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MAIN HOON NA - ICH BIN IMMER FÜR DICH DA Am 27. Mai 2005 um 20.15 auf RTL 2 Zu Besuch bei den Synchronisationsarbeiten in München |
Mit Ich bin immer für dich da (Main Hoon Na, 2004) sendet RTL II zum dritten Mal einen Bollywood-Hit zur Primetime. In guten wie in schweren Tagen (Kabhi Khushi Kabhie Gham, 2001) sowie Lebe und denke nicht an morgen (Kal Ho Naa Ho, 2003) kamen zuvor bei den Zuschauern gut an, vor allem bei den Frauen, die einen Zuschaueranteil von über 70% ausmachten. Auch für Main Hoon Na hoffen die Verantwortlichen natürlich auf gute Quote - und verdient hat es der Masala-Streifen allemal, denn Ich bin immer für dich da ist bestes indisches Entertainment, das schamlos Action, Comedy, Romanze und Musik zu einem unvergesslichen Erlebnis kombiniert.
Als Dankeschön an meine Wenigkeit und die User des molodezhnaja-Forums hat mich RTL II zu den Synchronisationsarbeiten nach München eingeladen. Gleich vorweg: Ich bin kein gewaltiger Fan von synchronisierten Filmen. Ich schaue mir meine Bollywood-Filme immer im Hindi-Original mit englischen oder deutschen Untertiteln an. Aber es ist kaum wegzudiskutieren, dass die meisten deutschen Zuschauer ihre Filme lieber auf Deutsch synchronisiert sehen. Um die grossen Massen zu erreichen, macht sich RTL II deshalb die lobenswerte Mühe, die Bollywood-Juwelen neu zu vertonen.
Und das ist gar keine einfache Aufgabe. Zu den üblichen Fragen, die sich stellen, kommt nämlich ein ganzes Arsenal an neuen Problemen dazu. Primäre Probleme: Wer spricht wen? Was übersetzt man wie? Was betont man wie? All das ist auch bei einem Hollywood-Film die Ausgangslage. Doch bei indischen Filmen sind oft die Tonspuren nicht sauber getrennt, die Tonqualität ist mies und die Bildqualität sowieso. Mit dem bestmöglichen Print macht sich das Team von RTL II deshalb gleich an mehreren Fronten an die Arbeit. Skript, Casting, Aufnahme.
Das Skript macht mehrere Phasen durch, wie Mineau Bauer, die Leiterin der Redaktion Spielfilm bei RTL II, erklärt. Zuerst übersetzt eine sprachkundige Person die Dialoge von Hindi ins Deutsche. Danach werden die Dialoge so umgeschrieben, dass sie besser auf die Lippenbewegungen der Akteure passen. In einem nächsten Schritt wird das Deutsch "poliert", Sätze werden alltagstauglich gemacht, Wörter durch treffendere ersetzt. Selbst bei der Aufnahme spielt Regisseurin Dagmar immer wieder mehrere Varianten durch, bis alle zufrieden sind. "Alle" sind an dem Tag, an dem ich vor Ort war, die Regisseurin, Tontechniker Norbert, Frau Bauer und ihr Redaktionspartner Alexander König. Und natürlich Pascal Breuer.
Er hat den anstrengenden Job, Shahrukh Khan auf Deutsch rüberzubringen. Wer Shahrukh ist, brauche ich den Bollywood-Kennern nicht mehr zu erklären. Für alle anderen eine schnelle Einführung: Der 1965 geborene Khan ist der grösste zeitgenössische Bollywood-Star mit einer Fangemeinde, die von Kapstadt bis Kyoto Milliarden von Menschen umfasst. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man ihn als "beliebtesten Star der Welt" bezeichnet, selbst wenn sein Name bei den meisten Westeuropäern Achselzucken auslöst. Khan spielte in etlichen indischen Blockbustern die Hauptrolle, so auch in Ich bin immer für dich da. Er verkörpert darin den Armee-Offizier Ram, dessen Vater (Naseeruddin Shah) vom Terroristen Raghavan (Sunil Shetty -gesprochen von Pascals Bruder Jacques Breuer) getötet worden ist. Ram will Papas letzten Wunsch erfüllen und seinen verlorenen Bruder ausfindig machen. General Bakshi (Kabir Bedi) erklärt Ram, dass sein Bruder am St.-Pauls-College studiere. Ram wird dorthin verlegt, da auch Bakshis Tochter Sanjana (Amrita Rao) am diesem Ort studiert und er sie vor einer Attacke Raghavans schützen soll. Am College gibt sich Ram als etwas älterer Schüler aus und freundet sich schnell mit dem coolen Lucky (Zayed Khan) an. Der ist niemand anderes ist, als sein Bruder. Und Ram verliert sein Herz - an die Chemielehrerin Chandni (Miss Universe Sushmita Sen).
Damit ist erst ein kleiner Teil des Plots abgehandelt. Regiedebütantin Farah Khan, Bollywoods wohl bekannteste Choreografin, mischt alles nur erdenkliche an Genres und Gefühlen in den Streifen. Ich bin immer für dich da wirft unsere westlichen Sehgewohnheiten deshalb gehörig aus der Bahn - wie es so mancher Bollywood-Film tut. Die Einordnung in ein Genre kann man vergessen. Das Darbieten einer stringenten Gefühls-Kette ebenso. Emotionen brechen heraus, ob Wut, Leidenschaft oder Freude. Und genau das muss auch Shahrukh Khan ausdrücken - beziehungsweise sein Sprecher. Für Pascal, ein Synchronisations- und Bühnenprofi, eine besondere Herausforderung.
Der erste Eindruck, den man von ihm hat: Seine Stimme klingt nicht nach jener von Khan. Muss sie aber auch nicht. Kaum eine deutsche Stimme klingt wie jene des Originals. Vielmehr muss die Energie rüberkommen. Pascal ist etwa gleich alt wie Shahrukh, seine Stimme etwas jünger und höher, aber nach mittlerweile drei Filmen mit seiner Stimme sollten Bollywood-Fans sich daran gewöhnt haben. Minea Bauer erklärt, RTL II habe Pascal auch gecastet, um allfällige ältere Shahrukh-Filme vertonen zu können. Da Pascal jünger klingt als Shahrukh, ist es kein Problem, auch die Filme aus den 90ern zu synchronisieren. Er kann den aktuellen und den "vergangenen" Shahrukh sprechen, was durchaus ein wichtiges Argument ist.
Aufnahme
Die Studios, in denen die Synchronisation stattfindet, liegt auf dem Bavaria-Gelände in Grünwald bei München. Nebeneinander sind mehrere Studios angeordnet, in denen fleissig gequasselt wird. Hier huscht der deutsche Sprecher von "Spider-Man" Toby Maguire aus einer Tür, dort vernimmt man die bekannte Stimme von Bud Spencer, Obelix und Gimli. Es ist Wolfgang Hess, geborener Schweizer, wohnhaft in Deutschland. RTL II hat das Synchronisations-Ass für Kabir Bedi aufgeboten. Hess' rauchig-sympathische Stimme kommt nun aus dem Mund von "Sandokan" Bedi. Ein besonderes Ereignis, das ich leider nicht persönlich anhören bzw. beobachten konnte. Dafür durfte ich den ganzen Nachmittag bei Pascals Arbeit zuschauen.
Er und die Technikerin befinden sich im schalldichten Raum, alle anderen im Nebenraum, kommuniziert wird per Mikro und Lautsprecher. Minea und Alexander erklären mir, dass der Film über 2000 Takes hat. Die Regisseurin unterteilt den Film in kleine Einheiten, die Stück für Stück und einzeln von jedem Sprecher aufgenommen werden. Ein normaler Hollywood-Film hat etwa 800 Takes. Lebe und denke nicht an morgen hat sogar rekordverdächtige 2400. Die Synchronisation dieser Bollywood-Epen ist also ausgesprochen zeitraubend. Kein Wunder bei der Länge von rund drei Stunden.
Und dann gehts los. Auf dem Bildschirm läuft ein Ausschnitt von Ich bin immer für dich da. Danach läuft der selbe Ausschnitt ohne Ton, Pascal spricht den Part nach Drehbuch. Wenns der Regisseurin gefallen hat, gehts zum nächsten Take. Für die meisten Takes macht Pascal mehrere Variationen. "Kannst du mir ein etwas energischeres 'uuuh' geben?" lautet da schon mal eine Anweisung. Jeder Ton muss sitzen - und die Lippensynchronisation darf auch nicht völlig aus den Augen verloren werden. Da werden die Sprechorgane gefordert und Pascal hält seine Stimmbänder wach, indem er zwischen den Takes Dinge wie "ich bin streichzart und leicht bekömmlich" plaudert.
Er ist gut drauf, steht mit der Zigarette im Raum. Ganz passend, immerhin ist Shahrukh Kettenraucher. Manchmal schmatzt er kaum hörbar und "darf" den Take wiederholen, mal atmet er zu laut worauf Norbert ein "atmen nicht erlaubt" ins Mikro spottet. Nach ein paar einfachen Startminuten tauchen kleinere Probleme auf, die es zu lösen gilt. Wie bauen wir den Titel in den Film ein? Wo, damit es nicht zu aufdringlich wirkt? An solchen Entscheiden wird lange herumgebastelt. Noch länger an den Liedern. Nicht den Playback-Songs im Film, die Pascal nicht singen muss (oder darf), sondern an den kurzen Lied-Ansätzen, die Shahrukh im Film von sich gibt.
Kann man Shahrukhs Stimme in diesen Szenen einfach sein lassen? Kaum, sonst stechen die Passagen heraus. Kann man dasselbe Lied singen wie er? In einem Fall trällert Khan von einem Zinnsoldaten, ein Lied, das hierzulande niemand kennt. Die Entscheidung wird gefasst, eine deutsche Alternative einzuspielen. Für den Fall, wo Shahrukh Sushmita etwas vorsingen muss, fällt die Wahl auf "wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt" - mit der Regie-Anweisung "so schlecht wie möglich zu singen" - immerhin krächzt es auch bei Shahrukh im Original gehörig.
Ein Versuch mit "eine neue Liebe ist wie ein neues Leben" wird gestartet. Und mit "weisse Rosen aus Athen ... barambambam". Wie viele Noten davon sind überhaupt gratis? Auch eine Frage, die abgeklärt werden muss. Für die Musik, die im Film einfach kopiert wurde, hat RTL II dagegen keine Verantwortung. In Bollywood wird immer wieder gerne Musik geklaut, in Ich bin immer für dich da nicht zuletzt das Leitthema von "Mission: Impossible". Damit dürfen sich die Anwälte der Produktionsfirma Dharma Productions herumschlagen.
Die grösste Knacknuss des Tages wird leider auf den nächsten verschoben: Pascal soll Shahrukhs "Chandni"-Lied in Hindi singen. Dazu wird ein bengalischer Experte eingeladen, der aber erst am nächsten Tag anwesend sein wird. Einfach ist die Sache nicht, denn der Gesang ist in der gelieferten Tonspur drin. Was RTL II macht, ist eines der weltweit ersten professionellen Dubbings von Bollywood-Filmen, sieht man mal von der Premiere-Fassung von "Lagaan" und französischen Releases wie "Mission Kashmir" ab. In anderen Regionen, etwa der Türkei oder in Südindien, wird die eigene Sprache einfach über die Hindi-Fassung darübergesprochen. Deshalb juckt es auch niemanden, dass Musik und Sprachtrack nicht immer getrennt sind. Nun, da auch Bollywood erkennen darf, dass seine Filme im Ausland professionell aufbereitet werden, dürfte sich das ändern. Vielleicht in 10 Jahren. Na ja, das ist eventuell doch eine zu optimistische Prognose.
Zukunft
Läuft Main Hoon Na gut, wird es weitere Bollywood-Filme auf RTL II geben. Der erste jedoch erst im Herbst, denn RTL II will diese Prestige-Filme nicht in der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit verheizen. Im Herbst steht Veer-Zaara mit Shahrukh Khan und Preity Zinta auf dem Programm. Ebenfalls angekündigt ist Kuch Kuch Hota Hai, der schon als Hochzeit auf Indisch bei arte lief (nicht synchronisiert). Ausserdem hat RTL II die Rechte an folgenden Bollywood-Streifen erworben (die meisten aus dem Hause Yashraj): Swades, Hum Tum, Mujhse Dosti Karoge und Saathiya. Diesen werden weitere Filme folgen - vorausgesetzt natürlich, der Erfolg hält an.
Deshalb: Mobilisiert eure Verwandtschaft, aktiviert eure Kollegen, veranstaltet einen Bollywood-TV-Abend. Bollywood soll im deutschsprachigen Raum weiterleben, RTL II für seinen Einsatz belohnt werden. Die Lizenzen der Bollywood-Filme sind manchmal etwas günstiger als jene der Hollywoodfilme, die Synchronisation aber eine aufwändige und ziemlich teure Sache. Deshalb kostet das Endprodukt mindestens soviel wie ein Hollywood-Film. VOX lässt die Synchro deshalb sein und sendet seine günstig gekauften indischen Filme bestenfalls nach Mitternacht. RTL II hat also bisher weitgehend freies Feld, sieht man von der Bollywood-Woche auf arte ab. Aber Bollywood zur Primetime hat ein sehr gutes, sauberes Image und zieht Werbekunden an. Lässt sich hoffen, dass auch andere Sender dieses Potenzial erkennen. Und wenn nicht - nun, dann freuen wir uns auf weitere Bollywood-Highlights auf RTL II. Natürlich mit Pascal Breuer als Shahrukh Khan.
Ein herzliches Dankeschön an Pascal Breuer, Bavaria und RTL II - vor allem Minea Bauer und Alexander König!
Website Pascal -
http://www.pascalbreuer.de
Website Jacques -
http://www.j-breuer.com/
Website RTL II -
http://www.rtl2.de/
Meine Rezension von Main Hoon Na - http://www.molodezhnaja.ch/india_m.htm#mhn
Bestellung von Main Hoon Na bei amazon.de - http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/B0008MGGL2/molodezhnaja-21
(c) molodezhnaja.ch 26.4.2005