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Drama
Japan 2006
Alternative Titel Noriko no shokutaku;
紀子の食卓

Regie Sion Sono
Drehbuch Sion Sono nach seinem eigenen Roman
Darsteller Kazue Fukiishi, Tsugumi, Ken Mitsuishi, Yuriko Yoshitaka, Shiro Namiki

Länge 159 Min.
Molodezhnaja Altersempfehlung
ab 16

  

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik

©  Text Marco, molodezhnaja 15.3.07
©  Bilder Geneon, Screenshots molodezhnaja


STORY
Die 17-jährige Noriko Shimabara (Kazue Fukiishi) führt mit ihrer Schwester Yuka (Yuriko Yoshitaka), Vater Tetsuzo (Ken Mitsuishi) und Mutter Taeko (
Sanae Miyata) ein gutbürgerliches Leben im Vorort Tokoyama. Vom viel beschäftigten Vater fühlt sich Noriko vernachlässigt, von der Familie missverstanden. Als sie im Internet auf die Webseite haikyo.com stösst, wo sich Mädchen aus ganz Japan versammeln, findet sie endlich Freunde, die sich für sie interessieren. Vor allem Kumiko alias Ueno 54 (Tsugumi) erweist sich als Online-Freundin. Eines Abends packt Noriko ihren Koffer und fährt nach Tokyo, um Kumiko zu treffen. Die beiden verstehen sich auf Anhieb und Noriko schliesst sich Kumikos "Firma" an, deren Mitglieder sich als Familien und Freunde mieten lassen. Schon bald stösst auch Yuka zu ihnen und zu dritt schlüpfen sie für Kunden in ihre Rollen. Derweil kündigt Vater Tetsuzo den Job und sucht immer verbissener nach seinen Mädchen, denn er glaubt, sie seien einem Selbstmord-Zirkel aufgesessen.

 

REVIEW
Irgendwo in diesen zweieinhalb Stunden Film stecken eine gute Groteske und ein faszinierendes Sozialdrama. Doch miteinander verquickt ergibt sich keine Symbiose dieser Elemente, sondern nur ein langer, überraschend plumper Film von bescheidenem inszenatorischem Wert. "Noriko's Dinner Table" ist Sion Sonos Begleitwerk zu seinem Kult-Hit Suicide Circle und greift unter anderem die legendäre Suizid-Szene von 54 Mädchen im Bahnhof von Shinjuku wieder auf. Zudem versucht Sono, die Beweggründe von Mädchen zu ergründen, die einem seltsamen Kult verfallen. Während er in Suicide Circle viele Details bewusst verschleierte und erst gegen Schluss mit etwas gesuchten Lösungen kam, die den Film denn auch leicht abwerten, bietet er hier von Anfang an Antworten. Und die sind noch gesuchter.

Die Idee, dass Mädchen aus Einsamkeit, Entfremdung oder Langeweile in eine gespielte Familienidylle fliehen, ist an sich überaus reizvoll, doch Sono sieht sich genötigt, jede Aktion mit elend langem Voice Over und bemühter Überzeichnung zu rechtfertigen: Daddy vernachlässigt die Kids, Computer verkümmern das soziale Leben, der Familie fehlts an Liebe - das sind zu sehr auf Stereotypen basierende Motivationen, um sie ernst zu nehmen. Und doch dienen sie als Grundlagen für den ganzen Film, bei dem man als Zuschauer immer unglaubwürdigere Übersteigerungen hinnehmen soll, bevor alles am Schluss nur noch lächerlich ist.

Da hätte die Groteske einhaken können. Manche Szenen sind bewusst überzeichnet und amüsieren mit seziererischem Witz. Doch Sono macht nie den letzten Schritt, sondern nimmt seine Story zu ernst. Und um ernst genommen zu werden, ist sie dann wieder zu abstrus. Und zu oberflächlich. So ist nie und nimmer nachvollziehbar, dass die Mädchen vor lauter Selbstaufgabe vergessen, dass sie Schwestern sind und wer ihr Vater ist. Irgendwo in dieser Idee steckt ein interessanter Kern, der die soziale Kälte und zwischenmenschliche Dürre in Japans Gesellschaft auf den Punkt bringt, doch wie alles in dem Film bleibt er unterentwickelt und formt nie einen klaren Gedanken.

Die Idee dahinter scheint zu sein, den Mädchen aus Suicide Circle ein Herz zu geben. Jener Film war ausgelegt auf das Mysterium an sich, auf die Faszination einer Gesellschaft, die Suizid romantisiert und institutionalisiert. Er lebte von der Angst, eine Gesellschaft könne sich beinahe selbst auflösen, indem die Kinder sich von ihren Eltern, die sie nicht verstehen, trennen und die Erlösung im Tod suchen. Das ist eine bestechende Metapher. "Noriko's Dinner Table" verzichtet auf Mystery, macht seine Metaphern leicht durchschaubar und legt die Karten auf den Tisch: Oh, die armen Mädchen. Oh, die ahnungslosen Väter. Oh, die verständnislosen Erwachsenen. All das wirkt verklärt. Und plump.

Sonos Inszenierung mit mässigem Framing und ab und zu eingesetzter Wackelkamera macht den Film auch nicht besser - und die Überlänge von 159 Minuten versetzt ihm endgültig den Todesstoss, da viele Ideen und Szenen repetitiv sind bis zum Umfallen. "Ja, wir habens verstanden", möchte man Sono zurufen. Psychologisch war er nie der Beste, was auch mein grösster Kritikpunkt beim überlegenen Strange Circus war, doch hier hämmert er seine nur vage durchdachten Ideen in fünf Kapiteln so oft ein, dass er seine psychologisch-analytischen Mankos den Zuschauern regelrecht eintrichtert. Es ist nicht so, dass "Noriko's Dinner Table" ein dummer Film wäre, denn Denkansätze stecken drin, doch Sono schafft es nicht, diese auch zu Ende zu entwickeln.

Es bleibt ein von Kazue Fukiishi (One Missed Call), Tsegumi ("Moonlight Whispers") und Co. routiniert gespielter Film mit einigen Ideen, der jedoch dem Mythos Suicide Circle nichts hinzuzufügen weiss und für sich alleine enttäuscht: als überlange, oft plakative und nie sonderlich spannende Studie über Entfremdung, Ersatzfamilien und bis zur letzten Konsequenz geführte Rollenspiele. Das klingt alles viel interessanter, als es letztendlich dargeboten wird. Von meinen drei bisher geshenen Sono-Filmen ist "Noriko" deshalb deutlich der schwächste.

 

MEINE DVD
Japan, Code 2, NTSC
Anamorphic Widescreen
Japanisch 2.0 mit englischen und japanischen Untertiteln.

 

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