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Tragikomödie
Japan 2016
Alternative Titel Umi yori mo mada fukaku; 海よりもまだ深

Regie, Drehbuch, Schnitt Hirokazu Kore-eda
Darsteller Hiroshi Abe, Yoko Maki, Taiyo Yoshizawa, Kirin Kiki, Sosuke Ikematsu, Lily Franky, Isao Hashizume

Länge 117 Min.
Molodezhnaja Altersempfehlung
ab 0

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik
. .

©  Text Marco Spiess, molodezhnaja 1.11.2016
©  Bilder Gaga, Screenshots molodezhnaja


STORY
Ryota (Hiroshi Abe) hat vor 15 Jahren einen Preis für seinen Roman gewonnen. Seither ging es nur bergab. Er schreibt erfolglos an einem neuen Werk, zu Recherchezwecken - und um an Geld zu kommen - arbeitet er in einer Privatdetektei. Beiseite legen kann er trotzdem nichts, denn er verspielt alles Geld und der Rest geht für den Unterhalt seiner Exfrau Kyoko (Yoko Maki) und des gemeinsamen Sohnes Shingo (Taiyo Yoshizawa) drauf. Als sein Vater stirbt, hofft Ryota, bei Mutter (Kirin Kiki) noch ein paar Habseligkeiten abzustauben. Doch die hat bereits alles entsorgt. Als Ryota später mit Shingo einen Tag verbringt, beschliesst er, die Mutter erneut zu besuchen.

 

REVIEW
Im japanischen Kino beobachtet im Moment kein Regisseur den Alltag und das Leben der normalen Menschen so einfühlsam und künstlerisch hochstehend wie Hirokazu Kore-eda. Während sein von mir ebenso verehrter Kollege Yoji Yamada dasselbe auch tut, baut jener dabei auf Sentimentalität im klassischen Sinne. Kore-eda ist der "japanischere", mehr Ozu oder Naruse - er setzt ganz auf Subtilität und Understatement, jede Bewegung und jeder Satz wirkt natürlich, birgt aber dennoch viel Substanz. Dem fast seifenoprigen Ansatz ist er auch nicht abgeneigt (vertauschte Kinder in Like Father, Like Son, Verstorbene Verwandte in Our Little Sister), doch das Endresultat könnte von einem kalkulierten Tränendrücker weiter entfernt kaum sein.

Kore-eda filmt aber nicht einfach plump den Alltag ab, wie es selbsternannte Indie-Regisseure gerne machen: Er ist auch ein Künstler mit bildgestalterischem Talent. Dass er seinen neusten Film „After the Storm“selbst schnitt, zeigt auch eindrücklich, dass er Erzählfluss ebenso im Blut hat. Seine Filme schreien nicht nach Aufmerksamkeit, sie verdienen sie sich vielmehr. Neben der vorzüglichen Inszenierung mit Geschichten, die echt wirken und dadurch rühren. Und mit fantastischen Schauspielern. Egal ob er wie bei Nobody Knows auf Laien zurückgreift oder wie hier auf Stars wie Hiroshi Abe: Er holt das Maximum aus der Performance heraus.

Abe, mit dem Kore-eda zuletzt in Still Walking zusammenarbeitete, ist eine Naturgewalt. Der Hüne ist so verletzlich wie vorlaut, so unsympathisch wie charmant - ein voll ausgereifter Charakter. Die mit Horrorfilmen bekannt gewordene Yoko Maki (zuletzt bei Kore-eda in "Like Father Like Son") steht ihm trotz ihres kürzeren Auftritts in nichts nach, sie wirkt manchmal unsicher in ihren Gefühlen gegenüber Abes Ryota, aber in den entscheidenden Momenten weiss sie doch genau, was sie will, und scheint unendlich reifer als ihr Gegenüber. Highlight dürfte aber die 73-jährige Kirin Kiki sein, die als Oma immer einen weisen Spruch auf den Lippen hat, diesen aber immer wieder ironisch kommentiert. Sie kann mal ungeheuer verletzlich wirken, mal wie ein Fels in der Brandung.

Wenn "After the Storm" ein wenig hinter den beiden letzten Kore-eda-Filmen zurückbleibt, dann ist es wegen der Geschichte. Die ist, wie eigentlich oft beim Regisseur, sehr simpel gehalten - das stört nicht, denn die Raffinesse liegt im Detail. Und sie wirkt angenehm autobiografisch eingefärbt, nicht zuletzt, weil Kore-eda im Wohnkomplex drehte, in dem er aufwuchs. Aber am Ende der Story gibt es nur eine bescheidene Katharsis. Das kommt nicht unerwartet, doch entlässt dies doch etwas zu sehr mit einem "das Leben geht weiter"-Gefühl. Nach dem Sturm ist vor dem Sturm. Da der Film voll aus dem Leben gegriffen ist, mag das stimmen, aber als Publikum fühlt man sich doch ein wenig alleingelassen, zumal der Film mit fast zwei Stunden Laufzeit seine Längen bekommt, und man sich "mehr" erwartet.

Das ändert aber nichts an den Emotionen, die genau stimmen. Kore-eda reichert den Plot immer wieder mit leisem Humor und frechen Sprüchen an, so schleichen sich die Gefühle sehr leichtfüssig hinein. Tränen fliessen dabei nicht so zwingend wie bei den letzten beiden Filmen, aber man wird doch mit einem Wohlfühl-Lächeln entlassen, im Wissen auch, dass man vorwärts schauen muss, dass man die kleinen Dinge im Leben schätzen muss. Kore-eda selbst meinte zum Film: Wenn er dereinst im Himmel gefragt werde, was er aus seinem Leben gemacht habe, würde er "After the Storm" präsentieren. Bei manch anderem Regisseur würde das anmassend klingen. Hier indes sieht man genau, was er meint.

EXTERNE LINKS 
imdb.com

 


 

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