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Sci-Fi-Drama. UdSSR 1979
Alternativer Titel
Сталкер

Regie Andrej Tarkovskij
Drehbuch Andrej Tarkovskij, Arkadi & Boris Strugatski nach einem Roman der Strugatskis
Produktion Aleksandra Demidova
Musik Eduard Artemjev
Kamera Aleksandr Knjazhinski
Schnitt Ljudmila Feiginova
Darsteller Aleksandr Kaidanovski, Anatoli Solonitsin, Nikolai Grinko, Alisa Frejndlikh
Länge 155 Min.

Kinostart 1979

 

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik
. .

©  Text Marco, molodezhnaja 7.8.10
©  Bilder Mosfilm, Screenshots molodezhnaja


STORY
Ein
Meteorit oder ausserirdische Besucher haben eine Industrielandschaft zerstört. Nun ist das Gebiet vom Militär abgeriegelt und die Natur erobert sich diese sagenumwobene "Zone" wieder zurück. Einer, der immer wieder eindringt, ist der Stalker (Aleksandr Kaidanovski). Er bringt Menschen hinein, hat aber auch selbst den unstillbaren Drang, immer wieder zurückzukehren - sehr zum Unmut seiner Frau (Alisa Frejndlikh), die mit der gemeinsamen Tochter jeweils für lange Zeit alleine in der kleinen Wohnung zurückbleibt. Nun bricht er wieder auf, der Stalker, und mit ihm zwei anonyme Gestalten - der Schriftsteller (Anatoli Solonitsin) und der Professor (Nikolai Grinko). Tatsächlich gelingt es den dreien, in das Sperrgebiet einzudringen. In der apokalyptisch anmutenden Zone machen sie sich auf die Suche nach einem legendären Raum, einfach nur "Zimmer" genannt, in dem angeblich die sehnlichsten Wünsche der Besucher erfüllt werden.

 

REVIEW
An den Film habe ich mich ewig lange nicht herangewagt. Dies sicher auch darum, weil ich generell spät zum Schaffen von Andrej Tarkovskij (1932-1986) gefunden habe - vor über einem Jahrzehnt mit "Andrei Rublev" und "Solaris". Die fast verpflichtende Ehrerbietung, welche dem Russen von Filmkritikern und Filmemachern entgegengebracht wird, konnte ich von Beginn weg nachvollziehen, wenngleich seine Filme bei mir nicht ganz die tiefschürfende Resonanz auslösten, wie bei manchen anderen. Die Gefahr, dass Tarkovskijs letzte sowjetische Produktion mich nicht gar so stark faszinieren würde, wie sie anhand ihrer überdimensionalen Rezeption eigentlich tun "sollte", war also gross.

Halbwegs zurecht, wie sich jetzt zeigt: "Stalker" ist ein visionäres und stimulierendes Stück Filmgeschichte, aber nicht ganz mit der Eindringlichkeit, die ihm oft zugesprochen wird. Längen schleichen sich ein, etliche der Dialoge verlaufen dröge und selbst die so hochgelobten Bilder erschöpfen sich mit der Zeit in wiederkehrenden ästhetischen Motiven. Doch bevor dies zu negativ klingt: Ich habe den Film genossen und empfehle ihn jedem Filmliebhaber uneingeschränkt, lieber heute anschauen als morgen. Oder vielleicht nochmals. Denn das Sci-Fi-Drama gibt etliche Facetten wohl erst nach mehrmaligem Anschauen preis.

Andere sind dagegen schon beim ersten Mal offensichtlich. Etwa die eindrückliche Visualisierung. "Stalker" beginnt in beunruhigendem Schwarzweiss, in dem selbst die wiederholte Einstellung eines Betts in einem Raum mehr zu symbolisieren scheint, als tatsächlich da ist. Tarkovskij erweist sich schon in den ersten Minuten als Meister der unterschwelligen Suggestion. Nach der Flucht aus dieser postapokalyptischen Welt gehts hinein in die Zone - und damit in den Farbfilm. Es dominieren das satte Grün der Pflanzen und das Grau der Gebäude. Tarkovskij zeigt uns nämlich eine kollabierte Industrielandschaft, in der die Natur sich ihren Raum zurückerobert. Physisch ein stetiges Wechselspiel aus Verfall und Leben. Und emotional eines aus Sehnsüchten und Ängsten.

Darin spiegeln sich ein paar Motive aus "Solaris", bei dem die Natur auch immer wieder reinigenden Charakter annahm. Und es zeigen sich Einflüsse auf andere Filmemacher, namentlich Shohei Imamura in Japan und Terrence Malick in Amerika. Dass sie ihre zivilisationskritisch angehauchte Faszination für die Natur inmitten menschlicher Schicksale bei Tarkovskij abgeschaut haben, möchte ich nicht unterstellen, aber es ergeben sich faszinierende Parallelen zwischen diesen Filmemachern. Tarkovskij dürfte von allen dreien aber der deutlich kopflastigste sein. Denn obwohl die Optik einen grossen Raum einnimmt, die Wechselspiele aus Natur und industriellem Zerfall stets zu sehen sind, vergeht doch kaum eine Minute ohne gesprochene Worte.

Diskutiert wird buchstäblich über Gott und die Welt: über Glauben, über Leben, über Psychologie, über Wissenschaft, über Schicksal. Und wenn die Sache mal zu sehr in einen Weltzustands-Monolog ausartet, holt uns der amüsante Satz "lassen Sie diesen soziologischen Durchfall" wieder auf den Boden zurück. Im Verlauf ihrer Reise geben die drei Protagonisten denn auch langsam ihre Absichten preis. Für den Stalker ist das Betreten der Zone zu einem Muss geworden. Er weiss nicht, was es mit diesem Gebiet auf sich hat, aber er kann nicht mehr ohne leben. Es ist für ihn zur Religion geworden, die er schützt. Auch vor dem Professor, der den Glauben an die Wissenschaft verloren hat, und darum Zerstörung bringen will. Der Schriftsteller wiederum sucht Sinn. Er ist zum Nihilisten geworden, und vielleicht braucht er die Hoffnung, dass noch etwas da ist, worüber es zu schreiben lohnt; zu leben lohnt. Die drei grossen Themenbereiche, welche die drei antreibt, könnte man daher zusammenfassen als Glaube, Wissenschaft und Kunst.

Die eigentliche Geschichte dahinter ist eigentlich ziemlich dünn - sie basiert lose auf dem 1975 veröffentlichten Roman "Picknick am Wegesrand" der Brüder Arkadi & Boris Strugatski. Um so vielfältiger sind die Deutungsversuche, die alle irgendwie hineinspielen. Auf der einen Ebene funktioniert der Film als Zivilisationskritik: der Zerfall der Fabriken, die Rückkehr der Natur. Dazu passend kann auch Kritik am Zustand der Sowjetunion hineingelesen werden, sowohl in ökologischer wie freiheitlicher Sicht. Omnipräsent sind religiöse Symbole, vom Glauben des Stalkers bis zu den Telefonmasten, die umgeknickten Kreuzen gleichen. Dann geht es auch um das Auseinandersetzen mit dem eigenen Unterbewusstsein: Der Frage, ob das, was wir uns am wünschen, tatsächlich auch etwas ist, was wir unterbewusst wollen. Das Zimmer erfüllt nämlich nicht den geäusserten Wunsch des Menschen, sondern entlarvt seine Sehnsüchte - und damit sein potentiell düsteres Wesen.

Aus diesem Punkt leitet Tarkowskij auch seine Aussage ab, dass es in "Stalker" vor allem um das Leben an sich gehe. Was wir brauchen, was wir geben, was wir nehmen, was wir lieben. Und dass es selbst mit düstersten Aussichten noch Hoffnung gibt. Manch andere Deutung lehnte der Regisseur ab, Parabeln und Allegorien wollte er in seinem Werk keine erblicken. Die vielen Metaphern beziehen sich einzig auf den Seelenzustand der Protagonisten - auch unterstrichen durch die Vielzahl an Nahaufnahmen der Gesichter (eine Spezialität Tarkovskijs). Der Hunger nach Sinn ist manchmal regelrecht aus dem Antlitz der Männer zu lesen; der Hunger nach Liebe wiederum im grandiosen Schlussmonolog der Ehefrau. Und manche Metaphern, die sind einfach nur da, verweigern sich buchstäblich der Interpretation. Das goldene Ding unter Wasser? Die Dornenkrone auf dem Kopf des Schriftstellers? Der Hund in der Zone? Kann man das wirklich alles deuten oder sind es einfach Traumbilder?

Das sollte trotzdem niemanden davon abhalten, ganz eigene Deutungen anzustellen. Um den Titel des vorangegangenen Tarkowskij-Werks herzunehmen: "Stalker" funktioniert wie ein Spiegel, der die Zuschauer das sehen lässt, was sie mit sich bringen, also genau das, was das Zimmer mit denen macht, die es betreten. Und selbst wenn man sich nicht Interpretationen hingeben will, kann man regelrecht versinken in dieser Welt, ihrer wunderschön arrangierten Hässlichkeit, ihrem Wasser, ob erfrischend oder verschmutzt. Ein Kopffilm mag "Stalker" sein, aber das schliesst nicht aus, dass man ihn fühlen sollte. Zwischen diesen beiden Polen entfaltet er seine Wirkung. Tarkovskijs bester Film? Nicht ganz, ich gebe trotz meines Faibles für Sci-Fi doch "Andrei Rublev" den Vorzug. Bei aller Faszination ist mir "Stalker" in manchen Szenen doch zu zerdehnt, zu repetitiv, sind die Dialoge zu redundant. Das lange Warten hat sich aber auf jeden Fall gelohnt, eine baldige Zweitsichtung bietet sich an.

 

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EXTERNE REVIEWS 
imdb.com

 

SCREENSHOTS

Screenshots der DVD mit TotalMedia Theatre 3, verkleinert und leicht geschärft mit CorelPaint


 

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