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2006
> CURSE OF THE GOLDEN FLOWER
Historiendrama
China 2006
Alternative Titel
Man cheng jin dai huang jin jia;
Der Fluch der goldenen Blume;
满城尽带黄金甲
Regie
Zhang Yimou
Drehbuch Zhang Yimou nach
dem Bühnenstück von Cao Yu
Produktion Zhang Yimou,
Zhang Weiping, William Kong
Darsteller Gong Li, Chow Yun-Fat, Jay Chou
Lit-Lun,
Liu Ye, Li Man, Ni Dahong, Qin Junjie, Chen Jin
Länge 113 Min.
Molodezhnaja Altersempfehlung ab 16
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. |
© Text Marco,
molodezhnaja 20.2.07
© Bilder Edko,
Screenshots molodezhnaja
STORY
China während der Tang-Dynastie, Anfang des 10. Jahrhunderts: Kaiser Ping (Chow
Yun-Fat) war einst ein einfacher Hauptmann, der seine erste Frau verliess und
durch die Heirat mit Phoenix (Gong Li), der Tochter des Königs von Liang, auf
den Thron kam. Nun will er seine mächtige Frau loswerden und weist seinen
Hof-Arzt Jiang (Ni Dahong) an, jeden Tag ein wenig vom persischen schwarzen Pilz
in die Medikamente zu tun, welche die Kaiserin seit zehn Jahren gegen ihre
vermeintliche Anämie nimmt. Dadurch würde die Kaiserin langsam verrückt. Doch
sie ahnt, dass sie vergiftet wird, und bittet den mittleren Sohn, Prinz Jai (Jay
Chou) um Beistand. Derweil will Kronprinz Wan (Liu Yu), der sich für unfähig
hält, den Thron einst zu besteigen, den Hof verlassen. Er hofft auf eine Zukunft
mit Jiangs Tochter Chan (Li Man), einer Zofe des Palasts. Doch ein Geheimnis aus
seiner Vergangenheit sabotiert alle Bemühungen. Am Chrysanthemen-Festival droht
die Fassade der kaiserlichen Familie zusammenzustürzen.
REVIEW
Im Moment scheint nichts meine absolute
Begeisterung für Zhang Yimou erschüttern zu können. Der Mann machte bisher fast
alles richtig in seiner Karriere - und setzt seine bemerkenswerte Reihe
grandioser Filme (siehe hier)
mit "Curse of the Golden Flower" fort. Einige Kritiker waren im Vorfeld der
Überzeugung, die Welt brauche nicht noch ein farbenfroh
orchestriertes
Martial-Arts-Epos, und tatsächlich scheint eine gewisse
Übersättigung
eingetreten zu sein. Nicht aber bei mir: Was gibt es
eigentlich zu nörgeln, wenn Filmemacher opulente Geschichten in wuchtiger
Farbenpracht erzählen? Es kommt auch jede Woche ein Tatort am TV und fast zehn
Millionen Menschen ziehen sich das rein. Also warum so ein Aufstand?
Kommt dazu, dass Zhang Yimous Wuxia-Trilogie eigentlich keine ist: Seine drei historischen Epen Hero, House of Flying Daggers und nun "Curse of the Golden Flower" unterscheiden sich nämlich frappant. Letzterer hat nicht einmal besonders viele Martial-Arts-Szenen, sondern ist eher als historische Tragödie zu klassifizieren, welche näher an Shakespeares Palastdramen liegt als an House of Flying Daggers. Doch nicht nur bei der Action gibt es Unterschiede: House of Flying Daggers war eine dramatische Liebesgeschichte, hochromantisch und stets poetisch. Hero war eine dramaturgisch penibel konstruierte Studie über Politik und Macht, die nicht wenige Zuschauer als kommunistische Propaganda abtaten. "Curse" wiederum ist die Antithese zu "Hero": Eine bittere Parabel darüber, wie Macht Menschen kaputt macht und wie man den Herrschenden kein Vertrauen entgegen bringen sollte - die tun nämlich nichts anderes als intrigieren, noch mehr Macht ansammeln und dazu Menschen opfern.
Das Regime Chinas hat "Curse" zwar mitfinanziert, doch Zhang zeichnet hier ein unmissverständlich düsteres Bild der Mächtigen. Vertrauen kann man keinem, glücklich ist sowieso keiner von ihnen. Um etwa einen Prinzen zu bändigen, werden ein paar Dutzend gesichtslose Untertanen in den Tod geschickt. Einfach so. Der normale Mensch verkommt hier zum Figürchen in der Masse, zum Teil in der Maschinerie. Dieses Bild ist für China besonders interessant und funktioniert wohl nirgends auf der Welt so gut wie in jenem Staat, in dem eine Milliarde Menschen leben, die Kommunisten das Gemeinschaftswohl über jenes des Individuums stellen (jedenfalls nach alter maoistischer Lesung, heute gilt das weniger). Was in einem westlichen Film als Spielerei eines Regisseurs dastehen würde, der Massenszenen anonymer Soldaten zum Spektakel stilisiert, wird in einem chinesischen Film vielschichtiger. Zählt der Einzelne in diesem Staat noch etwas? In "Curse" nicht, ausser eben, man ist einer der Mächtigen.
Gespielt werden die von einem wahrlich berauschenden Ensemble. Gong Li, Zhang Yimous Entdeckung, Ex-Geliebte und Ex-Muse, kehrt nach über elf Jahren wieder zurück in einen seiner Filme, alleine das ist ein Grund zum Jubilieren. Und die grosse Aktrice liefert eine theatralische, mitreissende Tour de Force, die von Anfang bis Ende packt. Wie sie erkennt, dass sie vergiftet wird, und trotzdem die Medikamente weiter trinkt - oder wie sie versucht, eine Intrige zu lancieren, mit dem Wissen, dass sie Scheitern könnte, birgt stets ungeheure Tragik. Sympathien hat man für sie trotzdem nicht viele, denn dazu ist sie zu arrogant und zu eigensinnig. Selbst ihr quasi-inzestuöses Verhältnis mit dem Kronprinzen wirkt je länger je mehr dubios.
Ihr Gegenüber ist Chow Yun-Fat, der mit Crouching Tiger, Hidden Dragon den Erfolg der epischen chinesischen Historienfilme ins Rollen gebracht hat, und der hier erstmals mit Zhang Yimou drehte. Auch das ein Leckerbissen für Asien-Fans. Chow spielt den Part mit ungeheurer Überheblichkeit und man muss diesen Kaiser einfach hassen - derart besessen ist er von Macht, derart skrupellos geht er mit Freund, Feind und Familie um. Und trotzdem staunt man mit grossen Augen, wenn er gegen Ende seinen Sohn ohrfeigt oder seine patriarchalischen Gesten ausspielt. Das hat ungeheure Kraft. Die anderen Akteure können mit diesem Duo schwer mithalten, doch der taiwanesische Popstar Jay Chou, der Chinese Liu Yu und der Debütant Qin Junjie halten kompetent dagegen, ebenso wie die junge Li Man und ihre Filmmutter Chen Jin, die einige der emotionalsten Szenen für sich verbuchen kann.
Dass diese Akteure unter der Pracht der Bilder nicht erdrückt werden, spricht für sie - und für Zhangs Können. So gut wie jeder andere Filmemacher würde mit dem Dekor, das Zhang hier auffährt, die Bildgestaltung überladen und seine Figuren erdrücken. Nicht Zhang. Trotz fast Augen betäubender Farbpracht und Üppigkeit wirken die Bilder nie voll, vielmehr formen die Kostüme, die Ausstattung und die Akteure eine Einheit. Sie werden Teil der visuellen Gestaltung, die in jedem Shot einfach nur begeistert. Ob dabei historisch gepfuscht wurde (am Hof dürften die Busen der Frauen kaum halb aus dem Korsett gesprungen sein, und nicht jeder Flur hat die Farbskala von Rot bis Gelb sprengen) ist absolut irrelevant. Es zählt das Arrangement in Zhangs opulenter Aufführung des familiären Untergangs - vor grossartiger Kulisse.
Dass bei all dem die Action zu kurz kommt, merkt man gar nicht. "Curse" ist eben kein Actionfilm, und doch gönnen uns Zhang und Choreograf Ching Siu-Tung ein paar wunderbare Fights. Der erste etwa, ein Kampf zwischen Ping und Jai in voller Rüstung, ist derart ungewöhnlich, dass er sofort in seinen Bann zieht. Zhang bleibt teilweise extrem nahe an der Rüstung, fängt die Funken der Schwerter ein, den Kontakt der Drachenfigur auf der Rüstung, ungeheuer intensiv. Später gibt es Angriffe von Ninja-mässigen Palastwachen zu bewundern, blutige Massenszenen und eine auf ihre Art brutale Auspeitschung mit dem kaiserlichen Gürtel. Zhang schreibt hier nicht Martial-Arts-Geschichte, doch innerhalb dieser Tragödie bekommt jede Actionszene genau das Gewicht, welches sie verdient.
Zum Schluss bleibt schiere Faszination. Dass die Bilder dieses Gelb-Rot-Orange-Exzesseses etwas ganz Besonderes werden würden, war klar. Doch auch die Story, basierend auf Cao Yus Bühnenstück "Thunderstorm" (1934) und der Huang-Chao-Rebellion (875-884), ist facettenreich und hochdramatisch, die Akteure liefern eine erstklassige Show ab und Zhangs Inszenierung ist von solcher Selbstsicherheit, dass man nur staunen kann. Ich liebe diesen Regisseur und wenn er bis zum Ende seiner Tage nur noch farbenfrohe Epen drehen würde, ich wäre glücklich. Wenn zum Schluss des Films etwa die Spuren eines Massakers vom Regime im Handumdrehen weggeputzt werden, um die Illusion von Idylle herzustellen, oder wenn das Gift die zuvor vom Kaiser beschworene himmlische Yin-Yang-Harmonie aus Kreis und Quadrat verätzt, dann ist klar, dass hier ein Meister am Werk ist, der inhaltlich Denkanstösse liefert und trotzdem visuell alles auftischt, was ihm das Rekord-Budget von 45 Millionen Dollar ermöglicht. Grosses Kino von einem der grössten Regisseure aller Zeiten.
MEINE DVD
Hongkong, Code 3, NTSC (Edko)
Bild:
Anamorphic Widescreen
Ton: Mandarin 5.1 und DTS sowie Kantonesisch 5.1 mit englischen und chinesischen Untertiteln.
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