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Comicverfilmung. USA 2009
Alternative Titel
Watchmen - Die Wächter
Regie Zack Snyder
Drehbuch David Hayter, Alex Tse nach dem Comic von Alan Moore und Dave
Gibbons
Produktion Deborah Snyder, Lawrence Gordon, Lloyd Levin
Musik Tyler Bates
Kamera Larry Fong
Darsteller Patrick Wilson, Malin Akerman, Jackie Earle Haley, Billy
Crudup, Matthew Goode,
Jeffrey Dean Morgan, Carla Gugino, Matt Frewer, Stephen McHattie, Laura Mennell,
Robert Wisden
Länge 163 Min.
US-Kinostart
06.03.2009
CH-Kinostart 05.03.2009
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
© Text Marco,
molodezhnaja 26.2.09
© Bilder Paramount,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Amerika 1985. Die USA haben den Vietnamkrieg gewonnen, Richard Nixon (Robert
Wisden) ist bereits in seiner dritten Amtszeit Präsident, ein Atomkrieg mit der
Sowjetunion wird immer wahrscheinlicher. In dieser unsicheren Zeit wird der
ehemalige Superheld Edward Blake alias "The Comedian" (Jeffrey Dean Morgan) aus
seiner Wohnung in den Tod geworfen. Die Polizei legt den Fall schnell zu den
Akten, aber einer verfolgt die Spuren weiter. Es ist Rorschach (Jackie Earle
Haley), ein maskierter Detektiv, der wie Blake einst zur Heldentruppe "Watchmen"
gehörte. Diese maskierten Gesetzeshüter sorgten ohne Superkräfte, aber mit viel
Elan für Recht und Ordnung. Zu ihnen gehörte auch der Wissenschafter Dr.
Manhattan (Billy Crudup), der bei einem Experiment verstrahlt wurde und seither
gottähnliche Fähigkeiten hat. Seit der Auflösung der "Watchmen" arbeitet er für
die US-Regierung. Während die versucht, ihn für den Kampf gegen die UdSSR
einzuspannen, glaubt Rorschach, jemand habe es auf alle Watchmen abgesehen. Er
alarmiert seine ehemaligen Wegbegleiter, Dan Dreiberg alias "Nite Owl II"
(Patrick Wilson), Laurie Jupiter alias "Silk Spectre II" (Malin Akerman) und den
mittlerweile steinreichen Adrian Veidt alias Ozymandias (Matthew Goode). Kann er
sie motivieren, die Mörder des Comedians zu jagen?
REVIEW
Die Bibel ist verfilmt. Was für viele als
unmöglich galt, hat Zack Snyder nun doch realisiert - und den gefeierten
"Watchmen", die Heilige Schrift der Comicfans, auf die Leinwand gebracht. Vor
ihm sind viele Regisseure, darunter Darren Aronofsky, Paul Greengrass und Terry
Gilliam, an dem Vorhaben gescheitert. Snyder, der bei der Adaption von Frank
Millers Comic 300 jede Menge Erfahrungen mit dem Metier
sammeln konnte, hat den Brocken nun aber gestemmt und darf sich feiern lassen.
Denn er inszenierte nicht nur seinen persönlich besten Film, er drehte auch
einen der bemerkenswertesten Superheldenfilme überhaupt. Mit dem Status der
Vorlage von Alan Moore (V for Vendetta) und Dave
Gibbons wird es diese Kinofassung nie aufnehmen. Aber das muss sie auch nicht.
Sie ist trotz Vorlagentreue eigenständig genug und vor allem ist sie cineastisch
eine pure Freude. Ein komplexer, düsterer, mutiger und epischer Superheldenfilm
für Erwachsene.
Das Spannende an der ganzen Grundidee ist, dass Moore (der Hollywood hasst und nie in einem Vorspann genannt wird) und sein Zeichner Gibbons die Auswirkungen von Superhelden auf die Welt ergründen. Andere Comics tun das in vermindertem Mass auch, doch in "Watchmen" gehen die Macher ins Detail. Die Helden, die bis auf Dr. Manhattan nicht einmal Superkräfte haben, werden zwar auch ausgelotet, aber mindestens so viel Zeit wird auf die Reaktion der Umwelt verwendet. Wie in den 40er-Jahren die Maskierten gefeiert wurden. Wie sie unter Nixon verboten wurden. Wie manche ins Irrenhaus kamen. Wie andere sich immer mehr von der Menschheit distanzierten. Das ist reichhaltiger Stoff und Snyder schreckt nie davor zurück, ihn zu verarbeiten. Alleine schon der fabelhafte Vorspann zu Bob Dylans "The Times They Are A-Changin'" schreitet virtuos und in kurzen Ausschnitten durch die Geschichte der Helden. Das ist grosses Kino und bereits da muss man voll bei der Sache sein. Sonst verliert man den Faden.
Für mich als "Watchmen"-Laien war der Lernstoff beachtlich. Anders als beim überschätzten "300", bei dem Snyder mit zu wenig Material kämpfte, jongliert er hier mit zu viel. Doch er meistert den Kraftakt und macht die Fülle an Informationen auch für Uneingeweihte zugänglich. Ich fühlte mich zu keiner Zeit verloren in der Fülle an Informationen. Und doch füttert er die Handlung nicht mit dem Löffel - er versteckt manches in Rückblenden, anderes in Montagen, wieder anderes in Zeitungsartikel. Im Nu entsteht eine facettenreiche und glaubhafte Welt am Rande des Abgrunds. Eine Parallelwelt zu unserer, in der alles ein wenig entrückt scheint von der Realität - bis hin zu Nixons lächerlich langer Nase. Dennoch ist der Look des Films auf Glaubwürdigkeit ausgerichtet. Selbst die absurden Kostüme wirken wie etwas, das tatsächlich so gefertigt wurde. Es passt visuell einfach alles zusammen.
Auch Snyders Einsatz von Zeitlupe ist diesmal gelungen. Er scheint noch immer bisweilen auf dem Slo-Mo-Schalter einzuschlafen, doch jede Sequenz, in der er mit dem Tempo spielt, bekommt dadurch Gewicht und Virtuosität. Nie wirkt der Einsatz so überflüssig wie in "300". Überhaupt gibt es technisch an "Watchmen" kaum etwas auszusetzen: Die Optik ist göttlich, das Design herrlich düster, die teilweise grelle Soundtrack unspektakulär stimmig. Die Action ist herrlich choreografiert und die Auswahl der Musikstücke lässt jubeln. Neben Dylans Lied kommt etwa der wunderschöne "Sound of Silence" bei einer Beerdigung ins Spiel - das einzige Mal neben "The Graduate", dass das Stück in einem Film zu hören ist! Und selbst Nenas "99 Luftballons" darf mal durch die Lautsprecher dringen. Eine wunderbare Klangkulisse, die mit den oft bizarren Soundeffekten bestens einhergeht. Die Akustik in diesem Film ist, wie die Bilder, stets etwas neben der Normalität. Leicht dissonant. Und doch wiedererkennbar.
Dass Snyder technisch etwas auf dem Kasten hat, erstaunt nicht. Doch wie geht er mit einem so komplexen Stoff um? Wie handhabt er so viele Schauspieler? Beides vorzüglich. Die Geschichte mit ihren grossen Themen wird nie langweilig und fesselt auf intellektueller Ebene genauso wie vom schieren Unterhaltungswert her. Und die Akteure zeigen durchs Band eindrückliche Leistungen. Vor allem Jackie Earle Haley ("Little Children") und das charismatische Ekel Jeffrey Dean Morgan ("Grey's Anatomy") liefern Glanzleistungen. Billy Crudup, dessen Verwandlungsszene zu den Höhepunkten gehört, ist als Dr. Manhattan eine durch Motion Capture entstandene CGI-Kreatur - doch seine sanfte Stimme und seine philosophischen Dialoge machen ihn glaubhaft. Manche dürften von seinem entblössten Geschlechtsteil irritiert sein, doch der Mann ist mehr oder minder ein Gott. Was juckt ihn da noch so etwas Profanes wie Hosen?
Patrick Wilson ist sympathisch als teil-impotenter Pseudo-Batman, Malin Akerman etwas steif, aber durchaus überzeugend als Heldin im Latex-Kostüm. Hier hat es sich ganz klar gelohnt, nicht auf grosse Namen zu setzen, sondern Charakterdarsteller zu finden, die ihre Rollen perfekt ausfüllen. Hat Snyder also gar nirgends daneben gelangt? Doch, es gibt ein paar Dinge. Da ist etwa eine Sexszene zur Musik von "Hallelujah", die nahe am Kitsch vorbeischrammt. Dann schleichen sich nach der fulminanten Anfangsphase ein paar Hänger ein. Auch sind die Szenen um den zu überzeichneten Nixon nicht immer gelungen - trotz Anspielungen auf Stanley Kubricks "Dr. Strangelove". Und nicht zuletzt befriedigt das Finale nicht zu 100%. Snyder hat es komplett umgeschrieben, der Riesentintenfisch des Romans kommt nicht mehr vor. Vielmehr wird eine Botschaft auf solide Weise vermittelt - nur eben nicht auf grossartige. Mir fehlte da der letzte Kick.
Doch auch so reicht es beinahe für 4½ Sterne, denn "Watchmen" ist virtuos, weitreichend, intelligent, brutal, temporeich, abgründig, zynisch, düster und erstklassig gespielt. Wir befinden uns in einer Zeit, in der Comicverfilmungen zu hoher Kunst werden, das hat schon The Dark Knight gezeigt. "Watchmen" geht diesen Weg weiter und macht aus einer gezeichneten Vorlage wuchtiges Kino für Erwachsene. Und wem aus der Vorlage zu viel entfernt wurde, der darf sich auf den Release der DVD freuen, wenn ein 190-minütiger Director's Cut sowie eine 205-minütige Fassung erscheinen werden. Ein Film wie "Watchmen" hat solch epische Längen mehr als verdient, denn er muss sich entfalten können. Er atmet Popkultur, er saugt Comic-Style auf. Und liefert uns ein erstes grosses Highlight des Filmjahrs 2009.
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