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Actionthriller. USA/GB 2006
Alternativer Titel
James Bond 007: Casino Royale

Regie Martin Campbell
Drehbuch Neal Purvis, Robert Wade, Paul Haggis
Produktion Barbara Broccoli, Michael G. Wilson
Musik David Arnold
Kamera Phil Meheux
Schnitt Stuart Baird
Darsteller Daniel Craig, Eva Green, Mads Mikkelsen, Judy Dench, Giancarlo Giannini,
Jeffrey Wright, Caterina Murino, Simon Abkarian, Isaach De Bakolé, Carlos Leal
Länge 144 Min.

US-Kinostart 17.11.2006
CH-Kinostart
23.11.200
6

 

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik

©  Text Marco, molodezhnaja 9.11.06
©  Bilder Buena Vista/MGM, Screenshots molodezhnaja


STORY
In Prag führt James Bond (Daniel Craig) zwei Morde für den britischen Geheimdienst MI6 aus. Dafür verleiht ihm M (Judi Dench) den Status eines Doppel-0-Agenten mit der Lizenz zum Töten. Sein neuer Auftrag führt ihn nach Afrika, wo er einen Terrorfinancier verfolgt und in einer Botschaft tötet - gefilmt von Videokameras. Das löst daheim fast einen Skandal aus, worauf Bond untertauchen muss: Auf den Bahamas, wo er den Kontaktmann des
Getöteten vermutet. Er nimmt die Spur von Alex Dimitrios (Simon Abkarian) auf und erkennt, dass dessen Boss Le Chiffre (Mads Mikkelsen) hinter den jüngsten Finanzierungen des internationalen Terrors steckt. Er verpatzt den jüngsten Coup von Le Chiffres und sichert sich eine Einladung zu dessen Pokerturnier in Montenegro, wo um Millionen gespielt wird. Bonds Einsatz-Geld soll die Agentin Vesper Lynd (Eva Green) verwalten.

 

REVIEW
Endlich hat das Gezeter um Daniel Craigs angebliche Fehlbesetzung ein Ende. Der Film ist da und all die, welche Craig als zu blond, zu schwach und zu wenig schön einstuften bekommen ihr blaues Auge ab: Der Kerl ist klasse. Und eigentlich gab es ja nie einen Grund, daran zu zweifeln, denn mit einem einigermassen guten Mann kann ein talentierter Regisseur einen Bond-Streifen hinbekommen, schliesslich definiert das Drumherum jeden Bondfilm genauso stark wie der Star selbst. Nur so ist es zu erklären, dass der schwächste 007 (George Lazenby) in einem der besten Filme ("On Her Majesty's Secret Service") dabei war. Aber was macht einen Bond denn sonst aus? Da hakt "Casino Royale" ein.

Der Film schliesst an den neuen Hollywood-Trend der "zurück zu den Wurzeln"-Auffrischung an, die die 007-Reihe alle paar Folgen durchmacht (You Only Live Twice -> On Her Majesty's Secret Service, Moonraker -> For Your Eyes Only, A View to a Kill -> The Living Daylights). Filme wie Batman Begins habens jüngst wieder vorgemacht und selbst die "Mission:Impssible"-Reihe kehrte nach einem gestylten Mittelteil bereits in der dritten Episode wieder zurück zu den Ursprüngen. Wenn man keine Ideen mehr hat, greift man eben auf die Ur-Idee zurück, so das Motto. Im Falle von Bond ist das Ian Flemings Romanserie, aber auch ältere Bond-Filme wie "From Russia With Love", die noch nicht als solch aufgeblasene Comic-Actionfilme daher kamen wie etwa jene der Pierce-Brosnan- und späten Roger-Moore-Ära. Das Motto: "Casino Royale" ist grober, realistischer, härter, düsterer. Gut so. Aber ist es dann noch Bond?

Auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen - für mich gehört auch dieser absurde Touch, diese Welt voller Hilfsmittel, Spielzeuge und altersschwachem Sexismus zu den Bond-Filmen. Wenn ich mich an meine liebsten Bond-Filme erinnere, dann ist das immer ein Zusammenspiel aus Bösewichten, Welteroberungsplänen und Ausrüstungen. Ich liebe "The Spy Who Loved Me" mit seiner Unterwasserstadt und dem Megalomanen Stromberg. So etwas will ich nicht gänzlich aufgeben und darum gefiel mir auch Die Another Day sehr gut, da er auch seine technologiegierige Kalte-Krieg-Inspiration nicht verleugnete und primär wegen der möchtegern-modernen Regie von Lee Tamahori, einem der schwächsten Bond-Regisseur der Geschichte, negativ auffiel. "Casino Royale" dagegen lässt all das zurück: Er will der harte neue Bond sein und dadurch entfernt er sich etwas davon, was für mich ein echter Bond ist - und damit meine ich nicht nur Q und Miss Moneypenny. Die Grenze zu anderen Actionserien verschwindet, nur die Musik, der Vorspann und die übrig gebliebenen Bond-Ideen bilden eine dünne Trennlinie. Ist damit der Film ein Reinfall? Oh nein, im Gegenteil.

Auch wenn es in manchem "back to the roots"-Belangen kein Bond komplett nach meinem Gusto ist, so ist es doch ein erstklassiger Actionstreifen. In den letzten Jahren ist das Genre des Actionfilms fast ausgestorben, "Casino Royale" bringt es mit einem Knall zurück aufs Parkett. Nach dem in Schwarzweiss gedrehten Auftakt, dem witzig-traditionellen Vorspann (leider ohne sexy Frauen) und dem schlechtesten Titellied aller Zeiten (unpassender 08/15-Weichspülerrock) findet Martin Campbell - zum zweiten Mal nach dem Brosnan-Erstling "GoldenEye" im Regiestuhl - schnell seinen Ton. Dank dem herausragenden Daniel Craig, der an Sean Connerys Macho-Posen anknüpft und noch eine Spur kantiger und eingebildeter herüberkommt. Aber auch dank Judi Dench, mit der er sich köstliche Wortgefechte liefert. Vollends gefangen nahm mich der Film mit seiner ersten Verfolgungsjagd in Afrika. Sie erinnert in ihrem Durch-alle-Hindernisse-Verfolgen-Stil an "Banlieu 13", aber mit deutlich mehr Aufwand. Wie der top-athletische Parkour/Free-Running-Profi Sebastien Foucan über alle Objekte hinweg flieht und 007 ihn mit Schlauheit und Abkürzungen zu erwischen versucht, ist vielleicht die Actionsequenz des Jahres. Pures Adrenalin für gute zehn Minuten (könnten auch weniger sein, ich hatte keine Zeit, um auf die Uhr zu schauen).

An diesen Pegel kommt "Casino Royale" später nie mehr heran, auch wenn eine zweite Sequenz auf dem Flughafen Miami fast genauso heftig und rasant ist - inklusive köstlichem Pay-off. In Sachen Action macht Bond kaum jemand etwas vor, sie wirkt echt, sie wirkt hart und unglaublich schnell. Der Rest ist auch überraschend typisch Bond - trotz dem Mantra der Neuausrichtung. Da sind die Strände, die schönen Frauen (Caterina Murino nur kurz, aber heftig) und Bonds treffsicheren Einzeiler. Der Film schaltet einen Gang herunter, als Eva Green die Szenerie betritt, dafür gewinnt er ab da andere Reize.

Eva Green ist ein ungewöhnliches Bond-Girl, aber ein hervorragendes. Ihre Chemie mit Daniel Craig ist göttlich, ihre Dialoge eine Freude. Und die junge Frau sieht einfach zum Anbeissen aus. Beim Texas-Hold'em-Pokern, inklusive dem Schweizer Carlos Leal und einem Schweizer Banker (ein Danke an die Schweiz, dem Land mit der weltweit höchsten Bond-Kinobesucher-pro-Kopf-Quote), kann Daniel Craig sein Pokerface perfekt einsetzen. Sein Gegenüber ist der Däne Mads Mikkelsen, ein nicht megalomanischer, aber dennoch cooler Bösewicht. Er kommt leider etwas wenig vor und hat einen schwachen Abgang, doch Mads macht saubere Arbeit. Wie eigentlich alle Akteure im Film. Bond kann in den Casino-Szenen einige neue Gefahren meistern, besonders gut sind eine Vergiftung und die Nach-Fight-Beruhigungsdusche mit Eva Green. Sehr schön gemacht.

Doch bei allem Lob hat "Casino Royale" eine ganz gravierende Schwäche: die letzte halbe Stunde. Der Film ist per se zu lang (fast zweieinhalb Stunden) und nach einer herrlichen Folterszene, in der Bond zeigt, dass er sprichwörtlich Eier aus Stahl hat, hält die Story regelrecht an. Es folgt ein zerstückelter Pseudo-Epilog, ohne Richtung, ohne Stil. Mir ist klar, wohin Campbell will, doch als Zuschauer ist mal viel eher da - was passieren muss, ist zu offensichtlich, was beabsichtigt ist, wird schnell klar. Und doch bleibt man lange hängen in demselben Plot-Loop. Aus dem gibt es denn auch kein richtiges Entkommen mehr und das Finale ist das antiklimaktischste der Bond-Geschichte. Zum Glück verabschiedet er sich mit den Worten "Bond, James Bond", sonst bliebe sogar ein Frust zurück angesichts dieser unkontrolliert inszenierten letzten halben Stunde, die dem Film alle Energie entzieht. Kombiniert mit dem ätzenden Titellied (habe ich erwähnt, wie sehr ich es hasse?) sind das die Hauptgründe, warum ich 4 Sterne nur knapp gebe. Die Plus-Seite ist aber einfach stärker. Eva Green, Daniel Craig, Judi Dench, der Aston Martin, die Action, die Action, die Sprüche ("Christ, I miss the cold war"; "shaken or stirred, sir?" "Do I look like I give a damn?"), die Dialoge, das Pokern, die bekannten Bond-Melodien, der Vorspann, die Drehorte. Ja, ich will mehr davon. Beim nächsten muss dann hoffentlich niemand mehr Bond neu erfinden. Gebt uns einfach bald ein neues Abenteuer von derselben Güte und ohne den schwachen Schluss. Und ich bin glücklich.

PS: Die Liste meiner Bond-Favoriten habe ich updated - keine Garantie dafür, dass sie lange so bleibt, die wechselt alle paar Monate leicht ...

 

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