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> THE NEW WORLD
Historiendrama. USA 2005
Alternative Titel
-
Regie Terrence Malick
Drehbuch Terrence Malick
Produktion Sarah Green
Musik James Horner
Kamera Emanuel Lubezki
Darsteller Colin Farrell, Christian Bale, Q'Orianka
Kilcher, Christopher Plummer, Wes Studi, David Thewlis
Länge 135 Min.
US-Kinostart
25.12.2005
CH-Kinostart 02.03.2006
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
© Text Marco,
molodezhnaja 21.2.2006
© Bilder NewLine
STORY
1607 ankern die Schiffe
des britischen Kommandanten Christopher Newport (Christopher Plummer) an der
Küste des heutigen Virginia. Die etwa 100 britischen Siedler lassen sich in dem
saftigen Land nieder, um Jamestown zu gründen. Mit dem benachbarten
Powhatan-Indianerstamm schliessen sie vorsichtig Kontakt.
Um Verstärkung zu organisieren, kehrt Newport nach England zurück und überlässt
das Kommando Captain John Smith (Colin Farrell). Der wird einer Expedition von
den Indianern gefangen genommen, da die Weissen mittlerweile dazu übergegangen
sind, Indianer zu töten und das Land zu bewirtschaften. Häuptling Powhatan (August
Schellenberg) will Smith töten lassen, doch seine Tochter (Q'Orianka
Kilcher) wirft sich schützend auf Smith. Während Smith als Gefangener im
Indianerdorf lebt, verliebt er sich in die schöne Prinzessin. In Jamestown
regiert derweil der Hunger und Captain Edward Wingfield (David Thewlis)
übernimmt das Kommando. Als Smith zurückkehrt, scheint der bewaffnete Konflikt
mit den Indianern unausweichlich.
REVIEW
Manche Filme muss man nicht sehen, sondern
fühlen. "The New World" gehört in diese Kategorie. Es ist ein umwerfendes,
hypnotisches audiovisuelles Erlebnis, das wie ein Traum, an den man sich halb
erinnert, am Zuschauer vorbeizieht. Der texanische Regie-Exzentriker
rekonstruiert die bekannte (oder Disney-verklärte) Pocahontas-Geschichte in
einfachen Zügen, aber durch eine suggestive Montage, welche die vermeintliche
Leichtigkeit des Erzählflusses mit einer Vielzahl von Ideen und Gedanken
anreichert. Es ist eine Symphonie der Poesie, ein lyrisches Sinneserlebnis, das
mich auf einer Ebene ansprach, die ich nicht erwartet hätte.
Dabei kenne ich Malick. Ich kenne seine Frühwerke und mag sie. Ich war einer der ersten im Kino, als er nach 20-jähriger Pause mit "The Thin Red Line" ins Regiefach zurückkehrte, nachdem er auf seiner Farm Vögel studiert und an Unis unterrichtet hatte. "The New World" ist ganz deutlich ein Nachfolger von "The Thin Red Line" - mit ähnlichem Voice-Over, derselben Verlorenheit von Menschen in einer saftigen Natur, demselben Gegensatz zwischen vermeintlicher Zivilisation und naturverbundener Tradition. Genau deshalb vermutete ich, "The New World" würde mir nicht mehr viel Neues bieten. Das stimmt - doch wie nahe mir "nichts Neues" gehen kann, hat Malick eindrücklich bewiesen.
Der Film beginnt mit einer Sequenz, die mir beinahe die Freudentränen in die Augen getrieben hat. Zu Richard Wagners Ouvertüre von "Rheingold" fahren die britischen Schiffe ein, beobachtet von den Ureinwohnern des späteren Virginias. Die Musik schwillt an, geredet wird kaum. Malick und sein Kameramann Emanuel Lubezki filmen die Charaktere aus beinahe zufällig (und v.a. natürlich) wirkenden Winkeln, sie nehmen einen Gegenstand und umschwärmen ihn mit ihrer Linse aus verschiedenen Seiten. Schon diese frühen Filmsequenzen machen deutlich, dass Malick wenig Interesse an cineastischen Konventionen hat, sondern seinen eigenen Rhythmus entwickelt. Die ineinander fliessende Montage entwickelt alsbald einen derartigen Sog, dass man sich nach mehr sehnt. Malick geniesst dies sichtlich, denn er ist ein kleiner "Treehugger" im besten Sinne des Wortes: Er umarmt die Bäume, die Natur, die Menschen - er atmet die Schönheit, die uns umgibt. Das Rauschen des Windes, das Berühren von Haut, das Plätschern des Baches, alles ist mit solcher Präzision und natürlicher Eleganz eingefangen, dass es kombiniert mit den Bildern und dem flüchtigen Erzählstil schlicht betört und atemlos macht.
So verleiht Malick der Geschichte einen neuen Drive. Dies ist nicht mehr die Pocahontas-Story, sondern eine Parabel über Entwurzelung. Und nicht nur darüber. Das Schöne an "The New World" ist, dass man einfach alles darin sehen kann: Ein Drama über den Konflikt der Kulturen, eine Anklage an die britischen Eroberer, ein Liebesgedicht an die indianische Kultur, ein Bilderband über die Schönheit der Natur, eine Studie über die Gewalt, zu der Menschen fähig sind - all dies deckt sich übrigens oft mit "The Thin Red Line". Manche dürften selbst Parallelen zur heutigen Zeit hinein lesen (ein sinnloses Unterfangen), andere können wertkonservative Botschaften wie das Hegen von Familie und Heimat lesen. All das tat ich zu einem gewissen Punkt auch.
Doch als Wagners "Rheingold" zum dritten Mal anschwoll, passierte etwas in mir. Ich kann es nur schwer erklären, aber zu dem Zeitpunkt ging mir das Licht auf, was "The New World" für mich ist. Wenn Wes Studi in den englischen Gärten durchschreitet mit einer Mischung aus Angst und Faszination, kamen mir Tränen der Zustimmung, als ob Malick direkt mit mir reden würde und sagt hey, das wollte ich bei dir auslösen: Ein Gefühl, das wir alle in einer neuen Welt leben. Dass wir jeden Tag die Augen offen halten und das Neue, das Schöne aufsaugen. Manchmal mag uns verängstigen, was wir sehen, manchmal herausfordern, doch wir sind Teil dieser Welt und haben als Menschen das Privileg, ihre Schönheit, ihre Facetten, zu schätzen. Es ist schwer, in Worte zu fassen, aber ich hatte in dem Moment das Gefühl von überwältigenden Emotionen, als ob ich auch meine Hand ausstrecken sollte, alles sanft berühren und wertschätzen müsste. Es war ein herrliches Erlebnis und zeigte mir, wie unglaublich wirkungsvoll Kino sein kann, wenn es den richtigen Nerv trifft. Vielleicht war es aber auch nur Wagner ...
Jedenfalls schafft es Malick so fulminant, Wagner und Film zu verbinden, wie es zuvor nur "Apocalypse Now" hinbekommen hat. Das unterstreicht das Gefühl, "The New World" treffe jedes Bild und jeden Ton perfekt. Das stimmt aber nicht ganz: Die Voiceover waren für mich eine Qual. Manche waren psychologisch und philosophisch irgendwie reizvoll, andere klangen hohl, als ob sie auf den Film gedrückt wurden, um ihn mysteriöser zu machen. Kann sein, dass sie bei manchen Zuschauern etwas auslösen, mich liessen sie ebenso kalt wie bei "The Thin Red Line".
Das zieht für mich glatt einen halben Stern ab. Ansonsten nur Komplimente: Colin Farrell ist wunderbar - und ich mag ihn ja schon lange. Hier arbeitet er ganz mit seinen Augen. Die Halbschweizerin Q'Orianka Kilcher ist eine Offenbarung: Mit 15 Jahren gibt sie die Facetten dieser Figur (Unterwürfigkeit, Abenteuerlust, Verständnis, Liebe) in einer Art wider, die man gesehen haben muss. Wie sie in jugendlicher "erster Liebe"-Tradition mit Colin anbändelt, ihn flüchtig berührt, ihm zulächelt, ist von solcher romantischer Poesie, das alle anderen Liebesfilme dieses Jahres einpacken können. Auch Brokeback Mountain. Christian Bale verkörpert die "erwachsene Liebe" und ein Schritt in der Anpassung der jungen Indianerin. Dieses Liebesdreieck reflektiert allerlei Gedanken über Zwischenmenschliche und interkulturelle Kontakte. Es impliziert, anstatt zu erklären.
Die Nebendarsteller sind ebenso toll, James Horners Musik edel, der Schnitt kongenial, die Kameraführung getrieben von einem naturalistisch-willkürlichen Gedanken jenseits gängiger "oh ist das schön"-Ideale - und dadurch trunken von poetischer Ausstrahlungskraft. Etliche Szenen werden wiederholt, manche unendlich lange gehalten, die Geschichte bleibt stets dünn, aber ihre Ausstrahlung immens. Eben: Ein Film, den man erleben muss, spüren, aufsaugen - nicht unähnlich dem Schaffen von Andrei Tarkovski und Werner Herzog, wobei ich Malick leicht bevorzuge. Vielleicht kommt mancher Zuschauer nicht an den Punkt, an dem Malick ihn knackt. Das wäre schade, denn ich möchte ihn nicht missen. Es ist nicht zu umgehen, dass mich die Voiceover gestört haben und dass die Szenen in (Pocahontas Neuer Welt) England nicht mehr gar so umwerfend sind wie jene in (Smiths neuer Welt) Amerika, doch die negativen Aspekte möchte ich lieber aussparen und den Film mit der ganzen Liebe überschütten, die ich mit dem beschränkten Mittel der Worte zur Verfügung habe. "The New World" ist Poesie pur und ein verführerischer Kinogenuss, der eure Sinne stimuliert.
PS: Interessanterweise sprach mich dieser Film so viel mehr an als der bei Kritikern beliebte Tropical Malady, der ebenfalls von einem Mann handelt, der in der Natur regelrecht aufgeht. Doch während Malick Kino beherrscht, experimentiert Apichatpong Weerasethakul lieber herum. Der Unterschied der beiden Filme könnte von der Wirkung her also kaum grösser sein.
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EXTERNE INFOS & REVIEWS
imdb.com
Roger Ebert (4/4)
James Berardinelli (3/4)
BBC (4/5)
Slant Magazine (4/4)
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