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Abenteuerdrama. USA
Alternativer Titel Schiffbruch mit Tiger
Regie
Ang Lee
Drehbuch David Magee nach dem Roman von Yann Martel
Produktion Ang Lee, Gil Netter, David Womark
Musik Mychael Danna
Kamera Claudio Miranda
Schnitt Tim Squyres
Darsteller Suraj Sharma, Irfan Khan, Adil Hussain,
Tabu, Ayush Tandon,
Gautam Belur,
Rafe Spall, Ayan Khan, Vibish Sivakumar, Gérard Depardieu, Shravanthi Sainath,
Wang Bo-Chieh
Länge 127 Min.
Kinostart (CH) 21.12.2012
Kinostart (US) 26.11.2012
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. |
©
Text Marco, molodezhnaja 23.11.2012
© Bilder 20th Century Fox,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Ein Schriftsteller (Rafe Spall) besucht den in Kanada lebenden Inder Pi Patel
(Irrfan Khan), um von ihm dessen unglaubliche Geschichte zu erfahren. Pi heisst
eigentlich Piscine, um Veräppelung zu verhindern, verleiht er sich im
Pondicherry der 70er den Spitznamen Pi. Er gibt sich verschiedenen Religionen
hin, geniesst das Leben im Zoo, den sein Vater (Adil Hussain) betreibt. Doch als
Pi zum Teenager (Suraj Sharma) herangewachsen ist, will Papa in Kanada die Tiere
verkaufen und dorthin auswandern. Bei der Überfahrt sinkt das Schiff unweit des
Marianengrabens. Nur Pi überlebt auf einem Rettungsboot, seine
Familienmitglieder sind tot, ebenso die meisten Tiere. Ein Zebra, ein Orang-Utan
und eine Hyäne retten sich aber ebenso. Die drei werden alsbald vom vierten
gefressen: dem Tiger Richard Parker. Fortan muss Pi um sein eigenes Überleben
kämpfen und gleichzeitig die Raubkatze versorgen, damit sie ihn nicht anfällt.
REVIEW
"Life of Pi" ist ein Meisterwerk eingepackt in
zwei gröbere Mankos. Am Anfang und am Ende greift Regisseur Ang Lee ein paar mal
daneben, mal weil ihn die Buchvorlage von Yann Martel dazu zwingt, mal eher aus
cineastischen Gründen, aber im Zentrum steht so viel Grosses, so viel Schönes,
so viel Magisches, dass man darüber zumindest leichter hinwegsehen kann. Es ist
etwas frustrierend, wenn hier nicht der opulente, spirituelle Geniestreich
herausgekommen ist, der immerhin angedeutet wird, aber auch das nun vorliegende
Werk gehört immer noch zu den faszinierenderen Hollywood-Filmen des Jahrgangs
2012.
Die beiden Probleme? Die Anfangsphase. Da führt Lee optisch durchaus virtuos,
aber seltsam verkitscht, in die Geschichte ein. Ideen werden uns auf dem
Tablett serviert, etwa wenn der kleine Protagonist drei Religionen gleichzeitig
annimmt und der Vater meint "An alles zu glauben ist dasselbe wie an nichts zu
glauben". Natürlich ist es wichtig, Motive einzuführen, die später relevant
werden, aber dies passiert auf schematische Weise. Schlimmer noch: Sie
werden kommentiert von Irfan Khan, der die unnütze Rahmenhandlung bestreitet.
Khan selbst ist famos, so menschlich, so tief und doch so leicht, eine edle
Performance. Aber zum einen sagt die Rahmenhandlung: Pi wird überleben. Und zum
anderen reisst sie immer wieder aus der Handlung heraus.
Sie ist also zumindest unnötig, im schlimmsten Fall gar störend. Ähnliche
Probleme hat auch das Ende. Da werden wiederum Ideen ausformuliert, die es gar
nicht nötig gehabt hätten. Und der grösste Fauxpas: Eine alternative Geschichte,
was eigentlich vorgefallen ist, wird alleine durch eine Erzählung geboten. Keine
kurze Story, sondern elend lang, und auch wenn Newcomer Suraj Sharma auch
überzeugt, wenn die Kamera minutenlang nur sein Gesicht zeigt, so ist dies doch
grauenhaft uncineastisch. Die Regel "zeigen, nicht sagen" wird gebrochen, und
erst noch auf schmerzhafte Weise, wenn man bedenkt wie glorios zuvor das
Gezeigte ist.
Dieses Lob bezieht sich vor allem auf den Mittelteil. Auch die Anfangsphase ist
schön gefilmt. Die indische Musik gefällt. Der Vorspann ist fast entspannend
schön. Und etliche Schauspieler zeigen starke Leistungen - neben Irfan etwa
seine Namesake-Partnerin Tabu. Doch erst mit dem
Untergang des Schiffes kommt "Life of Pi" wirklich in Fahrt. Schon die
Katastrophe selbst ist virtuos inszeniert und beängstigend, wenn etwa Pi unter
Wasser zusehen muss, wie alles, was er liebte, vom Ozean verschlungen wird, ist
das so majestätisch wie schockierend.
Danach glänzen vor allen zwei Aspekte: Suraj Sharma und die Spezialeffekte.
Sharma ist ein Debütant, der jedoch erstaunlich gut die Last des Films trägt und
unserer Interesse selbst dann Aufrecht hält, wenn er nahezu alleine auf der
Leinwand ist. Eine wahre Entdeckung. Die Show stielt ihm höchstens Richard
Parker: der Tiger. In wenigen Szenen ist es ein echtes Tier, der Rest sind
Tricks aus dem Computer, aber so famos animiert, dass man den Unterschied nie
merkt. Der Tiger wirkt immerzu echt, das gilt auch für sein Wesen. Er ist nie
vermenschlicht, sondern bleibt Raubkatze. Was wir in seinen Augen sehen, ist
eventuell die Reflektion unserer eigenen Seele - so wie es Pi von seinem Vater
gesagt bekommt.
Eine von mehreren Botschaften, die der Mittelteil von "Life of Pi" so schön
herüberbringt. Eine weitere ist, dass wir Menschen klein sind im Vergleich zur
Natur und zum Universum. Lee setzt dies visuell um, wenn Meer und Himmel oft
ineinanderlaufen und das kleine Rettungsboote dagegen unscheinbar wirken lassen.
Und nicht zuletzt predigt der Film, wie das Leben nie vollständig und komplett
sein kann. Das Behelfs-Boot, auf dem Pi treibt, hält nicht ewig. Beziehungen
heben nicht ewig. Und manchmal ist uns nicht einmal ein Abschied gegönnt - was
Irfan Khan in der berührendsten Szene des Films darlegt.
Und all das in 3D. Lee setzt die Technik fantastisch ein, lässt zwar Elemente
manchmal herausragen, aber sehr bewusst. Der Rest ist Tiefe, die die Zuschauer
oft staunen lässt. Manchmal sind die Anblicke schlicht surreal, Fische, Wale,
Erdmännchen. Die Dichte an faszinierenden Szenen ist gross. Und so eben verzeiht
man "Life of Pi" seine Überlänge, seine etwas holprige Erzählweise in Anfangs-
und Schlussphase. Sich dem Film einfach hinzugeben, seine spirituelle Atmosphäre
zu atmen - das fällt leicht. Die bei dem Titel wohl ideale Bewertung wäre
natürlich 3.14 - aber die zutreffende liegt deutlich näher bei 4.
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