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2001
> ALL ABOUT LILY CHOU-CHOU
Drama
Japan 2001
Alternative Titel Riri Shushu
no subete;
リリイ・シュシュのすべて
Regie
Shunji Iwai
Darsteller Hayato Ichihara, Shugo Oshinari, Ayumi Ito, Yu Aoi,
Takao Osawa, Miwako Ichikawa, Izumi Inamori
Länge 146 Min.
Molodezhnaja Altersempfehlung ab 14
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. | . | . |
©
Text Marco, molodezhnaja 26.10.08
© Bilder Optimum,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Yuichi Hasumi (Hayato Ichihara) lebt mit seiner Mutter, deren Freund und
dessen Sohn in einem ländlichen Ort in Japan. Er fühlt sich einsam, hat wenig
Freunde und schon gar keine Freundin. Deshalb verliert er sich in den Liedern
der Sängerin Lily Chou-Chou, mit deren Fans er sich unter dem Usernamen "philia"
im Internet austauscht. Ihre neuste CD musste er im Laden klauen, was ihm von
der Mutter und den Behörden einen Rüffel einbrachte. Als er Shusuke (Shugo
Oshinari) kennen lernt, scheint er einen Gleichgesinnten gefunden zu haben. Doch
nach einem Ausflug nach Okinawa, den sich die beiden Jungs und ihre Kumpels mit
gestohlenem Geld finanzieren, verändert sich Shusukes Charakter. Er wird
aggressiv und spielt sich als Zuhälter der 14-jährigen Shiori (Yu Aoi) auf. Als
er die Jungpianistin Yoko (Ayumi Ito) vergewaltigen lässt, gerät das Leben an
der Schule vollends aus dem Ruder.
REVIEW
Weniger ein Film, als ein Erlebnis: Regisseur
Shunji Iwai schert sich nicht gross um narrative Konventionen und bringt seine
Vision scheinbar ungefiltert auf die Leinwand. Er verkünstelt die Bilder
teilweise bis zum Verdruss und verliert die Handlung beinahe aus den Augen, so
dass man sich am Schluss am Kopf kratzt. Es gibt Fragen, die man danach nicht
beantworten kann. Oder will. Doch entziehen kann man sich dem Ganzen dennoch
schwer, denn wie in Trance offenbart sich hier eine Teenager-Welt, die fühlbar
ist und glaubhaft; welche die Ausgrenzung ebenso thematisiert wie die
Entfremdung. Es ist ein ungeheim moderner Film, der die Vereinsamung durch die
Technik anpackt und Japans Jugend damit einen Spiegel vorhält. Nicht als
Vorwurf, sondern als Bestandesaufnahme.
Die titelgebende Sängerin Lily Chou-Chou kriegen wir real gar nie zu sehen und auch wenn ihre Musik, ein Mix aus "Twin Peaks" und Björk, doch immer wieder durch die Lautsprecher dringt, bleibt sie doch im Hintergrund. Ihre Lyrics spiegeln aber den Seelenzustand der Jugendlichen wider, manchmal etwas verkitscht, dann trist, manchmal deprimierend, dann hoffnungsvoll. Iwai gelingt es wunderbar, diese Sängerin zu mystifizieren, ihren Gesang zu einer Religion für die Kids zu erheben. Das ist ein durchaus glaubwürdiges Abbild der bedingungslosen Fankultur, in der jedes gesungene Wort zur Weisheit stilisiert wird. "Sie versteht uns", hört man die Jugendlichen sagen. Und sonst versteht niemand.
"All About Lily Chou-Chou" ist eben ein Film über das Verstehen. Der Protagonist ist ein Aussenseiter, kaum einer teilt seine Faszination für die Sängerin, er sucht Rückhalt im Internet, wo er immerhin ein paar Gleichgesinnte findet. Andere Figuren fühlen sich missverstanden. Andere werden durch die Entfremdung in ihrem Charakter radikal umgepolt. Die Veränderungen, die Iwai zeigt, sind manchmal forciert, aber stets nachvollziehbar. Man spürt, dass der Filmemacher die Jugend wirklich versteht, vielleicht besser als manch einem Jugendlichen bewusst ist. Er abstrahiert zwar manches und macht Handfestes nahezu meditativ, doch das Gefühl der Einsamkeit in einer Welt aus Popkultur und Cybertechnologie fängt er mit Hilfe von Kameramann Noboru Shinoda (Crying Out Love, in the Center of the World) blendend ein.
Der 1963 geborene Auteur Iwai, der 1996 mit Swallowtail Butterfly seinen ersten grossen Hit landete, gilt als Pionier dieser Art von Techno-Angst-Sinneskino für Jugendliche. "All About Lily Chou-Chou" entstand aus einem Besuch des Regisseurs bei einem Konzert von Hongkong-Popdiva Faye Wong. Dies verarbeitete er zuerst zu einem Roman, den er auf CD-ROM veröffentlichte, danach entwickelte er auf der Website lily-holic.com interaktiven Content, den er später auch in den Film hineinfliessen liess. Das alles erklärt auch die fragmentarische, abgehobene und manchmal schlicht und einfach verwirrende Art des Films. Lily ist am Todestag von John Lennon geboren? Will uns das etwas sagen? Was soll das esoterische Geschwafel vom "Äther", in dem Lily singt? Eine junge Frau stirbt - wer war der Mörder? Warum tut Hoshino, was er am Konzert tut? Es gibt endlos viele Fragen, bei denen man sich die Antworten manchmal zusammeninterpretieren kann, und manchmal nicht.
Vielleicht sollte man sich gar nicht zu viel fragen, denn der Film ist zum spüren da. Von der hypnotischen Musik über die poetischen Digital-Bilder - alles erzeugt Stimmung pur. Die Figuren passen sich dem bestens an. Der 14-jährige Hauptrollendebütant Hayato Ichihara (700 Days of Battle) gibt den typischen introvertierten Teenager mit Herz, Shugo Oshinari (Twilight Phantom) verkörpert den Schüler, der von der brutalen Aussenwelt in die Rolle des Aggressors gedrängt wird, und die 16-jährige Yu Aoi (Welcome to the Quiet Room), die unter anderem in Rainbow Song wieder mit Ichihara zusammen kam, gibt die Jung-Prostituierte mit etwas vernebelter Charakterzeichnung.
Dieser Jung-Besetzung sieht man einfach gerne zu und Shunji Iwai bettet ihre sensiblen Darbietungen in einen stets faszinierenden Film. Das Frustpotential von "All About Lily Chou-Chou" ist gross, weil der Film mit zweieinhalb Stunden viel zu lang ist, sich absichtlich inhaltlich vage gibt und manchen Fragen holprig ausweicht - doch das ändert wenig daran, dass man sich dem Erlebnis gerne hingibt. Shunji Iwai serviert keine bis ins Detail polierte Filme auf dem Tablett, er fordert vielmehr zum Mitdenken und Mitfühlen auf. Und die Japaner folgen ihm dabei gerne. Obwohl weder Swallowtail Butterfly noch "Lily Chou-Chou" einem klassischen Blockbuster-Stoff entsprechen, wurden beide zu gewaltigen Hits. Lily schaffte es gar auf Platz drei der japanischen Filme 2001. Nicht schlecht für einen verkünstelten Jugendfilm.
MEINE
DVD
UK, Code 2, PAL
Bild:
Letterboxed Widescreen
Ton:
Japanisch 5.1 mit englischen Untertiteln.
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