The Village (2004)
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US-Start: 30.7.2004
CH-Start: 02.9.2004
12.8.04
Ich bin ein grosser Bewunderer von Manoj Nelliyattu Shyamalan oder M. Night Shyamalan wie er sich der Inder heute nennt. Seine ersten beiden Filme habe ich zwar bisher nicht gesehen, aber ab The Sixth Sense drehte er nur noch 4-Stern-Meisterwerke. Besonders den von manchen Seiten gescholtenen Signs liebe ich und verteidige ihn rigoros. Ein superb inszeniertes Familiendrama im Tarnanzug eines Invasionsfilms - mit grandiosen Szenen wie dem "Letzten Abendmahl der Familie Hess". Nun bringt M. Night "The Village". Und die Lust am Verteidigen ist mir etwas vergangen. Es ist nicht der Megaflop, den etwa Roger Ebert in dem Werk sieht - die vielleicht härteste Kritik, da Ebert Signs liebte und ihm die Maximalbewertung gab. "The Village" ist aber eben auch kein wirklich guter Film. Die drei Sterne gibts für den Regisseur Shyamalan, nicht für den Autor. Nach The Sixth Sense wurde Shyamalan als Geschichtenerzähler gefeiert. Doch nunmehr ist er als Filmemacher gereift, als Schreiberling dafür abgesunken. "The Village" ist ein Kostümspektakel auf "Twilight Zone"-Niveau.
Dass es einen Twist gibt, ist anscheinend unumgänglich. Shyamalan ist selber Schuld daran, dass die Leute eine Überraschung zum Schluss erwarten. Bei Signs versuchte er zwar, dieses Muster zu untergraben und einen leicht antiklimaktisches Finale zu bieten - doch die Zuschauer gouttierten es nicht und kommentierten das gar nicht als Twist gedachte Ende als "schlechten Twist". Nun ist er zurück beim "Hase aus dem Hut ziehen"-Drehbuchschreiben. Und dieser Hase ist leider ein toter Hund. Allein der Umstand, dass man weiss, dass es ein Twist-Ende geben wird, ruiniert bereits das Twist-Ende. Denn von Anfang an überlegt man, wie das Ganze wohl enden mag. Ich muss leider sagen, nach 10 Minuten hatte ich das Ende vor Augen. Und es trat genau so ein. Ich bin sonst kein guter Twist-Erkenner. The Sixth Sense erwischte mich eiskalt, bei "Unbreakable" hab ichs vermutet. Hier gab es so viele Hinweise - denn mittlerweile kennt man die Details, auf die man bei M. Night achten muss. Ich erwähne sie nicht, denn sonst helf ich euch bereits auf die Sprünge.
Aber ich muss es doch nochmals festhalten: Das Ende ist misslungen. Zum einen wird es zu früh eingeläutet. Nach gut zwei Dritteln des Films ist die Katze aus dem Sack. Wenn William Hurt seine Filmtochter zur Hütte führt, ist der Seifenblase geplatzt. Und was danach kommt, ist nur noch unfreiwillig komisch - bis peinlich. Aber lasst micht erst einmal die Ausgangslage darlegen. "The Village" spielt im Jahr 1897 in dem titelgebenden Dorf namens Covington. Der kleine Weiler wird bewohnt von ein paar Familien und regiert vom Ältestenrat. Der erklärt auch immer wieder die Regeln im Dorf: Niemals in die Wälder gehen. Dort wohnen die, von denen man nicht spricht. Monster, die von der Farbe rot, der "bösen Farbe", angezogen werden. Die "gute Farbe" gelb schützt das Dorf, an der Peripherie stehen Wachtürme. Das Dorf lebt in konstanter Angst, doch wenn niemand die Regeln bricht, herrscht Friede. Doch Lucius (Joaquin Phoenix), der Sohn der Ratsfrau Alice Hunt (Sigourney Weaver), will diesen Frieden aufs Spiel setzen: Er will in die Stadt ziehen, um Medikamente zu holen für die immer zahlreicher werdenden Unfälle im Dorf - und um seiner blinden Freundin Ivy (Bryce Dallas Howard) zu helfen. Der Rat verbietet es ihm. Als Lucius dennoch ein paar Meter in den Wald schreitet, schlagen die, von denen man nicht spicht, zurück.
Das die Ausgangslage - es gibt noch weitere Figuren, die man erwähnen sollte: Gemeindeleiter ist Ivys Vater Edward Walker (William Hurt). Er hat noch eine weitere Tochter, Kitty Walker (Judy Greer), die in Lucius verliebt ist. Doch er begehrt die blinde Ivy. Auch der "Dorftrottel" Noah Percy (Adrien Brody) hat es auf sie abgesehen. Michael Pitt (The Dreamers) spielt Lucius' Freund, Brendan Gleeson ein Ratsmitglied. Sie alle agieren mehr oder weniger überzeugend. Ihre Sprache ist selbst für das ausgehende 19. Jahrhundert sehr gestelzt, doch da das Dorf sehr isoliert ist, funktioniert es. Man braucht jedoch etwas Goodwill, um diese spezielle Art der Performance zu schlucken. Sie passt aber zu Shyamalan, der das Langsame, das Kultivierte immer vorzieht. William Hurt, schon in einem normalen Film einschläfernd, ist hier natürlich doppelt anstrengend - doch man gewöhnt sich an ihn. Ausgeglichen wird er durch den wie immer tollen Joaquin Pheonix. Die wahre Überraschung ist jedoch Bryce Dallas Howard, die Tochter von Regisseur Ron Howard (The Missing). Sie spielt die Rolle, für die Kirsten Dunst vorgesehen war, und brilliert. Ihre Liebesbeziehung zu Pheonix' Charakter ist famos und "The Village" als Ganzes eigentlich Shyamalans bisher geglücktester Versuch eines Liebesfilms. Wenn Signs ein Familiendrama im Sci-Fi-Gewand war ist "The Village" ein Liebesfilm im Horrorgewand. Weniger anfangen konnte ich mit Adrien Brodys läppischen Irren-Imitat. Und Sigourney Weaver hatte ein paar hölzerne Momente.
Apropos Momente: M. Night Shyamalan war immer ein Mann starker Momente. In "The Village" hat es einige. Einer der besten geschieht, als die, von denen man nicht spricht, ganz kurz zu sehen sind und ins Dorf marschieren. Ivy steht mit ausgestreckter Hand an der Tür, als ein Schatten sichtbar wird. In Zeitlupe packt Lucius ihre Hand und bringt sie ins Haus. Was auf Papier plump tönt, ist eine Szene mit eindringlicher Aura, etwas, was nur Shyamalan mit solch hypnotischer Kraft fertig bringt. Ich weiss nicht, was es genau ist - der technische Aspekt (tolle Kamera, perfekter Sound) alleine deckt die Qualität solcher Einzelszenen nicht ganz ab. Es ist das "magische Etwas", was einen Spitzenregisseur auszeichnet.
Sound und Kamera. Beides erneut vom Allerbesten. Die Musik von James Newton Howard folgt dem Signs-Prinzip, dass man immer mehr andeutet, als da ist. Es dominieren subtile Geigenklänge, doch wenns drauf ankommt, donnert der Soundtrack geradezu übertrieben. Hinter der Kamera stand diesmal nicht Tak Fujimoto, sondern Coen-Veteran Roger Deakins. Seine Arbeit ist beeindruckend. Er ist einer von denen, die besagte Aura erzeugen. Unheimlich, stimmig, klaustrophobisch. In fast jedem Shot der Felder ist die Peripherie mit den gelben Fahnen zu sehen, Nebel und Wolken dominieren die Himmel. Und dann gibt es grandiose Kamerabewegungen. Einmal steht Ivy mit Noah an der Tür, die Kamera ist im Haus und wandert langsam nach links. Der Vordergund bewegt sich leicht, doch was wirklich zählt ist der Hintergrund. Es wirkt, als verzerre sich der Kirchturm im Hintergrund, als lebe das Bild au unheimliche Art. Einfach genial.
Ja eben - darum gibts 3 Sterne. Technisch brillant und in der ersten Hälfte zwar langsam, aber faszinierend. "The Village" ist 100% Shyamalan - aber das Ende hätter er überdenken müssen. Man kann es gesellschaftspolitisch interessant auslegen, doch selbst so kommt man sich etwas betrogen vor. Zudem ist das Ende viel zu langgezogen und voraussehbarer als bei früheren von Manojs Filmen. Eine Szene, bei der Ivy von einem, von denen man nicht spricht, im Wald verfolgt wird, ist zwar recht stimmungsvoll - aber oh je, ist die Sequenz zu diesem Zeiptunkt überflüssig und schlecht vorbereitet. Es gibt auch Fragen, die bis zum Schluss bleiben: Ivy sagt etwa, sie könne "die Farbe der Leute sehen". Das hat nichts mit rot oder gelb zu tun, sondern mit einer Art Aura (wieder dieses Wort, sorry), die die Blinde sehen kann. "The Village" spannt lange auf die Folter, was denn Lucius für eine "Farbe" hat. Wir erfahren es nie. So viel esotherisches Blabla um diese Farben, und es dient keinerlei logischer oder drehbuchtechnischer Funktion. So etwas sollte einem der gefeiertsten Drehbuchautoren unserer Zeit nicht passieren. "The Village" ist sehenswert. Doch seid darauf vorbereitet, in manchen Punkten enttäuscht zu werden ...
---- Spoiler ----
Keine Angst, ich verrate das Ende nicht. Das könnt ihr andernorts nachlesen im Internet. Aber ich möchte das Ende doch noch etwas deuten. Deshalb eine Spoiler-Warnung, denn durch die Analyse des Endes kann man es sich ev. zusammensetzen. Nun, das Clevere am Ende ist, dass es eigentlich eine Abrechnung mit den USA von heute ist. Eine Allegorie auf eine isolierte Gesellschaft, die ihre Werte erhalten will und deshalb Feinde aufbaut. Die Verbindung von "von denen man nicht spricht" zu Massenvernichtungswaffen ist nicht gross. Und auch die Sache mit der Farbcodierung zur Einschüchterung der Bevölkerung kennen wir, seit wöchentlich in Amerika der Alarm-Pegel die Farbe wechselt. In gewissem Sinne ist "The Village" der treffendere Kommentar auf das Amerika nach 9/11 als es Fahrenheit 9/11 ist - aber das macht das Ende dennoch nicht viel besser. Ist dennoch ein Betrug am Publikum, das soviel Zeit investiert hat und zu früh ein schwaches Finale aufgegleist bekommt. Alles, was danach kommt, also auch M. Night Shyamalans schlechter Gastauftritt als "ich erkläre den Plot"-Mann, ist schlicht deppert. Und das Ende, die letzten paar Minuten sind zu blass. Eines ist beruhigend: Es soll Nachdrehs der letzten acht Minuten gegeben haben. Ursprünglich endete der Film mit M. Nights Worten "Crazy fucking white people" - das wäre wohl ein beknacktes Finale gewesen. Aber wenigstens wäre der Film dann vielleicht aus Satire durchgegangen ...
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© text molodezhnaja
/ pictures Buena Vista
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