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©  Text Marco, molodezhnaja 16.11.08
©  Bilder criterion, Screenshots molodezhnaja

 


 

Osaka Elegy  
Naniwa ereji; Naniwa Elegy; Naniwa hika or Naniwa ereji; 浪華悲歌 (Japan, 1936)

Regie: Kenji Mizoguchi
Buch: Yoshikata Yoda nach einer Story von Kenji Mizoguchi
Mit: Isuzu Yamada, Yoko Umemura, Chiyako Okura, Shinpachiro Asaka, Benkei Shiganoya

Länge: 72 Minuten. Japanisch mono mit englischen Untertiteln.

 

Als Regisseur war Kenji Mizoguchi (1898-1956) bereits seit der Stummfilmzeit überaus aktiv, von seinen vielen Dutzend meist mit kleinem Budget entstandenen Filmen blieb jedoch keiner erhalten. Zum gefeierten Filmemacher avancierte er jedoch erst 1936 durch dieses Drama: "Osaka Elegy". Es ist nicht nur vorzüglich inszeniert, es nimmt thematisch auch bereits jene Ideen auf, die Mizoguchi später zu seinen bekanntesten Filmen verarbeitete: Das harte Schicksal der japanischen Frauen, die Kälte der patriarchalischen Gesellschaft und starke Frauenfiguren, die den Werken zu einem frühen Feminismus verhelfen.

Die Frau im Zentrum dieses Films ist Ayako Murai (Isuzu Yamada), eine junge Telefonistin in der Pharmafirma von Sonosuke Asai (Benkei Shiganoya). Der mürrische Mann betet jeden Morgen für Ruhm und Erfolg, beklagt sich über das moderne Lotterleben seiner Frau Sumiko (Yoko Umemura) und muss doch bei ihr bleiben, weil er ihr seinen Reichtum verdankt. Umso lüsterner beäugt er seine Mitarbeiterin Ayako. Die wiederum lässt sich auf eine Affäre ein, da sie ihren Vater Junzo (Seiichi Takegawa) finanziell unterstützen muss. Doch ihr Leben als Mätresse wird für Ayako zum Problem, als sie sich in den jungen Nishimura (Kensaku Hara) verliebt. Als gleich beide Männer sie fallen lassen, und Ayako dennoch für das Studium ihres Bruders Hiroshi (Shinpachiro Asaka) zahlen muss, wird sie zur Prostituierten.

"Es gibt keinen Spass in meinem Leben" klagt der alte Asai am Morgen - doch das Jammern wirkt wie ein Hohn angesichts der Schicksalsschläge, die Ayako einstecken muss. All ihr Leid geht von Männern aus, sei es von ihrem Geldgeber, ihrem verweichlichten Geliebten, ihrem dominanten Vater oder dem bedürftigen Bruder. Sie wird zur Ausgestossenen, obwohl sie sich für die Familie aufopfert und ihrer Rolle damit eigentlich treu nachkommt. Und doch gibt sich Mizoguchi nicht damit zufrieden, einfach nur auf die Tränendrüsen zu drücken, indem er eine arme Frau leiden lässt: Die Dame hat Charakter und es besteht Hoffnung, dass sie aus ihrer Misere heraus findet. Das macht auch der Schluss deutlich, bei dem sie trotzig direkt auf die Kamera zugeht.

Es sind aber nicht alleine das Figurenkarussell und die Geschichte, die Mizoguchi erstmals mit dem damals unbekannten Drehbuchautor Yoshikata Yoda entwickelte, mit dem er fortan bei gut zwanzig Filmen zusammenarbeitete - es ist vielmehr die Inszenierung, die auch heute noch entzückt: lange Einstellungen, spannender Schattenwurf und der in sich hinein gefressene Schmerz, den die Akteure um Isuzu Yamada wunderbar transportieren, machen "Osaka Elegy" zu einem Kleinod der frühen Tonfilmära im japanischen Kino. Auf jeden Fall ebnete der Film den Weg für den grossen Filmemacher Mizoguchi, der in den 50ern auch international zu Ruhm kam.

 


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Sisters of the Gion  
Gion no shimai; 祇園の姉妹 (Japan, 1936)

Regie: Kenji Mizoguchi
Buch: Yoshikata Yoda nach einer Story von Kenji Mizoguchi
Mit: Isuzu Yamada, Yoko Umemura, Benkei Shiganoya, Kazuko Hisano, Fumiko Okura, Taizo Fukami

Länge: 70 Minuten. Japanisch mono mit englischen Untertiteln.

 

Dem in nur 20 Tagen abgedrehten Osaka Elegy liess Kenji Mizoguchi im selben Jahr den ebenso schnell aufgegleisten "Sisters of the Gion" mit beinahe derselben Crew folgen. Ein Drama, das an den Vorgängerfilm anknüpft und das Schicksal von zwei Prostituierten im Bezirk Gion von Kyoto zeigt. Die Ältere ist Umekichi (Yoko Umemura), eine Unterschichts-Geisha, die sich noch an traditionelle Werte klammert. Ihre jüngere Schwester Omacha (Isuzu Yamada) dagegen gibt sich lieber modern. Daher passt es ihr auch nicht, dass Umekichi sich um ihren Patron Shimbei Furusawa (Benkei Shiganoya) kümmert, als der längst pleite gegangen ist. Kurzerhand macht sie sich auf die Suche nach einem neuen Patron. Sie findet einen Kandidaten im reichen Jurakudo (Fumio Okura).

In nur 70 Minuten erzählt und mit wenig Mitteln inszeniert - umso erstaunlicher also, dass "Sisters of Gion" trotzdem ein grosser Film geworden ist. In Japan sorgte er, wie auch schon der Vorgänger, für einige Kontroversen, da er sich in einer Zeit der Modernisierung und Militarisierung zum einem einer vermeintlich antiquierten Kultur widmete, zum anderen das unsittliche Leben porträtierte. Genau das verhalf aber auch zu jeder Menge Zuschauer und das Melodrama avancierte gar zum noch grösseren Erfolg als Osaka Elegy.

Visuell wirkt er ebenso ausgeklügelt, vom Spiel mit den Schatten bis zum spannenden Framing: Nichts scheint hier dem Zufall überlassen. Mindestens so wichtig dürfte jedoch die Handlung sein, die ihre Kraft aus der Konfrontation von Tradition und Moderne zieht. Manipulation und finanzielle Überlegungen dominieren den Plot, die Charaktere sind nicht die sympathischsten, aber ihre Motivation wird geprägt durch die starre Gesellschaft. Wenn schon, dann sind es natürlich die Frauen, die in Mizoguchis Welt unser Mitleid verdienen, sei es die sich der modernen Welt anpassende Omacha (was wörtlich übersetzt "Spielzeug" heisst) oder die gütigere Umekichi.

Reicht das zum Meisterwerk? Nicht in meinen Augen. Die oft als "weiblicheren" Regisseure betitelten Filmemacher wie Mizoguchi oder Ophüls stehen bei mir generell nicht ganz so hoch im Kurs wie die "männlicheren" à la Kurosawa. Das liegt nicht am Frauenthema an sich, das birgt Potential, sondern an der etwas unspektakuläreren und dialoglastigen Herangehensweise, die mich rasch zu langweilen beginnt. Das ist ein persönliches Problem, wenn man so will, und hat auch weniger mit dem Geschlecht zu tun: viele feministische oder an ein weibliches Publikum gerichtete Filme gefallen mir sehr gut. Womit ich weniger anfangen kann, ist dieser "softe" Ansatz. Nichtsdestotrotz: "Sisters of Gion" ist bemerkenswertes Kino, technisch wie inhaltlich reizvoll, und geprägt von einer eindringlichen Schlussbotschaft: "Wieso braucht es überhaupt so etwas wie Geishas?"

 


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Women of the Night  
Yoru no onnatachi, 夜の女たち (Japan, 1948)

Regie: Kenji Mizoguchi
Buch: Yoshikata Yoda nach einem Roman von Eijiro Hisaita
Mit: Kinuyo Tanaka, Sanae Takasugi, Tomie Tsunoda, Mitsuo Nagata

Länge: 74 Minuten. Japanisch mono mit englischen Untertiteln.

 

Osaka nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Kriegswitwe Fusako (Kinuyo Tanaka), ihre Schwester Natsuko (Sanae Takasugi) und ihre junge Schwägerin Kumiko (Tomie Tsunoda) schlagen sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Dank ihres Jobs als Tänzerin in einem amerikanischen Cabaret ist Natsuko am besten vorbereitet auf die neue Zeit. Doch als sie sich mit ihrem Boss, der nebenbei Opium schmuggelt, einlässt, gerät ihr Leben aus der Bahn. Fuasko wiederum, die trotz des Verlusts ihres Mannes und des Tuberkulose-Todes ihres Kindes, eine typische Familienfrau geblieben ist, versucht sich derweil auf dem Strassenstrich.

An den Kinokassen war "Women of the Night" kein Erfolg. Das hat zwei Gründe: Zum einen drehte Kenji Mizoguchi vor Ort im zerfallenen Shinsekai-Distrikt und setzt statt auf poetische Bilder auf nüchternen Realismus, der sich am Schaffen des europäischen Neorealismus' im Stil von Rossellinis "Germany Year Zero" orientiert. Zum anderen war das kriegsversehrte Japan nicht grossartig an Mizoguchis Lieblingsthema interessiert, dem Kampf von sozial schlecht gestellten Frauen. Das war schlicht zu trister Stoff für eine bereits triste Zeit.

Doch auch dieser vielleicht ungehobeltste und wütendste Film Mizoguchis, der seine Gesellschaftskritik sonst gerne in sanfte Bilder packt, hat seine Reize. Da sind etwa die Schauspieler um die grossartige Kinuyo Tanaka (Sansho the Bailiff), da sind die Bilder einer kaputt gebombten Stadt, da ist die Kritik an einer Gesellschaft, die in der Krise ihre sozial schwächsten Elemente völlig fallen lässt. Das Finale vor der Kirche, inklusive Beethovens Fünfter, ist eine Spur zu schwerfällig, aber bewegend und klar in der Aussage. Und die Nebenfiguren scheinen oft einem Pulp-Film entliehen. Doch trotz des geringen Status' in Mizoguchis Gesamtwerk ist "Women of the Night" ein mehr als solider Film, uneinheitlich und widerborstig, aber thematisch und künstlerisch auf der Höhe der Zeit.

 


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Street of Shame  
Akasen chitai; Die Strasse der Schande; 赤線地帯 (Japan, 1956)

Regie: Kenji Mizoguchi
Buch: Masashige Nakamura nach einer Story von Kenji Mizoguchi
Mit: Machiko Kyo, Ayako Wakao, Yasuko Kawakami, Michiyo Kogure, Aiko Mimasu, Kenji Sagawara

Länge: 86 Minuten. Japanisch mono mit englischen Untertiteln.

 

Am 24. August 1956 starb Kenji Mizoguchi an Leukämie. Nur drei Monate später verbot Japan die Prostitution, der sich der Regisseur so oft widmete. Auch in seinem letzten Werk porträtiert der gefeierte Filmemacher eine Gruppe von Liebesdienerinnen, jedoch ohne die im englischen Titel ("Strasse der Schande") implizierte Moralisierung. Vielmehr handelt es sich um eine nüchterne Betrachtung des Ist-Zustands, gefühlvoll und engagiert, aber nie reisserisch. Ein würdiger Schwanengesang für Mizoguchi und der beste Film dieses DVD-Sets.

Die Handlung spielt im "Dreamland Bordell" des Yoshiwara-Bezirks von Tokio. Dort arbeitet die Witwe Yumeko (Aiko Mimasu), die ihren Sohn bei seinen Eltern zurücklassen musste. Hanae (Michiko Kogure), die mit dem Verdienst ihre Familie ernähren muss, weil der Ehemann seinen Job verloren hat. Die schöne Yasumi (Ayako Wakao), die Männer geschickt um ihre Finger wickelt. Die zynische Mickey (Machiko Kyo), der Paradiesvogel des ganzen Clubs. Und die romantische Yorie (Hiroko Machida), die von einem normalen Leben träumt. Während die fünf sich durchs Leben schlagen, arbeitet die Regierung immer neue Gesetze gegen die Prostitution aus.

Mizoguchi betrachtet die Liebesdienste nicht mehr alleine als Schandtat, die den Frauen von der Gesellschaft aufgezwungen werden. Selbstbewusst sehen sich die Damen als Sozialarbeiter und eine meint "Was ist falsch daran, das zu verkaufen, was einem gehört?" Das Leben, das sie führen, ist zwar nicht erstrebenswert und es bleibt die Gefahr finanzieller, emotionaler und familiärer Rückschläge, doch es scheint immer noch besser, als das Dahinvegetieren in einer unterwürfigen Familienrolle - und es erlaubt die Wahrung eines gewissen Lebensstandards, selbst wenn dieser einhergeht mit dem sozialen Ausschluss. Dieses vielschichtige Bild zeugt davon, dass Mizoguchi auch in seiner Denkweise gereift ist.

Inszenatorisch arbeitet er auf gewohnt hohem Niveau: In den oft artifiziell wirkenden Sets erschuf er starke Bildkompositionen, die langen Einstellungen überzeugen, die dissonante Quietsch-Musik überrascht, die Schlussszene fährt ein, und aus den Schauspielerinnen holt er das Beste heraus. Vor allem die bildschöne Ayako Wakao (Red Angel, An Actor's Revenge, Tora-San 6) und Grande Dame Machiko Kyo ("Ugetsu", "Rashomon", Tora-San 18) in einer ungewohnt extravaganten Rolle sind eine Freude.

"Street of Shame" ist ein elegantes Abschlusswerk für Mizoguchi, das wenig spektakulär, aber angenehm unsentimental das Leben in der Prostitution schildert. Vieles ist stockdüster und hoffnungslos, ein Protest gegen die Behandlung der Liebesdienerinnen durch die Männerwelt (Politik, Zuhälter, Verwandte). Nur ganz selten schleicht sich etwas Hoffnung in diese zerfallene Nachkriegswelt, in der sich Japan langsam aufzurappeln beginnt, aber dieser Aufschwung an den Menschen am Boden des sozialen Kessels noch vorbei geht. Die einzige, die sich durchschlagen kann, ist die kalkulierende Yasumi. Das Motto: Man muss selbst herzlos und manipulativ handeln, nur dann hat man eine Chance. Pessimistische Gedanken zum Ende einer beeindruckenden Filmkarriere.

 


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