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2008
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Liebesepos
Japan 2008
Alternative Titel Ai no mukidashi;
愛のむきだし
Regie und Drehbuch
Sion Sono
Darsteller Takahiro Nishijima,
Hikari Mitsushima, Sakura Ando, Makiko Watanabe,
Atsuro
Watabe,
Yuko Genkaku, Itsuji Itao, Mitsuru Kuramoto, Shinji Miyadai, Nana Nagao
Länge 227 Min (PAL), 237 Min. (NTSC)
Molodezhnaja Altersempfehlung ab 16
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
©
Text Marco, molodezhnaja 5.2.10
© Bilder Rapideyemovies, Screenshots molodezhnaja
STORY
Nach dem Tod seiner Frau wurde Tetsu (Atsuro Watabe) zum
katholischen Priester. Sein 17-jähriger Sohn Yu (Takahiro
Nishijima) hat sich damit abgefunden. Doch als die
verführerische Kaori (Makiko Watanabe) den Vater um den Finger wickelt und dann
fallen lässt, durchdringt Lethargie die Familie. Um trotzdem zum Vater
durchzudringen, beginnt Yu, zu sündigen, damit er beichten kann. Und die
effektivste Waffe dazu? Er wird zum Unterhöschen-Fotografen! Heimlich schiessen
er und seine Kumpels in akrobatischen Missionen Fotos unter den Röcken der
Mädchen. Das soll Yu auch helfen, endlich seine Maria zu finden: seine
Traumfrau, die ihm zur Erektion verhilft. Eines Tages sieht er in der
Verkleidung der Rächerin Sasori, wie eine Horde Kerle die süsse Männerhasserin
Yoko (Hikari Mitsushima) verprügeln will. Doch sie schlägt zurück, unterstützt
von Yu. Während er sich umgehend in sie verliebt, hat sie das Gefühl, "Sasori"
sei eine Frau. Yu schafft es nicht, ihr die Wahrheit zu sagen - bis Koike
(Sakura Ando) dazwischenkommt. Die junge Frau, die von ihrem Vater (Itsuji
Itao) misshandelt und vergewaltigt wurde, bevor sie ihn kastrierte, gehört zur
"Zero"-Sekte. Sie gibt sich als Sasori aus, um Yu aus der Familie zu ekeln und
Yoko in die Fänge der Sekte zu locken.
REVIEW
"Love Exposure" ist prallstes Kino und ohne Frage der
bislang beste Film von
Sion Sono. Er umkreiste die Themen,
die er hier aufgreift, schon in seinen früheren Werken wie
Strange Circus,
Suicide Circle, Norikos Dinner Table
und Exte. Doch nun reifen sie zur Vollendung in einem
Werk der Superlative. Sechs Stunden war der ursprüngliche Cut lang, noch immer
epische vier Stunden dauert die endgültige Fassung. Und die vereint alles, was
das Kino zu bieten hat, von Trash bis Kunst, von J-Pop bis Klassik, von
Sasori bis Teenieklamauk, von Perversion
bis Passion, von Sex bis Liebe. Vor allem Liebe. Es ist ein Film wie ein
Rauschzustand und ein Werk der konstanten Steigerung.
Das zeigt sich alleine schon in der Musikauswahl. Die beiden klassischen Stücke, die den Film durchdringen, sind Ravels "Bolero" und Beethovens wunderbarer 2. Satz der Siebten Symphonie. Zwei Kompositionen, die sanft beginnen und mit langsamer Eindringlichkeit anschwellen. Der erste Einsatz der Siebten ist etwas kurios - denn normalerweise kündigt er Grosses an. In "Irréversible", The Fall oder "Knowing" dient er epischen Zwecken. Und hier kommt nix, das Stück läuft verdächtig im Hintergrund. Selten hat ein Filmemacher so wenig aus diesem Geniestreich herausgeholt. Doch er kommt ein zweites Mal.
Nun zitiert Yuko dazu das "Hohelied der Liebe", das 13. Kapitel aus dem 1. Korintherbuch. Und zusammen erreicht dies eine Synthese, wie sie kraftvoller kaum sein könnte. Die Kamera verharrt auf der leidenschaftlich zitierenden Yoko, die Musik schwillt an. "Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die grösste aber von diesen ist die Liebe!" Geschrien, fast dem Zuschauer ins Gesicht. "Bolero" kommt nicht weniger glorios zu seinem Einsatz: Das Stück wird nahezu 40 Minuten lang immer und immer wieder eingespielt, bevor Yu und Yoko sich erstmals sehen - ein Zusammentreffen, das als Wunder schon vorher angekündigt wird. Sie sehen sich, die Mühlen des Schicksals rattern, der "Bolero" schwillt an und der Titel rast über die Leinwand - nach 55 Minuten!
Bei einem Vierstünder kann man sich das erlauben. Und damit nach dieser Einleitungsstunde, die uns Religion und Unterhöschenfetisch brachte, kommt Sono erst richtig in Fahrt. Jedes Genre ist ihm recht, jede Stilrichtung passt. Der ganze Teil, bei dem die beiden Protagonisten lernen müssen, wie Bruder und Schwester zu leben, funktioniert zum Beispiel wie eine Teenieklamotte. Eine schlüpfrige noch dazu, schliesslich hat Yu dauernd eine Erektion. Aber der Ständer ist hier nicht nur Ausdruck von Männlichkeit und Lust, sondern auch von Liebe. Yu kriegt seine Latte nicht bei Unterhöschen, nicht bei billigen Tussen - er kriegt sie nur bei seiner Maria Mutter Gottes. Bei seiner reinen Liebe.
Sex, Perversion, Politik, Gewalt, Vergewaltigung, Sektenwahn - der Strudel der Impressionen reisst einen weiter mit. Die zweite Hälfte legt den Fokus verstärkt auf diese Sekte, ein Thema, das Sono schon oft beschäftigte, und das die Spannung etwas abfallen lässt. Zum ersten Mal werden die vier Stunden spürbar. Doch keine Angst, der Film findet bald seinen Schwung wieder. Und manchmal mit anarchischer Kraft. Es werden Parallelen zu Fight Club deutlicher, die schon vorher ab und zu auftauchen, etwa wenn Yoko schöne Häuser zerstört oder die Jungen gegen die Werte der Gesellschaft aufbegehren. Sono zitiert weitere Vorbilder, von Takashi Miike bis Paul Verhoeven, von David Lynch bis Fassbinder. Doch sein Film ist jederzeit urjapanisch.
Das zeigt sich auch im Thematisieren der Hentais - der Perversen. Wie er eine Lanze für die Perversen bricht, ist manchmal etwas plakativ ("wir sind nur für die sogenannten Normalen die Perversen"), doch stets witzig und unangepasst. Und als wolle er das Klischee bestätigen, Japan sei voll von solchen Wirrköpfen. In "Love Exposure" errichtet er ein Denkmal für die Vorurteile, die wir über die japanische Gesellschaft haben, und reisst es stets von neuem wieder ein. Er liebt Stereotypen, er liebt Klischees, aber er liebt auch Gegensätze. So können gerade aus grob gezeichneten Figuren echte Emotionen erwachsen, aus verkünstelten Bildern knallharter Realismus sprechen.
Gerade visuell ist der Film oft eine Offenbarung. Das strahlende Weiss der Sekte, der grüne Vogel von Koike oder das leuchtende Blut als Kontrast. Das dominierende Christenkreuz in vielen Aufnahmen. Die perfekt zum Soundtrack getaktete Montage in manchen Szenen. Das reisst mit und erstaunt bei jeder Sequenz von neuem. Gerade Koike, gespielt von der kaum bekannten Sakura Ando (der Tochter von Schauspieler und Runin-Regisseur Eiji Okuda), sorgt immer wieder für Überraschungen. Einer Hexe gleich kontrolliert sie das Schicksal der Liebenden. Und die stehen natürlich trotz allem im Zentrum. Das machen sie absolut glorios.
Der Kinodebütant Takahiro Nishijima wandelt sich vom Schwächling zum Hentai, vom Aussenseiter zum coolen Kerl, vom Abschaum wiederum zur Verkörperung der reinen Liebe. Und zum Terroristen im Namen des Herzen. Mit der süssen Hikari Mitsushima (Death Note: The Last Name) harmoniert er blendend, ob die beiden nun niedlich Geschwister spielen oder die lange Zeit einseitige Liebe tragische Züge annimmt. Von allen Schauspielern hier kommen Höchstleistungen und sie klinken sich ein in Sonos Groove zwischen Trash, Kitsch und Kunst, zwischen Intelligenz und Wahnsinn.
Was will all das aussagen? Schon ein paar Dinge. In die Irre geleitete Religion wird angeprangert. Obszönität zur Normalität erklärt. Unterdrückung von Frauen angegriffen. Die Liebe zelebriert. Doch letztendlich sind die Botschaften dünn gesät und eher schwammiger Natur. Man soll vielmehr die ganzen Ideen erleben, Sonos Schwall der Stile und Handlungsentwicklungen aufsaugen. Und sich vor allem an seinem Spiel mit Ikonographie laben. Kreuze, Unterhöschen, weisse Räume, Kurt Cobain und so vieles mehr. Wie er all das unter einen Hut bringt, mit brillanter Musik von J-Pop bis Beethoven versieht und vier Stunden lang spannend hält, das muss man gesehen haben - es ist in der Tat einmalig.
Der Film ist nicht perfekt, kann er angesichts seiner heterogenen Struktur nicht sein. Will er auch nicht sein. Vor allem vor dem Finale fällt er im Irrenhaus einmal massiv ab. Doch er zelebriert den kreativen Überfluss. Er feiert das Kino. Und alle, die diese Kunstform ebenso lieben wie Sion Sono, die jauchzen entzückt. Denn "Love Exposure" straft all jene 08/15-Filme ab, die uns Routine und Vorhersehbarkeit als Unterhaltungsmantra vorsetzen. Hier hingegen prasselt alles auf die Zuschauer ein und macht sie regelrecht zu willenlosen Untertanen einer Vision. Ein Film, der geil und hochromantisch ist. Sion Sono hat bewiesen, dass es keineswegs immer etwas Schlechtes ist, wenn einem Mann das Herz in die Hose rutscht - das Resultat ist nämlich ein Ständer voller Liebe. Mit Namen "Love Exposure".
MEINE
DVD
Deutschland, Code 2, PAL
Bild:
Anamorphic Widescreen
Ton:
Japanisch 5.1 mit deutschen Untertiteln.
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(Liefert aus D)
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