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2015
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Drama
Japan 2015
Alternative Titel Umimachi Diary; Unsere kleine Schwester; 海街diary
Regie
Hirokazu
Kore-eda
Drehbuch Hirokazu
Kore-eda nach dem Manga von Akimi Yoshida
Darsteller Haruka Ayase, Masami Nagasawa, Kaho, Suzu Hirose, Ryo Kase,
Kirin Kiki, Lily Franky, Jun Fubuki, Shinichi Tsutsumi, Shinobu Otake
Länge 128 Min.
Molodezhnaja Altersempfehlung ab 0
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. | . |
© Text Marco
Spiess, molodezhnaja 4.2.2016
© Bilder Gaga, Screenshots molodezhnaja
STORY
Die Schwestern Sachi (Haruka Ayase), Yoshino (Masami Nagasawa) und Chika (Kaho)
leben zusammen im alten elterlichen Haus in der Stadt Kamakura. Sie halten
zusammen, auch wenn sie ganz unterschiedlich sind: Krankenschwester Sachi, die
Ersatzmutter des Trios, bändelt mit einem verheirateten Arzt (Shinichi Tsutsumi)
an. Bankerin Yoshino schläft sich sorglos durch die Betten. Und die kindliche
Chika würde gerne ihrem Freund (Takafumi Ikeda) auf wilde Abenteuer folgen. Da
erfahren sie, dass ihr Vater verstorben ist, den sie 15 Jahre nicht gesehen
haben. Die Trauer hält sich in Grenzen, da der Papa einst die Familie sitzen
liess. Bei der Beerdigung treffen sie die 14-jährige Suzu (Suzu Hirose), Tochter
aus der nächsten Ehe des Vaters. Sachi lässt die kleine bei sich wohnen. Doch
die Einbindung der Halbschwester bringt ihre Probleme mit sich.
REVIEW
Wenn es darum geht, sich cineastisch der japanischen
Familie zu widmen, führt in den letzten Jahren kein Weg an zwei Namen vorbei:
Yoji Yamada und Hirokazu Kore-eda.
Die beiden kommen aus ganz unterschiedlichen Ecken, Yamada klassischer
japanischer Mainstream, sozusagen eine Ikone allein schon wegen der schieren
Menge an Filmen, die er in seiner epischen Karriere gedreht hat. Kore-eda
dagegen eher im Ausland und auf Festivals gefeiert, eher Richtung Arthouse
tendierend. Und er drehte gerade mal einen Zehntel von Yamadas Filmen.
Mittlerweile zehn, um genau zu sein.
Doch eben: Die zwei haben sich
angenähert in Stil und Thema, wenn sie sich auf höchst subtile, unaufgeregte und
gefühlvolle Weise auf die kleinen und grossen Konflikte der japanischen Familie
zwischen Tradition und Moderne einlassen. Gerade Kore-edas Like
Father Like Son passte zuletzt wunderbar in dieses Spielfeld. Yamada indes
wandelte auf den Spuren seines Idols Ozu mit der Hommage
Tokyo Family. Der Geist Ozus dürfte auch bei
Kore-edas neuem Streich das eine oder andere Mal beschworen worden sein, wenn
auch weniger deutlich: "Our Little Sister" - angesiedelt in Kamakura, wo Ozu
beerdigt ist.
Die Story indes basiert aber auf einem populären
Jugendmanga von Akimi Yoshida. Im Zentrum stehen vier junge Frauen und wie
Kore-eda jede von ihnen zu einem starken, voll ausgearbeiteten Charakter macht,
ist schon bemerkenswert. Sozusagen ein reinrassiger Frauenfilm, der nicht
ständig darauf pochen muss, ein Frauenfilm zu sein. Genau deswegen kann man auch
als Mann problemlos mitfühlen und mitschmunzeln. Wenn Emotionen so glaubhaft
sind, Interaktion so natürlich vonstattengeht, dann umschwebt eine bestechende
Ehrlichkeit den Film. Eine, die kulturelle Grenzen genauso überwindet wie
geschlechtliche. Die Menschlichkeit alleine zählt, und die ist universell.
Absolut unerlässlich sind dabei
starke Schauspielerinnen, und Kore-eda war schon immer ein Meister darin, seine
Akteure zu führen. Haruka Ayase ist fulminant als Ersatz-Mutter, hin und
hergerissen zwischen Verantwortung und eigener Verwirklichung. Das wird nie
überdramatisiert, ist aber stets spürbar. Masami Nagasawa und Kaho glänzen als
entgegengesetzte Geschwister. Doch es ist wohl die junge TV-Actrice Suzu Hirose,
die am meisten verblüfft: mit verletzlichem und doch ungeheuer reifem Spiel. Ihr
wird nicht umsonst eine grosse Karriere prophezeit.
Männer spielen
daneben die zweite Geige, selbst Superstar Ryo Kase. Aber auch ihnen gönnt
Kore-eda immer mal wieder eine gelungene Szene. Am Spannendsten sind die
Interaktionen, egal zwischen welchem Geschlecht. Dann entwickeln die Personen
eine enorme Güte, und man wünscht sich, dass niemand seelisch zu Schaden kommt.
So kommt der Wohlfühl-Aspekt zum Zug: Es geht zwar auch um traurige Themen, so
wird etwa die Vergänglichkeit thematisiert und bildet in Form von Beerdigungen
sozusagen die Buchklappen der Story. Aber in den Vordergrund rückt immer die
Zuneigung zu den Figuren, und am Ende löst jede Umarmung, jedes Lächeln, bei den
Zuschauern die erwünschte Wirkung aus.
Bei aller Subtilität steuert
Kore-eda die Gefühle des Publikums nämlich virtuos. Er inszeniert ruhig,
schneidet gelassen, stets mit dem Ziel, die Zuschauer sanft in die Geschichte zu
ziehen und an die Figuren heran zu führen. Trotz Überlänge entwickelt sich so
eine Sogwirkung. Mag sein, dass manche Zuschauer all das als langweilig und
ereignislos taxieren, aber mir gefällt der Ansatz sehr gut. Die japanische
Kultur, modern und extrovertiert auf der einen Seite, traditionell und
familienbezogen auf der anderen, bietet dafür aber auch einen perfekten Kontext.
In "Our Little Sister" bildet die Familie der Mikrokosmos für diese Dualität,
was mal zermürbend, mal aufbauend, mal bewegend, mal lustig daherkommt. Es ist
ein Film fürs Herz, bei dem das Hirn nicht abgeschaltet werden muss.
EXTERNE LINKS
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