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Stummfilm-Komödie. Deutschland
1930
Alternativer Titel Menschen am Sonntag, ein Film ohne Schauspieler
Regie Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer
Drehbuch Billy Wilder nach einer Reportage von Kurt Siodmak
Produktion Seymour Nebenzal, Edgar G. Ulmer
Musik Otto Stenzeel
Kamera Eugen Schüfftan
Darsteller Erwin Splettstösser, Brigitte Borchert, Wolfgang von
Waltershausen,
Christl Ehlers, Annie Schreyer, Kurt Gerron, Valeska Gert, Heinrich Gretler
Länge 74 Min.
Kinostart Februar 1930
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. | . |
©
Text Marco, molodezhnaja 13.6.10
© Bilder faz,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Berlin: Der Weinverkäufer Wolfgang (Wolfgang von Waltershausen) erblickt am
Bahnhof Zoo die reizende Christl (Christl Ehlers), die als Komparsin beim Film
arbeitet. Nach längerem Zögern spricht er sie an, trinkt mit ihr einen Kaffee
und verabredet sich für den Sonntag zum Trip an den Nikolassee. Wolfgang nimmt
den Taxifahrer Erwin (Erwin Splettstösser) mit, der sich am Abend vorher mit
seiner Freundin zerstritten hat - dem Mannequin Annie (Annie Schreyer). Christl
wiederum bringt ihre Freundin Brigitte (Brigitte Borchert) mit zum Treffen. Es
dauert nicht lange, bis Wolfgang mit Brigitte anbändelt.
REVIEW
Die künstlerische Richtung der "Neuen Sachlichkeit" war zwar 1930 schon
fest etabliert, aber der darin kolportierte Realismus war nicht immer lebensechter
als die fantastischen Welten der expressionistischen Ära, die davor die Kunst
dominierte. Zwar waren die
Geschichten der "Neuen Sachlichkeit" näher am Puls der Zeit und am Alltag dran, doch sie wirkten
oft doch stark
inszeniert und vorgefertigt. Gerade mit diesem Geist wollte ein junges
Filmkollektiv aufräumen - und lässt in "Menschen am Sonntag" in einer
symptomatischen Szene die Fotos bekannter Stars zerreissen. Dies sollte ein, so
stehts auch im Untertitel, Film ohne Schauspieler sein.
Verantwortlich zeichnete eine Gruppe ungebundener Filmemacher, die ihre Kooperation angeblich am Kneipentisch ausheckten. Aktiv involviert waren die Brüder Robert und Curt Siodmak, der Wiener Bühnenbildner und Produzent Edgar G. Ulmer, Drehbuchautor Billy Wilder sowie Fred Zinnemann, der als Regieassistent mitgemischelt hat. Eugen Schüfftan (der einzig etablierte Techniker im Team) führte die Kamera. Wer genau was erledigte, ist bis heute Gegenstand von Diskussionen, aber das Endprodukt strotzt vor Frische.
Das Filmteam verband nämlich frischfröhlich echte Dokumentarszenen mit Spielszenen, für die Laiendarsteller angeheuert wurden. Die agieren in ganz natürlich wirkenden Szenen überaus unverkrampft und unspektakulär. An grossen Gesten und an Star-Gehabe ist hier niemand interessiert, sondern am Abbild eines Sonntags während der Weimarer Republik. Dem Sonntag kam als freiem Tag der Woche die Rolle der Entspannung zu. Und das macht der Film überdeutlich - nicht zuletzt mit den letzten Einblendungen am Ende, die den Montag als Start in die neue Arbeitswoche geisseln.
Die Dekadenz, welche die Nazis später der Weimarer Republik oft vorwarfen, ist hier dennoch nicht zu sehen: Es ist stets klar, dass dies alles durchaus arbeitsame Menschen sind, die sich einen freien Tag im Grünen gönnen. Dabei albern sie herum, flirten, essen, spielen. Schüfftans fängt dies mit nahezu virtuoser Leichtigkeit ein und bringt dazwischen immer wieder Impressionen aus der 4-Millionen-Stadt Berlin. Diese sind nicht minder bemerkenswert, offerieren sie uns doch ein einzigartiges Zeitdokument aus den Hinterhöfen und von den Strassen.
Dieses Bild Berlins dient geradezu als Gegenpol zum drei Jahre früher entstandenen "Berlin - Die Sinfonie der Grossstadt" (1927), bei dem alles komplett durchorchestriert war und die Metropole als stets lärmiger und surrender Motor dargestellt wird. Das Berlin hier ist ebenso surrend vor lauter Aktivität, aber sie wirkt chaotischer, lockerer, echter. Natürlich ist auch "Menschen am Sonntag" kein echter Dokumentarfilm, seine dünne Story hat ein Drehbuch und die Spielszenen sind konstruiert - doch er erzeugt, mehr als nahezu jeder andere deutsche Film dieser Zeit, ein Gefühl von Bodenständigkeit und tatsächlichen Eindrücken der Ära.
Dass die Macher talentiert waren, lässt sich leicht sehen. Grösstes Lob verdient zwar der Veteran der Truppe, Eugen Schüfftan, doch die ganze Crew leistete Bemerkenswertes. Es erstaunt nicht, dass die gesamte Gruppe nach der Machtergreifung der Nazis das Land Richtung Westen verliess: Wilder wurde in Hollywood zu einem Meisterregisseur, Curt Siodmak schrieb etliche gefeierte B-Drehbücher, Robert machte sich als Thriller-Experte einen Namen und Fred Zinnemann wurde Oscar-gekrönter Macher solcher Klassiker wie "High Noon" und "From Here to Eternity".
Ulmer wurde B-Film-Regisseur und Schüfftan wiederum machte als Kameramann in Frankreich weiter - etwa für Marcel Carné oder später Georges Franju (in La tête contre les murs und "Les yeux sans visage"). Hier waren alle Involvierten lockerer, als sie es später jemals wieder sein konnten. Inszenatorisch und vor allem inhaltlich hätte man noch mehr rausholen können, doch "Menschen am Sonntag" ist ein kurzweiliges und filmhistorisch wichtiges Zeitdokument, das deutlich mehr Spass macht als manche Werke der Neuen Sachlichkeit. Die vergass nämlich oft vor lauter Sachlichkeit den Spass. Der jedoch ist hier in nahezu jeder Szene evident.
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EXTERNE REVIEWS
imdb.com
Screenshots der DVD mit TotalMedia Theatre 3, verkleinert und leicht geschärft mit CorelPaint
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