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Stummfilm-Tragikomödie. Deutschland 1924
Alternative Titel The Last Laugh; The Last Man

Regie Friedrich Wilhelm Murnau
Drehbuch Carl Mayer
Produktion Erich Pommer
Musik Giuseppe Becce
Kamera Karl Freund
Darsteller Emil Jannings, Maly Delschaft, Max Hiller, Emilie Kurz,
Hans Unterkircher, Hermann Vallentin, Emmy Wyda, Georg John, Olaf Storm
Länge 90 Min.

Kinostart 23.12.1924

 

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik
. .

©  Text Marco, molodezhnaja 20.6.10
©  Bilder Eureka, Screenshots molodezhnaja


STORY
Ein in die Jahre gekommener Mann (Emil Jannings) arbeitet im Berliner Hotel Atlantic als Portier. In seiner prächtigen Uniform wird er von den Nachbarn mit Respekt behandelt. Als er jedoch beim Abladen eines schweren Koffers mit einem Schwächeanfall zusammenbricht, versetzt ihn der Hoteldirektor (Hans Unterkircher) kurzerhand in die Herrentoilette. Seinen geliebten Job bekommt ein jüngerer Mann. Der gedemütigte Alte trägt ausserhalb des Hotels weiter seine Uniform, um sich nicht zu blamieren. Doch der Schwindel fliegt auf, was den Mann ins soziale Elend stürzt.

 

REVIEW
Mit "Der letzte Mann" stellte Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931) erfolgreich die Weichen für sein spätes Schaffen als Meister des Stummfilms. Kamera, Schnitt, Darstellung und sparsamer Einsatz von Zwischentitel prägten seine späteren Meisterwerke und sind hier bereits in Beinahe-Perfektion vorhanden. Stilistisch sind viele Aspekte noch dem Expressionismus des deutschen Kinos verpflichtet, doch genauso oft beruft sich Murnau auf Traditionen des Kammerspiels. Zwei künstlerische Strömungen, die sich fast gegenseitig auszuschliessen scheinen. Doch Murnau und sein Kameramann Karl Freund spielen frei von Dogmen und Vorgaben - und unterstellen die Optik ganz dem Dienste der Geschichte.

Die schrieb der verlässliche Carl Mayer und baute mehrere spannende Motive ein: Etwa der Einfluss der Uniform, die mitunter an die Geschichte des Hauptmanns von Köpenick erinnert, die mehrfach verfilmt und 1931 von Carl Zuckmayer zu einem Theaterstück verarbeitet wurde. Auch hier bekommt die Uniform einen symbolischen Charakter, sie wird zum Ausdruck des Ansehens für den alten Mann. Der Mensch darin wird zur Nebensache. Dass beide Geschichten, der Köpenick und der "Letzte Mann" im preussischen Raum spielen, kommt nicht von ungefähr.

Es geht freilich nicht alleine um die Uniform. Weiter spielt Murnau auch gerne mit Kontrasten - zwischen den Bediensteten und den Hotelgästen etwa, zwischen kargen Korridoren und lebendigen Wohnungen, zwischen dem oben (dem Hotel) und dem Unten (der Keller). Gerade diese oft simplen Gegenüberstellungen helfen, die Story gänzlich ohne Zwischentitel zu erzählen. Es gibt zwar ein paar Texteinblendungen, aber die kommen nur zum Zug, wenn eine Figur etwas liest - und selbst dies sehr selten. Der Rest erwacht alleine durch die Kraft von Murnaus Inszenierung, die stimmungsbeschreibende Musik und das gloriose Schauspiel zum Leben.

So gibt Emil Jannings eine wahre Power-Vorstellung und zeigt eine seiner besten Stummfilmleistungen überhaupt. Seine Mimik ist stets stark artikuliert, er spielt mit grossen Gesten - doch nie wird dies zur Pantomime oder gar zum Chargieren. Hinter dem bulligen Kerl mit dem riesigen Schnurrbart gehen alle anderen Akteure zwar unter - doch jeder fügt sich in seine Rolle bestens ein. Der einzige "Hauptdarsteller", der dieselbe Wichtigkeit hat wie Jannings, ist die Kamera. Was Karl Freund hier bietet, verdient sich wahrlich den Begriff Meilenstein. Ob die Kamera nun eben "entfesselt", wie die zeitgenössischen Kritiker festhielten, durch das Hotel fährt oder Szenen auslotet, oder ob sie ganz klassisch still steht und sich primär der Kraft der Ausleuchtung bedient: Jedes Bild ist erstklassig.

Manche deutsche Filmwissenschafter tendieren angesichts dieser ganzen Superlative zu einer leichten Überschätzung des Werks. Es soll die "Geburtsstunde der Filmkunst darstellen", die entfesselte Kamera wird als komplette Neuentwicklung hingestellt, die Wichtigkeit des Naturalismus hervorgehoben. Dabei geht vergessen, dass ähnliche Aspekte schon in anderen Filmen vorweggenommen wurden. Ausserdem kann beim Film selten von einer Geburt gesprochen werden, gibt es doch stets Filme, die das Medium voranbrachten. Von Birth of a Nation über eben "Der letzte Mann" bis hin zu "M" oder "Citizen Kane". Kaum einer lässt sich singulär als Geburt herauspicken.

Revolutionär ist "Der letzte Mann" indes allemal, denn was Murnau hier so formidabel gelingt, ist die Vereinigung aller grossartigen Kunstkniffe. Also brillante Schauspieler, spannende Handlungsmotive, perfekte Ausleuchtung, surreale Traumsequenzen, eine künstliche Stadtkulisse, naturalistische Alltagsszenen, schnelle Montage, geschicktes Umschiffen von statischen Zwischentiteln. Das alles verleiht dem Film ein beachtliches Tempo. Und die Geschichte, die eigentlich von ziemlich simpler Natur ist, wird so erstaunlich packend. Die treibende Frage der Handlung steht ja bereits im Vorspann: "Heute bist du der Erste, geachtet von allen, ein Minister, ein General, vielleicht sogar ein Fürst - Weisst du, was du morgen bist?“.

Und so entfaltet sich eine Geschichte vom sozialen Abstieg - und dem überraschenden Aufstieg am Ende. Gerade dieses Happy End wurde vielfach kritisiert oder dann als Murnaus satirischer Kommentar zu Hollywood'schen Kitsch-Enden interpretiert, wobei es dafür keine definitiven Aussagen des Regisseurs gibt. Es kann genausogut sein, dass "Der letzte Mann", der sich auf die Tücken des Schicksals beruft, nicht einzig die negativen Seiten aufzeigen will, sondern hoffnungsvoll auch die guten - ganz im Sinne des englischen Titels, der auf das Sprichwort "wer zuletzt lacht" anspielt. Ein wenig Kitsch tut der Seele manchmal ganz gut und in diesem Film hat die Hauptfigur ihn verdient, auch wenn dieser Epilog viel zu lange dauert.

Im Schaffen Murnaus nimmt "Der letzte Mann" also klar eine Schlüsselrolle ein. Sein bestes Werk ist es indes wohl nicht, Klassiker wie "Sunrise" oder "Nosferatu" laufen ihm in mancherlei Hinsicht den Rang ab. Doch die Qualität dieses technisch wie inhaltlich bemerkenswerten Films lässt sich kaum übersehen: Hier ist ein Regisseur am Werk, der alle Aspekte des Filmemachens versteht und sie unter einen Hut bringt. Der das Kino als eine eigene Kunstform versteht und es voranbringt. Es mag eine dezidiert simple Geschichte sein, aber durch cineastische Kraft wird sie zu etwas Grossartigem.

 

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EXTERNE REVIEWS 
imdb.com

 

SCREENSHOTS

Screenshots der DVD mit TotalMedia Theatre 3, verkleinert und leicht geschärft mit CorelPaint


 

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