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Stummfilmdrama. Deutschland, 1919
Alternativer Titel -
Regie
Robert Reinert
Drehbuch Robert Reinert
Kamera
Halma Lerski
Darsteller
Eduard von
Winterstein, Lia Borré, Erna Morena, Paul Bender,
Lili Dominici, Rio Ellbon, Margarete Tondeur, Paul Burgen
Länge 109 Min. (Premierenfassung ca. 170 Min.)
Kinostart 1919
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. | . |
©
Text Marco, molodezhnaja 22.6.2011
© Bilder Edition Filmmuseum,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Die junge Marja (Erna Morena) wird bald Richard (Rio
Ellbon) heiraten. Doch eigentlich liebt sie ihren Freund aus Kindertagen, den
gutmütigen Lehrer Johannes (Paul Bender). Der religiöse Mann hat jedoch mehr
Interesse daran, sich als Messias der Arbeiterklasse anzupreisen und soziale
Reformen zu fordern. Das verärgert Marja derart, dass sie ihn der Vergewaltigung
bezichtigt. Ihr Bruder, der gepeinigte Fabrikbesitzer Roloff (Eduard von
Winterstein), unterstützt sie dabei. Doch kaum ist Johannes zu 6 Jahren Knast
verurteilt, hat Marja einen erneuten Meinungsumschwung: Auch sie wird zur
Rebellin - aber anders als Johannes bedient sie sich der Gewalt.
REVIEW
"Nerven" versucht etwas gar holprig, Melodrama und
Gesellschaftsanalyse unter einen Hut zu bringen - doch der Inhalt ist hier, so
analysierfreudig er auch wirken mag, nur der Aufhänger. Deutlich schwerer wiegt
die Präsentation, und die ist enorm faszinierend. Der gebürtige Österreicher
Robert Reinert (1872-1928) schuf einen der ersten expressionistischen deutschen
Stummfilme, was ganz besonders die virtuose Eingangssequenz mit ihrer mutigen
Montage klarmacht. Danach nimmt der Plot etwas konventionellere Züge an, doch
stets sind die Bilder von eindrücklicher Natur.
Bei der Premiere 1919 war der Film noch deutlich über zweieinhalb Stunden lang. Nach der Zensur schrumpfte die Laufzeit massiv. Erhalten sind heute lediglich noch kürzere Versionen aus den Archiven von Gosfilmofond Moskau, Filmmuseum München und der Library of Congress, welche als Grundlage für die heute existierende (und nachgefärbte sowie neu arrangierte) Fassung dienten. Ein Drittel des ursprünglichen Materials gilt indes als dauerhaft verschollen, was bedauerlich ist, aber nicht matchentscheidend. Denn man bekommt vom erhaltenen Material allemal einen Eindruck von den Qualitäten.
Reinerts primäre Absicht war es, die Stimmung in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg einzufangen. Der Krieg ist omnipräsent, die Nerven der Menschen liegen blank, die Seelen sind angeknackst. Noch vor Georg Wilhelm Pabsts Geheimnisse einer Seele nahm er sich somit der Psychologie an, verpackt jedoch in eine expressionistische Ausdrucksweise - und auch dies noch ein paar Monate vor dem international als Wegbereiter wahrgenommenen "Das Cabinet des Dr. Caligari". Da es sich bei "Nerven" also in zweierlei Hinsicht um eine Pionierleistung handelt, kann man gewisse Kinderkrankheiten vergeben. Doch Reinert schafft es bereits erstaunlich gut, die Psyche des Landes und die Psyche der Personen in oft fiebrigen Montagen und Bildarrangements herüberzubringen.
Die Schauspieler tragen dazu eher gestelzte und hysterische Darbietungen bei, doch das passt durchaus zum aufgekratzten Stil des ganzen Films. Die Figurenzeichnung ist ebenso übertrieben - von der sanften Blinden über den protofaschistischen Unternehmer bis hin zum Apostel der einfachen Leute. Das alles ist eine Spur zu dick aufgetragen, zu kitschig schon, und jederzeit etwas sperrig, wodurch man den Zugang nicht wirklich findet. Und nach zwei Stunden Depression und Verzweiflung wirkt das Happy End ebenso aufgesetzt wie abrupt. "Nerven" bleibt denn auch primär ein visuelles Erlebnis - aber eines, das durchaus in den Rang eines wiederentdeckten Klein-Klassikers kommen sollte. Eine faszinierte Pionierarbeit eines leider fast vergessenen Regisseurs, die Einblicke gibt in die expressionistische Filmkunst noch vor den bekannteren deutschen Meisterwerken.
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EXTERNE REVIEWS
imdb.com
Screenshots der DVD mit TotalMedia Theatre 3, verkleinert und leicht geschärft mit CorelPaint
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