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Comicverfilmung. GB/D 2005
Alternativer Titel
V wie Vendetta
Regie James McTeigue
Drehbuch Andy Wachowski, Larry Wachowski
Produktion Andy Wachowski, Larry Wachowski, Joel Silver, Grant Hill
Musik Dario Marianelli
Kamera Adrian Biddle
Darsteller Natalie Portman, Hugo Weaving, Stephen Rea, Stephen Fry, John
Hurt,
Rupert Graves, Tim Pigott-Smith, Roger Allam, Sinéad Cusack,
Natasha Wightman
Länge 132 Min.
US-Kinostart
17.03.2006
CH-Kinostart 16.03.2006
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
© Text Marco,
molodezhnaja 14.2.06
© Bilder Waener Bros.
STORY
In naher Zukunft: England wird regiert von High Chancellor Sutler (John Hurt),
der ein faschistoides System eingerichtet hat. Seine Macht basiert auf Angst -
vor Kriegen, Terror und Seuchen. Dafür nehmen die Bürger in Kauf, ihrer
Freiheiten beraubt zu sein. So auch Evey (Natalie Portman), die nach der
Sperrstunde an drei Regierungs-Polizisten gerät. Als die Kerle sie sexuell
missbrauchen wollen, erscheint ein maskierter Mann und prügelt sie k.o. Er
rettet Evey und stellt sich als "V" (Hugo Weaving) vor, ein belesener,
wortgewandter Mann mit einer Mission: Am 5. November das Parlament sprengen und
damit den Akt vollenden, den der Rebell Guy Fawkes 1605 nicht durchführen
konnte. Der Katholik Fawkes flog auf und wurde gehängt. Mit seiner Fawkes-Maske
wird "V" zum neuen Feindbild von Sutler und seinen Schergen.
REVIEW
Die politische Polemik um diesen Film
wird gigantisch sein. Das Spektrum sollte von "linksradikaler
Terror-Verhätschelung" bis "Gnadenlose Attacke gegen Bush & Co." lauten. Dabei
ist der Film beides nicht, sondern ein höchst stimulierender, interessanter
Zukunftsthriller, der uns lehrt, das Gehirn zu gebrauchen und wachsam zu sein
gegenüber der Politik unserer Regierungen. Der zu Grunde liegende Comicroman von
Alan Moore und David Lloyd entstand zwischen 1982 und 1985
und war gedacht als Angriff auf Margaret Thatchers Regierung sowie als Warnung
vor totalitären Entwicklungen in der Politik. Wie nahe manche Szenarien heute an
der Realität sind, gehört sicher zu den beängstigerenden Aspekten des Stoffes.
Doch von Anti-Busch zu reden, ist vermessen. Ersteinmal dreht sich nicht die
ganze Welt um diesen mächtigsten aller Primaten. "V for Vendetta" funktioniert
viel allgemeiner und ist, überspitzt gesagt, grösser als Bush. Er funktioniert
als Parabel auf die Machtergreifung der Nazis ebenso wie als Warnung vor den
Folgen von "Patriot Acts" und "War on Terror" da draussen. Ganz direkt
verurteilt der Film jedoch nur den Faschismus und die ohnmächtige Haltung der
Bürger. Wer seine eigene Ideologie deshalb angegriffen fühlt, sollte seine Werte
dringend überdenken.
Auf der anderen Seite ist es aber auch keine plumpe Glorifizierung von Anarchie oder gar Terror. Der Film verlangt aktives Mitdenken und, wenn alle Stricke reissen, aktives Handeln. Ein wenig fühle ich mich an "Fight Club" erinnert, der ebenso das Ablegen der gesellschaftlichen Fesseln (hier Polit-Diktatur, dort Konsum-Diktatur) fordert, aber gleichsam davor warnt, blind einem neuen Führer zu folgen. "V for Vendetta" macht das etwas plakativer und etwas weniger geschickt als "Fight Club", aber es ist deutlich, dass keinesfalls blinder Kampf im Stile verblendeter Selbstmord-Killer oder hirnamputierter Gotteskrieger gefordert ist. Vielmehr geht es um kritischen Patriotismus. Gerade weil die Grenzen zwischen Terror, Rebellion und Revolution so fliessend sind, ist "V for Vendetta", wenn falsch verstanden, ein gefährlicher Film - und ein ungemein reizvoller, da intellektuell fordernder.
Dass ich bereits zwei Abschnitte über seine Politik referiert habe, ist symptomatisch. Er wird wohl ausschliesslich darauf reduziert werden, ob man seine Ideen unterstützt oder ablehnt, sie versteht oder nicht. Es ist kein heilbringender Befreiungsschlag, aber auch keine naive liberale Propaganda. James McTeige, ehemaliger Regieassistent der produzierenden "Matrix"-Schöpfer Andy und Larry Wachowski, die auch das Drehbuch beisteuerten, versucht in seinem Regiedebüt vielmehr, mit Hilfe einer Comic-Vorlage zum Denken anzuregen. Und die Wahl ist perfekt: So kann er nämlich leicht übersteigern und sich Freiheiten nehmen. Ein Beispiel ist Sutler: John Hurt spielt ihn als gigantischen Big Brother (ironisch-gewitztes Casting, wenn man bedenkt, dass Hurt in "1984" mitspielte), der meist von riesigen Bildschirmen herab schaut. Das ist kein realistisches Abbild irgendeines Führers, sondern die karikierte Fratze des Faschismus. Symbolik, Übertreibung und Abstrahierung sind die Mittel, die McTeigue blendend nutzt. Deshalb fragt man sich auch nur selten, ob dieses Regime so wirklich funktionieren könnte oder wieso Informationen über Missetaten sich nicht schneller verbreiten. Oder wieso Stephen Frys Charakter einmal so naiv ist, eine Satire-Show im TV zu zeigen bzw. wieso er eine Crew gefunden hat, die suizidal genug war, diese Sendung zu drehen. Solche Fragen ist man bereit, beiseite zu schieben, da die Welt von "V for Vendetta" ein paralleles Universum darstellt - eines, das ein paar Freiheiten erlaubt.
Denn es zählt das Ziel: Einen Denkanstoss zu liefern in Form eines packenden Thrillers. Für Spannung sorgen zum einen die Ermittlungen von Stephen Rea, der einen Polizisten spielt, der auf "V" angesetzt ist. Rea spielt famos abgefuckt und wenn er seine Gedanken schweifen lässt, nutzt McTeigue dies meist zu tollen Montagen. Visuell ist er deshalb ebenso spannend. Kameramann Adrien Biddle (1952-2005), dem der Film gewidmet ist, nutzt eine pseudo-realistische, aber düstere Bildsprache mit maximalem Effekt. Ich gebe zu, im Trailer sah das billig aus, doch im Kontext des Films funktioniert es bestens als Brücke zwischen Realität und Fiktion. Der Schnitt auf der anderen Seite gestattet sich ein paar Längen, doch meist laufen verschiedene Handlungsstränge virtuos nebeneinander und es dominieren schlaue Tempo-Wechsel zwischen schnellen Fights und längeren Dialogen.
Genau diese gehören zu den Highlights. Ausgehend vom Reim "Remember, remember the 5th of November: The gunpowder treason and plot - I know of no reason why the gunpowder treason should ever be forgot." (in Erinnerung an Guy Fawkes) bekommen wir eine ganze Serie köstlicher Dialoge vorgesetzt. Manche sind etwas plakativ dazu da, die Fragestellungen deutlich zu machen, andere liefern Wortspiele, welche schwieriger zu entziffern sind. Dass V alles von Shakespeare über Goethe bis "A Christmas Carol" zitiert, macht seine Artikulation noch reizvoller. Zu hören ist dies freilich nur richtig gut in der Originalsprache, da Hugo Weaving den V spricht. Der "Matrix"-Schurke trifft jede Nuance mit seiner Stimme und macht mit der Zeit vergessen, dass er eine Maske trägt - anders als etwa beim Green Goblin ist hier die Maskierung kein Hinderungsgrund, vom Charakter fasziniert zu sein. Ein Charakter übrigens, der einer Figur wie Zorro eher ähnelt, als einem Terroristen.
Nicht minder genial ist Natalie Portman. Prominent wurde die Rolle dadurch, dass sie im Film ihre Haarpracht komplett schneiden lassen musste, doch sie hat mehr zu bieten. Sie ist gleichsam Zugang für die Zuschauer und ebenso kritische Fragestellerin. Sie macht einem bewusst, dass V kein Held ist, sondern ein Monster, das die bezahlen lässt, die es gezüchtet haben. Rache passt eigentlich gar nicht ins Repertoire dieses Denkers, deshalb ist seine Figur ja so reizvoll. Das gilt im Übrigen für die meisten Personen des Films. Fasziniert war ich etwa auch von der Ärztin, gespielt von Sinéad Cusack, deren letzte Szene im Film ein Traum ist. Selbst allzu polemische Szenen werden durch diese Top-Darsteller veredelt - so wie jene mit dem Bischof, die einfach noch hinein musste, um auch der Kirche eins auszuwischen. Oder die Sequenz mit dem Koran im Keller, die so aufdringlich politisch korrekt ist, dass man kurz aus der Konzentration fällt.
Um der Gefahr entgegenzuwirken, mich zu wiederholen, fasse ich zusammen: Ausgereifte Bildsprache, perfekter Einsatz von Musik (Tschaikowsky), Kunst und Popkultur, 1a-Darsteller, spannende Erzählung und Stoff zum Nachdenken - das macht ihn garantiert schon zum Must-See-Film. Anschliessende Diskussionen sind fast Pflicht. Sätze wie "Blowing up a building can change the world" werden zu reden geben, da "World Trade Center"-Allegorien nicht zu umgehen sind. Dabei ist das Schöne daran, dass "V for Vendetta" nicht das Amerika von heute verurteilt, sondern vor dem warnt, das es werden könnte. Es ist trotz allen Parallelen zum Heute eine zeitlose Warnung vor Faschismus, nicht eine vor Busch. Und gerade weil es ein paar Überschneidungen gibt, ist der Film so explosiv. Die Macher rufen nicht dazu auf, Gebäude in die Luft zu sprengen und rechtfertigen Terrorismus nicht. Doch sie zeigen auf, dass Gewalt Gegengewalt erzeugt, dass das Opfern von Freiheit im Kampf gegen Terror ein zweischneidiges Schwert ist und dass wir gegenüber den Taten unserer Regierung stets wachsam sein sollen.
Man muss nicht mit allen Punkten des Films übereinstimmen, um ihn zu mögen, doch wenn ein Werk das Gehirn stimuliert und technisch wie schauspielerisch dazu souverän ist, dann spreche ich gerne eine Empfehlung aus. Geht an den Film mit offenem Geist, schubladisiert ihn nicht als Contra-Bush- oder Pro-Terror-Film. Sonst beraubt ihr euch eines Diskurses, der manchmal plakativ, manchmal demagogisch, manchmal ätzend präzise - und stets faszinierend ist. Dass wir in Ländern leben, in denen derartige Filme überhaupt gedreht werden können (trotz des explosiven Schlussbouquets durfte z.B. in London gefilmt werden), zeigt uns, dass die westliche Freiheit zum Glück noch intakter ist, als es all die Bush-Hasser oft suggerieren wollen - man stelle sich "V for Vendetta" in Iran oder Saudi Arabien vor. Doch er zeigt auf der anderen Seite eben auch, dass wir gerade deshalb kritisch beobachten müssen, auf dass wir diese Freiheit auch in Zukunft nicht verlieren mögen. Das gilt für einen Bush genauso wie für einen Putin, einen Blocher, einen Ahmadinedschad, eine Merkel oder einen Chávez.
Und zum Schluss noch einen kleinen Schritt zurück: Es ist trotz allem nur ein Film. Aber ein guter.
EXTERNE INFOS & REVIEWS
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