The Brown Bunny (2003)

US-Start: 27.8.2004
CH-Start: 12.8.2004


Regie: Vincent Gallo
Buch: Vincent Gallo
Produktion: Vincent Gallo
Kamera: Vincent Gallo
Schnitt: Vincent Gallo
Cast: Vincent Gallo, Chloë Sevigny, Cheryl Tiges
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Kritiken:
Roger Ebert über die 120-Min.-Version 0/4 I had a colonoscopy once, and they let me watch it on TV. It was more entertaining than "The Brown Bunny."
Roger Ebert über die 90-Min.-Version 3/4
As a study of loneliness and need, it evokes a tender sadness.
James Berardinelli 1½/4 One long, self-indulgent bore

 

Review:
9.6.04

Es ist bezeichnend, dass die beiden schlechtesten Filme, die ich im letzten halben Jahr im Kino gesehen habe, mit Motorrädern zu tun haben. Doch ansonsten gibt es wenig Gemeinsamkeiten zwischen der Action-Gurke Torque und der Gurken-Action "The Brown Bunny". Torque war einfach ein misslungener Film, einer, der vor Dummheit strotzte. "The Brown Bunny" gehört jedoch in eine andere Liga. Ausdrücke wie "langweilig" und "prätenziös" kommen gar nicht an das Gefühl heran, das dieses Machwerk auslöst. Roger Ebert, der den Film als den schlechtesten betitelte, den er jemals in Cannes gesehen hat, meint "ich hatte einmal eine Darmspiegelung, die ich am TV mitverfolgen durfte. Sie war unterhaltsamer als `The Brown Bunny`" - absolute Zustimmung: "The Brown Bunny" ist einer der schlechtesten Filme aller Zeiten.

Das Unwerk ist ein Soloprojekt von Vincent Gallo, der auf allen Ebenen versagt. Produzent Gallo hätte diesen Quatsch nie finanzieren dürfen, Autor Gallo hat wenig Ahnung vom Drehbuch und Dialoge Schreiben, Regisseur Gallo gibt dem Ausdruck "Langeweile" eine neue Dimension, Kameramann Gallo sollte aus der Gewerkschaft geworfen werden, Editor Gallo muss dringend nochmals zur Filmschule (dann wäre "The Brown Bunny" wohl 15 Minuten lang) und Schauspieler Gallo hat keine Chance, sich zu entfalten, weil die anderen Gallos so grässlich daneben gelangt haben. Schauspieler-Gallo ist Bud Clay, ein Motorrad-Fahrer, der sein Gefährt in seinen Minibus ladet und vom US-Osten losfährt. Sein Ziel ist Kalifornien, wo das nächste Rennen stattfinden soll. Doch er sehnt sich auch nach etwas. Nach seiner Freundin Daisy Lemon (Chloë Sevigny). Er besucht ihre Eltern, sucht sie auf dem Strich - und findet sie tatsächlich ...

Dann folgt die Szene, die für 95% der Zuschauer der Grund sein dürfte, sich "The Brown Bunny" anzusehen: Chloë gibt Vincent einen Blowjob. Und weil die beiden real mal ein Paar waren, gibt sie ihm einen echten. In der ursprünglichen 120-Minuten-Version, die in Cannes gezeigt wurde, dauerte das Blasen satte 10 Minuten. Dazu jault Gallo ununterbrochen "nun lutschst du keinen anderen Schwanz mehr" oder "nie mehr fickst du einen anderen" - und die arme Chloë versucht mit einem Ständer im Mund noch halbwegs zu schauspielern. Hören tut man davon natürlich bloss ein Wimmern und Grunzen. Damit kann man auch bereits die Highlights des Films aufzählen: Das titelgebende Häschen, das bei Daisys Eltern lebt, ist supersüss. Der Shot, in dem Gallo in die Wüste fährt und im Nichts verschwindet, ist toll. Gallo sieht viel besser aus als im widerlichen Trouble Every Day und im belanglosen Stranded: Náufragos - und seine wunderschönen blauen Augen sowie seine potente Männlichkeit machen eine gute Figur. Moment. Ja, das wars. Der Rest ist eine cineastische Vergewaltigung.

Was "The Brown Bunny" so schwer erträglich macht, ist sein Narzismus. Gallo bildet sich ein, er mache einen gewichtigen, bewegenden Film. Und tatsächlich hat es am Ende einen nüchternen Twist, der dem Film eine neue Dimension verleiht und es lohnend macht, das Gesehen nochmals zu reflektieren - aber bis zu diesem Punkt hat Gallo schon so viele Hirnzellen beim Zuschauer zerstört, dass man ihm das nicht mehr vergeben kann. Nicht enden wollende Einstellungen, die miserabel geframet sind, fallen einem sofort auf. So wackelt die Kamera am Anfang auf Teufel komm raus. Und später im Auto ist sie so montiert, dass man Gallos Ohr studieren kann, während der Rest des Gesichts abgeschnitten ist. Eine beleidigende Art, die Kamera zu führen. Dann bringt er nie einen Cut. Der Film läuft und läuft und läuft. Gallo beim Pinkeln, Gallo beim Autofahren, Gallo beim Heulen, Gallo beim Autofahren, Gallo beim Smalltalk, Gallo wieder beim Autofahren, Gallo beim Küssen einer fremden Frau. Er küsst ziemlich viel. Die wenigen, die den Film verteidigen, sehen darin die Suche nach seiner Daisy. Oder Ablenkung von seiner Suche nach Daisy. Oder die Suche nach einem neuen Lebenszweck. Tatsächlich ist Selbstdarsteller Gallo aber bloss ein grauenhafter Sexist. Der bekenennende konservative Republikaner nimmt sich die Frauen (die alle Blumennamen haben: Violet, Lilly, Rose, Daisy) wortlos, so wie sie ihm vor die Füsse fallen. Jede Frau will schliesslich Vincent Gallos Zunge reingesteckt bekommen, oder? Besonders scheusslich die Sequenz, in der er Cheryl Tiges wortlos fünf Minuten lang abschlabbert. Einfach so. It's a macho world.

Aber ich tue ihm unrecht. Gallo will kein Macho sein. Er tut so sensibel, weint manchmal fast und kratzt sich oft am Kopf. Ja, es geht etwas Gewichtiges vor in dieser Beule. Es ist wohl nur der Gedanke, wie er an den nächsten Blowjob kommen kann und die Bläserin danach als Nutte anfeinden kann. "The Brown Bunny" ist einfach ein grauenhaft selbstgefälliger, sexistischer, eingebildeter, untalentierter und todlangeweiliger Streifen, den man sich nicht antun darf. Jeder Amateurporno hat mehr Verstand, mehr Sex, ja mehr Qualität. Filme wie diese geben dem Kunstkino einen schlechten Namen. Doch ich bin überzeugt, einige Feuillton-Kritiker werden den Film mit Lobhudelei eindecken. Er sei sehr persönlich, sehr tiefgründig, meditativ und natürlich kompromisslos. Er sei so introspektiv, betörend wie eine Ballade. Und so herrlich un-Hollywood. Alles Blödsinn. Es ist das Amateurvideos eines selbstüberschätzenden Egomanen.

In Cannes dachten einige Kritiker so, namentlich Roger Ebert. Gallo hat auf diese Angriffe hin eine beispiellose Entschuldigung abgelegt. Der Film sei "a disaster and a waste of time. I apologize to the financiers of the film, but I must assure you it was never my intention to make a pretentious film, a self-indulgent film, a useless film, an unengaging film." Später zog er diese Aussage zurück und ging in die Offensive. Er nannte Ebert ein fettes Schwein mit der Physis eines Sklavenhändlers. "I'm sorry I'm not gay or Jewish, so I don't have a special interest group of journalists who support me" fügte er an und zeigte einmal mehr, in welche Ecke er gehört. Allerdingst dürften seine republikanischen Freunde mit dem Oralsex auf der Leinwand nicht gerade viel anfangen können. Wie dem auch sei: Roger Ebert hatte recht, das muss ich ihm eingestehen. Aber ich gehe weiter. "The Brown Bunny" ist nicht nur einer der schlechtesten Filme der Cannes-Geschichte, sondern einer der übelsten aller Zeiten. Ed Wood dachte auch, er sei ein talentierter Filmemacher und drehte einige der grössten Undinger der Geschichte. Vincent Gallo gehört in dieselbe Kategorie. Ich gönne ihm ja, dass er sich zwei Stunden lang (Cannes-Cut) bzw. 93 Minuten (definitiver Cut) lang auf der Leinwand betrachten kann, seinen Pimmel auf zwei Meter ausgedehnt sieht und er von Chloë Sevigny eins geblasen bekommt (wie viele Takes brauchte das wohl?). Das alles gönne ich ihm. Aber er sollte es uns nicht zumuten. Ich hatte noch nie eine Darmspiegelung, muss also einen anderen Vergleich herbeiziehen. Doch keiner trifft es wirklich. Deshalb hat Roger Eberts hübsche Antwort auf Gallos "fat pig"-Attacke das Schlusswort: "It is true that I am fat, but one day I will be thin ... and he will still be the director of 'The Brown Bunny.'"

PS 1: In einem der peinlichsten Rückzieher der Kritiker-Geschichte hat Roger Ebert den Film in Schutz genommen. Die Atmosphäre in Cannes sei vergiftet gewesen. Und die 24 weggeschnittenen Minuten hätten den Film gerettet. Also von 0 Sterne auf 3 Sterne. Die Kritik ist ein einziges Winden und Rotieren. Ich halte viel von Ebert, aber mit diesem Schritt hat er sich blamiert. Was ist passiert? Er hatte eine Unterredung mit Gallo. Und die zwei verstanden sich gut. Freunden gibt man halt keine schlechte Kritik ...

PS 2: Trailer und Bilder gibts hier: http://www.up4u.net/cms/go.php?pagename=Movie/TheBrownBunny

PS 3: Und alle, die wissen wollen, welche Szene wirklich wichtig ist, sollten sich das Cover des Soundtracks ansehen. Sex sells. Auch im Arthaus-Kino:



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