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Drama. Deutschland 1924
Alternativer Titel -
Regie Carl Theodor Dreyer
Drehbuch Carl Theodor Dreyer, Thea von Harbou nach dem Roman von Hermann
Bong
Produktion Erich Pommer
Musik Hans Joseph Vieth
Kamera Karl Freund, Rudolph Maté
Darsteller Walter Slezak, Max Auzinger, Nora Gregor, Robert Garrison,
Benjamin Christensen, Dider Aslan, Alexander Murski, Grete Moshem, Karl Freund
Länge 90 Min.
Kinostart 1924
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. | . |
©
Text Marco, molodezhnaja 18.11.09
© Bilder Eureka,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Der junge Eugène Michael (Walter Slezak) zeigt dem grossen Maler Claude Zoret (Benjamin Christensen) einige seiner
Skizzen. Der Meister hält sie für unbrauchbar, rekrutiert den schönen Michael
jedoch fürs Modellstehen. Michael stimmt zu und wird zur Muse des einsamen,
Künstlers. Vier Jahre lang posiere
er nun schon für etliche der grossen Werke Zorets. Andere Personen malt er kaum
noch. Bei der russischen Fürstin Lucia Zamikoff (Nora
Gregor) macht er allerdings eine
Ausnahme. Die verarmte Adelige hegt einen Hintergedanken: Sie hofft, durch ein
Porträt ihr gesellschaftliches Ansehen aufzubessern oder gar den reichen
Zoret zu umgarnen. Da ihr dies nicht gelingt, macht sie sich an Michael ran, der
als Ziehsohn Zorets einst dessen Vermögen erben wird.
REVIEW
Kaum eine Filmnation übte in den 1920er-Jahren
eine solche Zugkraft aus die die deutsche. Zwar begannen gegen Ende des
Jahrzehnts bereits die ersten Talente zu emigrieren und folgten etwa dem
Lockruf Hollywoods - doch für einen Regisseur bedeutete es noch immer einen
Prestige-Gewinn, in Deutschland zu arbeiten und damit in den künstlerischen
Dunstkreis von Expressionisten auf der einen Seite und Pionieren der Neuen
Sachlichkeit auf der anderen Seite zu kommen. In denselben Studios zu drehen wie
Murnau, Pabst, Lang & Co. bedeutete schon was.
Auch für Carl Theodor Dreyer (1889-1968). Der Däne hatte zwar schon fünf Spielfilme gedreht, als er in Deutschland "Michael" inszenierte, doch er war noch kein Regisseur von internationalem Renommee. Das kam erst später mit seinem Klassiker "La passion de Jeanne d'Arc" (1928) und nach dem Zweiten Weltkrieg dank Meisterwerken wie "Vredens dag" und "Ordet". Doch in "Michael", diesem Frühwerk aus dem Jahre 1924, zeigten sich schon etliche jener Faktoren, die Dreyer später zu einem Liebling der Cineasten machte.
So besticht die Bildgestaltung ebenso wie die ungehetzte Inszenierung. Menschen schwelgen in Sehnsucht - hier mehr noch als in manch anderem Dreyer-Film bis zum missratenen Schwanengesang "Gertrud". Nicht umsonst beginnt und endet der Film mit dem Zitat "Jetzt kann ich ruhig sterben, denn ich habe eine grosse Liebe gesehen". Geliebt wird hier in alle Richtungen: Unter den beiden jungen Leuten, Michael und Lucia, aber ganz stark auch zwischen Zoret und Michael. Es braucht nicht viel Fantasie, um in Zorets Verhalten homosexuelle Gefühle hineinzulesen, das bietet sich auch darum an, weil Vorlagen-Autor Hermann Bong selbst schwul war. Aber auch ohne dieses Wissen lassen sich die zärtlichen Berührungen und die erotische Darstellung Michaels in Zorets Bildern mühelos derart deuten.
Auch zwischen den jungen Leuten knistert es derweil heftig. Bezeichnend etwa eine frühe Szene, in der die beiden ein Bild betrachten, auf dem Michael so gut wie nackt zu sehen ist. Wie die Kamera in Abwechslung Scham, Lust und Leidenschaft einfängt, ist bemerkenswert. Das ist mit ein Verdienst von Linsenvirtuose Karl Freund, der einen Grossteil des Films abkurbelte, bevor er zu einem Murnau-Dreh abwanderte. Freund spielte sogar eine komödiantische Nebenrolle als Kunsthändler - sein einziger Schauspielauftritt von Belang.
Ebenso grossen Anteil an der Sinnlichkeit haben freilich Dreyers hochwertige Inszenierung - und die Akteure. Für Walter Slezak war es nach Sodom und Gomorrha der zweite Auftritt, lange vor seinem Ruhm im weltweiten Kino. Er gibt den "Lustknaben" gleichsam schüchtern wie sehnsüchtig. Benjamin Christensen verfällt als Malergenie bisweilen der Stummfilm-Chargiererei und auch Nora Gregor agiert mit grossen Gesten - doch bei ihr passt das wunderbar, schlliesslich spielt sie einen Charakter, der unangepasst wirkt, das Leben und die Liebe geniessen will.
Dass alles nicht reibungslos verläuft, erklärt sich von selbst, denn wir haben es mit Dreyer zu tun. Und einem Film mit Hang zur Tragödie. Das macht schliesslich schon der bereits zitierte Eröffnungstext klar. Doch Dreyer verfällt nie dem Melodrama, sondern inszeniert nüchtern, ja fast kalt. Er lässt sich nicht stressen, sondern widmet jeder Szene die nötige Aufmerksamkeit. Entstanden ist ein ungeheuer reifes Werk: "Michael" verfällt nicht der expressionistischen Spielerei und der Langeweile mancher Werke der Neuen Sachlichkeit, sondern gestaltet Bilder und Geschichte mit genau der richtigen Mischung aus Zärtlichkeit und intellektueller Distanz.
Ist es ein Meisterwerk? Nicht ganz, dazu sind einem die Figuren zu entfernt in ihrer oft egozentrischen Lebensweise und dem Hang zum Selbstmitleid. Auch hat die Handlung, nach einem Drehbuch von Fritz Langs Ehefrau Thea von Harbou, hat ihre Durchhänger und dürfte in der Darstellung der homosexuellen Gefühle noch etwas kesser sein - natürlich bleibt letzteres für einen Film aus dem Jahr 1924 reines Wunschdenken. Auch so bleibt es ein Werk, das mit interessanten Ideen hausiert und die meisten davon stilvoll an sein Publikum verkauft. Ein beachtliches Frühwerk.
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EXTERNE REVIEWS
imdb.com
Screenshots der DVD mit TotalMedia Theatre 3, verkleinert und leicht geschärft mit CorelPaint
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