Troy (2004)

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US-Start: 21.5.2004
CH-Start: 20.5.2004


Regie: Wolfgang Petersen
Buch: David Benioff, inspiriert von Homers "Illias"
Produktion: Wolfgang Petersen, Diana Rathbun, Colin Wilson
Kamera: Roger Pratt
Musik: James Horner
Cast: Brad Pitt, Eric Bana, Orlando Bloom, Diane Krüger, Sean Bean, Brian Cox, Peter O'Toole, Brendan Gleeson, Saffron Burrows, Julie Christie, Julian Glover, Garrett Hedlund
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Kritiken:
Roger Ebert (USA) 2/4
Pitt is modern, nuanced, introspective; he brings complexity to a role where it is not required.
James Berardinelli (USA) 2½/4
Pitt defines the term "miscast."
Peter O'Toole Ugh, what a disaster. The director, that Kraut, what a clown he was. When it was all over, I watched 15 minutes of the finished movie and then walked out. At least I had one good scene.
(c) Warner Bros.

 

Review:

5.5.04

Brad Pitt ist für mich ein Halbgott Hollywoods, das ist sicherlich kein Geheimnis. Seine Filme wie Fight Club, "Seven" und "Thelma & Louise" gehören zu den besten aller Zeiten. Die Messlatte, die ich bei ihm ansetze, ist dementsprechend hoch - und bei "Troy" hat er sie nicht immer gemeistert. Dazu später. Dass dieser vergötterte Göttergatte mit dem göttlichen Sixpack einmal einen Halbgott spielen muss, lag auf der Hand. Nun tut ers. Er spielt Achilles, den grössten Krieger Greichenlands. In Wolfgang Petersens Historienepos "Troy", inspiriert (laut Credits) nicht adaptiert von Homers Versroman "Ilias". Dem vielleicht teuersten Film aller Zeiten.

Die Story reisse ich kurz an - über Spoiler mache ich mir keine Sorgen. Schliesslich ist die Handlung weitgehend bekannt. Wer aber mit Begriffen wie "trojanisches Pferd" oder "Achillesferse" (bzw. Achillessehne) nichts anfangen kann, sollte sich vielleicht erst den Film ansehen und Bauklötze staunen. Hier der Handlungsaufbau: Hektor (Eric Bana) und sein jüngerer Bruder Paris (Orlando Bloom), die Prinzen von Troja, sind zu Besuch bei Menelaos (Brendan Gleeson), dem König von Sparta. Sie feiern den Frieden. Doch Paris hat anderes im Sinn: Er stiehlt sich in die Gemächer und schläft mit der schönen Helena (Diane Krüger), der jungen Frau von Menelaos. Bei der Rückkehr nach Troja muss Hektor schockiert erfahren, dass sein Bruder die geliebte Helena entführt hat. Für eine Rückkehr ist es zu spät. Menelaos kocht bereits vor Wut. Er tritt an seinen Bruder, den machtgierigen Mykene-König Agamemnon (Brian Cox), der Griechenland geeint hat und sich Troja nur zu gerne einverleiben würde. Menelaos und Agamemnon vereinbaren einen Kriegszug gegen Troja. Doch für diesen grössten Krieg brauchen sie den grössten Krieger: Achilles (Brad Pitt).

Von ihm heisst es, seine Mutter Thetis (Julie Christie) sei eine Göttin. Deshalb sei er so gut wie unverwundbar. Diese Eigenschaft hat ihn arrogant gemacht, zu einer unkontrollierbaren Kriegsmaschine. Agamemnon hasst ihn - und kennt nur einen Weg, ihn zu zähmen: Odysseus (Sean Bean) soll ihn überreden, am Krieg teilzunehmen. Thetis erklärt Achilles, wenn er nicht gehe, werde er eine Familie haben, die ihn liebt. Wenn er jedoch gehe, werde sein Namen für alle Zeit voller Ehrfurcht ausgesprochen - aber er werde den Tod finden. Achilles geht und landet mit 50'000 Griechen an Trojas Küste. König Priamos (Peter O'Toole) lässt Hektor die Verteidigung organisieren. Seine Frau Andromache (Saffron Burrows) ahnt, dass dies Hektos schwerser Kampf wird. Denn ihm gegenüber steht Achilles, der bereits am Strand ein Massaker anrichtet und den Tempel Apollos stürmt. Dort findet er die junge Priesterin Briseis (Rose Byrne), Hektors Cousine, die sein Kriegerherz erweicht ...

Das ist in etwa die erste Stunde und Petersen hat ein wenig Mühe, alles aufzugleisen. Die Dialoge von Krieg, Ehre und Liebe hat man irgendwann mal gehört - sie enden auch nicht, sondern sind fast das einzige, worüber in dem Film gesprochen wird. Liebe, Ehre und Krieg. Und Letzteres kommt dann erst richtig zum Zug. Petersen ist einer der grössten Schwachpunkte an "Troy", das muss ich gleich vorweg sagen. Der Deutsche ist ein guter Regisseur, ein formidabler Techniker - aber filmische Visionen sehe ich von ihm selten. Man überlege, was ein James Cameron aus dem Stoff gemacht hätte. Beim direkten Vergleich gegen Ridley Scott verliert Petersen ebenfalls: Gladiator hat einen besseren Fokus, eine besseres Drei-Akt-Drehbuch, einen fantastischen Protagonisten, bessere Musik und eindrücklichere Shots. Es ist der abgerundetere Film. "Troy" hingegen, bei aller handwerklicher Professionalität, hat das Feeling eines Baukastens. Petersen hat die Elemente verknüpft, orchestriert und interpretiert, aber an wenigen Stellen hat man wirklich das Gefühl, der Drive des Films haue einen um. Doch eben, nach einer Stunde gewinnt der Film an Kraft. Die Schlachten sind mit der Zeit repetitiv, aber doch stets interessant. Sie sind brutal, aber nicht grob à la "Braveheart". Die 1:1-Kämpfe sind geiler, insbesondere Brads genialer Kampfstil, den der Choreograf als "Power eines Boxers mit der Gewschwindigkeit eines Skateboardfahrers" umschreibt. Die Effekte sind solide, auch wenn man von den Pixel-Armeen auch mal genug hat. Den Anspruch des Epos' löst Petersen definitiv ein. Mit gigantischen Kamerafahrten, riesigen Sets, Massenszenen und epischer Musik von James Horner. Der Soundtrack ist zwar hie und da schwach und Hans Zimmers Gladiator war definitiv der bessere Score - aber der Gesamteindruck, die technische Seite des Werks, ist fast durchs Band positiv hervorzuheben.

Das bringt mich zu detaillierteren Erklärungen betreffend Drehbuch und Schauspielern. Derartige Erläuterungen beginnen und enden mit Brad Pitt. Er kassierte 20 Millionen für den Film, verliess dafür Darren Aronofskys "The Fountain" und ist eindeutig der Star. Seine Physis haut einen um. Er war ja schon in Fight Club und Snatch durchtrainiert, aber für "Troy" hat er noch mehr schiere Muskelmasse zugelegt. Sechs Monate knallhartes Training - würdig für einen Gotteskrieger. Die eindrücklichste Szene diesbezüglich ist die, in der er vor Briseis seine Rüstung auszieht. Beinahe nackt (es gibt drei fast-Ass-Shots, Anmerkung für die Damenwelt ...) und komplett mit Dreck und Schweiss überzogen, stellt er seinen Body zur Schau. Dass der Kerl fast 40 ist, ruft Neid hervor. Druch das Training wirkt sein Gesicht zwar aufgedunsen und rundlich (in Fight Club war er attraktiver), aber in Kombination mit seinem Charakter ist Brad das, was man in meinen Breitengraden als "geilä Siäch" bezeichnet. Achilles ist nämlich tough, arrogant und viril. Ich hätte mir gewünscht, dass die Arroganz ihn noch widerlicher gemacht hätte. Schliesslich ist der Kerl beinahe unverwundbar, sieht toll aus und wird von allen bewundert - da kann das eigene Ego schon mit einem durchgehen. In den Fights tut es das auch und das macht Achilles interessant. Petersen konnte ihn nicht noch abstossender machen, da sonst der jetzt schon etwas unglaubwürdige Wandel zum verliebten Soldaten nicht funktioniert hätte. Aber Brad ist definitiv in den Momenten am besten, in denen er ganz und gar Krieger ist - vor allem in der brillantesten Szene des Films: dem Fight zwischen Hektor und Achilles.

Weniger geglückt sind seine Dialoge. Ich mag eigentlich, wie Pitt spricht. Seine Zeilen in Fight Club sind unsterblich und auch in "Troy" hat er so manch guten Satz. Doch er ist nur wirklich gut, wenns ums Martialische geht. Brad hat die Fähigkeit, teifgründige Dinge in hipper Form auszudrücken, deshalb war er perfekt als Tyler Durden. Doch sobald ein historisch bedingtes Pathos mitschwingen soll, wirkt er deplaziert und es gab so manche Szene, in der ich gehofft habe, er sage weniger und kämpfe mehr. Es tut mir weh, das zu sagen - aber ein Russell Crowe ist in solchen Momenten die bessere Wahl. Ein Satz wie "what you do in life, echoes in eternity" (der hier übrigens fast kopiert wird) hat aus seinem Mund einfach eine bessere Resonanz. Obwohl beide Schauspieler markige Stimmen haben ist Brad bei solchen Szenen unterlegen. Aber all dies beiseite: er hinterlässt einen starken Eindruck. Dieser Kampfmaschine möchte man jedenfalls nicht begegnen. Als Dank gabs eben 20 Millionen und Sex mit der 17-jährigen Briseis. Nicht schlecht für einen 40-Jährigen.

Noch besser als Brad ist unter den Jungen Eric Bana. Seine etwas reserviertere Rolle passt ihm perfekt. Und doch punktet er auch, wenns ums Dreinschlagen geht. Es ist zwar lästig, dass er sich vor dem Fight gegen Brad von vier Leuten verabschieden muss (auch in solchen Momenten versagt Petersen), aber Bana verleiht selbst solchen Szenen Würde und Gewicht. Anders Orlando Bloom. Er spielt einen Weichling und Schwächling. Kein Gewicht, kein Rückgrat. Es ist schon traurig, dass wegen seiner Teenage-Libido Tausende von guten Männern sterben müssen - aber das ist sein Part. Deshalb mag man ihn auch nicht besonders. Doch tief in einem drin sagt man sich wohl: das bin ich. Lieber Sex und Lebensfreude als Ehre und Tod. Lieber ein wenig feige sein, Ehre ist für die anderen. Paris ist in gewisser Art der modernste der drei jungen Männer und das macht die Ablehnung vielleicht noch stärker. Wir (vor allem die Männer) wollen nicht unbedingt sehen, dass wir keine solchen heldenhaften Krieger sind. Orlandos Spiel hält uns einen Spiegel vor. Okay, zugegeben, wenn ich in den Spiegel schaue und Orlandos Body erblicken würde (jaja, Legolas hat eifrig trainiert) und nebenan Diane Krüger entdecken würde, das wäre schon was Schönes - aber sein Charakter ist sicher nicht der ehrenvollste. Sein Spiel? Ganz okay. Bloom ist noch jung und das ist die Krux bei vielen von Hollywoods jungen Lieben: Die muss frisch und stürmisch wirken, doch die Akteure sind oft noch zu jung, um dies überzeugend spielen zu können. Würde man erfahrenere Akteure nehmen, wäre es keine junge Liebe mehr. Ein klassischer Catch-22.

Brian Cox ist fulminant und eklig. "Then every son of Troy ... shall die" aus seinem Mund wirkt wie Gift. Brendan Gleeson ist ebenso eindrücklich. Ein alternder Herrscher, der es eigentlich etwas lockerer im Leben nehmen wollte. Doch dann passiert das, was den älteren Männern am meisten weh tut: ein Jüngerer kommt und stiehlt die Frau. Seine Motivation ist klar - und auf dem Schlachtfeld bedeutend ehrenvoller als jene von Cox. Gleeson definitiv auch ein Pluspunkt. Das Hildesheimer Model Diane Krüger ist bildschön. Das reicht für die Rolle der schönsten Frau der Antike durchaus. Sie ist okay. Saffron Burrows muss etwas viel heulen und ihr Baby nervt bisweilen, aber auch sie okay. Sean Bean ist wieder mal eine Klasse für sich. Top-Besetzung. Peter O'Toole wirkt mit seinen langen, pausenlosen, langsamen Sätzen etwas abgehoben, aber damit repräsentiert er Troja bestens. Cox sagt im Interview, Agamemnon empfinde Troja wohl als "New-Age-Hippie-Hochburg, die sich von der realen Welt abgekapselt hat" - und genau so spielt es O'Toole. Julie Christie kommt kaum vor, massiv verschenkt. Rose Byrne ist gut und Newcomer Garrett Hedlund als Achilles' Cousin ist auch recht überzeugend.

Schauspielerisch würde ich "Troy" deshalb bei "gut" ansiedeln. Inszenatorisch bei "okay", ausstattungs- und effektemässig bei "sehr gut". Und handlungsmässig bei "gut". Petersen hat einiges von der Ilias abgeändert - unter anderem das Schicksal von Agamemnon. Auch die Stadt Troja selbst, die eigentlich eine bessere Burg war mit ein paar Tausend Einwohnern, wurde massiv aufgeblasen und mit ägyptischer Architektur vermischt - aber da der Film nur "inspired" ist und es schliesslich ein Epos sein soll, kein Kammerspiel, kann man all dies problemlos verzeihen. Das legendäre Holzpferd stammt eigentlich aus Vergils Erzählung, wurde aber aus einsichtigen Gründen inkorporiert. Und um dem Film mehr Realismus zu verleihen, mussten die Götter, die in der "Ilias" aktiv mitmischten, aussen vor bleiben. Sogar Achilles ist weniger ein Halbgott als einfach ein Superkrieger. Und seine Ferse wird kaum thematisiert. Er ist zwar dort verletzlich, aber der mythische Hintergrund bleibt ausgeblendet.

Um zum Schluss zu kommen: "Troy" ist ein beeindruckendes Stück Kino, das halt genau auf meiner Wellenlänge liegt - trotz etlicher Defizite. Ich mag Epen, ich liebe Brad Pitt. Insofern dürften "normale" Kinogänger vielleicht sogar noch einen halben Stern bei der Bewertung abziehen. Aber was solls, ich schäm mich nicht zu sagen, dass ich wegen solchen Filmen ins Kino gehe. Da zahlt sich die Leinwand aus - nicht bei zwei-Personen-Stücken mit Minimalästhetik. "Troy" rührt mit grosser Kelle an, voller kriegerischem Pathos und hohem Unterhaltungswert. 163 Minuten antiker Fun.

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Und zwei Argumente von allfälligen Kritikern möchte ich bereits im Keim ersticken. Die alten Leiern von Riefenstahl-Ästhetik und Busch-Anspielungen:

Es gibt einen Shot, bei dem Brad Pitt Siegfried-mässig mit seinem gezogenen Schwert über einer jubelnden Menschenmasse steht. Es ist kein bestimmter Moment aus der Nazi-Geschichte, aber wenn ein Deutscher eine solche Szene filmt, rufen viele "Riefenstahl". Den Blödsinn muss man gar nicht lange diskutieren. Die antike Ästhetik, auf der jene des 3. Reichs aufbaut, war zuerst da. Und der Shot sieht cool aus. Und selbst die dümmsten Kritiker müssen eingestehen, dass Riefenstahls Blick fürs Beeindruckende legendär ist - und man Shots von ihr kopieren kann, ohne deswegen einen Fascho-Film zu machen. Petersen kopiert nicht einmal. Aber Brad so zu sehen, ist geil. Das reicht als Rechtfertigung für jede Einstellung.

Und die Busch / War on Terror / Irak-Analogien, die garantiert gezogen werden, sind langsam so zum kotzen, dass ich Kritiken, die daran aufgehängt sind, schon gar nicht mehr lese. "Lord of the Rings" wurde als Irak-Analogie gedeutet, "Troy" wird wohl auch: Invasion in einen Wüstenstaat, Soldaten zerstören Statuen, Brad sagt "Soldaten sind eh nur Marionetten von Führern" - all das kann man in einen Irak-Kontext stellen wenn man will. Aber man beweist damit nur, dass man eine Schraube locker hat und eigentlich wenig Ahnung vom Prozess des Filmemachens hat. This discussion [pause] is over.



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