Kill Bill - Volume 2 (2004)
Quick-Links: Cast & Crew - Review - Volume 1
US-Start: 14. 4.
2004
CH-Start: 22. 4. 2004
7.4.04 - Warnung, ein paar Spoiler. Lieber erst den Film anschauen.
Ich würde lügen, wenn ich sage, ich habe jede Hommage in "Kill Bill, Volume 2" erkannt. Einige sind offensichtlich, andere versteckt und wiederum andere selbst für mein geschultes Auge schwer erkennbar. Quentin Tarantino packt eben soviel in dieses Rächerepos hinein, dass man die Filmzitate eher im Vorbeigehen aufsaugt. Und waren es in Volume 1 primär östliche Filme, sind es in "Volume 2" Western. Denn, so Tarantino, Volume 1 war ein Eastern, "Volume 2" ein Western. Was nicht ganz stimmt, denn die Shaw Brothers und das Hongkong-Kino finden im zweiten Teil statt. Doch erst der Reihe nach ...
Der erste begann mit dem Wrath of Khan-Zitat "Revenge is a dish best served cold". Der zweite beginnt in schwarzweiss. Wie im Trailer spricht Uma direkt zur Kamera, schön im Stile eines Film noir gefilmt. "I roared and I rampaged. And I got plenty of satisfaction" sagt sie. Das kann einen bereits darauf vorbereiten, dass in "Volume 2" weniger gestorben und geblutet wird. Sie hat immerhin die Hälfte ihrer Rachedurst schon gestillt. Auf dem Speiseplan stehen nun noch Elle (Daryl Hannah), Budd (Michael Madsen) und natürlich Bill (David Carradine). Doch erst verwöhnt uns Tarantino mit den Ereignissen in der Wüstenkapelle. Was geschah wirklich bei der Heiratsvorbereitung? QT bleibt dabei stets schwarzweiss, eine mutige Entscheidung. Doch sie zahlt sich aus. Wenn sich Bill und die Braut (Uma Thurman) gegenüberstehen, hebt das monochrome Bild die Konfrontation noch stärker hervor. Und was danach kommt, wissen wir aus Teil 1: die ganze Heiratsgesellschaft wird ausgelöscht, nur die Braut überlebt. Die Szene braucht sehr lange. Eingebaut werden längere Auftritte von Bo Svenson, Samuel L. Jackson und einer Menge Freunde der bald-Eheleute. Doch im Zentrum stehen stets Bill und sein "Kiddo", die Braut. Beim eigentlichen Gemetzel geht die Kamera nach draussen - ein weiterer Hinweis auf die geringere Blut-Dichte im zweiten Teil.
Ja und dann wird gerächt. Getötet. Budd ist der erste. Doch wie er abgeht, das sei hier nicht verraten. Dafür kann ich versprechen, dass bis zu seinem Abgang extrem viel passiert. Michael Madsen ist wirklich ziemlich eklig. Obwohl er Sätze wie "This woman deserves her revenge. And we deserve to die" macht, bleibt er White Trash - und selbst die Aussage wird relativiert mit "then again, so does she". Und das soll sie, denn Budd will ihr Hanzo-Schwert. Und er will das Leben der Braut. Wie er es ihr nehmen will, ist krass. Lebendig begraben! Kommt sie raus? Gilt wohl nicht als Spoiler, natürlich kommt sie raus, sie muss ja rächen. Doch wie sie rauskommt erzählt die Rückblende. Denn wie Volume 1 ist auch "Volume 2" nicht ganz chronologisch. Wenn sie dann rauskommt, mit einem geilen "Hand-bricht-durch-den-Boden"-Shot, zitiert QT für einmal Zombie-Filme. Selbst wenn die staubende, ziemlich tot aussehende Braut danach durch die Wüste schreitet, sieht sie aus wie ein Zombie.
Doch zuerst eben die Rückblende. Zu Gordon Liu. Er spielte in Volume 1 Lucy Lius rechte Hand Johnny Mo. Diesmal ist seine Rolle ungleich wichtiger: er spielt Pai Mei, den Ausbilder der Braut. Diese Szenen sind einige der Highlights des ganzen Films. Gefilmt mit leicht verfremdeten, ausgewaschenen Farben, benutzt Tarantino ständig explosive Zooms, ganz im Stile der Shaw-Brothers-Filme - insbesondere von Executioners from Shaolin, wo Lieh Lo die Rolle des Pai Mei verkörperte. Gordon Liu, selbst Shaw-Veteran, hat im Kampfausbildungs-Genre längst Erfahrung. Er selbst wurde etwa im Klassiker 36th Chamber of Shaolin ausgebildet. Nun hat er die Rollen getauscht, und herrjeh ist er ein Arschloch. Ein Arschloch mit Witz und Talent, wohlverstanden. Doch er neckt und beleidigt die Braut, wo er nur kann. Dies ist Teil der Ausbildung, versteht sich. Und jede Szene, die die beiden zusammen absolvieren, ist genial. Liu geniesst die Rolle und Uma ist, das sollte endlich gesagt sein, eine Wucht. In Volume 1 war sie gut und agil. Diesmal ist sie agil, mitreissend und genial. Sie ist das Herz von "Volume 2", na klar, doch mit jeder Minute ist man näher bei ihr, involvierter mit ihr. Bewegter von ihr. Das gilt auch für David Carradine - doch zu ihm später.
Wieder zurück im Jetzt sind Budd und Elle dran. Wie gesagt, beides geile Abgänge. Bisher war ja der Abgang von Lucy Liu in Volume 1 mein Favorit, aber Elles kommt fast daran heran. Der Musikeinsatz, die Kamerazooms, die Akteure, der Fight - haut einen schlicht aus den Socken. Und ihr Ende ist sowas von fies! Doch das ist der richtige Zeitpunkt, um über die Musik zu sprechen. In Volume 1 fand ich den Musikeinsatz schlicht göttlich. Jedes Lied passte - und manches passte, weil es eben gerade nicht passen sollte. Anime mit Italowestern-Score ist das beste Beispiel. In "Volume 2" ist die Musik konservativer. Und das ist einer der leichten Mängel. Nicht die Musik per se ist schlecht - im Gegenteil. Sie ist fantastisch. Viele der Stücke gehören zu meinen absoluten Favoriten! Doch sie sind zu "normal" eingesetzt. Morricone-Score in der Wüste. Das drängt sich fast auf. Dies mal bei Seite, QT weiss halt eben schon, wie Musik cool eingesetzt wird. Da ja "Volume 2" vor allem Western sein soll, kommt Ennio Morricone halt voll zum Zug. "L'Arena" aus Sergio Corbuccis "Il Mercenario" (1968), bekannt auch als "Professional Gun", war schon immer eines meiner Lieblingsstücke auf meinem alten Morricone-Sampler. Einfach eine Wucht. Dazu gibts "Il Tramonto" aus Sergio Leones "Il buono, il brutto, il cattivo" (1966) und den supercoolen "Profilo del Destino" aka. "A Silhouette of Doom" aus Corbuccis "Navajo Joe" (1966), der sich anhört wie ein Mix aus Bernhard Herrman und japanischem 70's-Score.
Mexikanische und asiatische Tracks kommen ebenfalls nicht zu kurz und fürs Zwischendurch haben diesmal Tarantino-Freund Robert Rodriguez und wie im ersten Teil RZA ein paar Stücke geschrieben. Nur nochmals, um es zu wiederholen: Der Kampf Elle vs. Bride ist Perfektion. Na gut, also weiter. Nun gibts keine Details mehr. Wir wissen alle, dass Bride irgendwann zu Bill kommt. Dass dies das Highlight des Films wird. Vorher gibts noch gaaanz viele Überraschungen. Verbale Anspielungen auf "Natural Born Killers", den brutalen Shogun Assassin (sehr witzig), den Noir-Klassiker "The Postman Always Rings Twice". Visuelle Ergüsse und Anspielungen von Tattooed Life über Leone bis Fulci. Noch mehr Musik. Ein paar recht hässliche (aber nicht furchtbar explizite) Gore-Momente und dann viel viel Reden. Alle, die fanden, Volume 1 habe zuviel Action und zuwenig "Pulp Fiction"-Dialoge, sind diesmal besser dran, Es gibt Teils endlose Monologe, immer langsam vorgetragen mit vielen Pausen und Rückfragen - sehr typisch "alter" Tarantino. Die beste Szene diesbezüglich ist die zwischen der Braut und Bill. Bills Monolog über "Superman" ist vintage Tarantino. Auch der lange Wüsten-Wortwechsel zwischen Bill und Bud ist toll. Unbezahlbar. Und was am meisten überrascht: nun ist der Film, ohne dass man es gross gemerkt hat, extrem melancholisch geworden. Und sehr melodramatisch. Wieso, das müsst ihr selber sehen, aber es kommen ganz neue Elemente in den Film, die man als kitschig abtun kann. Das Mutter-Thema, das ganz am Ende von Volume 1 angedeutet wurde, tritt in den Vordergrund. So macht auch die Szene in Volume 1 plötzlich noch mehr Sinn, als Uma und Vivica sich streiten und das Kind dazukommt. Doch "Kill Bill" hat sich diese "kitschigeren" Momente bitter verdient. Mit viel Gemetzel in Volume 1, fast vier Stunden Rachegelüste. Da braucht es am Schluss Herz. Selbst Bills Abgang, der wirklich gut ist, ist gefühlsbetont. Tarantino legte viel Wert darauf, Bill menschlicher zu machen. In Volume 1 war er nur eine unheimliche Gestalt, jetzt ist er ein Mensch. Ein Bastard, aber ein Mensch mit Motivation und Seele. Er muss sterben, daran besteht nie ein Zweifel - doch wie es dazu kommt, ist herzergreifend und genial. Man weint und lacht zugleich, wenn man ein wirklicher Tarantino-Fan ist.
Und dann ist bald mal fertig. Es sieht so aus, als ob ich den Film Schritt für Schritt durchgegangen wäre, aber das ist nicht so - denn der Reiz liegt nicht in der Story (ausgenommen von ein paar Überraschungen), sondern im Detail. In der Präsentation. In der Gefühlslage. Volume 1 hat mir persönlich ein wenig besser gefallen, weil er extrem rasant erzählt war, unglaubliche Abwechslung bot und Musik genial einsetzte. Eine "lean, mean, fighting machine". Durch "Volume 2" wird er sogar noch besser, weshalb ich ihn um einen halben Stern aufgewertet habe. Und "Volume 2" steht nur knapp dahinter. Das emotionale Gegenstück. Das menschliche Gegenstück. Trotz roher Gewalt, stilisierter Dialoge und aufgeblasenem Pathos - das gehört dazu. In "Pulp Fiction" wird auch ein "Quarter Pounder with Cheese" zum epischen Thema, wird ewig über einen Milchshake diskutiert. "Kill Bill" - 1 und 2 - sind pure Tarantino'eske Zelebration des Kinos. Filme von einem Geek für Geeks. Und weil Uma Thurman an der Idee mitarbeitete, ist der Film auch einer mit einer genialen Frauenfigur. Grandios gespielt von Uma Thurman. So grandios, dass ich es wiederholen muss: Uma Thurman ist fantastisch. Auch die anderen sind genial. Daryl Hannah muss man hassen, ihre "They Called Her One Eye"-Figur wird nun ganz ausgeleuchtet. Michael Madsen lernt man hassen. Und David Carradine lernt man lieben. Ja, man geht durch eine Achterbahn der Emotionen in "Volume 2". Es gibt kein Braut-gegen-Crazy-88-Gemetzel. Aber sonst vieles, dass man mögen muss. Und zum Schluss leistet sich Quentin sogar zwei Abspänne. Einen, der die Akteure ehrt. Und einer im Noir-Stil, der die eigentlichen Credits beinhaltet. Darin dankt er allen von Rodriguez bis Leone, von Fulci bis weiss der Teufel wen. Seinen Freund Kinji Fukasaku lässt er aus, den hat er am Ende von Volume 1 geehert, genauso wie HK-Regisseur Chang Cheh. Wenn er alle erwähnen würde, die "Kill Bill" inspiriert haben, sässe ich wohl jetzt noch im Kino.
Genug. "Volume 2" ist das ideale Begleitwerk zu Volume 1. Die beiden Filme sind ein siamesischer Zwilling: Untrennbar verbunden und doch ganz verschieden in ihrer Art. Ich verstehe aber nun auch die Aufsplittung in zwei Filme. Der zweite ist der langsamere, der melodramatischere. Ein grandios geschriebenes Action-Melodrama mit perfekten Dialogen, die sich Zeit nehmen. Nach dem Lucy-Liu-Fight von "Vol. 1" möchte man nicht noch zwei Stunden Gerede und Gefühle. Da will man heim und verdauen. Damit man dann frischen Mutes an Teil 2 kann. Doch letztendlich sehe ich nun das ganze, vierstündige Mammutwerk - und zusammen ist es Quentin Tarantinos zweitbester Film nach "Pulp Fiction". Schlicht und einfach ein genialer Wahnsinn.
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Und da die Leute ja immer wegen ein paar Spoilern vorbeikommen, hier noch etwas mehr. Nur weiterlesen, wenn ihr den Film gesehen habt oder ihn nie sehen wollt. Also ... weg. Husch. Die Braut hat einen Namen. Oh ja. Sie heisst Beatrix Kiddo. Bill nennt sie immer Kiddo, doch man denkt, dies sei ihr Kosename. Nö, ist ihr Nachname - was in einer kurzen Gag-Szene in der Schule gezeigt wird. Elle ist nach dem Kampf noch nicht tot. Uma rupft ihr das einzige Auge raus, das sie noch hat - danach ist sie ganz blind. Na ja, ich denke, das ist schlimm genug. Und einfach eine geile Szene. Und Budd wird von Elle getötet. Gilt das als Rache? Oh, wenn ihr seht, wie brutal Budd abgeht, dann geht das schon als befriedigend für Beatrix durch.
Und wieso hat Elle eigentlich ihr erstes Auge verloren? Auch das erfahren wir. Pai Mei hat es ihr rausgerupft, als sie ihn beleidigt hat. Doch die Bitch hat zurückgeschlagen und den Alten getötet. Dies bringt Beatrix erst in Rage und startet die geniale Fightszene! Pai Mei ist es auch, der Uma Kung-Fu beigebracht hat, dank dem sie aus Budds Sarg entkommen kann. Und der grosse Spoiler zum Schluss: Pai Mei hat Uma auch den Schlag beigebracht, von dem Bill in einer coolen Szene lange erzählt. Ein Schlag, der das Herz kaputt macht - aber es explodiert erst, wenn man fünf Schritte gegangen ist. Bill erzählt, Pai Mei zeige die Technik niemandem. Nun, er hat sich geirrt. Im wunderbaren Finale wendet Uma zu seiner kompletten Überraschung den Griff an. Da sitzt er nun, weiss, sein Herz wird explodieren, wenn er davonläuft - und steht auf. Geht. Stirbt. Irgendwie ganz sanft, irgendwie ganz unspekakulär. Aber sowas von passend. Danach packt Beatrix ihr Kind (wie haben ja im Abspann von "Vol. 1" erfahren, dass sie mit Bill ein Kind hatte) und geht. Im Abspann heisst es so schön. "Uma Thurman" als Beatrix Kiddo aka. The Bride aka. The Black Mamba aka. Mommy. Mutter, ja, das ist das Leitthema von "Vol. 2". Wer hätte gedacht, dass QT den Film mit Szenen des Mutter-Tochter-Glücks beendet? Ich jedenfalls nicht. Und ich warte schon auf die Kritiker, die "Kitsch" schreien. Die haben das Ganze mal wider nicht kappiert ...
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