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Erotikdrama
Japan 2016
Alternative Titel Anchiporuno; アンチポルノ
Regie, Drehbuch, Produktion
Sion Sono
Darsteller Ami Tomite, Mariko Tsutsui, Asami, Fujiko, Ami Fukuda
Länge 76 Min.
Molodezhnaja Altersempfehlung ab 16
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. |
©
Text Marco Spiess, molodezhnaja 25.1.2019
© Bilder Nikkatsu, Screenshots molodezhnaja
STORY
Kyoko (Ami Tomite) ist eine experimentelle Künstlerin, die von
Erinnerungen an ihre tote Schwester gequält wird und sich stolz als Hure
bezeichnet. Eines Tages wird ihre biedere Assistentin Noriko (Mariko Tsutsui)
bei ihr vorstellig. Sie bittet Kyoko, aus ihr doch auch eine Hure zu machen.
Kyoko legt los - da schreit ein Regisseur "cut"!
REVIEW
Mit seinen Roman-Porno-Filmen wollte sich das Studio
Nikkatsu vor dem Bankrott retten, der wegen des Aufkommens des Fernsehens
drohte. Es handelte sich um günstig produzierte Sexfilme, gedreht in unter einer
Woche, unter 80 Minuten lang und alle zehn Minuten mit einer Sexszene gespickt.
Das Format kam an und lief von 1971 bis 1988 (als Nikkatsu wieder auf einen
Konkurs zusteuerte, diesmal wegen der Video-Konkurrenz).
Ausserhalb Japans nahm kaum jemand von
diesen Filmen Kenntnis. Doch im neuen Jahrtausend realisierte man auch im
Westen, dass die Roman-Pornos, ähnlich wie die
Pink-Formate, ihre rigiden Produktionskorsette nutzten, um immer wieder
tolle kleine Werke zu schaffen. Nikkatsu gab das Budget, Filmemacher nahmen es
dankend an - dass sie ab und zu Sex einstreuen mussten, verkam zur Nebensache.
Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, dass diese Schmuddelfilme eine Art
Kult-Revival erlebten.
Nikkatsu versuchte selbst eines anlässlich des 45.
Geburtstags ihrer Serie und holte dafür neben Regisseuren wie Hideo Nakata und
Akihiko Shiota auch Sion Sono an Bord. Die Regeln hielt Sono ein - doch mit
einem Titel wie "Antiporno" ist wohl klar, dass er das Genre auch unterwandert.
Tut er spätestens ab der 30. Filmminute mit dem Wort "cut". Alles, was davor
kam, war also ganz bewusst ein überkünstelter Sexfilm mit offensichtlichen
Metaphern (Spiegel, Reptil gefangen in der Glasflasche). Sono kann also
gleichzeitig sein Faible für Farbdramaturgie, Sex und Irrsinn in dieses Segment
packen und danach sagen "Ätsch, ihr dummen Leute, fahrt auf sowas ab?"
Ähnlich wie Sonos Horrorfilm
Tag offenbart der Bruch aber die Frage des
Geschlechtergegensatzes. Kommen am Anfang nur Frauen vor, sind es danach die
Männer, welche die Fäden ziehen. Die Frauen sind nur ihre Objekte. In einer
seiner ersten Szene will der Regisseur etwa von Kyoko wissen, ob sie noch
Jungfrau sei und überhaupt fähig, Lust darzustellen, worauf er sich hinter sie
stellt und einen Sex-Akt simuliert. Später im Film wird das alles noch etwas
plump in Worte gefasst, aber die Absicht, das Machtgefälle zu zeigen, ist klar.
Ein interessanter feministischer Touch
also für einen Regisseur, der rein männlich voyeuristischem Schmuddel nie
abgeneigt war (siehe etwa Virgin Psychics).
Doch es geht ihm nicht einmal nur um patriarchalische Macht, sondern Macht und
Kontrolle generell. So sind auch die Schauspielerinnen untereinander zerstritten
und die im Film devote Noriko beleidigt off-screen den eigentlichen Star Kyoko
aufs Übelste. Die totale Umkehr der Rollen.
Feminismus. Voyeurismus. Sex. Tabus. Dazu
Gewalt. Manchmal zu klassischer Musik, manchmal zu Kirchenglockengeläut. Ob all
das alles immens viel aussagt, darf angezweifelt werden, doch Sono packt doch
genug Reizthemen in seinen Film, um ihm etwas Anspruch zu verleihen. Und das
neben eben dem übertriebenen Sex, den Farb-Exzessen - auf welche ich ja auch
abfahre. Alleine das orgiastische Farbfinale muss einem einfach ein Grinsen ins
Gesicht klecksen. Sono liebt das Spiel mit den Kontrasten (Kunst / Trash,
Anspruch / Schmuddel etc.) und seine Filme sind daher oft bewusst schizophren.
Ich bin froh, dass ich beiden Seiten seines Tuns etwas abgewinnen kann und sich,
wie hier, die Fusion der beiden gegenseitig aufwertet.
EXTERNE LINKS
imdb.com
Screenshots der DVD mit VLC, verkleinert und geschärft mit Picture Converter und Paint.net
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