt sich mit Überlebenden wie Vong Rhames, Jake Weber und Mekhi Phifer im Einkaufszentrum. Da harren sie aus, während draussen die ganze Welt infiziert wird und in die Mall hinein will. Die Idee, dass die willenlosen Zombies Abbilder der willenlosen Shopper sind, die getrieben werden vom Konsumzwang, wird kaum aufgegriffen. Snyder und Gunn vergeben praktisch jede Chance auf etwas Tiefgang. Auch als einmal die Boys auf dem Dach ein Zombie-Zielschiessen veranstalten, wird kaum darauf eingegangen. Bloss mit einer Bemerkung von Polley, nach der klar ist, wie der schleimige Steve (Ty Burrell) enden wird. Diese Szenen in der Mall sind bisweilen leider auch etwas langweilig. Die ganze Sache mit dem Zombie-Baby ist einfach peinlich und die Vorstellung, dass Nicole (Lindy Booth) wegen einem dummen Köter zu den Zombies rausgeht, ist hirnrissig. Nicht der tierfreundlichste Mensch würde sich dieser Horde aussetzen. Na ja, es ist bloss, um den Plot voranzutreiben. Und das ist das Zentrale an "Dawn of the Dead": lieber weniger Sozialkritik, lieber weniger Plausibilität, dafür Tempo. Sogar die Zombies schleichen für einmal nicht, sondern laufen mit normaler Geschwindigkeit. Ein Sakrileg für Zombiefans, doch es funktioniert ganz okay.

"Dawn of the Dead" (das Remake) ist eben dumb fun. Alles muss schnell gehen, für Charakterentwicklung oder Trauer um Hinterbliebene bleibt keine Zeit. Lieber auf zum nächsten Thema, zur nächsten Gefahr, zum nächsten coolen Shot. Das hört sich jetzt sehr negativ an, doch ich meine das durchaus positiv. Es gibt nur wenige Durchhänger in dem Streifen, ansonsten dominiert Action oder Humor - auch wenn es bisweilen Galgenhumor ist, da man sich in eine solche toughe Situation nicht hineindenken will. Eine, in der man nicht mehr mit Verstand weiterkommt, sondern bloss mit roher Gewalt: "America always sorts its shit out" sagt mal einer - doch mit einer solchen Menschenflut hat sogar das mächtige Amerika Mühe. Und das bringt mich noch kurz zur Gewalt. Die ist okay, aber nicht spektkulär. Kein Essen von Eingeweiden, keine langen Einstellungen von verstümmelten Körpern. Alles geht sehr schnell und bis auf unendlich viele Kopfschüsse bleibt es zahm. Grosse Ausnahme: die Kettensäge sorgt vor Ende für einen deftigen Moment ... aber ansonsten ist es eher die Angst, die den Horror ausmacht, weniger das Blut. Die Angst vor der Hilflosigkeit, vor dem unvermeidbaren Untergang. Diese Apokalypse sorgt für die Atmosphäre und Snyder sorgt für die Action. Anspruch kann man vergessen, Charakterentwicklung geht vor für die Säue, Insider-Verweise an andere Zombie-Filme (wie Fulcis Murks "Zombi") sind spärlich gestreut, die religiösen Vermerke sind peinlich oberflächlich - bis auf den zentralen Satz: "when there's no more room in hell, the dead will walk the earth". Das tun sie. In Massen. Und sorgen für tolles Erntertainment ... ohne viel Hirn.

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
imdb


De-Lovely USA 2004
Musical.Biografie
Reviewed 13.9.04

Regie und Produktion: Irwin Winkler
Mit: Kevin Kline, Ashley Judd, Jonathan Pryce, Kevin McNally, Sandra Nellson, Anna Corduner, Peter Polycarpou, Keith Allen, Edward Baker-Duly
Sänger-Cameos: Robbie Williams, Elvis Costello, Alanis Morissette, Sheryl Crowe, Natalie Cole, Lemar Obika, Mick Hucknall, Vivian Green

Ich bin sicher nicht gerade ein Jazz-Kenner, doch von Cole Porter sind mir doch manche Songs bekannt. Nicht zuletzt "Anything Goes", der in "Indiana Jones and the Temple of Doom" als Leitmotiv und Anfangssong dient. Das Selbe gilt für "De-Lovely". Auch dort verkündet der sichtlich gealterte und wohl bald sterbende Cole Porter (Kevin Kline) dem "Regisseur" (Jonathan Pryce), man dürfe ein Musical nie mit einer Ballade beginnen - und sofort tanzt die Besetzung zu "Anything Goes". Regisseur? Porter? Nun, der Film ist in einer Brecht'schen Weise mit einer kommentierenden Rahmenhandlung versehen. Pryce spielt Erzengel Gabriel (der Song "Blow, Gabriel, Blow!" drängt sich dann ja mal auf), der das Leben des berühmten Songwriters Cole Porter (1891-1964) mit ihm nochmals Revue passieren lässt.

Regisseur Irwin Winkler (Life as a House) konzenriert sich dabei primär auf drei Aspekte aus Porters Leben: Seine Bisexualität, seine Musik und seine Liebe zu seiner Muse Linda Lee (Ashley Judd). Porter lernte Linda in Paris kennen, verliebte sich in sie und heiratete sie. Linda wusste, dass er Nachts Männer besucht, die beiden hatten eine Art Arrangement. Mit dem Umzug nach New York stellte sich der grosse Musical-Erfolg ein, in Hollywood gabs neuen Ruhm bei MGM. Doch die Beziehung bekam langsam Risse. All dies wird in Hollywood-typischer Manier erzählt, wobei die Rahmenhandlung für mich nie ganz funktionierte - zum einen, weil Kevins Maske etwas albern ist, zum anderen, weil es einen aus dem Film reisst. Ansonsten empfand ich die erste Hälfte als ausgesprochen schwungvoll. "I wanted every love that was available" ist Porters Antrieb und so sieht man ihn Lieben und Singen. Skurrilerweise kam mir in Venedig gleich nochmals "Indiana Jones" in den Sinn. Erst "Anything Goes" aus Indy 2, dann "Ah, Venice" aus Indy 3. Sowas fällt wohl bloss mir auf ... schliesslich gibt es Wichtigeres zu beobachten.

Massgeblich die Songs. Lieder wie "True Love" (gesungen von Judd), "Begin the Beguine" (Sheryl Crowe) oder "Love For Sale" (Vivian Green) lassen schwelgen, "Anything Goes", "What a Swell Party This Is" (Kline, Judd), "Let's Do It, Let's Fall In Love" (Alanis Morissette) und "Let's Misbehave" (Elvis Costello) reissen vom Hocker. Daneben gibts noch mehr Nummern, u.a. eine mit Robbie Williams. Die Lieder entwachsen wirklich der Story und ihre Lyrics ergeben vor allem im zweiten Teil in Anbetracht der Ehekrise neue Bedeutungen. Als Ausgleich macht Kline in "Be a Clown" MGM-Boss Louis B. Mayer zum Narren. That's entertainment!

Doch die zweite Hälfte mag nicht mehr mithalten. Zum einen bringt Winkler zuviel Melodrama ins Spiel, zum anderen weiss er nicht, wann er aufhören soll. Das Ende von "Blow, Gabriel, Blow!" wäre ideal gewesen, doch es kommt noch mehr. Die 125 Minuten erscheinen einem so sehr lang. Und der Schwung ist weg, weil das Leiden Einzug hält im Film. Selbst mit Judds Rolle konnte ich nicht mehr so viel anfangen. Wieso eigentlich die Krise? Linda wusste, dass Cole auf Männer steht - und plötzlich wird das zum Reizthema. Es ist nachvollziehbar, dass sie ein Kind von Cole wollte und seine ganze Liebe dazu, doch es macht ihren Charakter weniger sympathisch. Zudem werden die Schwulen plötzlich als böse dargestellt, was in der ersten Filmhälfte auch nicht passierte. Vieles fügt sich in dieser Sektion des Films einfach nicht richtig zusammen. Es scheint, als hatte Winkler eine Liste und strich ab, was er noch zeigen will. Das Endresultat ist ein unruhiger Film. Eine tolle erste Hälfte, gute Akteure, fantastische Songs - aber je länger der Film dauert, desto mehr Pepp, Sinn und Raffinesse verliert er.

Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 3/5
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Derrick - Die Pflicht ruft D 2004
Zeichentrickfilm
Reviewed 15.3.04

Regie: Michael Schaack
Sprecher: Horst Tappert, Fritz Wepper, Wolfgang Stumph, Ralph Morgenstern

Armer Horst Tappert: Da wollte er mit numehr bald 81 Jahren den Ruhestand geniessen, schon holt ihn "Werner"-Regisseur Michael Schaack als Sprecher für eine Derrick-Verarsche zurück. Zugegeben, Tappert ist noch immer irgendwie kultig und seine Tränensäcke auch als Zeichentrickfigur sehenswert, doch der Film will nicht funktionieren. Gleichzeitig Hommage und Veräppelung, das ging schief. "Derrick - Die Pflicht ruft" konzentriert sich deshalb auf letzteres. Die Handlung (ein Schlagersänger tötet Gegner, die ihm den Sieg bei einem Contest wegschnappen könnten) gibt ausser ein paar Seitenhiebe aufs Boygroup-Geschäft sowie Attacken gegen die Dieter Bohlens und Jürgen Drevs' Deutschlands eher wenig her. Die Gag-Quote liegt denn auch bloss etwa bei 25%. Der Rest feuert gnadenlos daneben oder das Timing stimmt einfach nicht. Zudem sind die visuellen Pointen meist einfach beschränkt. Was bei einem frühen "Werner"-Film vielleicht funktionierte, steht hier quer in der Landschaft. Anders gesagt: Schaack hat viel zu wenig Talent ...

Positiv herauszuheben ist, dass Tappert und Wepper sich ironisch geben, ihre Figuren durchaus auch der Lächerlichkeit preisgeben können. Doch es wurde viel zu wenig aus dem Kultstatus der Serie gemacht. Bis auf "Harry, hol schon mal den Wagen" gibt es zu wenig Insider-Gags - dabei wäre doch tonnenweise Material zu holen gewesen. Ein paar Pointen, u.a. jene gegen Schimanski, sind gelungen, doch die knapp 80 Minuten wollen und wollen nicht enden. Der Zeichenstil ist zu billig, die Story zu plump und die Gags zu infantil, um den Film wirklich attraktiv zu machen. Horst, geniesse lieber deinen Ruhestand!

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Dirty Shame USA 2004
Satire
Reviewed 31.3.05

Regie und Buch: John Waters
Mit: Tracey Ullman, Johnny Knoxville, Chris Isaak, Selma Blair, Suzanne Shepherd, Mink Stole, Patricia Hearst, Wes Johnson, Paul DeBoy, Ricki Lake, David Hasselhoff, John Waters

John Waters war schon immer ein Rüpel. In seinem Kultfilm "Pink Flamingos" ass Devine sogar Hundekot. In den letzten Jahren wurde es um den Regisseur aus Baltimore etwas stiller. Doch "Dirty Shame" bringt ihn wieder auf alte Bahnen zurück. Jedoch nicht mit wirklich überzeugendem Resultat. Die MPAA gab dem Film unverständlicherweise ein NC-17-Rating. Klar wird über Sex geredet und sehr provokativ auch viel gezeigt - doch das ginge gut als "R" durch. So derb ist die Satire dann auch wieder nicht!

Sie dreht sich um die Familie Stickles, die in einem biederen Quartier von Baltimore lebt. Mama Sylvia (Tracey Ullman) und Papa Vaughn (Chris Isaak) haben die Tochter Caprice (Selma Blair) einsperren müssen. Das Mädchen mit gigantischem Busen nennt sich Ursula Udders und ist sexsüchtig. Das passt nicht ins Quartier. Doch da erwischt Sylvia ein Schlag am Kopf. Umgehend steht der Sex-Messias Ray-Ray (Johnny Knoxville) neben ihr und bekehrt sie. Sylvia wird zur Cunnilingus-süchtigen Nymphomanin, die auch ihre Tochter wieder freilässt. Doch der Sieg der neuen sexuellen Revolution soll aufgehalten werden: Die anständigen Bewohner, die sich "neuters" nennen, planen den Gegenangriff.

Es ist wahrlich bizarr, was Waters abzieht. Von Selma Blairs künstlichem XXL-Busen über riesige Text-Einblendungen wie "W-H-O-R-E", abstruse Song-Lyrics und schrillste Fetische gibts hier viel zu bestaunen. Wörter, die manche niemals zuvor gehört haben (z.B. Felching: Sperma aus Anus oder Vagina des Partners saugen), werden in die Runde geworfen. Dadurch attackiert Waters einmal mehr die Biederkeit seiner Landsleute. Er macht dies kaum gewitzt, kaum subtil - sondern mit dem Vorschlaghammer. Das Timing stimmt dabei überhaupt nicht, das Schauspiel ist sperrig, der Humor geschmacklos. Aber eben: Es ist 100% Waters. Hie und da habe ich mich denn auch köstlich amüsiert, aber mir gefielen seine schrilleren Filme wie "Cry-Baby" oder "Hairspray" besser. Die sind auch schamlos, attackieren das konservative Amerika aber auf clevere und dadurch viel wirksamere Weise.

An "Dirty Shame" ist nichts clever. Man kann die Freakshow mit einem aufgeschlossen gröhlenden Publikum sicher anschauen und sich dabei idealerweise hemmungslos besaufen, doch als "guter Film" geht der Streifen nie und nimmer durch. Manche Dinge sind so politisch inkorrekt, dass ich sie halt doch wahnsinnig mochte. Als etwa eine Sexsüchtige ein biederes Heim betritt, schreit sie "who wants to fuck me!" und der kleine Sohn springt auf und schreit "me, me!" ... sowas mag ich durchaus, aber der Fetisch-Zelebrierungs-Quatsch "Dirty Shame" hat zu wenige wirklich umwerfender Momente. Selbst das Cameo von David Hasselhoff ist im wahrsten Sinne des Wortes Scheisse. Sein Gastauftritt in DodgeBall war jedenfalls hundertfach spassiger. Vieles hätte man witziger machen, einiges noch derber, anderes einfach nur besser. Waters ist zurück, keine Frage. Doch seine Attacken wirken billiger als früher.

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Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) 1/4
Slant Magazine (USA) 3/4
imdb


Dodgeball: A True Underdog Story USA 2004
Komödie
Reviewed 17.9.04

Regie und Buch: Rawson Marshall Thurber
Produktion: Ben Stiller, Stuart Cornfeld

Mit: Vince Vaughn, Ben Stiller, Christine Taylor, Rip Torn, Justin Long, Stephen Root, Joseph Root, Joel Moore, Alan Tudyk, Missi Pyle, Chris Williams, Jamal Duff, Hank Azaria, William Shatner, David Hasselhoff, Lance Armstrong, Chuck Norris

Ein Film, der den Satz "You’re about as useful as a cock flavoured lolly pop" (*) beinhaltet, kann ja nicht schlecht sein. Selbst wenn er auf deutsch "Voll in die Nüsse" heisst. "Dodgeball" ist eine Sportkomödie, die die Konventionen des Genres nimmt und nicht auf den Kopf stellt. Sie spielt damit. Also ist alles da, was man aus Sportfilmen kennt: Underdog vs. Favoriten, Ausbildung, grosses Finale, schöne Girls lieben hässliche Sportler ...aber einfach etwas übderdreht. Vielen dürfte der Film nicht gefallen, weil er keine Gefangenen macht. Er zielt, um zu killen. Mein Zwerchfell verursachte jedenfalls innere Blutungen. Vor allem in der ersten Hälfte. In der wird der Plot aufgegleist: Produzent Ben Stiller spielt White Goodman (Ben Stiller), einen ehemaligen Fettsack, der sich zum kleinen Muskelprotz trainiert hat und über das "Globo Gym"-Fitness-Imperium herrscht. Er will expandieren, dabei stört ihn der "Average Joe's"-Fitnessclub des Verlierers Peter La Fleur (Vince Vaughn) auf der anderen Strassenseite. Peter hat kaum Gäste und die zahlen nicht. Deshalb hat er Schulden. 50'000 Dollar, wie ihm die Anwältin Kate Veatch ("Mrs. Stiller" Catherine Taylor) darlegt. Peters Freunde haben eine Idee: Beim Völkerball-Turnier in Las Vegas gewinnen, dort beträgt die Preissumme 50'000 Dollar! Und sie finden schon bald den passenden Coach: Die mittlerweile im Rollstuhl sitzende und ziemlich irr gewordene Völkerball-Legende Patches O'Houlihan (Rip Torn). Doch so schnell gibt Goodman nicht auf: Er organisiert ein eigenes Team ...

Einige der besten Momente sind in dieser ersten Hälfte. Zum Beispiel eine bizarre Carwash-Sequenz, bei der "Jeepers Creepers"-Star Justin Long zum Man-Toy verkommt. Oder die Ausbildung, bei der Rip Torn mit Schraubenschlüsseln auf die Sportler wirft. Das hört sich auf Papier albern an und ist sicher nicht der neuste Comedy-Gag - doch es kommt auf das Timing an. Und das stimmt bis auf die Hundertstelsekunde. Die Schraubenschlüssel sorgen jedenfalls für einige der lautesten Lacher im Film. Auch die Akteure haben das richtige Timing. Justin Long tut einem einfach ein wenig Leid, Christine Taylor ist nicht nur süss sondern auch frech, Rip Torn ist ein herrliches Ekelpaket, das Dinge sagen darf wie "It's like watching a bunch of retards trying to hump a doorknob!", Vince Vaughn ist relaxt aber funny und darf etwa den berühmtesten Satz aus "Jerry Maguire" etwas umdeuten: "You had me at 'blood and semen'", harhar. Stiller ist mal wieder komplett am übertreiben. Aber sein Charakter ist zum Schreien. Wie er mit aufblasbarem Penis versucht, Kate anzumachen, wie er nicht kappiert, dass ein anderen ihn auf die Hörner genommen hat, wie er Sätze mit "I'm just kidding. No I'm not" beendet - einfach brillant. Es ist eine Art Comedy wie sie Stiller in "Zoolander" praktiziert hat. Entweder man ist auf seiner Wellenlänge und lacht sich tot, oder man sieht die Satire dahinter nicht und ist beleidigt.

Wie gesagt, "Dodgeball" ist nicht für alle. Sein Humor ist krude, die Pointen von vulgär bis schmerzhaft. Ein Gag mit einer übergewichtigen Cheerleaderin und Ben Stillers Zückerchen nach den Credits sind einfach nur bodenlos eklig. Aber ich sei verdammt, wenn ich mich nicht gekrümmt habe vor Lachen. "Dodgeball" ist eine der witzigsten Komödien dieses Jahres, eine, die David Hasselhoff und anderen "Stars" kuriose Cameos gibt und eine, der politische Korrektheit am Arsch vorbeigeht. "Kate, it's time for you to put your mouth where our balls are." Oh ja!

(*) bei imdb ist der Satz als "You all are about as useful as a poopie flavored lolly pop" aufgeführt. Das ist ein Fehler - oder die zensierte Version. Die Cock-Fassung ist jedenfalls viel lustiger ...

Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 4/5
imdb


Eros USA/I/HK/F 2004
Episodenfilm
Reviewed 28.7.05

Der dreiteilige Episodenfilm käme auf eine Durchschnittsbewertung von 2.5, doch das ist eine nichtssagende Beurteilung. Ich gebe jedem Segment seine eigenen Sterne - mit ein paar Worten.

The Hand * * * ½
Regie, Buch und Produktion: Wong Kar Wai
Mit: Chang Chen, Gong Li, Tin Fung

Viel typischer kann ein Wong-Kar-Wai-Film kaum sein. Die Story ist simpel: Der Jung-Schneider Xiao Zhang (Chang Chen) verfällt der Prostituierten Miss Hua (Gong Li) und fertigt fortan ihre edlen Kleider. In typischer Wong-Manier ist die Liebe in "The Hand" keine einfache. Vielmehr schwingt Wehmut mit dem Verlangen mit und jede noch so kleine Berührung entwickelt eine ungeheuere Leidenschaft. Die erste, ausschliesslich mit der titelgebenden Hand getätigt, ist expliziter, als man es von Wongs jüngeren Filmen gewohnt ist, aber enorm sinnlich. Alles, was danach kommt, ist auf die erste Berührung zurückzuführen. Die Einfachheit dieser Struktur ist bestechend und erlaubt Wong, später in kleinen Szenen viel auszusagen. Schlicht brillant ist etwa jene Sequenz, in der Zhang seine Hand in den leeren Dress von Miss Hua einführt.

"The Hand" ist das längste Segment - und zweifellos das beste. Es scheint fast, als würde Wong unter der Vorgabe eines Kurzfilms effizienter arbeiten. Sein letzter 2046 erzählt letztendlich ähnliche Geschichten von der unerfüllten Sehnsucht, doch hier, in nur 40 Minuten, darf er nicht in pseudo-philosophisches Gebrabbel und endlose Wiederholungen abgleiten. Ohne diesen Ballast entfaltet "The Hand" enorme Schönheit (verstärkt durch die Bildpracht von Christopher Dolye), ungeheure Wehmut und tatsächlich die für einen Film dieses Titels ("Eors") benötigte Erotik - obwohl es der Beitrag der dreien, mit der wenigsten nackten Haut ist. Deutliche dreieinhalb Sterne für einen betörenden Kurzfilm.

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Equilibrium * * *
Regie, Buch und Kamera: Steven Soderbergh
Mit: Robert Downey Jr, Alan Arkin, Ele Keats

Die kryptische Geschichte eines Erfinders und Verkäufers (Robert Downey jr.), der bei einem Psychiater (Alan Arkin) von seinen Träumen erzählt, die sich um eine mysteriöse Frau (Ele Keats) drehen. "Equilibrium" ist primär visuell interessant: Der Traum ist in kontrastreichem Blau gehalten, die Psychiater-Szenen in Schwarzweiss. Inhaltlich ist die Sequenz reizvoll, aber schwer zu entziffern. Der Psychiater interessiert sich zum Beispiel kaum für die Ausführungen seines Patienten, sondern versucht lieber, die Aufmerksamkeit einer Person (oder was auch immer) auf sich zu lenken, die wir nie sehen. Arkin ist famos und ungemein komisch in diesen Szenen. Und Robert Downey beginnt den Film als hysterischer Zappelphilipp, um danach auf der Couch Einblicke in seinen Traum zu geben. Amüsanterweise findet man die als Zuschauer völlig uninteressant, da man Arkins Kapriolen zuschaut. Der Twist am Ende ist nicht gänzlich geglückt, aber dieses zweitbeste Segment bekommt trotzdem knappe drei Sterne.

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The Dangerous Thread of Things *
Regie und Buch: Michelangelo Antonioni
Mit: Christopher Buchholz, Regina Nemni, Luisa Ranieri

Ich konnte nie viel anfangen mit Michelangelo Antonioni. Deshalb bin ich wohl auch nicht so schockiert über seinen absolut unbrauchbaren Beitrag zu "Eros", wie es seine Fans waren, sondern geniesse höhnisch diese Katastrophe. "The Dangerous Thread of Things" spottet jeder Beschreibung und zieht das zuvor doch ansehnliche Episoden-Projekt massiv in die Tiefe. Die belanglose Altherrenfantasie um einen mit einer ständig zankenden Frau (Regina Nemni) verheirateten Kerl (Christopher Buchholz), der sich einer verführerischen Dame (Luisa Ranieri) hingibt ist so abgrundtief schlecht, dass ich nur ablachen konnte. Dies ist die Essenz aller Antonioni-Filme - bloss nicht mehr so schön inszeniert wie in seinen besseren Tagen. Dialoge wie "You're always searching for purity and end up in shit" oder "I like old buildings" - "But I'm young" sind von solcher Idiotie, dass man den Film vielleicht als Komödie anschauen sollte.

Untalentierte Akteure stolpern durch die nichtige Handlung und ziehen sich alle paar Minuten aus. Besonders übel ist das Spiel von Regina Nemni. Aber die anderen beiden kommen kaum besser weg. Lustlos gefilmt, schludrig inszeniert, trivial erzählt, katastrophal gespielt und mit dem Erotik-Faktor eines vergammelten Stücks Brot bestätigt mir der Altmeister Antonioni, dass er eh immer überschätzt war. Nach diesem peinlichen Mist, dürften das vielleicht auch ein paar Cineasten einsehen. Interessanterweise war Antonioni der Ausgangspunkt des Films: Der Mentor und zwei seiner Verehrer bzw. Nachfolger inszenierten Geschichten zum selben Thema. Die Schüler haben den Meister weit hinter sich gelassen, kann nach diesem Experiment das einzige Fazit sein.

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imdb


Eurotrip USA 2004
Komödie
Reviewed 9.6.04

Regie und Buch: Jeff Shaffer
Buch und Produkion: Alec Berg, David Mandel
Mit: Scott Mechlowicz, Jacob Pitts, Michelle Trachtenberg, Travis Wester, Jessica Böhrs, Kristin Kreuk, Vinnie Jones, Matt Damon, Lucy Lawless, Rade Serbedzija, Jeffrey Tambor

Dieser Film hätte soviel lustiger sein können. Vier depperte US-Teenies auf dem Weg durch Europa. Da könnte man Klischees, die die Europäer über Amerikaner haben, aufgreifen - und umgekehrt. Beides passiert im Ansatz, doch anstatt mit den Klischees zu spielen, werden sie einfach präsentiert. Ganz à la Chevy Chase in seinem "National Lampoon European Vacation". Die vier Teens werden gespielt on Scott Mechlowicz, Jacob Pitts, Michelle Trachtenberg und Travis Wester. Niemand von ihnen ist sensationell, aber sie tun ihr Arbeit gut. Heraus stechen ein paar Momente mit ihnen - unter anderem die, in denen Michelle Trachtenberg ihren knackigen, jungen Körper zur Schau stellen darf. Oder die, in der sie auf dem Absinth-Trip ihrem Zwillingsbruder (Wester) einen laaangen French Kiss gibt. Das ist immerhin kinky, denn hey, was will man von einer Teeniekomödie mit hübschem, dummen Cast denn? Sex, Gags und Rock'n'Roll. Letzteres wird geliefert, alles von Deutschrock bis 08/15-Punk. Doch schon mit ersterem happert es. Es gibt ein paar blanke Busen, ein paar deutsche Pimmel von Statisten am norddeutschen Strand. Und eben ein paar knisternde Situationen zwischen den Teenies. Aber nichts Grossartiges. Vielmehr ziemlich Verklemmtes. Hier eine Anal-Dildomaschine, dort ein schwuler Italiener. Been there, done that.

Wo es dann wirklich happert, sind die Gags. Auch hier: es hat gute, so etwa die Einspielung von David Hasselhoffs deutscher Version von "Du" während einer Traumsequenz, in der Scott (Scott Mecglowicz) Sex mit seiner deutschen Mail-Partnerin hat. Ach ja, die ist übrigens der idiotische Auslöser des Ganzen: Scott hat eine Mail-Freundschaft mit Mieke (Jessica Böhrs) aufgebaut. Als sie ihn fragt, ob sie zu ihm in die USA kommen und mit ihm knuddeln kann, schreibt er ein entzürntes Mail zurück - denn er denkt, Mieke sei ein Kerl aus Deutschland. Dabei ist es eine Blondine. Und so reist er halt nach Europa. Autsch, es braucht schon viel, um dies zu akzeptieren. Eine lange Mail-Freunschaft? Intime Geheimnisse voneinander besprochen? Aber nie gecheckt, dass "er" eine sie ist? Come on! Und es geht im ähnlichen Stil weiter. Ein paar Gastauftritte, etwa von Matt Damon, Lucy Lawless und den Snatch-Kumpanen Vinnie Jones und Rade Serbedzija, versüssen den Trip, doch die meisten Pointen starten nicht durch, weil sie so plump, so voraussehbar oder so unglaubwürdig sind. "Eurotrip" bietet ein wenig Grins-Spass für simple Gemüter, wie ich eins bin, aber ansonsten ist der Stuss eher zu meiden ...

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James Berardinelli (USA) 1/4
imdb


Fahrenheit 9/11 USA 2004
Prpoaganda-Komödie
Reviewed 2.8.04

Regie, Buch und Produktion: Michael Moore
Mit: George W. Bush, Michael Moore, Saddam Hussein, Osama Bin Laden, Tony Blair, John Ashcroft, Colin Powell, Dick Cheney, Al Gore, Ben Affleck, Robert De Niro, Britney Spears, George Bush sr., Barbara Bush, James Bath, Bill Clinton, Jeb Bush, Laura Bush, Condoleezza Rice, Tom Daschle, Stevie Wonder

George W. Bush ist ein Idiot, doch braucht es einen Michael Moore, um das zu zeigen? Einen Idioten am wichtigsten Schalthebel der Welt zu haben, ist gefährlich. Doch sagt einem das nicht der gesunde Menschenverstand? Anscheinend nicht, sonst hätten die Amis diesen Cowboy-Deppen aus Texas nicht gewählt. Und deshalb ist "Fahrenheit 9/11" ein wichtiger Film. Aber kein so wichtiger Film, wie einem die liberale Medienmaschinerie weismachen will. Ich bin weissgott kein Freund der Republikaner und meine politische Agenda steht noch einige Grade weiter links von jener Michael Moores. Und dennoch halte ich seinen Film für einen gefährlichen Schritt in eine Richtung, in die der Dokumentarfilm nie hätte gehen sollen. Schon Bowling for Columbine platzierte inmitten der sauberen Recherchen Lügen und Fehlschlüsse. In "Fahrenheit 9/11" ist der Anteil von Halbwahrheiten und assoziativ hergestellten Zusammenhängen, die keine sind, auf über 50% angewachsen. Von einem Dokfilm kann man gar nicht mehr reden. Vielmehr von einem Propagandastreifen à la "Triumph des Willens", "Why We Fight", "Jud Süss", "¡Que viva Mexico!" oder "Oktyabr". Die meisten diese Filme sind Meisterwerke ihres Genres - weil sie ihr Ziel erreichen. Das tut "Fahrenheit 9/11" auch. Er stellt George W. Bush als Idioten hin, als gefährlichsten Mann der Welt, als Lügner und Verräter. Das ist er wohl alles, doch darf man deshalb die Moral des Dokumentarfilms opfern? Darf man den demagogischen und polemischen Propagandafilm wieder aufleben lassen? Wo ist der Unterschied, wenn in "Jud Süss" Ratten mit Juden assoziiert werden und in "Fahrenheit 9/11" die Einwohner von Palau, Island und Rumänien als Hinterwäldler hinstellt? Ist es okay, ganz Saudi Arabien in den Dreck zu ziehen? "Fahrenheit 9/11" macht so seine Propaganda. Zugeben, das Ziel ist gut, doch der Weg ist falsch. Nur weil Fox Network ein republikanischer Propganadasender geworden ist, muss man seinen Stil nachäffen?

All diese Fragen gingen mir schon während des Films durch den Kopf. "Fahrenheit 9/11" ist zum Glück witzig genug, um viel Kritik abzublocken. In gewissem Sinne geht er als Satire durch und Satire darf bekanntlich alles. Moore beginnt den Film mit einem "Traum", jenem, dass Al Gore Florida gewonnen habe und somit Präsident sei - bis Fox Florida zu Bush zählte und alle Networks folgten. Stimmt, die Sache in Florida war eine Schande, die Wahlkarten ein Reinfall. Doch zu suggerieren, der Republikaner-freundliche Sender Fox habe das Resultat korrigiert, ist läppisch. Es gibt so etwas wie Hochrechnungen und Hochrechnungen können falsch sein, das weiss jeder Politik-Anfänger. Das war wegen dem knappen Resultat in Florida der Fall und daran haben weder Governor Jeb Bush noch Fox News Schuld. Die Sache mit den Nachzählungen ist eine andere. Hier hakt Moore tatsächlich zu Recht ein. So geht es bei fast jedem Abschnitt weiter: 50% ist solide Recherche, 50% ist assoziative Fantasie. Nun ist Bush gewählt und Moore witzelt darüber, dass er zu mehr als 40% seiner Amtszeit im Urlaub war und die tiefsten Zustimmungsraten hatte. Tatsächlich eine witzige Angelegenheit - bis zum 11. September. Wie Moore den Horror zuerst ohne Bilder nochmals aufleben lässt, ist bedrückend. Und dann zeigt er Bush, der im Kindergarten weiter mit den Kindern liest. Es ist tatsächlich erschreckend, wie viel zu lange er dort sass - doch es ist kein Grund für eine Attacke. Der Präsident war a) nicht richtig informiert und sass Abseits aller Informationsquellen b) zog falsche Schlüsse (ich selbst habe gelacht, als meine Freundin mir mailte, ein Flugzeug sei ins WTC geflogen - bis ich sah, was für ein Flugzeug und mit welchen Resultat) und c) ein Staatschef muss Ruhe bewahren können. Einfach aus dem Saal rennen und Panik machen, wäre auch verkehrt gewesen. Ich fand die Szene also nicht halb so drastisch wie Moore.

Und danach feuert er aus allen Rohren gegen Bushs Familie und gegen Saudi Arabien. Moores Verachtung für diese Sippe nimmt paranoid-schizophrene Züge an. Doch immer wieder erzählt er etwas Neues, etwas Schockierendes. Dazwischen Altbekanntes. Und Harmloses. Dass die Bushs Geschäfte mit den Bin Ladens machten, ist völlig harmlos. Die Bin Ladens sind eine Riesensippe und ihre Geschäfte Milliarden wert. Wer würde nicht mit ihnen geschäften? Man könnte über jeden Menschen der Welt eine Dok machen, weil er irgendwo mit einer Firma involviert war, die im Nachhinein als korrupt und gefährlich dastand. Die Bush-Bin Laden-Verbindung, die Moore lange aufführt, war banal. Dass die Bin Ladens nach 9/11 aus den USA geflogen wurden ohne verhört zu werden, ist krasser. Auch krass, die Erkenntnisse, dass das FBI Terrorwarnungen ans Weisse Haus vor 9/11 gab und diese ignoriert wurden. Wieder: Die Vermischung von deftigen Fakten mit Banalitäten und Lügen. So wie "Fahrenheit" das Ganze auftischt denkt man sich "Was? Bush und die Bin Ladens machten Geschäfte?" und "Was? George W. Bush ist im Ölgeschäft?" Das ist doch gar nichts nichts Ungewöhnliches. Gerhard Schröder ist ein Freund von VW, der Schweizer Bundesrat Christoph Blocher besass eine Industrie, die nun seine Tochter leitet. Das ist alltäglich. Weltweit. Wieso Moore so lange darauf rumreitet, ist mir ein Rätsel - ich befürchte, er will suggerieren, die Bushs hätten Mitschuld an 9/11. Er sagt es nie so direkt, aber er bringt es durch die Hintertür in unsere Köpfe. Eine Anklage, die die Tatsachen verdrehen würde, so wie es einige Fehlgeleitete unter den Kriegsgegner schon während dem Irakkrieg taten. Aussagen wie "Bush hat Schuld an 9/11" oder "Bush ist schlimmer als Saddam" sind die Waffen gehirngewaschenen Linksdemagogen. Ignorante Menschen gibt es eben leider auf beiden Seiten des politischen Sprektrums ... aber zurück zur Bush-Bin-Laden Connection: Wir leben in einer kapitalistischen Welt und wenn die Bushs sehen, dass man mit Saudis Geld machen kann, dann sollen sie das tun. Es mag nicht immer ganz ethisch sein - aber das ist der Kapitalismus nie.

Dann wirds härter. Der Krieg in Afghanistan würde schludrig geführt "There are more police in Manhattan than soldiers in Afghanistan" sagt einer - nämlich 11'000. Bush war Afghanistan nie sehr wichtig, vielmehr Irak. Die Taliban bereisten zuvor sogar die USA - eine Szene, die ich wirklich etwas erschreckend fand. Nicht wegen den Taliban'schen Verbindungen zu Osama (die waren damals noch nicht bewiesen), sondern weil die Taliban ein menschenverachtendes Regime waren, das man ächten musste. Anyway, danach wird Angst geschürt, Terror-Warnungen werden veröffentlicht. Die Nerven liegen blank, weshalb die "Homeland Security" verstärkt und der "Patriot Act" eingeführt wird. Diese Passage fand ich eine der besten, weil sie sehr fundiert war und ohne billige Assoziiationen auskam. Und weil der Patriot-Act eine gefährliche Sache ist. Auch alle Ereignisse, die zum Irak-Krieg führten, dokumentiert Moore gut. Doch auch hier schleichen sich Halbwahrheiten ein. Als Moore die "Koalition der Willigen" aufzählt, ist das witzig. Doch a) macht er diese kleinen Nationen wie Palau, Costa Rica, Island und Rumänien fertig, zum anderen "vergisst" er, dass auch grössere Länder in dieser Koalition waren ... Japan, England, Australien, Portugal, Spanien, Südkorea - total 46 Länder. Stimmt, zu Propaganda-Zwecken kann man das weglassen. Immerhin ist es lustig, aber sauber ist es nicht.

Ebenso verlogen sind die Bilder, die Baghdad als Familienparadies darstellen. Ich war auch gegen den Krieg, aber was Moore hier suggeriert ist albern und blauäugig. Er umgeht die Taten Husseins - das ist klar, sonst würde sein Film nicht funktionieren. Er umgeht auch Anklagen gegen Demokraten. Am Anfang zum Beispiel hätte ein Senator aus Florida eine Untersuchung um die Wahlen starten können, doch auch der demokratische Senator tat dies nicht. Später unterstützten Demokraten wie Tom Daschle den Krieg, etwas, was kurz angedeutet wird, aber kaum beim Namen genannt wird. Alles im Dienst der Propaganada und Polemik versteht sich.

Und dann wirds melodramatisch. Die letzte halbe Stunde besteht aus Berichten aus Irak und aus den Häusern der Angehörigen. Es hat ein paar bewegende Momente, ein paar erschreckende, doch der Film wird langsam langweilig und repetitiv. Zum Schluss dann nochmals ein Coup, als Moore versucht, Kinder von Abgeordneten für den Krieg zu rekrutieren und die längst bekannte Tatsache aufrollt, dass nur die ärmsten Amerikaner in der Armee sind, die Reichen kaum. Zu Friedenszeiten ist das eine gute Sache, in Kriegszeiten muss man das mal vor Augen halten. "Fahrenheit 9/11" ist für manche wohl tatsächlich ein Weckruf. Für andere nur eine Bestätigung dessen, was sie schon immer "gewusst" haben. Halb-Verschwörungen, die keine sind, Anklagen, die auf Halbwahrheiten basieren - all dies macht "Fahrenheit" zu einem gefährlichen Film. Sein Inhalt macht ihn aber zu einem wichtigen Film, zwei Aspekte, die gegeneinander arbeiten. Technisch ist er passabel. Moore arbeitet nur mit Sarkasmus, Schmalz und Assoziationen. Diese drei Mittel werden endlos wiederholt. Die besten Momente sind die komplett satirischen. Etwa, wenn Bush, Cheney und Blair als "Bonanza"-Cowboys reiten oder wenn erklärt wird, dass John Ashcroft im Gouverneurs-Wahlkampf unterlegen sei - gegen einen Toten. Das ist alles himmelschreiend komisch. Anderes ist einfach nur himmelschreiend. "Fahrenheit 9/11" ist ein unterhaltsamer, halbwegs wichtiger und einer mit einem guten Ziel: Bush aus dem Amt zu werfen. Aber es ist kein überragender Film. Zu demagogisch, zu simpel gestrickt, zu lang. Moore ist ein passabler Filmemacher. Aber ein fulminanter PR-Mann.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
imdb


Finding Neverland GB/USA 2004
Drama
Reviewed 17.11.04

Regie: Marc Forster
Mit: Johnny Depp, Kate Winslet, Radha Mitchell, Julie Christie, Dustin Hoffman, Freddie Highmore, Joe Prospero, Nick Roud, Luke Spill, Ian Hart, Kelly Macdonald, Eileen Essel

Der Schweizer Regisseur Marc Foster blickt in das Leben und die Seele von JM Barrie, dem Autor von "Peter Pan". Dieses Stück heute noch mit Unschuld anzuschauen, ist schier unmöglich. Zu viele Psychologen haben das Peter-Pan-Syndrom analysiert und mit Pädophilie behaftete Popstars haben ihre Villa "Neverland" getauft. Wenn Johnny Depp in "Finding Neverland" sich also mit vier kleinen Buben abgibt, hängt ein ganzes Arsenal an psychoanalytischen Fragen in der Luft. Doch was den Film gut macht, ist, dass Forster fast nicht darauf eingeht. Einmal unterstellt jemand Barrie (mit subtiler Brillanz und schottischem Akzent gespielt von Depp), er werde als wegen seiner Freundschaft zu den Jungs schräg angeschaut - und er gibt zurück "wer würde so etwas denken? Es sind unschuldige Kinder". Und damit hat es sich. War JM Barrie pädophil, weigerte er sich, gross zu werden? Ich weiss es nicht, auch nicht nach diesem Film, doch ich glaube, er war ziemlich normal. Normal darin, dass er Jugend in sich bewahren wollte, dass er sich weigerte ganz erwachsen zu werden und seine Fantasie preiszugeben. Und er mochte diese vier Buben wirklich.

Sie sind die Kinder der allein erziehenden Sylvia Llewelyn Davies (Kate Winslet). Barrie hängt so oft mit ihren rum, dass er seine Ehe mit Mary (Radha Mitchell) aufs Spiel setzt. Doch die Zeit mit den Kindern inspiriert Barrie nach vielen Flops zu einer neuen Art von Stück. Zu Fantasy. Zu "Peter Pan". Ich mag die Vorlage sehr, ob sie nun als Fantasy-Kindergeschichte angeschaut wird oder psychologisch für etliche Phänomene herhalten muss. Es ist letztendlich einfach ein herziger Stoff. Und "Finding Neverland" verliert dies nie aus den Augen. Die Aufführungen von "Peter Pan" haben etwas Magisches, die grossen Kinderaugen, die das Stück beobachten, ebenfalls. Diese Unschuld, die Forster den Personen (auch Barrie) gönnt, empfand ich als ansteckend. Die Kritik, Barrie komme zu gut weg, lass ich nicht gelten. Er ist ein ziemlicher Egoist und als er merkt, dass die Davies' ihn inspirieren, lässt er seine etwas unterkühlte Frau sitzen. Mary ist kein Dämon und wie JM sie sitzen lässt, rückt ihn in ein durchaus kritisches Licht. Zudem lässt es die Frage offen, was genau ihn zu den Davies' zieht, denn Mutter Sylvia allein kann es nicht sein - dazu wird zu wenig Wert auf diese Beziehung gesetzt und die Chemie zwischen Winslet und Depp ist bloss mässig.

Das unterstreicht die Idee, dass die Beziehung zu den vier Buben die zentrale ist. Sie inspirieren ihn, er hilft ihnen. Dies, und keine Liebesbeziehung, bildet den emotionalen Kern des Films. Dies erlaubt es auch, dass Barrie immer wieder in seine Fantasie-Welt von Nimmerland eintaucht und Foster Elemente des Stücks in den Alltag einbaut (ein Haken dort, ein Glöckhen hier). Die Fusion von realem Leben und Barries Fantasie ist hervorragend gelungen. Und das Ende ist richtig bewegend. Dabei ist es zentral, dass die vier Jungs gut spielen. Forster gelang ein Glücksgriff. Sie sind ebenso verletzlich wie frech, ebenso erwachsen wie kindisch. Wunderbare junge Schauspieler, die perfekt mit Depp harmonieren. Wer dabei Böses denkt, geht eventuell schon zu weit. Wie gesagt: Nach dem Film ist man kaum schlauer, was Barries Sexualität betrifft. Wer schon immer glaubte, der sei doch pädophil gewesen, der wird danach das Selbe denken. Ich glaube, er war einfach ein ganz normaler Mann im Alter zwischen Jugend und Verantwortung. Einer, der die Verdienste der Jugend nicht ganz aufgeben wollte und sich darum gut mit Kindern verstand. Ein Mann, den man heute als "kindisch" anschauen würde, aber durchaus gutes "Vater-Material" wäre. Oder anders gesagt: ein sehr netter, fantasievoller, gefühlvoller Mensch. Den Film kann man genauso klassifizieren.

Wer den Film rein technisch begutachtet, entdeckt ebenfalls viel Lobenswertes. Neben Johnny Depp ist es Dustin Hoffman, der in einer kleinen Rolle als Theatermanager für Humor sorgt. Oder Julie Christie, die die ziemlich böse Mutter von Kate Winslet spielt. Oder die hübsche Musik und die fast schon nüchterne Kameraarbeit, die nur bei den Fantasy-Einlagen und der "Peter Pan"-Aufführung etwas surrealer wird. Forster hat ganze Arbeit geleistet, sein Film entfaltet sich nach gemächlichem Einstieg zu einer Ode an Fantasie und Liebe. Preise sind ihm bereits sicher. Wer kann schliesslich einem Film mit Herz und guter Inszenierung widerstehen?

James Berardinelli (USA) 3/4
Roger Ebert (USA) 3½/4
BBC (GB) 2/5
imdb


Garfield USA 2004
Komödie
Reviewed 29.7.04

Regie: Peter Hewitt
Mit: Breckin Meyer, Jennifer Love Hewitt, Bill Murray (Stimme), Stephen Tobolowsky, Alan Cumming (Stimme), Debra Messing (Stimme)

Lahm ist dieser Film. Nicht schlecht, sondern einfach lahm. Ich habe in der ersten Hälfte von "Garfield: The Movie" vielleicht einmal gelacht und ein paar Mal geschmunzelt. Für eine Komödie ist das definitiv zu wenig. Es wirkt, als habe sich Regisseur Peter Hewitt ("The Borrowers") nicht die Mühe genommen, dem kultigen Kater einen guten Kinostart zu verschaffen. Ich habe die Comicstrips von Jim Davis, die er vor fast 30 Jahren zu zeichnen begann, nie gelesen - aber ich war ein eifriger Seher der TV-Serie "Garfield & Friends". Von der Böshaftigkeit, dem Charme und der Schnodrigkeit derer ist im Film nicht mehr viel zu sehen. Garfield (englisch: Bill Murray, deutsch: Thomas Gottschalk) lebt im Film friedlich im Haus von Jon (Breckyn Meyer). Der faule Kater ärgert die Hunde der Nachbarschaft, foltert seinen Katzenfreund Nermal und frisst den halben Tag. Am liebsten natürlich Lasagne. Doch eines Tages bekommt er einen Gegner: Jon hat sich in die hübsche Tierärztin Liz (Jennifer Love Hewitt) verliebt und als die ihn bittet, einen Hund aufzunehmen, kann er nicht nein sagen. Odin heisst der Köter und nimmt bald Jons ganze Liebe in Anspruch. Garfield wird neidisch. Doch als nach einem Streich des Katers Odin in die Hände eines psychopathischen TV-Moderators (Stephen Tobolowsky) gerät, eilt Garfield zu Hilfe.

Die Kurzfassung davon: gähn. Diesen Plot haben sich ein paar Affen an der Schreibmaschine ausgedacht, ja? Nein, es waren die Autoren von "Money Talks" und "Cheaper by the Dozen". Kann eine Handlung noch stromlinienförmiger sein? Kaum. Damit ist der grösste Schwachpunkt von "Garfield" bereits genannt. Bei einer Handlung, die dermassen kalt lässt, ist es schwierig, einen Film zu machen, der packt. Garfield selbst sieht als CGI-Kreatur mässig an. Das Fell ist hübsch animiert, aber will man eine Katze zu einem schäbigen Hiphop-Video tanzen sehen? Sicher nicht. Ah, der Soundtrack. Mainstream-Stuss vom Eröffnungstrack bis zum Finale. Aber zurück zur Katze. Bill Murray spricht sie lustlos. Hie und da schleicht sich ein trockener Gag ein, doch Murray scheint nicht bei der Sache. Ebenso fehlbesetzt ist Breckin Meyer. Er sieht zu gut aus für den tapsigen Jon und ist zu blass. Und Jennifer Love Hewitt ... sie trägt ständig ein Miniröckchen und ist einfach süss, doch sie spielt als ob sie beim Einkaufen wäre.

Odin ist nervig. Nicht witzig nervig, sondern nervig. Ich mag keine Hunde und solche um Aufmerksamkeit bettelnde Viecher schon gar nicht. Darum hätte ich mir gewünscht, Garfield zeige dem Tier ein wenig Cat-Power. Denkste, der Hund wird zum eigentlichen Helden und noch eine Schar weiterer Köter mausert sich zu Rettern. Wieso mal nicht einen Katzenfilm machen und die blöden Hunde die Doofmänner sein lassen? Dazu ist "Garfield" eben zu brav. Brav den Hunden gegenüber, brav in allen Belangen. Selbst Garfield wird zum Schluss viel zu brav. Das passt wohl in die heutige Gesellschaft. Sanft anecken liegt drin, aber wirklich zynisch kann man nicht sein. Dafür darf Garfield ein paar Popkultur-Referenzen wie "got milk?" machen oder die Garfield-Vermarktung als Scheiben-klebende Plüschtiere verarschen. Mehr Ironie liegt nicht drin. Und natürlich darf er hip und trendy sein, wenn er etwa auf einem Tablett das Treppengeländer herunterflitzen darf. Wer wohl auf diese "tolle" Idee gekommen ist?

Insofern ist "Garfield" eine verpasste Chance in allen Belangen. Er ist mit 80 Minuten angenehm kurz, der Kater ist gut animiert und es gibt im ganzen Film ein halbes Dutzend wirkliche Lacher. Der Rest ist Leiden für alle Zuschauer über 8. Ein durch und durch blasser Film, ausgerichtet auf Marketing und Spinoffs, ohne Lust, Freude oder Einfälle verwirklicht. Nicht komplett schlecht ... aber einfach grauenhaft lahm.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 1/4
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Germanikus D 2004
Historienkomödie
Reviewed 1.4.04

Regie, Buch und Musik: Hans Christian Müller
Buch und Story: Gerhard Polt
Mit: Gerhard Polt, Gisela Schneeberger, Rufus Beck, Moritz Bleibtreu, Anke Engelke, Tom Gerhardt, Himli Sözer, Bernhard Hoecker, Victor Giacobo

Etliche Jahre war dieses Traumprojekt des bavarischen Polit- und Kultkabarettisten Gerhard Polt in der Produktion. Umso bedauerlicher, dass doch nichts "Gscheits" dabei rausgekommen ist. Wer am 27. März 2004 bei Polts Auftritt in "Wetten Dass" dachte, "sapperlott is das ein Depp", der wird dieses Gefühl im Laufe von "Germanikus" noch öfters haben. Es besteht kein Zweifel darin, dass Polt ein begnadeter Satiriker ist und Gesellschaft, Politik und Zeitgeist genial verarschen kann, aber in diesem Schinken ist davon nichts zu sehen. Man erinnere sich an den völlig deplatzierten Gag von den brennenden Sklaven in "Wetten Dass", bei dem die Südafrikanerin Charlize Theron wohl entsetzt den deutschen Humor verflucht haben muss - solche Pointen machen "Germanikus" unappetitlich.

Dabei beginnt alles noch schlimmer und doch besser, als ich gedacht habe. Der Trailer machte mir bereits extrem Angst, die ersten fünf Minuten, in der Polt im Jetzt direkt zum Pubilkum spricht und solchen Müll macht wie Verpackungen zu essen, sind eine un-witzige Tortur, die kultig sein will, aber bloss Gähnen erzeugt. Wenns dann endlich schlagartig ins 4. Jahrhundert geht, wir im Kaff Sumpfing landen und Germanikus (Gerhard Polt) und Konsorten kennenlernen, dann ist der Film recht witzig. Auch die ersten Szenen mit dem ortsfremden Germanikus im grossen Rom sind noch ulkig. Doch der Humor schleift sich erstaunlich schnell ab. Und dann wünscht man sich nur noch, dass dieser Film endlich enden möge. Die Gastauftritte werden immer belangloser (bis auf den von Moritz Bleibtreu), Polts dicker bayrischer Akzent entlockt nur noch müde Lächeln und die Ausländerwitze ("warum nehmen sie Ausländer für den Job und keine Fachkräfte?") sind etwas primitiv. Überhaupt ist der zynische Humor mit der Zeit ärgerlich. Wenn ein Sklave überfahren wird, nervt sich der Fahrer natürlich über den Kratzer im Lack, nicht über den Toten. Haha. Das ist einmal lustig - doch Sklaven-kaputtmach-Witze kommen hier am Laufmeter.

Erst gegen Schluss, wenn sich Christen gerne als Märtyrer in den Tod gehen und als flammende, menschliche Geschosse durchs Kolosseum geschleudert werden, kann ich mir ein Grinsen nicht verkneiffen. Das hat Monty-Python-Qualitäten. Für den Rest des Films gilt dies jedoch kaum. Polt schwebte wohl eine Kreuzung aus Polt'scher Satire, Python und "Der Schuh des Manitu" vor. Das Resultat jedoch ist ein oft zusammengeflickter, möchtegern-flegelhafter, plumper und vorhersehbarer Mix, der nur bedingt zu amüsieren weiss. Und Leute, die Polt eh nicht mögen, sollten dem Schmarrn gleich ganz fernbleiben. Man erspart sich viele viele graue Haare ...

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The Girl Next Door USA 2004
Liebeskomödie
Reviewed 4.9.04

Regie: Luke Greenfield
Mit: Emile Hirsch, Elisha Cuthbert, Timothy Olyphant, Paul Dano, Chris Marquette, James Remar, Timothy Bottoms, Donna Bullock, Brandon Iron, Jacob Young

Trotz der geografischen Nähe und der zweifellos vorhandenen finanziellen Verknüpfungen hat Hollywood noch immer ein verkrampftes Verhältnis zur Pornografie. Die legale Sexindustrie Amerikas setzt über 10 Milliarden Dollar pro Jahr um, offeriert Tausende von Arbeitsplätzen und hin und wieder kriecht aus dieser Subkultur sogar ein bekannter Filmemacher wie Barry Sonnenfeld ("Men in Black"). Ein weniger stigmatisiertes Herantreten an diesen wichtigen Industriezweig wäre eigentlich schon lange fällig. Doch selbst "Boogie Nights", der die Pornoindustrie der 70er noch glorifizert, verknüpft mit der Pornografie von heute (ab 1980) nur den Absturz: Drogen, Gewalt, Ausnutzung. Natürlich ist dies zu finden. Doch böse gesagt: Die gibts auch in Hollywood. Selbst den Sex gibts da auch.

Nun kommt "The Girl Next Door", der die Verquickung von Hollywood mit seinem pornografischen kleinen Bruder in neue Bahnen zu lenken schien. Immerhin ist es eine Teeniekomödie (R-Rated, aber klar auf junge Männer ausgerichtet) und bietet das Traumszenario jedes halbwegs normalen, sprich verdorbenen, Teenie-Boys: Nebenan zieht ein Sexstar ein. Der Junge heisst Matthew (Emile Hirsch), das Mädchen Danielle (Elisha Cuthbert, "24") und es dauert nicht lange, da verlieben sich die beiden. "Risky Business" fürs neue Jahrtausend. Aber oh weh, das darf natürlich nicht so sein. Anstatt mit den Träumen Millionen von Männern weiterzumachen bricht nach der ersten sympathischen und witzigen halben Stunde alles zusammen. Regisseur Luke Greenfeld ("The Animal") will nun nämlich Moralist werden. In guter alter Hollywood-Tradition ist die Pornoindustrie Hort von allem Übel, Danielle wird geplagt und will weg vom Business. Und deshalb schickt sich unser Held an, sie aus dem Sumpf herauszuholen. Wie heldenhaft. Und wie langweilig.

Nur kurz besteht Hoffnung, denn da taucht Timothy Olyphant ("Scream 3") auf, der spielt wie auf LSD. Man weiss nie, ob er das Gesagte ernst meint oder nicht. Leider wandelt auch er sich zum kompletten Bösewicht. Er ist schliesslich Repräsentant der Sexindustrie und die Personifizierung dieses Bösen und Ausbeuterischen. Dass sie ihn nicht gleich noch zum Kinderschänder gemacht haben, ist erstaunlich. Und so schleppt sich der Film durch einen ausgesprochen müden Mittelteil, der die hübsche Cuthbert beinahe ausblendet und dafür ein Klischee-Bild einer schmierigen Sex-Convention zeigt. Greenfield weiss offensichtlich nicht, wo er mit dem Film hin will. Ganz zum Moralisten kann er sich doch nicht wandeln, wie auch dieses Bild zeigt. Er fand den Gedanken, einen Film über Sex zu machen, wohl doch zu reizvoll und so gibts zum Schluss doch noch ein paar Porno-Starlets, Sex-Drehs und weiss der Teufel was. Nur bei dem Moment, an dem Matthew seine Manneskraft stehen sollte, macht der Film schlapp und setzt auf einen Alternativplot. Twist jagt Twist, Zeigfinger jagt Zeigfinger. Und zum Schluss ist alles schön und sauber. Wieso überhaupt auf die Porno-Schiene aufsatteln, wenn man danach trotzdem einen Rückzieher macht? Wohl wegen der alten Binsenweiheit "Sex sells" - sogar einen moralinsauren Film. Mir kam "The Girl Next Door" jedenfalls ausgesprochen verklemmt vor.

Emile Hirsch ist als Held jedoch toll. Er hat klar das natürliche "Junge von Nebenan"-Feeling. Und seine Chemie mit der bezaubernden Elisha Cuthbert ist famos. Auch Olyphant ist top. Und die erste halbe Stunde ist witzig. Es gibt zudem ein paar nette Szenen, bei denen die Geeks der Schule den Machos eins auswischen. Namentlich gegen Ende, als es mit der Standfestigkeit der Schul-Adonise nicht weit her ist. Okay, jeder der ein wenig was von männlicher Sexualität versteht, dürfte sich amüsieren, da doch bei einem jungfräulichen Kerl ... wie soll man das anständig sagen ... der Schuss schnell abgeht. Männliche Jungfrauen als Pornostars einzusetzen würde in 10-sekündigen Kurzfilmen resultieren. Aber hier dürfen die Jungs so richtig Hirsche sein und es den gestandenen Kerlen zeigen. Ist doch auch schön. Obwohl es rund ein halbes Dutzend zuviele dieser "Geek Sex-Superhero"-Szenen hat.

"The Girl Next Door" ist sicher kein ganz übler Film, aber er ist zu lang und zu verklemmt: Pornografie ist was schönes, Pornografie kurbelt die Wirtschaft an und wems nicht passt, der kann "off" drücken. Oder das Zeug nicht kaufen. Die "Moral Majority" Amerikas mag sie nicht, das ist klar. Doch um dieser (und vor allem ihren Sprösslingen) einen Film dennoch zu verkaufen, können die Filmemacher ja immer noch mit ein wenig "Verruchten" und "Verdorbenen" werben. Eben: Sex sells. Das macht "The Girl Next Door" auch ein wenig verlogen. Das Beste am Ganzen? Der Titel des Films, für den ein Produzent den goldenen Pimmel bekam: "Chitty Chitty Gang Bang". Und das Schlusslied. Ein Film, der mit The Whos "Teenage Wasteland" endet, kann nicht ganz übel sein ...

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Roger Ebert (USA) ½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 2/5
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The Grudge USA 2004
Horrorfilm
Reviewed 14.2.05

Regie und Story: Takashi Shimizu
Executive Producers: Sam Raimi, Carsten H.W. Lorenz, Nathan Kahane, Joseph Drake
Mit: Sarah Michelle Gellar, Jason Behr, Bill Pullman, Clea DuVall, William Mapother, Grace Zabriskie, KaDee Strickland, Ryo Ishibashi, Ted Raimi

Langsam aber sicher verfluche ich Takashi Shimizu. Als hätte er sein simples "Ju-on"-Konzept nicht schon genug durchgekaut, muss er es nun auch noch amerikanisieren. Für alle, die die Vorgeschichte nicht kennen: Im Jahr 2000 drehte Shimizu einen Horrorfilm namens Ju-on für den Videomarkt und hängte gleich das Sequel Ju-on 2 an, das über eine halbe Stunde des Materials aus dem ersten Film einfach recyclet. Im Jahr 2003 machte Shimizu aus "Ju-on" einen Kinofilm, der im Westen als Ju-on: The Grudge bekannt wurde. Dem folgte noch im selben Jahr die Fortsetzung Ju-on: The Grudge 2. Und nun bringen Sam Raimi und seine Partner das Konzept nach Amerika. Wiederum mit Takashi Shimizu. Dabei sind dem die Ideen längstens ausgegangen. Und schon die Ursprungs-Idee war ja nicht gerade der Hammer.

Zugegeben: Ju-on: The Grudge, der beste Film der ganzen Serie, ist extrem unheimlich. Vor allem, wenn man ihn alleine im Dunkeln schaut. Die Geräusche der Getöteten, die sich unheimlich bewegenden Geister - all das fügt sich zu einem extrem schauderlichen Film zusammen. Und Shimizu hat ein Konzept entwickelt, damit wir uns alle paar Minuten über eine solche Szene freuen können. Er führt einen Charakter ein, lässt ihn in das verfluchte Haus gehen, ein Geräusch hören und zack ist der Geist da. Das Bild wird schwarz. Nächste Szene. Jede Sequenz ist so aufgebaut. Jede. Etwa ein Dutzend solcher Sequenzen pro Film in fünf Filmen - ja, ich habe das Gefühl, die selbe Szene mittlerweile sechzig Mal gesehen zu haben. Und sie wird nicht besser. Sie bleibt ein dramaturgischer Trick, um möglichst viel Geister-Action zu bekommen. Das taugt nicht als Drehbuch und schon gar nicht für Mehrfach-Gebrauch. Beim Remake fand ich das Ganze einfach nicht mehr besonders gruselig. Und mehr noch als beim japanischen Vorbild kam die schrecklich aufgedrückte Struktur des Films zum Vorschein.

In "The Grudge" spielt Sarah Michelle Gellar die Hauptrolle, doch wegen der episodenhaften Struktur ist sie nur in etwa 50% der Szenen. Sie spielt Karen, die in Tokyo lebt. Sie arbeitet in der Freizeit als Sozialhelferin. Als eine Kollegin ausfällt, wird sie zur alten Emma Williams (Grace Zabriskie) geschickt. Dort erlebt sie den blanken Horror, denn in dem Haus ist etwas Schreckliches passiert. Seither reissen dort zwei Geister alle in den Tod. Der Plot wird in den Einblendungen vor dem Film dargelegt: Wenn jemand unter schrecklichen Umständen stirbt, verflucht sein Geist das Haus und tötet jeden, der mit ihm in Kontakt kommt. Es ist ein epidemisches Prinzip, doch anders als in Ring, wo die sich ausbreitende Seuche mit einem wirklichen Mysterium behaftet ist und um Aufklärung verlangt, ist es hier einfach so. Es ist etwas passiert (nichts wirklich Unglaubliches) und seither spukts. Leute kommen ins Haus und sterben. Das ist dramaturgisch etwa so raffiniert wie das "Musikantenstadl". Alle, die sagen, Ju-on: The Grudge sei unheimlicher als Ring, beziehen sich allein auf Masse. Shimizus Film hat mehr Geister. Aber er hat keinen Plot. Und deshalb ist Nakatas Jap-Horror-Reihe interessanter. Darauf lässt sich aufbauen, da entsteht Druck auf die Charaktere, da haben die Figuren Leben in sich. Nicht so beim "Ju-on"-Phänomen. Character meet ghost, ghost meet character. The End.

Ich beneide alle die, die bei "The Grudge" zum ersten Mal mit dem Schema in Berührung kommen, denn dann kann es noch recht unheimlich wirken. Alle, denen es schon bekannt ist, werden ein Déjà-vu-Gefühl haben, das bald in Langweile umschlägt. Vor allem die erste halbe Stunde fand ich extrem zäh. Der Geist über Grace Zabriskie ist furchtbar animiert, Spannung und Grusel fehlen, zumal die Personen typisch Horrorfilm-blöd sind und jedem Geräusch nachgehen. Später gibt es ein paar gelungenere Szenen, vor allem jene mit der schönen KaDee Strickland im Treppenhaus, doch es ist nicht genug. Nicht genug Substanz. Der Film legt es wirklich nur auf den "Buh, da ein Geist!"-Effekt an. Und der ist mittlerweile ausgelutscht. Noch schlimmer: Die US-Variante versucht, den Plot dahinter (das bisschen das da ist) noch deutlicher herauszuarbeiten und den eindimensionalen Charakteren (wieso vertiefen, wenn sie eh am Ende der Szene sterben) etwas mehr Background zu geben. Sarah Michelle Gellar kriegt einen unnötigen Boyfriend. Wahnsinnig innovativ.

Nein, es muss gesagt sein: Ich hab genug von "The Grudge". Shimizu plant nun tatsächlich bereits den dritten Teil der japanischen Serie und ein US-Sequel ist nach dem über-100-Millionen-Erfolg des Films auch bereits beschlossen. Aber bitte, bitte, kommt mit neuen Ideen. Ich will nicht nochmals das selbe Haus, nochmals den minimalistischen Szenenaufbau und nochmals die unnötig ent-chronoloisierte Handlung sehen. "The Grudge" ist unheimlich. Aber es ist genug. Sonst sterb ich an einem Wutanfall und wir wissen ja nun, wohin das führt: Ich werde blau und töte alle, die in meine Wohnung kommen, indem ich sie böse anschaue und "miau" mache.

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Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) 2/4
BBC (GB) 3/5
Slant Magazine (USA) 2½/4
imdb


Hellboy USA 2004
Comicverfilmung
Reviewed 10.8.04

Regie: Guillermo del Toro
Buch: Guillermo del Toro und Peter Briggs nach den Comics von Mike Mignola
Mit: Ron Perlman, John Hurt, Selma Blair, Rupert Evans, Karel Roden, Jeffrey Tambor, Doug Jones, Brian Steele

"Hellboy" ist ein Film der Momente. Sobald man den Plot als Ganzes anschaut, fallen einem gigantische Logiklöcher und Plot-Zwängereien auf. Besonders auffällig ist etwa das Kommen und Gehen von Charakteren. Jeffrey Tambor wird einfach vergessen, sobald er nicht mehr wichtig ist, Doug Jones ebenso. Andere sterben, wenn es sie nicht mehr braucht. Wieder andere tauchen einfach auf, ohne Erklärung, wieso sie noch leben. Aber was solls. Wir sind in einer Comic-Welt. Jener von Mike Mignola. Regisseur Guillermo del Toro, seit den "Blade"-Filmen kein Comic-Neuling, setzt die Vorlage nicht ganz so düster um, behält aber den staubtrockenen Humor bei. Und er fand die ideale Besetzung: Ron Perlman. Er ist Hellboy. Schon in einer seiner frühesten Rollen in der TV-Serie "Beauty and the Beast" (1987-1990) trug Perlman eine Maske. Er ist Makeup also gewohnt. So spielt er durch die rote Farbe, durch die Hörner - und strahlt eine Coolness aus, die es für die Rolle braucht. Und dennoch zeigt er sich verletzlich, vor allem in den Liebesszenen mit Selma Blair. Die sind überraschend bewegend und ehrlich.

Der Plot beginnt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Nazis in Schottland das Tor in eine andere Dimension öffnen wollen, um die Sieben Götter des Chaos' auf die Erde zu holen. Der Verantwortliche für diesen Höllenakt ist Rasputin (Karel Roden) - der Rasputin. Aber die Alliierten kommen ihm dazwischen. Ein Trupp unter der Führung von Trevor 'Broom' Bruttenholm (Kevin Trainor), Präsident Roosevelts persönlichem Berater für paranormale Phänomene, sabotiert die Tor-Öffnung und schickt Rasputin in den Tod. In den Ruinen entdeckt Broom ein rotes Kind mit einem steinernen Arm und Hörnern. Er nennt es Hellboy und zieht es gross. Viele Jahre später ist Hellboy (Ron Perlman) der stärkste Kämpfer in Brooms (John Hurt) Spezialeinheit zur Bekämpfung übersinnlicher Phänomene. Ihnen zur Seite stehen der Fischmann Abe Sapien (Doug Jones) und der Neuling John Myers (Rupert Evans). Sie wollen auch Hellboys Geliebte, die Feuerstarterin Liz Sherman (Selma Blair), zurückholen, denn Hilfe haben sie nötig: Die Nazifrau Ilsa (Bridget Hodson) und der Halbtote Kroenen (Ladislav Beran) sind zurückgekehrt, um Rasputin wiederzubeleben. Er erweckt wiederum einen Höllenhund zum Leben, der bei jedem Tod dupliziert wird. Wie kann Hellboy dieses Monster aufhalten?

Wie gesagt, es gibt Logiklöcher und Plot-Holpersteine an allen Ecken und Enden - doch dem Spass tut dies keinen Abbruch. Del Toro inszeniert mit sicherer Hand, es gibt bis auf ein paar Durchhänger im 132-Minuten-Film selten Langeweile, die Darsteller sind toll, die Effekte solide und bisweilen überraschend gut, der Soundtrack von Marco Beltrami rockt und die One-Liner von Hellboy sind genial. Ich kanns kurz machen: Comic-Fans sollten sich diesen ruppigen Streifen auf keinen Fall entgehen lassen. Es scheint, als wisse del Toro, dass sein Film kaum über alle Zweifel erhaben ist - und zieht sein Ding einfach durch. Zum maximalen Entertainment der Zuschauer.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 3/5
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Hidalgo USA 2004
Abenteuerfilm
Reviewed 10.3.04

Regie: Joe Johnston
Mit: Viggo Mortensen, Omar Sharif, Zuleikha Robinson, Louise Lombard, Adam Alexi-Malle, Saïd Taghmaoui, Silas Carson, J. K. Simmons, Malcolm McDowell, C. Thomas Howell

"Hidalgo" basiert auf einer Lüge. Es ist mittlerweile ziemlich solide bewiesen worden, dass Frank Hopkins, der Held der Geschichte, zwar existiert hat, aber er seine "Biografie" mit allerlei Unwahrheiten ausgeschmückt hat. Insbesondere das legendäre Rennen im Zentrum von "Hidalgo" steht in Frage. Es soll nicht einmal existiert haben (Infos hier). Dass Touchstone (Disney) den Film als "based on a true story" verkauft und auch nicht davon abrückt ist irgendwo zwischen peinlich, stur und geldgeil anzusideln. Aber aus künstlerischer Sicht kann mir das komplett egal sein. Ob "Hidalgo" nun wahr ist oder nicht, es ist ein schöner Film. Einer mit grossen und kleinen Problemen, aber einer, der über 135 Minuten ein episches Abenteuer schildert und eine packende Heldengeschichte erzählt.

Im Zentrum steht Frank Hopkins (Viggo Mortensen), ein Halbindianer und traumatisierten Cowboy, der 1890 mit seinem Mustang Hidalgo nach Saudi Arabien zitiert wird. Hidalgo soll nämlich "das schnellste Rennpferd der Welt sein", eine Aussage, die den Scheich Riyadh (Omar Sharif) zutiefst kränkt, sind doch seine über Generationen gezüchteten Rennpferde nicht nur unglaublich edel sondern unglaublich schnell. Ob Hidalgo seinen Titel wert ist, soll Frank nun beim "Ozean des Feuers" beweisen, einem knallharten 3000-Meilen-Renen durch die Wüsten Saudi Arabiens. Insofern erscheint "Hidalgo" wie eine Mischung aus "Lawrence of Arabia", "Seabiscuit" und "Dances With Wolves" - oder etwas aktueller: wie The Last Samurai. An keinen der genannten Filme kommt er heran, doch die Bilder sind beeindruckend, Joe Johnstons epische Inszenierung ansprechend, Omar Sharifs Rückkehr ins komerzielle Kino eine Wohltat und die ganze Präsentation trotz etwas übertriebener Lauflänge nie langweilig - stets vorausgesetzt, man mag altmodische Helden- und Abenteuergeschichten. Das ist bei mir durchaus der Fall.

Doch "Hidalgo" könnte besser sein. So sind manche Szenen unnötig und könnten gestrafft werden. Franks Beziehung zu Sharifs Tochter ist peinlich und so mancher Gag auf Kosten des Islams wirkt plump. Überhaupt gibt es so einige Stereotypen - aber auf allen Seiten: Weisse, Indianer, Araber, Schwarze, Frauen, Männer, Pferde ... es wimmelt davon. Was solls. Johnston probiert nicht, übermässig politisch korrekt zu sein, aber er beleidigt auch niemanden. Ich kann den Rassismus-Vorwurf gegen Hollywoodfilme eh nicht mehr hören. In jedem Film fühlt sich jemand beleidigt oder angegriffen und schreit "Rassismus". Klar muss man vorsichtig sein, aber wenn man den Vorwurf trivialisiert, indem man ihm jedem Schultheater, jedem Film oder jedem Song vorwirft, erweist man der Sache einen Bärendienst. "Hidalgo", um wieder zurück zu kommen, ist nicht rassistisch. Aber ein paar der Stereotypen fallen negativ auf.

Das alles stört mich nicht gewaltig. Auch dass ein paar der Effekte nicht überzeugen ist mir egal - die im Trailer gezeigte Sandsturm wird von einigen Kritikern attackiert. Ich fand ihn recht gelungen und sicherlich besser als in "Mummy Returns". Nein, was mich ziemlich stark störte, war Viggo Mortensen. Er spielt den Denker / Cowboy / Aussenseiter so internalisiert, so reduziert, dass es an eine Parodie grenzt. Er hat keinerlei Energie, keinen Saft, kein Charisma. Ihm nimmt man zwar das esoterische Tohuwabohu ab, dass hie und da unnötigerweise auftaucht, aber sein traumatisierter Charakter ist ein grosser Witz. Da sind Costner ind "Wolves" und Cruise in "Samurai" bedeutend besser. Ich mag Viggo, doch hier ist er die absolute Fehlbesetzung und der Versuch, den Charakter subtil anzugehen, geht komplett nach hinten los.

Doch alles zusammengenommen machte mir "Hidalgo" Spass. Mit grosser Kelle angerührt, inszeniert in positiv gemeindem altmodischen Stil. Rassige Pferderennen, schöne Landschaften, edle Beduinen, weniger edle Beduinen, edle Amerikaner und weniger edle Amerikaner. Und natürlich ganz edle Rösser, selbst wenn sie nur Halbblüter sind. Ein schöner Film! Oder wie Roger Ebert abschliesst: "If you do not have some secret place in your soul that still responds even a little to brave cowboys, beautiful princesses and noble horses, then you are way too grown up and need to cut back on cable news. And please ignore any tiresome scolds who complain that the movie is not really based on fact."

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
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A Hole in My Heart / Ett Hål i mitt hjärta S 2004
Drama
Reviewed 2.4.05

Regie, Buch, Ausstattung, Kostüme, Casting: Lukas Moodysson
Mit: Björn Almroth, Sanna Bråding, Thorsten Flinck, Goran Marjanovic

"A Hole in My Heart" ist ein ebenso engagierter wie kontroverser und billiger Streifen von Lukas Moodysson. Seine früheren Filme "Fucking Åmål", "Together" und Lilja 4-Ever zeugten von einem immer wagemutiger und besser werdenden Regisseur. Doch das neue Werk ist ein Rückschritt in beinahe allen Belangen: Inhalt, Technik, Wert. Ich weiss, dass jene, die den Film nicht mögen, wohl als cineastisch konservativ dargestellt werden, aber "A Hole in My Heart" ist einfach kein guter Film. Er ist auch keineswegs ganz schlecht. Bloss ist sein Versuch, die Erniedrigung der Frau, die Vergeudungs- und Kommerzgesellschaft sowie die Mediengeilheit anzuklagen, verpackt in einen unappetitlichen, absichtlich amateurhaft gehaltenen Film, der weniger schockiert als einfach langweilt.

Der Plot spielt beinahe ausschliesslich in einem Appartment. Dort wohnt der rundliche und widerliche Rickard (Thorsten Flinck) mit seinem Sohn Eric (Björn Almorth). Seit dem Tod der Mutter hockt der Sohn bloss im Zimmer, hört sich Krach an, züchtet Würmer und schottet sich von der Aussenwelt ab. Sein Vater dreht derweil mit seinem Freund Geko (Goran Marjanovic) Amateurpornos. Ihre neue Hauptdarstellerin heisst Tess (Sanna Bråding). Die 21-Jährige behauptet, schon als Kind wollte sie Pornostar werden und macht freudig mit. Doch spätestens als sie dem Frauen-hassenden Geko erklärt, sein Penis sei nicht der grösste, eskaliert der Dreh langsam - stets angewidert beobachtet von Eric.

Schon die ersten Sekunden, die kurze Fragmente aus Herz- und Vagina-Operationen ins Bild bringen, deuten an, dass "A Hole in My Heart" kein feiner Film wird. Nackte Menschen, Kotze, Geifer, Blut und eben ziemlich hässliche Operationsbilder vermischen sich zu einer "Kunst durch Abschreckung". Cineastisch soll das Niveau eines Amateur-Pornos kopiert werden, unterbrochen durch "Big Brother"-mässige Geständnisse direkt in die Kamera. "Big Brother" wird auch später einmal erwähnt - Teil der alles andere als subtilen Kritik an der Medien- und Exhibitionisten-Gesellschaft. All die Anliegen von Moodysson sind nämlich durchaus interessant. Die Akteure geben sich voll hin und der Film ist tatsächlich enorm befremdlich. Aber bei mir hat er keine Reaktion ausgelöst. Weder Abscheu, noch Faszination oder gesellschaftskritische Fragestellungen. Die immer wie deftiger werdenden Bilder liefen vielmehr ab wie ein ... ja, wie ein Film. Ich war nicht drin. Vielleicht soll man sich ja gerade als "Voyeur" vorkommen, doch der Effekt davon ist kein grosser. Erst gegen Schluss wird klar, wie moralisch der Film eigentlich ist. Eric wird zum ethischen Zentrum des Films, doch leider nahm ich ihn zuvor als viel zu künstliche Figur wahr, um ihn tatsächlich in dieser Rolle am Ende zu akzeptieren. Das titelgebende Herz ist am Schluss tatsächlich sichtbar, doch es ist zu wenig, zu spät, zu forciert.

"A Hole in My Heart" wird seine Fans finden. Manche werden ihn wegen seiner Radikalität und Kompromisslosigkeit loben, andere wegen seinem Wagemut, wieder andere wegen seinem kritischen Inhalt. Auf der anderen Seite werden etliche Organisationen und konservative Kritiker ihn hassen. In irgend einem Land wird er sicher auch verboten. Doch letztendlich ist es viel Lärm um nichts. Ein weiterer Schock-Streifen in einer Zeit, in der gute Filme selten noch durch Qualität auffallen müssen, als durch Medien-Coverage. Und wenn Menschen sich ankotzen, groteske Essenskämpfe liefern, die Genital-Region einer Gummipuppe malträtieren und ihre Vagina am TV operieren, dann ist das halt garantiert. Das Ganze spielt hier sicher auf einer grossen Meta-Ebene und Moodysson ist noch genialer als er je war. Mich liess seine Schöpfung trotzdem eiskalt.

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James Berardinelli (USA) 0/4
BBC (GB) 4/5
Empire (GB) 3/5
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A Home at the End of the World USA 2004
Drama
Reviewed 24.4.05

Regie: Michael Mayer
Buch: Michael Cunningham nach seinem eigenen Roman
Mit: Colin Farrell, Robin Wright Penn, Dallas Roberts, Sissy Spacek, Erik Smith, Harris Allan, Matt Frewer, Ryan Donowho

The Hours-Autor Michael Cunningham hat seinen eigenen, beinahe episch angelegten Roman "A Home at the End of the World", der dreissig Jahre umfasst und aus der Sicht von vier verschiedenen Personen erzählt wird, in ein bedeutend kürzeres Film-Drehbuch gepackt. Dass dabei viel verloren ging, ist klar. Die Kinoversion von Regiedebütant Michael Mayer wirkt denn auch eher wie ein Best-of des Buches und der Film ist narrativ ziemlich simpel gestrickt. Dafür blieben die Charaktere interessant. Im Zentrum steht Bobby, der in den 70ern mit seinem Vater und seinem geliebten Bruder Carlton aufwächst. Der ältere Bruder gibt ihm die ersten Drogen, als er noch ein Kind ist, und verspricht ihm, ihn einst in die Sexualität einzuführen. Dazu kommt es nicht: Carlton rennt versehentlich durch eine Glastüre und verblutet. Als später auch noch sein Vater stirbt, kommt Bobby bei der Familie seines besten Freundes Jonathan unter. Er bringt dessen Mutter Alice (Sissy Spacek) zum Joint-Rauchen und macht mit Jonathan homosexuelle Erfahrungen.

Als Bobby (Colin Farrell) 24 ist, zieht er nach New York in die Wohnung von Jonathan (Dallas Roberts) und seiner Freundin Clare (Robin Wright Penn). Jonathan ist schwul, liebt aber auch Clare. Und Clare will ein Kind - egal von wem. Und was ist mit Bobby? Einer der besten Aspekte des Films ist, dass Bobby nicht festgenagelt wird. Er ist nicht schwul, nicht hetero, nicht einmal wirklich bisexuell. Sex ist für ihn nur ein weiteres Mittel, Güte zu geben. Er will es allen Recht machen, will allen helfen und vor allen dafür sorgen, dass es allen gut geht. Das beinhaltet auch körperliche Nähe. Und viel viel Liebe. Was nach enormem Kitsch klingt, bringt Farrell mit grosser Unschuld rüber und der Film verpackt seine Aktionen in einen schwer vorauszusehenden Ablauf, der immer wieder durch seine Spontantiät überrascht.

Farrell mag nur ein paar Gesichtszüge drauf haben, aber er muss auch ein Mysterium bleiben. Nur manchmal brechen Emotionen aus ihm heraus, so etwa nach dem ersten Sex, als er wohl an seinen Bruder denken muss - das wird im Buch klarer, da Carlton dort verkündet, er wolle bei seiner Entjungferung dabei sein. Neben Farrell überzeugt auch Newcomer Dallas Roberts, während Robin Wright Penn lange nicht richtig in ihren Charakter findet. Sissy Spacek ist gut, doch am Anfang wirkt ihre klischierte Öffnung gegenüber der Jugend etwas sperrig und ihren Szenen fehlt dementsprechend die Natürlichkeit. Wenn sie aber mit dem kleinen Bobby tanzt, verfliegen solche Argumente.

Der Film, vollgestopft mit 70's- und 80's-Soundtrack wurde aber wegen etwas ganz anderem berühmt: In einer Sequenz haben die Macher Colin Farrell "entmannt". Bei Testvorführungen hätte seine Mannespracht die Zuschauer derart aus dem Film gezogen, dass der Schniedel raus musste. Traurig für alle Colin-Fans (und den Iren selbst, der lautstark protestierte) - aber gut für den Film, denn "A Home at the End of the World" dreht sich nicht um die Grösse von Bobbys bestem Stück oder um Sex, obwohl davon viel vorkommt. Vielmehr geht es um Liebe, um die Suche nach Identität und vor allem um menschliche Interaktion in allen Facetten. Der Film hätte dichter sein können, auch etwas länger und facettenreicher. Aber dank guten Schauspielern und einem rührenden, offenherzigen Plot, vermag "A Home at the End of the World" allemal zu überzeugen.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
Slant Magazine (USA) 1/4
BBC (GB) 3/5
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Home on the Range USA 2004
Zeichentrickfilm
Reviewed 22.9.04

Regie und Buch: Will Finn und John Sanford
Musik: Alan Menken
Stimmen: Roseanne Barr, Judi Dench, Jennifer Tilly, Cuba Gooding Jr., Randy Quaid, Steve Buscemi, Estelle Harris, G. W. Bailey, Patrick Warburton, Dennis Weaver

Das solls nun gewesen sein? Disneys Zeit der handgezeichneten 2-D-Animation ist vorbei? Nun, daran darf vorerst noch gezweifelt werden, denn auch in den 70ern wurde der Animationsfilm schon mal für tot erklärt. Diesmal sind die Aussichten zwar noch etwas trüber. Es scheint, als würde das Kino fortan den computeranimierten Werken gehören - und vielleicht noch innovativeren Zeichentrickfilmen wie Anime. Disney-Zeichentrick wird dafür ins TV verbannt und auf Video. Oder starten als Limited Releases im Kino wie die "Winnie Pooh"-Filme. Seis drum, der (zur Zeit) offiziell letzte abendfüllende Disney-Zeichentrickfilm ist ... eine kleine Enttäuschung. "Home on the Range" ist 76 Minuten Ulk und Kurzweile. Doch den Streifen hat man im Nu wieder vergessen. Das war also kein Abschied mit einem Knall sondern eher ein rausschleichen. Disney has crept out of the building.

Nun, ganz übel ist "Home on the Range" eben nicht. Der Plot dreht sich um drei Kühe, die einen Viehdieb fangen müssen, um mit der Belohnung ihre Fram zu retten. Das dient als Gerüst für einige tierische Gags. Genial sind die Stimmen: Die aristokratische Judi Dench gegen die schnodrige Roseanne anzusetzen, war ein Geniestreich. Und auch die anderen Stimmtalente leisten solide Arbeit. Besonders cool ist der leider nur kurz zu hörende Steve Buscemi als schleimiger Kuhhändler. Das Tempo ist rassig, der Animationsstil absichtlich etwas retro und cartoonig, die Musik von Alan Menken okay.

Doch die Songs von k.d. lang und Co. wären nicht unbedingt nötig gewesen. Auch die Rülps-Jokes und Kung-Fu-Rösser sind wohl nur für das ganz kleine Publikum tauglich, an die sich "Home on the Range" natürlich primär richtet. Klar gibt es ein paar erwachsene Witze, wie etwa Roseannes Kuh, die erwähnt, ihre Euter seien echt. Doch der Rest ist leicht verdaulicher Kalauer. Viele Pointen sind so schnell abgehakt, dass man nicht gross zum Lachen kommt. Auch Spannungsmomente sind manchmal extrem kurz gehalten: Kühe in Gefahr, zack, nicht mehr in Gefahr. Ein paar Sekunden hätte man das jeweils schon halten können, das raubt den Kiddies noch nicht den Schlaf. So hatte ich doch manchmal das Gefühl, das Regie-Duo Finn und Sanford hetze regelrecht durch den Film.

Und damit heissts good bye, Disney Animated Features. Es war schön mit euch. So ganz aufgeben wollen wir Fans nicht, doch auch mit 3D lässt sichs leben. Sogar ich als langjähriger Traditionalist muss sagen, CGI ist heute vielfach einfach besser. Wenn die grossen Computer-Kisten dann mal in der Qualität abfallen, wird sich sicher jemand an "Beauty and the Beast", "Little Mermaid" und "Bambi" erinnern. Und wer weiss, dann geht die Magie vielleicht wieder los ...

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Roger Ebert (USA) 2½/4
BBC (GB) 3/5
Cinema (D) 3/5
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I Huckabees USA 2004
Komödie
Reviewed 26.2.05

Regie, Buch und Produktion: David O. Russell
Mit: Jason Schwartzman, Jude Law, Dustin Hoffman, Mark Wahlberg, Lily Tomlin, Naomi Watts, Isabelle Huppert, Angela Grillo, Kevin Dunn, Tippi Hedren, Richard Jenkins,

Vom Regisseur von "Flirting With Disaster" und "Three Kings" kann man schon etwas Schräges erwarten. Mit "I ♥ Huckabees", der wahlweise mit "I Love Huckabees" oder im im Internet-Englisch mit "I Heart Huckabees" übersetzt werden kann, setzt David O. Russell seinen bisher schrägsten Film vor. Die Komödie um existenzialistische Detektive ist schwer zu verstehen, etwas sperrig und letztendlich auch nicht sonderlich einfühlsam - aber wow, was hat es für gute Lacher drin. Jason Schwartzman spielt Albert, einen etwas verwirrten Umwelt-Freak, der Bäume auf Parkplätzen pflanzt. Nun fühlt er, dass der Schnösel Brad (Jude Law) von der Verkaufskette Huckabees seinen Öko-Verein an sich reissen will, um seiner Firma ein umweltfreundliches Gesicht zu gehen. Das stresst Albert derart, dass er Bernard (Dustin Hoffman) und Vivian (Lily Tomlin) engagiert. Die beiden existenzialistischen Detektive spionieren ihm nach, um seine Seele auszuleuchten und zu analysieren.

Dabei treffen sie natürlich auf Brad und dessen schöne Freundin Dawn (Naomi Watts), die das "Gesicht von Huckabees" ist. Um Albert von seiner Fixierung auf Brad abzulenken, bringen sie ihn mit dem seit 9/11 angeschlagenen Feuerwehrmann Tommy (Mark Wahlberg) zusammen. Der hat jedoch ein Buch der französischen Philosophin und Psychologin Caterine (Isabelle Huppert) gelesen und will Albert davon überzeugen, nicht mehr Bernards und Vivians Theorien vom verbindenden Universum zu berücksichtigen, sondern sich Caterines pessimistischer Weltsicht hinzugeben. Der Kampf der beiden Philosphien ist nur ein Teil von "I ♥ Huckabees". Ein anderer sind die Geschäftspraktiken der Firma Huckabees und der Umweltgruppe, worin ein paar Seitenhiebe auf Corporate America genauso verteilt werden wie auf Bäume-pflanzende Fundis.

Russell zeigt durchaus Sympathie für seine skurrillen Figuren, aber als Zuschauer wird man nicht gross emotional involviert. Dafür aber mit dem Zwerchfell. Mark Wahlberg ist, das kann man nach langer Zeit mal wieder sagen, fabelhaft und man wartet in jeder Sekunde darauf, dass er ausrastet - vor allem in einer brillanten Szene, in der Adam und Tommy bei einer gottesfürchtigen Familie zu Besuch sind. Jude Law ist mal wieder der smarte Pretty Boy, aber mit seinen eigenen Sörgelchen. Sein Running Gag um Shania Twain nimmt bald ein Eigenleben an und seine Beziehung zu Watts' Dawn mündet in einige köstlichen Dialogen wie "We're private about our seven minutes of heaven!" - "It's longer than that, darling!" - "Eight minutes of heaven! It's quantity not quality!" oder dem superb vorgetragenen "You can't deal with my infinite nature can you?" - "That is so not true. Wait, what does that even mean?" Oh, das fragt man sich oft, denn die existenzialistischen Theorien machen hin und wieder Sinn, sind dann so abseits, dass man sie als Parodie auf gängige Ethno-Wellness-Seelenheil-Kurse auffassen muss.

Die meisten Theorien kommen von Hoffman und Tomlin, die relaxt agieren und mit Ruhe ihre Pointen einfahren. Isabelle Huppert und Naomi Watts sind ebenso witzig, Jason Schwartzman in der eigentlichen Titelrolle ein Therapie-Fall zum Schmunzeln. Es ist diese exquisite Besetzung, die über ein paar erzählerische Stolpersteine hinwegtäuscht. Denn viel ist letztendlich nicht dran. Es ist eine Komödie für den Moment, keine zum gross nachdenken oder sinnieren. Die dargebotenen Themen scheinen sehr tiefgründig zu sein, doch sie dienen Russell nur als Vorlage für ein Figurenkarussell, das ein schräges Bild des heutigen Suburbia in Amerika abliefern soll. Und genau dies mit herrlichem Resultat. Der Film kam nicht überall gut an, aber so eine Komödie ist auch nicht für alle gemacht. Mich hat sie jedenfalls köstlich amüsiert.

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 3/4
Slant Magazine (USA) 2/4
BBC (GB) 2/5
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Immortel (ad vivam) F/GB/I 2004
Fantasyfilm
Reviewed 26.6.05

Regie und Buch: Enki Bilal
Mit: Linda Hardy, Thomas Kretschmann, Charlotte Rampling, Frédéric Pierrot, Yann Collette

Der Comickünstler Enki Bilal verfilmte seine zwei in den 80er-Jahren entstandenen Bücher "La foire aux immortels" und "La femme piège" als bildstarker Fantasyfilm, der im Jahr 2095 in einem heruntergekommenen New York spielt. Eine Pyramide schwebt über der Stadt. Darin sind drei ägyptische Götter angereist. Einer von ihnen, Horus, hat nicht mehr lange zu leben und schwebt als Falke in die Stadt, um sich eine Hülle zu suchen. Dabei killt er so manchen nicht brauchbaren Mann und lockt den Polizisten Froebe auf seine Spur. Doch da entdeckt er Nikopol (Thomas Kretschmann). Der zu 30 Jahren Gefrier-Haft verurteilte Revolutionär konnte sich befreien und wird von Horus umgehend besessen. Mit diesem menschlichen Körper will sich der Gott nämlich fortpflanzen. Trägerin seines Sprösslings soll die mysteriöse Jill (Linda Hardy) sein, die durch den ebenso geheimnisvollen John auf die Erde kam und nun von der Eugenics-Ärztin Elma Turner (Charlotte Rampling) untersucht wird. Es scheint, als sei sie eine Ausserirdische gewesen, die nun langsam menschlich wird.

Der Plot bietet noch viel mehr. Haifisch-artige Jäger, das umstrittene Eugenics-Programm, einen machthungrigen Senator, eine gefrorene Sperrzone im Central Park - und kaum etwas davon wird wirklich zu Ende erzählt. "Immortels" grösstes Manko ist die komplette Absenz von durchdachten Ereignissen. Die Haupthandlung um Horus' Fortpflanzung ist noch einigermassen stringent, auch wenn hier Fragen offen bleiben. Aber um John, die Sperrzone, das Eugenics-Programm, Nikopols Rebellion und etlicher weiterer Neben- und Hintergrundshandlungen schert sich Bilal nicht die Bohne. Er setzt wohl seinen Comic als Grundlage voraus, doch für jeden, der die Vorlage nicht kennt, ist "Immortel" deshalb ein frustrierendes Erlebnis. Kommt dazu, dass der Plot durch bescheuerte Dialoge, fade Esoterik und ein paar moralische Graubereiche (die Vergewaltigung wird viel zu nebensächlich angepackt) noch abgeschwächt wird.

Das zweite grosse Problemfeld sind die CGI-Schauspieler. Die menschlichen Akteure sind sicher auch nicht der Hammer - die Miss France Linda Hardy sieht sicher dufte aus, Charlotte Rampling hat ein besseres Cameo und Thomas Kretschmann gibt trotz etwas nüchterner Mimik einen guten Helden - doch der Rest der Figuren, die zum Grossteil aus dem Computer stammen, sind so rudimentär schlecht animiert, dass man sich um 10 Jahre zurück versetzt fühlt. Vergesst "Final Fantasy", vergesst Jar-Jar Binks, vergesst Gollum. Hier haben wirs mit Kreaturen zu tun, die aus Amiga-Zeiten stammen und keinerlei Mimik aufweisen. Ich habe versucht, dies zu akzeptieren und sozusagen eine künstliche Welt aufzubauen, aber es nagt extrem an der Glaubwürdigkeit. Und Sinn sieht man eh keinen. Wieso etwa nicht den schmierigen Senator Allgood durch einen Menschen spielen lassen? Es gibt absolut nichts, was dagegen spricht. Vielleicht das Budget.

Das war denn auch wohl nicht das grösste. Die restlichen CGI-Effekte sind nämlich auch nicht immer der Hit. Es fehlt zum Beispiel den Actionszenen und Krachmomenten an Wucht. Erinnert euch mal an die Schlachten in "Return of the King" oder "The Two Towers". Da prallten gigantische Steine auf die angreifenden Orcs bzw. auf die Mauern von Helm's Deep. Und man spürt es. Die Kraft, die Schwere, die Wucht. In "Immortel" fehlt dies völlig. Auch an Tiefe der Bilder mangelt es - und folglich an den Dimensionen, der Höhenangst und dergleichen. Die Bilder sind umso oberflächlicher,

Aber schön sind sie zweifellos. Alleine das Design dieses New Yorks muss gesehen werden. Auch die Ästhetik ist eine ausgesprochen französische. Näher an "The Fifth Element" als an "Blade Runner". Diese Bilder sind es zusammen mit der interessanten (wenn auch eben frustrierend un-durchdachten Geschichte), die 2½ Sterne für eine Fantasy-Fan rechtfertigen. "Immortel" ist kein Film, den ich als Genre-Liebhaber hassen will. Aber es nervt ungemein, wenn man sieht, welches Potenzial verschwendet wird. Ein besseres Drehbuch und mehr menschliche Schauspieler hätten dieses Werk sicher zu einem beachtlichen Fantasy-Streifen machen können.

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Cinema (D) 2/5
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In My Country GB/SA/IRL 2004
Drama
Reviewed 26.5.05

Regie: Regie und Produktion: John Boorman
Mit: Juliette Binoche, Samuel L. Jackson, Menzi Ngubane, Brendan Gleeson, Sam Ngakane, Owen Sejake

"In My Country" möchte man nicht schlecht machen. Zu sehr liegt das Thema den Machern am Herzen, zu gut gemeint ist ihr Film und zu berührend sind die tragischen Ereignisse. Doch das Südafrika-Drama ist schlicht kein guter Film. Es ist der am schlechtesten geschnittene und erzählte Streifen, den ich jemals von John Boorman ("Excalibur", "Deliverance", "The Tailor of Panama") gesehen habe - vielleicht den zweiten Exorzisten mal ausgenommen. Dabei hatte er alles zur Verfügung: enorm talentierte Stars, herrliche Landschaften und eine niederschmetternde Geschichte. Oder besser gesagt: Geschichten, denn "In My Country" (alias "The Country of My Skull") basiert auf dem Roman von Antjie Krog und den Aussagen vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission TRC.

Nach dem Ende der Apartheid reiste diese Kommission durchs Land und nahm die Aussagen von Opfern und Tätern auf. Wer um Vergebung bat und sich bei den Angehörigen entschuldigte, wurde nach dem Prinzip von Ubuntu, der Einheit aller Menschen, begnadigt. Diesen schmerzhaften Heilungsprozess kann der schwarze Amerikaner Langston Whitfield (Samuel L. Jackson), der die Arbeit der TRC verfolgt, nicht verstehen. Für ihn gehören die weissen Täter bestraft. Bei den Hearings der TRC trifft er auf die einheimische, weisse Schriftstellerin Anna Malan (Juliette Binoche), eine junge Frau aus einer Afrikaans-Familie, die für den südafrikanischen Rundfunk berichtet. Sie erklärt Langston, dass es nicht um Bestrafung gehe, sondern darum, die Wunden zu heilen. Die beiden reisen mit dem schwarzen Südafrikaner Dumi (Menzi Ngubane) durchs Land und werden Freunde. 

Das wäre ja noch gut und recht, doch Langston und die verheiratet Anna verlieben sich noch. Diese völlig unpassende Romantik-Beigabe ist nicht nur schlecht eingefädelt, sie ist auch zu offensichtlich ein Versuch, die Multikulti-Botschaft auf die Protagonisten zu münzen und später im Film die Idee von Vergebung aufs Privatleben abzuwälzen. Es sind geradezu peinliche Drehbuch-Kniffe für einen so talentierten Filmemacher wie Boorman. Ebenso schlimm wiegt eine ganze Liste von Mängeln: Der Schnitt ist eine mittlere Katastrophe. Der Film findet bis auf die schöne Anfangssequenz nie einen Rhythmus und wirkt holprig, beinahe wie ein mässig gemachter TV-Film. Dass Boorman damit das dokumentarische Feeling erhöhen wollte, kann ich mir kaum vorstellen, denn wer würde schon absichtlich einen Film schlechter machen? Gleiches gilt für einige der Akteure. Annas Kinder grinsen beinahe in die Kamera, die Laiendarsteller tragen ihre Texte ungelenk vor und kombiniert mit dem Schnitt ergeben sich Szenen, die durch ihre Steifheit auffallen, anstatt durch ihren Inhalt.

Man denke etwa an die potenziell bewegenden Szenen vor der TRC. Die Konfrontationen zwischen Tätern und Opfern wirken wie auf einer schlechten Theaterbühne vorgetragen, die Akteure schwach, die Inszenierung schlecht getaktet und der Inhalt zwar betrüblich - aber nicht richtig dramatisiert. Ich erwarte in einer solchen Sequenz keine Hollywood'schen Melodrama-Fanfaren und schockierte Zuschauer, um zu zeigen, wie tragisch das Gehörte ist (das merkt man ja selbst) - aber kann man diese von Herzen kommenden Geständnisse nicht besser machen? Wenn die weissen Tätern knurren wie schlechte Comic-Schurken oder die Heulkrämpfe der Ankläger etwa so spontan kommen wie das Familienessen zu Weihnachten, dann läuft etwas schief.

Es ist ja schliesslich bezeichnend, dass selbst Mimen wie Samuel L. Jackson und Juliette Binoche des Öfteren schwach herüberkommen. Ihr Spiel ist theatralisch, ihre Dialoge bemüht. An manchen Stellen wirken die Texte so schulmeisterlich, dass der Regisseur gerade so gut die Message in grossen Lettern auf die Leinwand hätte schreiben können. In nur ganz wenigen Momenten, wird die Hilflosigkeit der Weissen deutlich, die mit der mörderischen Vergangenheit nicht klarkommen, und jene der Schwarzen, die bereits damit gelernt hatten, zu leben, und nun ihre Wunden nochmals öffnen, um den Schmerz zu verdauen. Dann entwickelt der Film kurz die Kraft, die bei man bei diesem Thema erwarten würde. Der Rest ist zu kalkuliert, zu inszeniert - selbst die kleinen Seitenhiebe auf Amerika.

Schade, kann man nur sagen. Die zweieinhalb Sterne gibts wirklich nur aus Goodwill gegenüber Boorman und seinem Thema. Der Film verdient aber von der Machart her keinen Respekt. Er verwurstet seinen dramatischen Inhalt, fügt eine etwas peinliche Romanze bei und trägt das ganze so schulmeisterlich vor, dass nichts spontan wirkt an "In My Country". Seine bemühte Art hat man bald satt und umso schwerer verdaulicher werden die Dinge, die nicht passen wollen und von den zentralen Schicksalen ablenken. Dieser Film hätte besser sein können. Und müssen.

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Roger Ebert (USA) 2½/4
Slant Magazine 1½/4
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Jersey Girl USA 2004
Komödie
Reviewed 12.12.04

Regie, Schnitt, Buch und ausführender Produzent: Kevin Smith
Kamera: Vilmos Zsigmond
Mit: Ben Affleck, Raquel Castro, Liv Tyler, George Carlin, Jason Biggs, Jennifer Lopez, Will Smith, Mike Starr, Matt Damon, Jason Lee

Kevin Smith hat seine "View Askew"-Filme für den Moment beerdigt und versucht sich zum ersten Mal an einem PG-13-Film - auch wenn genügend über Sex geredet wird, um manchem R-Film Konkurenz zu machen. Smith, der für den Plot vor allem seinen eigenen Erfahrungen als Vater einbringt, schafft es aber wie kaum ein zweiter, freche Dialoge mit bewegendem Schmalz zu paaren. Das Resultat ist schwierig zu verkaufen. Smiths Fans vermissen die Bösartigkeiten von Streifen wie "Clerks", "Chasing Amy" und "Dogma", Ben-Affleck-Hasser sind sowieso angewidert. Ich bin Smith-Fan und mag Affleck. Und ich mag "Jersey Girl". Klar drückt Smith gehörig auf den Tränenkanal, doch wenn daneben über den Wert von Pornografie für einen Single diskutiert wird, weiss man, dass man sich immer noch im Kevin-Smith-Territorium befindet. Alle, die das nicht sehen wollen, sind einem Schubladendenken verfallen.

Der Anfang von "Jersey Girl" dürfte so manchen Filmfan jedoch leer schlucken lassen. Ben Affleck spielt den New Yorker Promoter Ollie Trinkle, der sich in die hübsche Gertrude (Jennifer Lopez) verliebt. Doch noch bevor jemand "Gigli" sagen kann, gebärt La Lopez ein Baby und stirbt. Nach 15 Minuten ist der Bennifer-Spuk also vorbei. Papa Ollie zieht zu seinem Vater (George Carlin) nach New Jersey und verliert seinen Job, weil er den 1994 noch als TV-Schauspieler belächelten Will Smith beleidigt. Dadurch kann er sich ganz dem Vatersein widmen. Sieben Jahre später arbeitet er als Strassenbauern und ist ein wunderbarer Daddy. Eines Tages leihen er und seine Tochter Gertie (Raquel Castro) Videos aus. Während die Tochter nicht hinschaut, angelt sich Ollie einen Pornofilm. Die hübsche Kassiererin macht sich einen Scherz daraus, ihn deswegen blosszustellen. Sie geht dabei etwas zu weit und besucht ihn später, um sich zu entschuldigen. Sie heisst Maya (Liv Tyler) und lädt Ollie zum Essen ein. Sie fragt ihn über Pornos aus und erfährt, dass er seit sieben Jahren keinen Sex mehr hatte. Spontan fordert sie ihn zum Mittleids-Fick ein - doch die Tochter kommt dazwischen.

Den Rest kann man sich so denken. Meine Inhalts-Zusammenfassung hört nicht einmal auf einem Höhepunkt auf, denn streng gesagt gibt es keinen. Selbst den grossen Gastauftritt des Films kann man erahnen - ja, es ist Will Smith, aber das ist doch wohl klar, wenn Ben Affleck ihn erst "fertigmacht". Kleinere Cameos absolvieren die Kevin-Smith-Freunde Matt Damon und Jason Lee. So ganz haben wir das View-Askew-Universum also doch nicht verlassen. Die Stars sind die selben, der Drohort auch und selbst die "Star Wars"-Referenz fehlt nicht ("Punch it, Chewy!"). Und auch die frechen Dialoge sind zum Glück vorhanden. Ich liebte das Hin-und-Her zwischen den "Armageddon"-Partnern Affleck und Tyler. Obwohl die beiden fast zu wenig Zeit miteinander verbringen, ist ihre Chemie grossartig und ihr Gespräch über Pornos und Masturbation klassisch Kevin Smith. Später im Film wird die ganze Chose recht sülzig, aber Smith widmet den Streifen schliesslich seinem Dad und schrieb ihn als Ode ans Vatersein - also was habt ihr erwartet?

Ich jedenfalls war berührt. Affleck harmoniert nicht nur grossartig mit Tyler sondern auch perfekt mit der jungen und erfrischend aufspielenden Raquel Castro. Dadurch wird selbst die kitschige "ich muss zur Vorführung meiner Tochter rennen"-Szene erträglich. Ganz überzeugen liess ich mich von Smiths Botschaft, dass es besser ist in Jersey zu leben und einen schlecht bezahlten Job zu haben, dann doch nicht. Das kommt von einem Regisseur, der genug Geld hat. Dadurch wirkt die Message etwas arrogant. Wieso nicht versuchen, den Job zu kriegen und die Familie mit mehr Geld durchzubringen? Alle potenziellen Väter dürfte die "opfere deine Karriere für dein Kind"-Aussagen jedenfalls eher abschrecken. Ansonsten ist "Jersey Girl" sicherlich ein Aufruf an all die üblichen Smith-Fans (Single, Männlich, 20-30), sich mal an den Gedanken des Vaterseins zu gewöhnen. Ich hab noch kein Kind, aber "Jersey Girl" hat mich 0.25% näher an den Kinderwunsch gebracht. Das ist doch nicht übel, oder?

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 2/4
BBC (GB) 2/5
Slant Magazine (USA) 1½/4
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Kinsey USA 2004
Biografie
Reviewed 3.2.05

Regie und Buch: Bill Condon
Mit: Liam Neeson, Laura Linney, Peter Sarsgaard, Chris O'Donnell, Timothy Hutton, John Lithgow, Tim Curry, Oliver Platt, Dylan Baker, William Sadler, Veronica Cartwright, Julianne Nicholson, Lynn Redgrave

Alfred Kinsey (Liam Neeson) sammelte Hundertausende von Wespen, um sie zu studieren, bevor er sich in den 1940er-Jahren einem anderen Thema zuwandte: Sex. In seinem puritanischen Elternhaus verbot der Vater (John Lithgow) jeden Gedanken an Sex und als der zum Bio-Professor herangewachsene Kinsey die intelligente Studentin Clara (Laura Linney) heiratete, war die erste gemeinsame Nacht ein Debakel. Erst der Besuch beim Arzt half. Fortan widmete sich Kinsey ausschliesslich dem Sex - und dies streng statistisch. Er holte Assistenten an Bord (Chris O'Donnell, Peter Sarsgard, Timothy Hutton) und begann, so viele Menschen wie möglich zu ihrem Sexleben zu interviewen. Aus diesen Zahlen destillierte er ein Buch, den Besteller Sexual Behavior in the Human Male (1948). Und Amerika war geschockt. Hatten die Paare tatsächlich nicht nur Sex in der Missionarsposition? Ist Homosexualität tatsächlich so verbreitet? Und Seitensprünge? Und macht Masturbation doch nicht blind? All die puritanischen "Hygienebücher" wurden nutzlos. Die Moralisten hatten einen neuen Feind, die Kommunistenjäger auch.

Dabei ist Kinseys Mission eine aufklärerische, eine rein faktenbezogene. Emotionen liess er nicht in seine Studien hineinkommen, das macht Regisseur Bill Condon deutlich. Erst später im Leben kam die Erkenntniss, dass auch Zahlen Emotionen auslösen. Und das Sex zwar ohne Emotionen möglich ist, aber Liebe eben auch ihren Stellenwert hat. Das bringt "Kinsey" keineswegs moralisch rüber. Im Gegenteil. Der schwule Condon, Drehbuchautor von Chicago und Regisseur der noch etwas meisterlicheren Biografie Gods and Monsters, präsentiert die Ereignisse so nüchtern, dass sie Kinsey gefallen hätten. So schafft es Condon sogar, Bilder eines erigierten Penis' und einer Penetration in den Film zu bringen. Das gäbe normalerweise ein NC-17-Rating, doch im Falle von "Kinsey" sind die Bilder nicht stimulierend, sondern dienen einem aufklärerischen Zweck. Vor Kinsey gab es schliesslich keine richtige Sexualkunde, kein Wissen darüber, was Amerika unter dem Bettlaken treibt.

Das macht den Streifen so interessant. Condon hat Kinseys Forschungen gegenüber einen sehr positiven Standpunkt eingenommen und das ist durchaus okay. So zelebriert er ihn als etwas stöttischen, sturen und exzentrischen Helden, der trotzdem ganz dem Wissen und dem Fortschritt dient. Dass dies auch manchmal in eine Sackgasse führen kann, wissen wir spätestens seit der Nazi-Zeit, wo Menschen im Dienste der Wissenschaft entstellt wurden. Forschung ohne Emotionen, ohne Ethik vor allem, geht eben doch nicht. Und Kinsey hatte, so der Film, sehr wohl Ethik. Er war ein Humanist und nicht zuletzt deshalb auch eine "3" auf seiner Hetero-Homo-Skala, die von 0 bis 6 geht. Ja, er liebte alle Menschen und auch dieszüglich gibt sich der Film offen - inklusive leidenschaftlichem Kuss zwischen Peter Sarsgard und Liam Neeson.

Zu diesem Punkt muss man endlich die Darsteller loben. Liam Neeson ist fulminant. Etwas schräg, aber ungemein charismatisch. Seine direkte Art widerspiegelt jene von Kinsey in einzigartiger Weise und gibt dem Film sein analytisches und doch gefühlvolles Herz. Gleiches gilt für Laura Linney, die eine verdiente "Oscar"-Nomination einsackte. Peter Sarsgard und John Lithgow liefern tollen Support, Chris O'Donnell ist, na ja, Chris O'Donnell. Er ruiniert auch beinahe eine der besten Szenen des Films, als ein unheimlicher Omniphiler (William Sadler) Kinsey von seinen Erlebnissen erzählt. Mit Männern, Frauen, Tieren ... und Kindern. An dieser Stelle werden die Grenzen der emotionslosen Daten-Erfassung sichtbar. Eine gewagte, ungemein beklemmende und toll gespielte Szene, die Sadler eine "bester Kurzauftritt"-Auszeichnung bringen sollte. Die für die Männer, denn jene der Frauen geht an Lynn Redgrave. Sie spielt die letzte Patientin im Film mit einer Offenheit, einer Echtheit, die einen umhaut. Mehr brauche ich dazu gar nicht zu sagen.

Der ganze Film hat diese Qualitäten. Ehrlichkeit, Echtheit, wissenschaftliche Schlichtheit. Doch darunter brodelt das "Tier Mensch", die Sexualität, die doch mehr sein kann, als nur Zahlen. Wobei Kinseys Zahlen die Welt eben schon revolutioniert haben - zum guten, wie Condon meint. Ich kann mich nur anschliessen. "Kinsey" (der Film) hat seine Defizite wie schwach ausgearbeitet Subplots, eine überlange Montage im Mittelteil und Durchhänger in der zweiten Filmhälfte - doch die Darbietungen sind derart erstklassig, die Geschichte so spannend und das Thema so dauerhaft aktuell, dass "Kinsey" mich gepackt und fasziniert hat. Einen offenen Geist setzt der Film voraus, doch wer derart vorbereitet an den Film rangeht, wird belohnt. Nicht nur mit Daten, Fakten und Wissenschaft - sondern, das machen vor allem die letzten 10 Minuten deutlich, mit Gefühl und Seele, dass manche gar von Kitsch reden würden. Ich empfands bloss als ideale Waage zwischen Hirn und Herz. Nicht gar so gut wie Gods and Monsters, aber ein weiterer toller Film von Condon.

Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3/4
Slant Magazine (USA) 3/4
imdb


Ladder 49 USA 2004
Drama
Reviewed 15.12.04

Regie: Jay Russell
Mit: Joaquin Phoenix, John Travolta, Jacinda Barrett, Robert Patrick, Morris Chestnut, Billy Burke, Balthazar Getty, Jay Hernandez

 

"Ladder 49“ ist ein Salut an die mutigen Feuerwehrmänner Amerikas. Seit 9/11 sind sie die grossen, anbetungswürdigen Helden und kaum etwas scheint ihre weisse Weste zu beschmutzen. „Ladder 49“ wird dieses Image noch verstärken, auch wenn der Film in Sachen Hemdsärmligkeit schwer zu überbieten ist. Das Setting ist 08/15, die Inszenierung und die Charaktere ebenso. Der Film spielt in der irischen Community in Baltimore. Joaquin Phoenix verkörpert Jack, der in der Gruppe 49 der Feuerwehr anfängt und unter Captain Mike Kennedy (John Travolta) zu einem der besten wird. Der Rest könnte kaum schematischer sein. Er trifft ein Mädel (Jacinda Barrett), heiratet sie, kriegt zwei Kinder (Bub und Mädchen), verliert Kollegen im Dienst und rückt im Team nach oben. Kein Sex, niemand flucht und alle gehen in die Kirche. Gähn. 

Kein Klischee wird ausgelassen, leider auch nicht die Beerdigung in Uniform. Ich hasse diese Zeremonien, wenn alle mit steifer Miene um ein Grab stehen und ihrem gefallenen Kollegen salutieren. Das hat nichts mit einer anteilvollen Beerdigung zu tun, sondern mit Ehre und Männlichkeit. Geweint wird nicht, dafür meist noch geschossen und eben salutiert. Für wahre Emotionen keinen Platz. Dabei will der Film ja gerade zeigen, dass hinter den Helden “normale” Menschen stecken. Normaler als in “Ladder 49” kann man sie sich kaum vorstellen. Durchschnittlicher auch nicht. Und das gilt eben auch für den Film, der so bemüht auf Durchschnittlichkeit aus ist, dass es weh tut. Nur ganz am Schluss hatte ich einen kleinen Klumpen im Hals, denn wir lernen die Leute wirklich kennen und leiden etwas mit. Doch der ganze Rest ist staubtrockenenes A-nach-B-Kino. 

Joaquin Phoenix spielt gut, sieht auch schön durchschnittlich aus mit Arbeiterbauch und lädiertem Gesicht. Travolta ist bloss als Support da und macht gute Arbeit. Die anderen absolvieren die klischierten Buddy-Rollen, der talentierte Jay Hernandez kommt so gut wie nicht vor. Die Jungs im Team verstehen sich natürlich alle blendend, können aufeinander zählen und treffen sich danach im Irish Pub zum Bier. Oder eben in der Kirche. Nochmals gähn. Nur kurz gibts Streit, doch der Chief appelliert an die Ehre und die Helden gehen zurück zu dem, was sie am besten können: heldenhaft sein eben. Und dabei trotzdem so schön durchschnittlich - ja, es gibt keine besseren amerikanischen Helden als Feuerwehrmänner. 

Die Inszenierung ist in Sachen Dramaturgie natürlich absolut öde. Aber beim Pyrotechnischen gibts ein paar hübsche Einfälle. Ich bevorzuge dennoch “Backdraft”, wo das Feuer einen Charakter entwickelt und wo der Plot sich nicht nur um Feuerwehrmänner dreht, sondern wo auch etwas Spannendes passiert. In “Ladder 49” gibt es keine Brandstifter, keine Bürokraten, keine Politiker - bloss tapfere Jungs, ihre hübschen Hausfrauen und viel Heldenmut. Ich sehe, ich drehe mich im Kreis, wie auch der Film. Wer ein wenig mit wackeren Burschen rumhängen will, etwas Feuer sehen möchte, der kann sich hier unterhalten. Ich habe mich eher gelangweilt. Der solide gemachte Feuerwehr-PR-Streifen ist so durchschaubar, so absehbar, so durchschnittlich, dass das Ende nicht früh genug kommen kann.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
imdb


The Ladykillers USA 2004
Komödie
Reviewed 19.4.04

Regie, Buch, Schnitt und Produktion: Ethan und Joel Coen
Musik: Carter Burwell
Kamera: Roger Deakins
Mit: Tom Hanks, Irma P. Hall, Marlon Wayans, J.K. Simmons, Tzi Ma, Ryan Hurst, Diane Delano, George Wallace

Man kanns eigentlich kurz machen: "The Ladykillers" ist absolut unnötig, aber für sich betrachtet ganz witzig. Unnötig, weil die Ealing-Komödie "The Ladykillers" von 1955 mit Alec Guinness und Peter Sellers ein formidabler Film ist. Ein richtiger Comedy-Klassiker - wieso also eine Neuauflage? Doch eben, diese Wiedervefilmung ist auch ganz witzig. Die Coens machen nicht den Fehler und übernehmen das Original einfach. Die Handlung blieb zwar in ihrem Gerüst die selbe und der Humor blieb ebenso rabenschwarz. Doch das Setting ist neu: Mississippi statt England. Und damit eine greise schwarze Dame anstatt ein biederes britisches Mütterchen als zentrale Figur. Der Wechsel ist ganz okay.

Tom Hanks, Marlon Wayans und Co. spielen die Gangster, die sich als Untermieter bei Witwe Munson (Irma P. Hall) einquartieren, doch in Wahrheit von ihrem Keller aus einen Spielsalon ausrauben wollen. Leichte Änderngen nicht nur in der Story, sondern auch in der Charakterisierung. Doch da fangen die Probleme an: Tom Hanks ist wirtklich witzig als hyper-intellektueller Professor, doch mit der Zeit geht sein "Double-Talk" ein wenig auf den Wecker. Marlon Wayans ist etwas albern, George Wallace als Lump unnötig doof. Besser J.K. Simmons. Schaut man mal von seinen Reizdarm-Problemen ab, ist es eine geile Figur. Und Tzi Ma als der stille General ist ebenfalls ein Winner. Und wie man vom Original her kennt, beisst einer nach dem anderen ins Gras. Die Szenen sind halbwegs witzig. Der Raub zuvor ist halbwegs gelungen. Nichts kommt auch nur halbwegs ans Original heran. Und die Coens hämmern den Humor teilweise mit dem Vorschlaghammer ein. "Lachen jetzt" drücken viele Szenen aus. Und einige ringen allzu verkrampft und hilflos nach der nicht kommenden Pointe.

"The Ladykillers" taugt dennoch was. Wegen Hanks, wegen Simmons und wegen der alten Irma P. Hall. Natürlich auch wegen dem Look. Die Coens und ihr DP Roger Deakins zaubern fantastische Bilder. Und auch wegen der Musik - Carter Burwell und Gospels, das kann ja nur gut gehen. Der Humor ist rabenschwarz und deshalb gut. Doch zum Schluss bleibt eben die Frage: wieso? Die Antwort bleiben die Coens schuldig, weshalb die 3 Sterne reichen müssen. Lieber das Original hervorkramen und angucken. Denn das hat alles Lob verdient!

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Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
imdb


The Life Aquatic With Steve Zissou USA 2004
Tragikomödie
Reviewed 25.1.05

Regie, Produktion und Buch: Wes Anderson
Mit: Bill Murray, Owen Wilson, Cate Blanchett, Anjelica Huston, Willen Dafoe, Jeff Goldblum, Michael Gambon, Noah Taylor, Bud Cort, Seymour Cassel, Seu Jorgé

Wes Anderson ist einer dieser "get it?"-Regisseure. Manche finden seinen Stil umwerfend, andere kriegen einfach nicht den Zugang. Ich hatte bei seinen früheren Werken, die mir durchaus gefielen, noch etwas Angst, zu letzterer Gruppe zu gehören. Spätestens mit "The Royal Tenenbaums" hatte er mich aber auf seine Seite geholt. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich noch steigern könnte. Tüchtig geirrt! "The Life Aquatic With Steve Zissou" ist mein bisheriger Lieblings-Anderson und ich bin ungemein froh, dass ich auf seiner Wellenlänge liege. Wenn man sich nämlich auf Andersons ganz speziellen Stil einlässt, dann kriegt man einen Film zu sehen, den amerikanische Regisseure so nicht machen. Anderson gehört zu den ganz wenigen Indie-Regisseuren, die drei Dinge zugleich schaffen: Einen Film mit ganz eigenem Charakter zu drehen, künstlerisch wertvoll zu sein - und zu unterhalten. "The Life Aquatic" ist diesbezüglich ein kleines Juwel, ein Meisterwerk des grotesken Nonsens, das dennoch viel Herz hat.

Andersons Lieblingsstar Bill Murray spielt den titelgebenden Jacques-Cousteau-Verschnitt Steve Zissou. Seit vielen Jahren sind er und "Team Zissou" auf der "Belafonte", einem umgebauten Kriegsschiff, unterwegs und filmen Dokus über das Meer und seine Bewohner. Doch beim neusten Film passiert ein Unglück: Esteban (Seymour Cassel) wird von einem Jaguarhai gefressen. Hinter seiner nächsten Mission sieht Zissou also einen wissenschaftlichen Nutzen: Rache! Doch bevor er loslegen kann, passieren im Team Zissou gravierende Änderungen: Steves Frau Eleanor (Anjelica Huston) hat genug und trennt sich. Dafür kommt Ned (Owen Wilson) an Bord. Er behauptet, er sei Steves Sohn. Der plötzliche Vater nimmt den jungen Piloten umgehend ins Team auf - sehr zum Missfallen vom ersten Bootsmann Klaus (Willem Dafoe). Und noch jemand drängt sich an Bord: Die schwangere Reporterin Jane Winslett-Richardson (Cate Blanchett), die einen Bericht über ihren Kindheitshelden Steve Zissou schreiben will. Das Schiff legt ab, die Crew klaut die Ausrüstung von Eleanors erstem Gatten, dem arroganten Alistair Hennessey (Jeff Goldblum), und gleitet unglaublichen Abenteuern entgegen.

Wann dies alles passiert? Oder wo? Keine Ahnung! Die Dokfilme von Steve scheinen aus den 70ern zu sein, der (absolut geniale!!) Soundtrack vorwiegend aus den 80ern und die Geräte aus der Gegenwart. Die selbe Ratlosigkeit bei der Geografie: Die Filmvorführung und das Zissou-Hauptquartier liegen in Italien und im Mittelmeer, der Jaguarfisch lebt im Südpazifik und die Piraten reden Philippinisch. Diese Zeit- und Ortlosigkeit des Films hebt ihn aus den Angeln der Realität, in die er eh nicht hingehört. Zierliche Trick-Fische von Henry Selick ("Nightmare Before Christmas") und absurd künstliche Unterwasserwelten erzeugen einen bizarren Look, manche Momente in "The Life Aquatic" sind von solch surrealer, einfallsreicher Magie, dass sie ein Lächeln einfach aufs Gesicht zaubern. Doch der Film ist so viel mehr als nur visuell und akustisch interessant ...

Er ist, wie man bei diesem Cast erwarten kann, auch toll gespielt. Bill Murray als bärbeissiger Versager-Kapitän dominiert jede Szene. Er spielt, wie er leibt und lebt und ist selbst in seinen weniger angenehmen Momenten ein Kerl zum Gernhaben. Owen Wilson gibt seinen Sohn sehr überzeugend, die beiden haben genau die richtige Chemie, um die "süsseren" Szenen nicht ins Kitschige abgleiten zu lassen. Cate Blanchett spricht enorm fragil und seltsam - man kennt sie so gar nicht, was ihr Talent einmal mehr herausstreicht. Eine unspektakuläre und deshalb umso mutigere Rolle. Willem Dafoe mit absurdem deutschen Akzent ist in einer Nebenrolle ebenso köstlich wie Anjelica Huson, Seymour Cassel oder Michael Gambon. Wirklich eine Besetzung zum Verlieben.

Die Story ist in gewisser Weise der Schwachpunkt des Films, doch sie zu kritisieren, ist der falsche Ansatz. "The Life Aquatic" ist ein Film der Einzelszenen, die absichtlich holprig miteinander verknüpft sind. Der Film soll etwas das Feeling eines alten Dokfilms haben - oder eben wie Zissous Produktionen. Deshalb gibt es absurde Schnitte und plötzliche Stimmungswechsel von Fun zu Action zu Gewalt zu Liebe zu Abenteuer. Oft verknüpft durch Akkustik-Versionen von David-Bowie-Liedern, die Pelé (Seu Jorge, "City of God") auf seiner Gitarre spielt. Es dürfte nicht funktionieren. Doch es tut. Und wie. Bestes Beispiel die Action, die überhaupt nicht spektakulär ist, aber mit dieser pulsierenden Elektromusik einen Charme bekommt, wie ein kultiger Seventies-Actioner. All dies in einem einzigen Film. Und wenn gegen Schluss alle Charaktere im kleinen U-Boot sitzen, vermisst man diese Leute bereits. Ihre Geschichten, ihre Macken, ihre herrlich trockenen Dialoge. Es gibt nochmals einen kleinen magischen Unterwasser-Moment vor dem seltsamen Finale. Seltsam, weil es so schwer fassbar ist. Ist es ironisch gedacht? Herzlich? Kitschig? Absurd? Wohl alles auf einmal - und das ist Wes Andersons Talent. Keine Schubladen, sondern innovatives, freies Denken. Manchmal führt dies zu schlechten Experimentalfilmen, im Falle von "The Life Aquatic With Steve Zissou" jedoch zu einem der besten Filme des Jahres.

Ein letzter Test, ob dieser Film für euch ist? Dieser Satz: "In twelve years, the baby will be eleven and a half"

Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
Slant Magazine (USA) 3½/4
imdb


The Machinist E/USA 2004
Mysterydrama
Reviewed 7.6.05

Regie: Brad Anderson
Mit: Christian Bale, Jennifer Jason Leigh, Aitana Sánchez-Gijón, Michael Ironside, John Sharian, Anna Massey

Man kann die Augen einfach nicht von ihm nehmen. Manchmal reisst sein Anblick sogar beinahe aus dem Film, weil man sich Sorgen um seine Gesundheit macht. Die Rede ist von Christian Bale, der für die Hauptrolle in "The Machinist" nach seinem muskulösen Auftritt in Reign of Fire um über 30 Kilo auf rund 60 Kilo abgemagert ist. Eine Büchse Thon und ein Apfel pro Tag soll er gegessen haben, sein Ziel waren 50 Kilo, bevor ihn die Produzenten stoppten. Es ist ein irrer Akt von Method-Acting-Preparation. Oder einfach nur irr. Aber in gewissen Sinne wird der immer geniale Bale dadurch zum wichtigsten Pluspunkt von "The Machinist". Er ist nicht nur Dreh- und Angelpunkt des Films, er ist auch die Fleischwerdung des zentralen Mystery-Aspekts. Nichts ist, wie es sein sollte in dem Film. Schon gar n icht sein Hauptdarsteller.

Bale spielt Trevor Reznik, der ein einsames Leben führt und seit einem Jahr nicht geschlafen hat. Er arbeitet in einer anonymen Fabrik und sucht Liebe bei der Prostituierten Stevie (Jennifer Jason Leigh) und der Flughafen-Kellnerin Marie (Aitana Sánchez-Gijon). Stevie kümmert sich liebevoll um ihn und sorgt sich um sein schwindendes Gewicht: "If you were any thinner you wouldn't exist," warnt sie ihn. Eines Tages trifft er in der Fabrik den mysteriösen Ivan (John Sharian), der ihn einmal so ablenkt, dass Trevor eine Maschine versehentlich aktiviert und die seinem Kollegen Miller (Michael Ironside) den Arm abschneidet. Das Ereignis wirft Trevor völlig aus der Bahn. Er ist davon besessen, herauszufinden, wer Ivan ist - denn laut Firmenleitung arbeitet niemand mit diesem Namen bei ihnen. Trevor verstrickt sich bei seinen Recherchen in immer wildere Verschwörungstheorien.

Als Zuschauer hat man die Freude, in diese einzutauchen. Regisseur Brad Anderson ist ein Meister darin, verschiedene Schichten von Paranoia und Mystery aufeinander zu türmen, wie er es schon in "Session 9" (* * ½) gemacht hat. Doch wie auch jener (überschätzte und wirre) Streifen leidet "The Machinist" letztendlich an einem schwachen Ende. Ohne auch nur ansatzweise zu verraten, wie es ausgeht, kann ich doch berichten, es ist enttäuschend. Klar ist das Ende an sich stimmig, doch es ist ein Gimmick, ein Drehbuchkniff, der danach mehr Fragen aufwirft, als er löst. Der Schluss ist nicht einfach nur doof wie bei "Session 9", aber viel zu fad für all das, was man vorhin geboten bekam.

Und wegen diesem "vorhin" muss man den Film anschauen. Die Atmosphäre ist unglaublich. Der Plot mischt auf gewisse Art Elemente aus Fight Club und "Memento" und wirkt trotzdem neuartig fremd. Bedrohlich etwa die Maschinen, an denen Trevor arbeitet. Vor allem, nachdem Michael Ironside den Arm opfern musste (Der Kerl verliert eh in jedem zweiten Film seinen Arm: "Total Recall", "Starship Troopers") und man weiss, dass alles möglich ist mit diesen Geräten. Die ausgewaschenen Bilder verstärken das Unbehagen noch. Doch letztendlich steckt nicht viel dahinter. Eine moralische Mystery-Parabel mit einem schlicht unglaublichen Christian Bale und einer Atmosphäre, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Das macht den Film aus, deshalb sollte man ihn sehen. Aber Brad Anderson sollte unbedingt einmal auch eine Geschichte anpacken, die sich nicht in Tricks und Twists flüchtet, sondern wirklich überzeugend enden.

Und Christian Bale? Lebt er noch? Natürlich. Nach "The Machinist" hat er für Batman Begins unterschrieben und das ganze Gewicht wieder zugenommen. Nicht etwa als Bierbauch, sondern als Muskelasse. Manche Menschen sind einfach diszipliniert. Oder irr.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 3/5
Slant Magazine (USA) 2/4
imdb


La mala educación E 2004
Thriller
Reviewed 30.4.04

Regie und Buch: Pedro Almodóvar
Mit: Gael García Bernal, Fele Martínez, Daniel Giménez Cacho, Francisco Boira, Javier Cámara, Albert Ferreiro, Nacho Pérez, Raúl García Forneiro

Bei Hable con ella habe ich mich darüber geärgert, dass Pedro Almodóvar sich bei den Kritikern abiedert. Nun, da er mit "La mala educación" wieder halbwegs zu seinen Wutzeln zurückkehrt, bin ich auch nicht ganz glücklich. Ja ich würde sogar sagen, "La mala educación" ist schwächer als seine drei letzten Filme Hable con ella (* * * ½), "Todo sobre mi madre" (* * * ½) und "Carne trémula" (* * * *). Aber das Werk ist noch immer ein guter Film. Almodóvar drehte quasi einen Homo-Film-Noir mit Melodrama-Einschlag. Etwas schräg, etwas sleazy, etwas überdreht und etwas spannend. Nichts so richtig, aber dennoch ein faszinierender Mix.

Der Film spielt auf drei Ebenen, der Gegenwart, der Vergangenheit und einem Film-im-Film. Im Zentrum von allen dreien steht Ignacio - in welcher Inkarnation auch immer. Der Film beginnt damit, dass Ignacio (Gael García Bernal) beim Regisseur Enrique Goded (Fele Martínez) auftaucht. Die beiden waren die besten Freunde im Klosterinternat, haben sich seither aber nicht gesehen. Ignacio erzählt, er nenne sich nun Ángel und sei Schauspieler. Zudem habe er ein Drehbuch namens "Der Besuch" geschrieben, das von ihrer Kindheit handle. Er möchte, dass Enrique es verfilmt. Enrique erzählt seinem Assistenten, Ignacio sei seine erste Liebe gewesen - und beinnt zu lesen. Das Script erzählt, dass Ignacio in Drag-Aufmache Pater Manolo (Daniel Giménet Cacho) besucht, den Rektor des Internats. Er hält ihm ein Geschichte hin. Entweder, der Padre gibt ihm eine Million, oder das Buch gelangt an die Offentlichkeit. Der Padre liest. Die Story spielt zu der Zeit, als Ignacio (Nacho Pérez) 10 Jahre alt war. Er und Enrique (Raúl García Forneiro) wurden Freunde - und beinahe Liebhaber. Im Kino masturbierten sie gegenseitig, im Schlafsaal trafen sie sich auf dem Klo. Doch genau da tauchte Manolo auf. Er verwies Enrique von der Schule und machte aus Ignacio seinen Lustknaben. Nun will er eben Rache ...

Das Durchlesen dieser Story macht zwei Dinge klar: a) der Film ist verschachtelt und b) er ist kontrovers. In gewissen Kreisen wird es nicht auf gute Resonanz stossen, dass Priester 10-Jährige vergewaltigen oder als Sex-Boys halten. Insbesondere in den USA ist der Film momentan wohl Zündstoff. Und Almodóvar bleibt nicht subtil - er zeigt zwar den Akt nicht, man sieht aber die Buben beim suggerierten Wichsen und die Kamera fängt sie in Slow-Motion beim Baden ein. Der durch "Southpark" berühmt gewordene Skandalverein NAMBLA (North American Man/Boy Love Association) hätte seine helle Freude daran - doch das macht Sinn, denn Almodóvar zeigt die Buben durch die Augen der Priester. Als Ignacio einmal mit Engelsstimme vor dem Abendmahl-mässig versammelten Konvent singen muss, kommen Manolo fast die Tränen, aber alle schauen auf den Buben wie auf Frischfleisch. Nacho Pérez ist auch ein süsser Bursche. Almodóvar hat genau darauf geachtet, dass alle Buben im Film schlank, attraktiv und auf dubiose Art verführerisch wirken. So erreicht er ihre Sexualisierung - etwas, was dem Publikum sichtlich unangenehm wird (im besten Fall belächelt man die Szenen), aber so bekommt man einen Eindruck, wie die Priester auf die Buben reagieren. Und umgekehrt. Aber eben: zweifellos eine kontroverse Sache. Und eine genial subversive.

Almodóvar macht da noch nicht Halt. Mexikos Jungstar Gael García Bernal (Y tu mamá también, El crimen del padre Amaro) darf Schwanzlutschen, darf gefickt werden und fast-nackt schwimmen. Bloss einen Full-Frontal-Nudity-Shot mutet Almodóvar ihm seltsamerweise nicht zu. Er und Fele Martínez sind zwar oft fast ganz nackt, schwenken aber Badetücher oder Unterhosen so geschickt, dass sie stets da noch verhüllt bleiben. Aber auch hier: Back to the Roots. Der schwule Almodóvar hat keine Scheu, die Männer so zu zeigen, wie er sie mag. Wenn Hable con ella und "Todo sobre mi madre" Filme über Frauen waren, so ist "La mana educación" wieder klar einer über Männer in allen Facetten. Tunten, Schwule, Heteros, als Schwule posierende Heteros und Umgebaute. Echte Frauen kommen kaum vor, Sprechrollen gibt es glaub ich drei. Und so wird der Krimi-mässige Plot denn auch zum Homo-Film-Noir mit einem Homme fatale (wer es ist, möchte ich nicht verraten). Der Thriller-Aspekt ist nicht sooo spannend, aber Almodóvar geht es auch eher darum, die verzwickte Geschichte knisternd, subversiv und eben halbwegs rätselhaft zu erzählen. Sicherlich nicht sein grösster Coup. Aber ein packender Film, der an frühere Werke wie "Laberinto de pasiones", "Matador", "La flor de mi secreto" und "Carne trémula" erinnert. Bloss etwas weniger schrill und dafür erwachsener. Aber keine Spur weniger lüstern ...

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The Manchurian Candidate USA 2004
Thriller
Reviewed 2.11.04

Regie und Produktion: Jonathan Demme
Mit: Denzel Washington, Liev Schreiber, Meryl Streep, Jon Voight, Kimberly Elise, Jeffrey Wright, Ted Levine, Bruno Ganz, Miguel Ferrer, Dean Stockwell, Roger Corman, Charles Napier

Da sitze ich nun, einen Tag nachdem die Amerikaner einen Deppen aus Texas für weitere vier Jahre zum Führer der "freien Welt" ernannt haben, und beschreibe einen Film über die Infiltration der US-Politik. Das Déjà-vu, wenn die Elektorenstimmen im Film hochgerechnet werden zu den Kalkulationen, die gestern Abend am TV liefen, ist beachtlich - nur, dass Ohio im Film seltsamerweise 21 und nicht 20 Wahlmänner stellte. Aber damit ist vielleicht auch gleich klar gemacht: "The Manchurian Candidate" ist ein Fantasieprodukt, ebenso wie das Original aus dem Jahre 1962. John Frankenheimers Adaption von Richard Condons Roman habe ich vor ein paar Monaten gesehen und war ziemlich beeindruckt. Obwohl der Film eigentlich wenig Sinn machte - sind nun die Kommunisten die Bösen oder die Rechten? Oder wollen die Kommis die USA unterwandern, indem sie sich als Anti-Kommunisten ausgeben und die Hysterie für den Coup nutzen? Ganz klar ist der Plot nie, doch vielleicht ist das gut so. Es gibt suspekte Figuren (Janet Leigh), deren Sinn nie geklärt wird, es gibt diabolische Gehirnwäsche-Sequenzen und obwohl Klarheit herrscht, wer welcher Partei angehört, ist dennoch nie klar, wer welche Agenda hat. Zweifellos ein brillantes Stück Paranoia-Kino.

Das Remake von "Silence of the Lambs"-Regisseur Jonathan Demme will inhaltlich schlüssiger sein. Die Parteizugehörigkeit wird zwar ausgeklammert, doch der Plot um böse Kommis und ebenso böse McCarthy-isten wird ersetzt durch ein "fiese Grossfirmen"-Plot, der viel unverfänglicher ist. Jeder hasst Wirtschaftskonglomerate, die sich in die Politik einmischen. Und im Zeitalter von Enron, Halliburton und Globalisierung ist das Thema wohl aktueller denn je. Aber es reisst nicht gleichermassen mit. Der "Feind" wird dadurch nämlich fassbarer und ausschaltbarer, weshalb das Ende auch mehr den Touch eines Happy-Ends hat. Doch ich greife vor. Für alle, die nicht wissen, worums geht, hier schnell die Story: Der Golfkrieg-Veteran Major Ben Marco (Denzel Washington) wird von Albträumen geplagt. Darin tötet er ein Mitglied seines Trupps und sein Kollege Sgt. Raymond Shaw (Liev Schreiber) besudelt sich ebenfalls mit Blut. Was war damals passiert? Ben will Ray, der damals die Ehrenmedaille bekam, dazu ausfragen - doch Ray ist schier unerreichbar geworden: Auf Druck seiner mächtigen Mutter (Meryl Streep) ist der Kongressabgeordnete nun nämlich zum Kandidaten fürs Vizepräsidenten-Amt ernannt worden! In Ben wächst der Verdacht, dass er und sein Team in Kuwait gehirngewaschen wurden und dass mit Ray einiges nicht stimmen kann.

Das ist wohl untertrieben. Vieles stimmt nicht und Demme braucht etwas übertriebene 130 Minuten, um alles aufzudecken. Die, die das Original kennen, erleben so manche Überraschung. Das Ende ist anders, Kimberly Elise (in Janet Leighs Rolle) ist fassbarer, die Botschaft klarer. Aber die präzisere Botschaft macht den Film nicht wirklich besser. Manche Figuren werden dadurch schlicht uninteressanter. Das gilt in erster Linie für Rays Mutter, solide gespielt von Meryl Streep. Im Original verkörperte Angela Lansbury die Rolle und gewann verdient einen "Oscar", denn was sie auf die Leinwand brachte, war einfach genial. Denzel ist ein guter Ersatz für Frank Sinatra und auch Liev Schreiber ist überzeugend, vor allem macht er Ray zu einer sehr tragischen Figur. An den Akteuren gibt es deshalb sicher nichts auszusetzen, obgleich Angela Lansbury von Anfang an kaum zu schlagen war - aber die Charaktere, die von den Akteuren verkörpert werden, sind weniger interessant. Auch die Nebenfiguren von Bruno Ganz bis Kimberly Elise, sind nicht sonderlich vielschichtig.

So ist das Remake als Ganzes sicher nicht übel aber a) unnötig und b) zu lang. Wenn man schon in der heutigen Zeit einen solchen Film macht, dann müsste man die Zeichen der Zeit ausnutzen und hinstehen: Die Republikaner (oder Demokraten) machen gemeinsame Sache mit Grosskonzernen und wollen die Weltherrschaft - etwas übertrieben ausgedrückt. Aber so gäbe es dem Film den Biss zurück, den er durch die Wischiwaschi-Einordnung verliert. Welcher Partei gehört Ray an? Er sieht aus wie John Edwards, seine Mom wie Hillary Clinton und sein Running Mate wie George Bush (inklusive zwei Töchtern) - dadurch wird nie klar, wer wo steht und wofür kämpft. Schade, denn 24 Stunden zuvor wusste ich am TV genau, wer was wo warum wollte. Und dieses Rennen, das reale um die Führerschaft der USA, war deshalb um Längen spannender. Wenn die Realität packender ist als ein Film, kann das kaum für den Film sprechen. "Manchurian Candidate" ist ein guter Film - aber wer die Wahlen verfolgt hat, bekam Besseres geliefert. Und Traurigeres ...

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
Cinema (D) 2/5
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Mean Creek USA 2004
Drama
Reviewed 22.6.05

Regie und Buch: Jacob Aaron Estes
Mit: Rory Culkin, Scott Mechlowitz, Trevor Morgan, Carly Schroeder, Ryan Kelley, Josh Peck, J. W. Crawford

Irgendwo zwischen "Stand By Me", "River's Edge" und "Bully" ist dieses Low-Budget-Debüt von Jacob Aaron Estes anzusiedeln. Er ist nicht so gut wie diese drei Werke, aber ein pointiertes, kurzweiliges und superb gespieltes Drama, das nur an etwas wirklich leidet: Einem nicht ganz durchdachten Skript. Zu Beginn weiss man nämlich ziemlich schnell, worauf das Ganze heraus laufen wird. Und zum Schluss fehlt im moralischen Dilemma etwas der Fokus. Es sind Kleinigkeiten, doch es mangelt an etwas, was die Geschichte noch eindringlicher machen würde. Eine Konzentration auf den Hauptcharakter zum Beispiel. Gespielt wird der von Rory Culkin und heisst Sam. Der Bub wird in der Schule vom bulligen George (Josh Peck) verprügelt, worauf Sams älterer Bruder Rocky (Trevor Morgan) nach Rache dürstet. Rockys Kumpel, der aus einer sozial abgestiegenen Familie stammende Marty (Scott Mechlowitz), weiss auch schon wie: Auf einer Bootsfahrt wollen sie George bloss stellen.

Also laden sie den Schläger ein, da er glaubt, es mit Freunden zu tun zu haben, sagt er zu. Mit auf die Tour kommen auch der schüchterne Clyde (Ryan Kelley) und Sams Freundin Millie (Carly Schroeder). Unterwegs sind alle der Meinung, der Plan sollte gestoppt werden - bis auf Marty. Dass er eine tickende Zeitbombe darstellt, ist schnell klar. Und in fast fatalistischer Weise steuert der Film auf eine Eskalation während einem "Truth or Dare"-Spiel hin. Die Darbietungen der Akteure sind in diesem Teil sehr gut. Rory beweist, dass jeder jüngere Culkin-Bruder mehr Talent hat als der vorherige, doch eben: Estes hätte vielleicht noch mehr in Sams Gedanken gehen müssen - Sam bleibt zu passiv, um dem Film ein Zentrum zu geben. Aber immerhin sind alle Charaktere halbwegs mit Backgrounds ausgestattet. Scott Mechlowitz verströmt Trailer-Trash-Rebellen-Charisma, Ryan Kelley bekommt zwei schwule Väter in einem etwas durchschaubaren Drehbuch-Trick, um ihn als Sensibelchen auszuklammern. Vielleicht wäre noch etwas mehr Hintergrundwissen über das Mädchen an Bord nötig gewesen, aber letztendlich sind alle Jugendlichen derart überzeugend, dass sie genug suggerieren, damit man die Charaktere zu kennen scheint. Nicht gerade so gut wie in "Stand By Me", aber trotzdem gut genug.

Das gilt auch für George. Es wird schnell klar, dass der Kerl Probleme hat, sein Mundwerk genauso wenig unter Kontrolle hat wie seine Fäuste. Aber Mitleid mit ihm schwingt bald mit, weil er der Kamera, die er stets dabei hat, anvertraut, was für einen verwirrten Geist er hat. Als er an der zentralen Stelle des Films in eine verbale Attacke übergeht, ist sein Schicksal besiegelt. Es folgt eine sehr reife Diskussion über Moral und Verantwortung - doch auch hier hatte ich das Gefühl, man "spüre" das Skript darunter. Der Plot ist gut einstudiert, anstatt eine gewisse Schwebe zu erreichen wie etwa in "Stand By Me", wo Nostalgie, Drama, Humor und Abenteuer zu einem Ganzen verschmelzen, von dem "Mean Creek" nur träumen kann. Trotzdem ist es zweifellos ein sehenswertes Werk, sei es für das Spiel der jungen Akteure, sei es für die "Deliverance"-Anspielungen, die bei einer solchen Bootsreise natürlich angebracht sind oder sei es für die zweifellos dramatische Geschichte: "Mean Creek" bietet 89 Minuten eindrückliches Kino.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
Slant Magazine (USA) 2½/4
BBC (GB) 4/5
imdb


Mean Girls USA 2004
Komödie
Reviewed 23.7.04

Regie: Mark S. Waters
Mit: Lindsay Lohan, Rachel McAdams, Lacey Chabert, Amanda Seyfried, Tina Fey, Lizzy Caplan, Tim Meadows, Daniel Franzese, Jonathan Bennett

"Mean Girls" ist eine Highschool-Komödie, wie sie sein muss. Irgendwo zwischen "Clueless", "Election" und "Heathers" spielen sich Szenen ab, die gnadenlos brutal und zickig scheinen - doch wirklich krass ist der Gedanke, dass es an Schulen tatsächlich so zu und her geht. Ich befürchte sogar, es ist noch schlimmer. Denn die drei Zicken in dem Film sind ja noch sanft und vor allem sind sie dezent angezogen. Die Über-Tussis von heute spielen in einer anderen optischen Liga. Aber zurück zum Film. Der basiert auf dem Buch "Queen Bees and Wannabes: Helping Your Daughter Survive Cliques, Gossip, Boyfriends, and Other Realities of Adolescence" von Rosalind Wiseman. Dabei handelt es sich um ein Non-Fiction-Buch, einen Ratgeber. Die Dame weiss also, was sie schreibt. Und damit der Stoff nicht allzu analytisch wird, wurde er von SNL-Veteranin und Co-Star Tina Fey zur Komödie adaptiert. Mit vollen Erfolg.

Fey spielt die Lehrerin Miss Norbury, die ihre Klasse mit Vernunft zu erziehen versucht. Erfolglos. Doch die neuste Schülerin scheint erfolgversprechend zu sein: Cady Heron (Lindsay Lohan). Sie ist mit ihren Eltern unlängst aus Afrika in die USA gezogen und hat ihren ersten Schultag - zuvor wurde sie von ihren Eltern unterrichtet! An der Schule ist das Mathegenie natürlich eine Aussenseiterin. Nur Janis (Lizzy Caplan) und der schwule Damian (Daniel Franzese) freunden sich mit ihr an. Die zwei warnen Cady vor den Plastics, den drei Elite-Girls, um die sich das ganze Schulleben zu drehen scheint: Gretchen Wieners (Lacey Chabert), die strohdumme Karen Smith (Amanda Seyfried) und die Königsbiene, die reiche Regina George (Rachel McAdams). Doch beim Mittagessen wird Cady von ihnen an den Tisch gerufen. Sie freundet sich mit den Zicken an. Damian und Janis bitten Cady, die Freundschaft nicht abzulehnen und so mehr über Regina zu erfahren - damit sie sie fertigmachen können. Doch schon bald wird auch Cady zum "Plastic"-Girl mit feschen Klamotten. Und dem Hang zu Intrigen ...

Der Film von Mark S. Waters (Freaky Friday, "Head Over Heels") verliert eigentlich nie an Schwung. Schon am Anfang gibts geniale Kurz-Einlagen - so zeigt er Cadys Leben in Afrika im Kurzduchlauf, geht die Cliquen in der Schule frech durch (the nerds, the cool Asians, the uncool Asians, the jocks, the losers) und lässt Cady sich immer wieder vorstellen, die Teenies seien Tiere in Afrika. Und es gibt herrlich unkorrekte Gags: Als Cady in der Klasse vorgestellt wird, meint der Rektor, sie sei gerade aus Afrika gekommen, worauf Miss Norbury zu einer schwarzen Schülerin meint "welcome" und diese erbost antwortet "I'm from Wisconsin". Und dann gibts noch die Szene, in der ein Mädchen vom Bus überrollt wird - ganz à la "Final Destination". Die Passage kommt völlig unverhofft und passt ja anscheinend nicht in eine Komödie - aber ich habe geahnt, dass sowas kommt. Irgendwie war der Shot seltsam, das Framing des Bilds etwas "off". Ich war der einzige im Saal, der nicht zusammengezuckt ist. Ich schau wohl zuviele Horrorfilme. Anyway, solche Kleinigkeiten versüssen das Ganze, machen aber alleine noch keinen guten Film. Doch es gibt ja noch viel mehr. Die Akteure ... wirklich cool und sehr sexy. Lindsay Lohan, Waters' Freaky Friday-Star, ist fantastisch in der Titelrolle. Sie ist als Aussenseiterin und Königin gleichsam überzeugend. Rachel McAdams (The Notebook) ist komplett auf Bitch-Modus. Sie ist wirklich diabolisch. Lacey Chabert und Amanda Seyfried sind witzige Sideckicks, Rektor Tim Meadows und Tina Fey haben perfektes Timing. Die Darsteller machen schon einen Grossteil des Erfolgs aus.

Und dann ist da eben die Geschichte. Teils realistisch, teils over the top - aber immer witzig. Die Giftelein, die Intrigen, die Romanzen, die sozialen Umfelder, all dies wird behandelt und satirisch bis komödiantisch verarbeitet. Erst ganz gegen Schluss wird plötzlich Moral eingebaut und der Film kommt vom Weg ab. "Heathers" blieb bis zum Schluss zynisch, "Mean Girls" hat dazu nicht den Mut. Deshalb gibts auch nur knapp 3½ Sterne. Aber der Streifen bleibt zweifellos ein intelligentes, freches Schlampen- und Tussen-Vergnügen, das man gesehen haben muss. Egal, ob man nun selber Teenager ist oder jemand, der diesen Jahren schon entwachsen ist, und mal wieder einen Blick auf heutige Schul-Realitäten werfen will. Bei dem Gedanke, dass ich einmal ein Studium fürs Lehramt begonnen habe, wird mir angst und bang ...

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
BBC (GB) 4/5
imdb


Meet the Fockers USA 2004
Komödie
Reviewed 9.2.05

Regie und Produktion: Jay Roach
Mit: Robert De Niro, Ben Stiller, Dustin Hoffman, Barbra Streisand, Teri Polo, Blythe Danner, Spencer & Bradley Pickren, Alanna Ubach, Owen Wilson, Tim Blake Nelson

Diesen Film muss man im vollen Kino anschauen. Die Witze sind so ausgelegt, dass sie die Masse animieren. Und wenn ein paar lachen, lachen bald noch mehr. Es wirkt ansteckend. Schaut man ihn in kleinerem Rahmen, wirkt er nicht halb so gut. Er ist auch nicht durchgehend gut, das ist gar keine Frage. Das Level des genialen "Meet the Parents" von 2000 erreicht er selbstredend nicht. Und dies, obwohl die Besetzung noch umwerfender ist. Zum bereits illustren Cast stossen Dustin Hoffman und Barbra Streisand als Ben Stillers jüdische Hippie-Eltern. Schon fast faules Casting, denn sie sind nicht nur ideal, sie entsprechen genau dem Bild, das man nach Blythe Danners Frage im ersten Film im Kopf hat: "What kind of people name their child Gaylord Focker?"

Eben: Die Fockers (Hoffman, Streisand). Und da bald die Heirat zwischen Greg (Stiller) und Pam (Teri Polo) ansteht, statten sie ihnen mit Pams Eltern (De Niro, Danner) einen Besuch ab. Im Super-Wohnmobil reisen sie nach Florida, wo das Chaos seinen Lauf nimmt. Etliche Gags aus dem ersten Teil werden wieder aufgefrischt oder variiert, De Niros Charakter macht wieder Rückschritte und ist beinahe gleich weit wie zu Beginn von Teil eins. Und manche Pointen versanden gnadenlos. Aber der Spass-Faktor ist dennoch sehr hoch. Die meisten Brüller hat Little Jack auf seiner Seite, der Baby-Neffe von Jack, den er mit auf die Reise nimmt. Der Focker-Hund ist dagegen eher zu billig, aber auch er generiert jede Menge Resonanz im Publikum. Nicht umsonst spielte "Meet the Fockers" in Amerika fast das Doppelte des ersten Teils ein - der Humor kommt eben an. Das soll aber noch keine künsterlische Wertung sein.

Eher enttäuschend ist Robert De Niro. Nicht, dass er schlechter ist, aber der Gag, den ehemaligen Tough Guy als Comedy-Parodie seiner selbst zu sehen, ist mittlerweile verflogen. Viel witziger ist es, Dustin Hoffman zuzusehen, der sichtlich Spass hatte beim Dreh. Ebenso Streisand in ihrem ersten Auftritt seit acht Jahren. Jedes zusätzliche Gramm an ihrem Körper hat sie sympathischer gemacht, könnte man fast meinen. Bei soviel Star-Power müssen ein paar hinten anstehen. Massgeblich Schlaftablette Teri Polo und Stiller-Dauerpartner Owen Wilson, der diesmal nur in einem Cameo vorkommt.

All dies auf die Wagschale geworfen: Egal, ob es eine Cash-Cow ist und bloss vom Erfolg des Originals profitiert, egal ob mancher Scherz abgelutscht ist - "Meet the Fockers" macht Spass. Und sei es nur, weil es der ganzen Welt ermöglicht, Mrs. Streisand als Mother Focker zu betiteln.

Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2/4
BBC (GB) 3/5
Slant Magazine (USA) 2/4
imdb


Million Dollar Baby USA 2004
Melodrama
Reviewed 9.2.05

Regie, Musik und Produktion: Clint Eastwood
Mit: Clint Eastwood, Hilary Swank, Morgan Freeman, Jay Baruchel, Mike Colter, Lucia Rijker, Anthony Mackie

"Million Dollar Baby" hat mich eiskalt erwischt. Ziemlich niedergeschmettert, bewegt und verheult hab ich das Kino verlassen. Vielleicht will manch ein Zuschauer nicht dahin mitgenommen werden, wo Altmeister Clint Eastwood ihn in seinem neunten Film als Regisseur und Star in Personalunion hinführt - doch er erzählt seine melodramatische Geschichte mit solcher Reife, solchem Können, als habe er 74 Jahre lang Talent angesammelt. "Million Dollar Baby" ist auf den ersten Blick ein Film übers Boxen. Eine Verwirklichung des Amerikanischen Traums: Von der Kellnerin zum Ring-Star. Wenn man mit diesen Erwartungen ins Kino geht, so wie es bei mir auch der Fall war, dann ist das sogar okay. Dann erlebt man nämlich sein blaues Wunder. Mehr muss man gar nicht wissen. Vielleicht noch das Setup:

Clint spielt den alternden Box-Trainer Frankie, der eine heruntergekommenen Trainingshalle leitet. Sein treuster Freund ist der Hausmeister Eddie "Scrap" (Morgan Freeman), ein einäugiger Ex-Boxer. Frankies Tochter will nichts mehr mit ihm zu tun haben, Familie hat er keine. Seine Boxer sind seine Familie. Doch auch die kann ihm wehtun: So verlässt ihn sein bester Fighter wegen einem lukrativeren Angebot. Erst nun fällt ihm richtig auf, dass ein "Mädchen" in seiner Halle trainiert. Maggie (Hilary Swank). Sie ist White Trash, eine Kellnerin ohne Geld aber mit vielen Ambitionen. Er weigert sich, sie zu trainieren, da sie mit 31 Jahren zu alt ist. Und weil sie eben ein "Girl" ist. Scrap gibt ihr heimlich ein paar Tipps und als Frank nach Wochen endlich einsieht, dass dieses Girl halt doch was draufhat, nimmt er sie unter seine Fittiche.

Wenn sie zum ersten Mal im Ring boxt, haut sie nicht nur die Gegnerin aus den Socken. Hilary hat eine enorme Wucht drauf, die von der Leinwand direkt zu den Zuschauern springt. Eastwood inszeniert die Boxszenen recht konservativ. Er ist nicht so nah dran wie es etwa Martin Scorsese in "Raging Bull" war. Und dieses Motto gilt für den ganzen Film: Reserviert, nüchtern, einfach. Clint ist zu alt und zu erfahren, um zuviel auf Gimmicks zu setzen. Für ihn zählt allein die Story mit ihren Charakteren. Und da wächst er über sich hinaus. Er selbst ist böse gesagt kein wahnsinnig guter Schauspieler. Seine Mimik ist relativ steif, seine Dialoge altersbedingt etwas keuchend und emotionslos wiedergegeben - doch es steckt soviel dahinter. Er schluchzt im genau richtigen Moment, er atmet genau an der richtigen Selle, er hebt die Augenbraue exakt am richtigen Punkt. Es ist beinahe eine minimalistische Performance und trotzdem eine der besten des Jahres. Er löst alle Emotionen aus, dies braucht. Gleichfalls Hilary. Ich habe ihr grossartiges Spiel in "Boys Don't Cry" bewundert, aber der Film ging mir nie ganz unter die Haut. Anders hier. Sie ist brillant. Und der letzte ist Morgan Freeman. Einmal mehr veredelt er einen Film in einer Nebenrolle. Zudem übernimmt er wie in "Shawshank Redemption" die Rolle des Erzählers. Ich bin kein Freund von Voice-Over-Erzählungen, aber Morgans Stimme ist immer gut und hier an seltsamen Stellen eingesetzt. Zudem macht das Voice-Over zum Schluss Sinn.

Schauspielerisch ist "Million Dollar Baby" ohne Umschweife einfach umwerfend. Knockout nennt man das im Englischen. Der Film ist überlang, aber dank diesen Akteuren, nein, vor allem dank diesen Figuren, ist es nie wirklich zu lang. Auch der Plot ist eigentlich nicht revolutionär, da er wie Eingangs angetönt, er sich in eine lange Filmtradition einreiht, nicht zuletzt mit "Rocky" und mehr noch "Girlfight". Doch Clint nimmt die Story an einen Ort, den man nicht vermutet. Viele Kritiker werden versucht sein, euch zu viel zu erzählen, denn das Thema, das Clint anschneidet ist mutig. In Amerika gabs sogar mal wieder eine Kontroverse, die im Angesicht der "Oscar"-Verleihungen noch künstlich aufgebauscht wurde. Vielen Zuschauern wurde der Film leicht verdorben, weil über das Thema gestritten wurde und der Film so einen Teil seiner Überraschung verliert. Also: Nichts lesen über "Million Dollar Baby". Aber unbedingt anschauen.

Dass Clint mit 74 Jahren nicht nur einer der verlässlichsten Filmemacher Hollywoods ist sondern einer der mutigsten, überrascht eigentlich schon. Ein anderer hochgelobter Film hat letztes Jahr das selbe Thema angeschnitten (anfärben = Spoiler! "Mar adentro") und macht es vielleicht konsequenter. Doch Eastwood holt alles Gefühl heraus. Er geht an seinen Film wie ein weiser alter Mann, der die Themen aufgreift, die ihm am Herzen liegen. In jeder Minute wird seine Passion spürbar und dies, obwohl der Film rein inszentaorisch so "unspürbar" erscheint, so gewöhnlich. Das ist die wahre Kunst eines Erzählers. "Million Dollar Baby" ist sicher nicht die Art Film, die es normalerweise auf meine Bestenlisten schafft, doch seine einfache, ehrliche Art hat mich zutiefst beeindruckt. Klar hat er seine Probleme, massgeblich die Länge, das déjà-vu-Gefühl der Box-Szenen und die manipulative Darstellung von Maggies Familie - doch es zählt das Ganze. Und wie der Film mich berührt hat. Ja, "Million Dollar Baby" ist ein Film übers Boxen - aber nicht nur. Belassen wirs dabei.

PS: Zur ganzen Kontroverse um den Film gibts hier einen guten Artikel von Roger Ebert. Bitte erst lesen, wenn ihr den Film gesehen habt. Bitte!
http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/20050129/ESSAYS/501290301

Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
BBC (GB) 4/5
imdb


Millions GB 2004
Kinder-Abenteuer
Reviewed 19.4.05

Regie: Danny Boyle
Mit: Alexander Nathan Etel, Lewis Owen McGibbon, James Nesbitt, Daisy Donovan

Damian (Alexander Nathan Etel) und Anthony (Lewis Owen McGibbon) ziehen nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrem Dad (James Nesbitt) in ein neues Häuschen. In dem Quartier leben sie sich schnell ein. Der kleinere der Buben, Damian, hockt gerne am Bahngleis und baut sich dort eine Karton-Hütte. Da fällt plötzlich eine Nike-Tasche auf die Hütte und demoliert sie. Sie öffnet sich und offenbart viele Pfund-Noten. Damian holt Anthony und zusammen zählen sie über £230'000. Mit dem Ausgeben müssen sie sich beeilen, denn an Weihnachten stellt Grossbritannien auf den Euro um und die Noten werden wertlos. Während Anthony investieren will und sich an der Schule mit Geld Freunde "kauft", will Damian Gutes damit tun. Er sucht Rat bei Heiligen, die er alle kennt und mit deren Erscheinungen manchmal redet. Doch der Gangster, für den die Tasche bestimmt war, kommt den Kids auf die Spur.

Ein Kinderfilm voller Einfühlungsvermögen und Fantasie. Regie führte der Regisseur von "Trainspotting", "28 Days Later" und "The Beach" - Danny Bolye will es anscheinend Robert Rodriguez gleich tun und beweisen, dass er auch familientauglichere Streifen drehen kann. Er kann. Wenngleich ich die Lobhudelei für "Millions" nicht ganz verstehen kann. Die Ausgangslage ist witzig, die Inszenierung verspielt und die Jungdarsteller sensationell. Doch mit dem Kitsch kommt auch eine etwas träger Diskurs über Glauben und Heiligentum - beinahe zu dick aufgetragen. Auch das Erzähltempo geht auf und ab, wobei die Szenen mit dem Gangsters besonders schleppend sind. Er kündigt sich zwar dramatisch an, ist dann aber selbst für einen Kinderfilm wahnsinnig passiv.

Letztendlich weiss man auch, worauf das Ganze hinausläuft. Man muss nicht viele Kinderfilme gesehen haben, um die Botschaft bereits am Anfang zu riechen. Doch das macht nicht so viel. Dank gewitztem CGI-Einsatz, absolut liebenswürdigen Akteuren und einem schrägen, leicht schwärzlichen Humor, bleibt "Millions" stets interessant. Die Lobhudelei erlärt sich dadurch, dass "Millions" kein Einheitsbrei ist, dass er ungewöhnlich, ja gewagt ist. Die Kritiker-Lorbeeren mag ich ihm darum auch gönnen. Denn trotz seiner offensichtlichen Defizite sind diese wie weggeblasen bei der herzerwärmenden Schlussszene und einem der natürlichsten, unbekümmertsten finalen Freeze Frames der jüngeren Kinogeschichte.

Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3/4
Slant Magazine (USA) 2½/4
imdb


Mysterious Skin USA 2004
Drama
Reviewed 13.8.05

Regie, Produktion und Buch: Gregg Araki
Mit: Joseph Gordon-Levitt, Brady Corbett, Michelle Trachtenberg, Elizabeth Shue, Jeff Licon, Bill Sage, Lisa Long, Chris Mulkey

Der Film ist schwer zu beschreiben, schwer schmackhaft zu machen und es ist schwer vorauszusagen, was der Einzelne daran mögen wird. Manche dürften seine Wärme spüren. Andere werden geschockt sein von den Tabu-Themen, die der Film anspricht. Andere werden die Charaktere mögen. Sich vielleicht sogar wieder erkennen. Kalt lässt dieser beste Film des rebellischen Regisseurs Gregg Araki ("Nowhere", "The Doom Generation") auf keinen Fall. Schon die ersten Szenen machen klar, dass hier nichts konventionell ist: Der achtjährige Neil (Chase Allison) sieht, wie seine Mutter (Elizabeth Shue) einem Kerl einen Blowjob gibt. Das erregt ihn derart, dass er zum ersten Mal einen Samenerguss hat. Wenig später verliebt er sich in seinen Baseball-Lehrer (Bill Sage), der ihn nach Hause nimmt, mit ihm spielt - und ihn verführt. Mit zehn malträtiert Neil einen gleichaltrigen Behinderten und bläst ihm zur Entschuldigung eins. Mit 15 schafft er (Joseph Gordon-Levitt) in seiner Heimatstadt in Kansas an. Später wohnt er bei seiner besten Freundin Wendy (Michelle Trachtenberg) in New York und bekommt von Freiern Sätze wie "Fuck me up the ass with your hot teenage cock" zu hören.

Den scheinbaren Kontrast dazu setzt das Leben von Brian (George Webster). Der zerbrechliche Bub leidet nach einem mysteriösen Ereignis unter Nasenbluten, Ohnmachtsanfällen und Albträumen. Als Teenager (Brady Corbett) glaubt er, er sei von Aliens entführt worden. Das einzige, an was er sich sonst noch erinnern kann, ist Neils Gesicht. Er sucht Kontakt zu Neil und freundet sich mit dessen schwulem Kumpel (Jeff Licon) an. Wohin der Alien-Plot laufen wird, kann man erahnen, aber er ist trotzdem faszinierend zu sehen. Araki geht ungemein nahe an seine Figuren heran - in jeder Beziehung.

Am schockierendsten sind deshalb die ersten Minuten, als die Jungs noch Kinder waren. Neil ist ein gewagter Filmcharakter, weil er präpupertäre Sexfantasien hat. Das spätestens seit Freud anerkannte und von den meisten erlebte (wenngleich später vielleicht verdrängte) Phänomen nutzen Pädophile oft als Entschuldigung. "Der Bub wollte es auch". In Neils Fall stimmt das sogar, da er im Coach eine Vaterfigur, einen "starken grossen Bruder" und einen Mann sieht, der ihn verehrt. Das macht es den Zuschauern nicht einfach. Araki scheint Pädophilie zu verharmlosen. Das ist jedoch ein Irrglaube, denn obwohl der Bub in diesem Fall aktiv dabei ist, handelt es sich um ein Ausnutzungsverhältnis. Der Coach nutzt die Faszination des Buben aus und treibt sie in Richtungen, die erst im Verlauf des Filmes klar werden. Zudem ist der Einfluss aufs Neil späteren Charakter deutlich. "Mysterious Skin" verurteilt Kinderschändung und zeigt die Schänder (auch die, die Neil später im Park gegen Geld aufgabeln) im schlechten Licht - aber er tut dies nicht mit erhobenem Zeigfinger. Mutig? Auf Schockeffekte aus? Manchmal mag es letzteres sein, doch je weiter der Film vordringt, desto klarer wird die Absicht.

Und desto mehr staunt man über die Akteure. Elizabeth Shue, Michelle Trachtenberg und Brady Corbett sind sehr gut. Doch die beste Leistung zeigt Joseph Gordon-Levitt, der zuvor höchstens als Bubi aus "10 Things I Hate About You" bekannt war. Er gibt eine dynamische, rebellische und verführerische Darbietung. Sein Neil hat eine enorme Anziehungskraft. Er ist, wie Jeff Licon mal erklärt, ein Planet - und wir sind seine Monde. Wie vielfältig sein Charakter ist, wird bei seinem Sex in New York sichtbar. Beim ersten übernimmt er die Kontrolle und grinst frech, als er eindringt. Als er einen Aids-infizierten Mann unter dem "Girl With a Pearl Earring"-Bild von Vermeer streichelt, kippt die Stimmung. "You're not in Kansas anymore" sagt seine Kollegin in hübscher Anlehnung an "The Wizard od Oz". Wie wahr. Was danach kommt, ist teilweise von solcher Rohheit, das es weh tut. Neils Flehen nach seiner Mama bricht einem deshalb sein Herz.

Deshalb habe ich eingangs gesagt, der Film strahle Wärme aus. Die Figuren sind so vielschichtig gezeichnet, dass man mit ihnen fühlen muss. Die Freundschaft zwischen den Jungs, Neils Freundschaft zu Wendy, die (beinahe intime) Freundschaft zwischen Mutter und Neil - all dies erzeugt Araki inmitten der Pein, die die Jungs in ihrer Kindheit erfahren haben. Mag sein, dass es erzählerische Problemchen gibt oder dass manche vor lauter Abscheu Arakis Herz in dem Werk nicht entdecken können. Oder wollen. Aber "Mysterious Skin" ist zweifellos ein Film, der einfährt. Ich wollte gar nicht soviel dazu schreiben, da man ihn selber erleben und auf sich einwirken sollte. Aber er regt derart zum Sinnieren an, dass man sich kaum kurz fassen kann.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
Slant Magazine (USA) 3½/4
BBC (GB) 2/5
imdb


The Notebook USA 2004
Liebesdrama
Reviewed 21.7.04

Regie: Nick Cassavetes
Buch: Jeremy Leven nach Jan Sardis Adaption des Romans von Nicholas Sparks
Mit: Rachel McAdams, Ryan Gosling, James Garner, Gena Rowlands, Joan Allen, James Marsden, Sam Shepard, David Thornton, Kevin Connolly

Filmfans wissen: Wo Nicholas Sparks draufsteht ist Gesülze drinn. Die erste Sparks-Adaption "Message in a Bottle" ist eine überlange Schnulze. Die zweite, A Walk to Remember, ist zwar auch unheimlich kitschig, mochte mir aber nicht zuletzt wegen dem Spiel von Mandy Moore zu gefallen. Und nun gehts mit "The Notebook" wieder einen Schritt zurück: Überlang, schnulzig, mittelmässig. Der Film von Nick Cassavetes, Sohn von Regielegende John Cassavetes und Schauspielerin Gena Rowlands, inszenierte das Rührstück zwar gemächlich bekömmlich, doch in dem Plot ist der Wurm drinn.

Er beginnt in der Gegenwart, als der alte Duke (James Garner) einer geistig angeschlagenen, alten Frau (Gena Rowlands) eine Geschichte vorliest. Die spielt in den US-Südstaaten der 40er-Jahre: Der junge, arme Schreiner Noah (Ryan Gosling) verliebt sich in die zierliche Allie (Rachel McAdams), die Tochter des steinreichen Paars Anne (Joan Allen) und John Hamilton (David Thornton). Anfänglich weist Allie den rabiaten Verehrer ab. Doch langsam erweicht er ihr mit netten Worten und schönen Gesten das Herz - bis es klick macht. Sie werden ein Paar. Sie streiten viel, versöhnen sich aber umso heissblütiger. Allie lernt Noahs Vater (Sam Shepard) und Noahs Träume kennen. Letzteres ist der Traum von eigenen Haus: Er will eine alte Plantagenvilla kaufen und komplett rennovieren. Doch Allie sollte nicht Teil dieses Traums werden, denn ihre Eltern verabscheuen Noah. Sie ziehen weg und nehmen Allie mit. Zuvor haben sich Allie und Noah im Streit getrennt. Als sie sich versöhnen wollen, ist es zu spät. 365 Tage lang schreibt er Briefe, doch Anne fängt alle ab. Der Zweite Weltkrieg beginnt für die Amerikaner, Noah geht an die Front, Allie arbeitet als Krankenschwester. Dabei lernt sie Lon (James Marsden) kennen, Sohn einer steinreichen Baumwollfamilie. Die zwei verstehen sich gut - weshalb Lon ihr einen Heiratsantrag macht. Zur Freude der Eltern. Doch kurz vor der Heirat sieht Allie Noahs Bild in der Zeitung ...

Eine Dreiecksgeschichte, wobei die dritte Person (Lon) kaum entwickelt wird. Im Zentrum stehen die zwei Liebenden. Was ist ihre Verbindung zu Garner und Rowlands? Na ja, es dürfte klar sein - überraschend ist lediglich, dass diesbezüglich jede Überraschung ausbleibt. Da alle Kritiker von BBC über Roger Ebert und James Berardinelli es auch "verraten", kann ichs ja auch tun: Ja, Gena Rowlands ist Allie und ja, James Garner ist Noah. Das ist kein Spoiler, das ist einfach von Anfang an jedem vernünftig denkenden Menschen klar. Ich wartete auf einen Twist, der nie kam. Aber nicht deshalb ist "The Notebook" mässig. Den Mangel an Überraschungen kann ich fast verzeihen. Ja selbst das Level an Kitsch. Doch der Film klemmt. Die Szenen in den 40ern sind noch die besseren: Rachel McAdams (Mean Girls) sieht aus wie ein Mix zwischen Kylie Minogue und Jennifer Garner, und sie hat Power sowie überraschenden Sex-Appeal. Es gibt eine Szene mit Gosling, in der erst ein rituelles Ausziehen kommt und danach ein zärtliches Annähern. Da knistert die Leinwand. Auch später einmal, als es tatsächlich zum Sex kommt. Zu Beginn sind beide keusch, später gehts ziemlich zur Sache, was mich manchmal fragen liess, ob in dieser Zeit tatsächlich jemand so offen mit Sex umging. Na ja, es ist nur ein Film. Gosling ist am Anfang besser als später. Er hat eine lakonische Art, die beim Verführen funktioniert. Soch im Verlauf des Films, wenn er Allies Gefühle wecken soll, versagt dieser Low-Key-Ansatz. Gosling und McAdams sind dennoch die Highlights des Films.

Anders Garner und Rowlands. Die zwei können schauspielern, keine Frage. Bei Garner habe ich sogar feuchte Augen gekriegt. Doch zum einen ist ihre Handlung ja voraussehbar, zum anderen langweilig. Dazu noch arg sentimental und zum Schluss überraschend leer - dieses Ende haben sich die Charaktere eigentlich gar nicht verdient. Der nicht unähnliche Iris hatte diesbezüglich mehr Power. Cassavetes bringt diese Szenen auf dem Niveau eines TV-Movies der Woche. Sehr spröde, sehr kalkuliert. Zudem funktioniert so vieles nicht. Zwischen den beiden Zeitepochen liegt eine zu lange Zeit, man glaubt nicht, dass es die gleichen Personen sind und da man nicht weiss, was zwischendurch passiert ist, fühlt man sich dem Drehbuchautor hilflos ausgeliefert. Ich orte einen Teil der Schuld bei Sparks, der das Ganze nicht sauber konstruiert hat. Und einen Teil bei Cassavetes, der in der zweiten Filmhälfte den Schwung verliert. Zudem hat er einige Charaktere nicht im Griff: Ich habe bereits erwähnt, Rachel McAdams sei klasse, doch ihr Charakter ist es nicht. Diese Wankelmütigkeit, diese Hysterie nerven mit der Zeit. Als sie beim Sex vor Nervosität zu quasseln beginnt, ist das noch sympathisch und witzig, später sind ähnliche Momente jedoch nur noch blöd. Noah ist ähnlich. Seine Passivität habe ich bereits angekreidet. Seine Faible für Walt-Whitman ist fast noch plumper. Und seine Philosophien ("Mach, was du willst. Lege alle Fesseln ab") kommen manchmal wie verfrühte Hippie-Phrasen rüber.

"The Notebook" hielt sich in den US-Kinocharts nach mässigem Start erstaunlich gut. Anscheinend war die Mund-zu-Mund-Propaganda nicht schlecht. Ich war tatsächlich bereit, mir ein Kitschfest anzusehen und ich war drauf und dran, es auch zu mögen - doch zuviel funktionierte nicht, zuviel ist konstruiert und bietet dennoch keine Überraschungen. Das ist einfach zu wenig für fast zwei Stunden Film.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
BBC (GB) 2/5
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