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Historienfilm. USA 1915
Alternativer Titel Die
Geburt einer Nation
Regie D.W. Griffith
Drehbuch D.W. Griffith, Frank E. Woods nach dem Theaterstück von
Thomas F. Dixon Jr.
Produktion D.W. Griffith
Musik Joseph Carl Breil, D.W. Griffith
Kamera G.W. Bitzer
Darsteller Lillian Gish, Mae Marsh, Henry B. Walthall, Miriam Cooper,
Mary Alden, Ralph Lewis,
George Siegmann, Walter Long, Robert Harron, Wallace Reid, Joseph Henabery,
Elmer Clifton
Länge 183 Min.
US-Kinostart 3.3.1915
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. | . |
© Text Marco,
molodezhnaja 11.7.09
© Bilder Warner Bros.,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Washington D.C. um 1860: Der Politiker
Austin Stoneman (Ralph Lewis) kämpft für ein Ende der Sklaverei. Er hat drei
Kinder, die hübsche Tochter Elsie (Lillian Gish) und zwei Söhne. Die beiden sind
mit den Sprösslingen des Cameron-Clans befreundet, einer alteingesessenen
Südstaaten-Sippe, die in South Carolina eine Baumwollplantage betreibt. Während
Stoneman-Sohn Phil (Elmer Clifton) sich bald in die Cameron-Tochter Margaret
(Miriam Cooper) verliebt, verliert Benjamin (Henry B. Walthall) sein Herz an
Elsie. Diese Beziehungen werden auf die Probe gestellt, als sich der Süden für
unabhängig erklärt und 1861 der Bürgerkrieg ausbricht. In den Schlachten fallen
auch Mitglieder der beiden Familien. Mit dem Sieg des Nordens ist der Hass
zwischen den beiden Landesteilen noch nicht überwunden. Die Ermordung von
Präsident Abraham Lincoln (Joseph Henabery) am 14. April 1865 durch John Wilkes
Booth (Raoul Walsh) sorgt für weiteren Zündstoff. Im Süden beginnen die Schwarzen daraufhin unter Führung des
Mulatten Silas Lynch (George Siegmann), ihre neugewonnene Macht gnadenlos
auszuspielen. Sie manipulieren die Wahlen, übernehmen das Parlament und
versuchen, ihre vormaligen Herren in die Knie zu zwingen. Als Gegenwehr bilden
einige geknechtete Weisse den Ku-Klux-Klan.
REVIEW
Der Film lag jahrelang bei mir herum, weil ich
wenig Lust hatte, drei Stunden zu investieren. Und schlimmer noch: Weil
eigentlich alles gesagt ist über diesen epochalen Film. Die Kurzfassung: Ein
technischer Meilenstein wie es in der Filmgeschichte vielleicht keinen zweiten
gibt. Und gleichzeitig ein rassistisches, hetzerisches, übles Werk. Doch da ich
mich gerade mehr oder weniger ausführlich dem Schaffen von Leni Riefenstahl
widme, gibt es eigentlich keine Entschuldigung, nicht auch dieses heisse Eisen
anzufassen. Der Bezug zu Riefenstahl kommt nicht von ungefähr: Genau wie der 20
Jahre später entstandene Nazi-Propagandafilm "Triumph des Willens" wirft "The Birth
of a Nation" unweigerlich die Frage auf, ob verwerfliches Kino trotzdem grosses Kino sein
kann. Meine Antwort ist klar ja, schliesslich kann auch gut gemeintes Kino
schlecht sein. Doch richtig wohl ist mir bei dem Gedanken trotzdem nicht.
Es ist nämlich nicht möglich, die moralische Komponente komplett auszuschalten. Ein "Schindler's List" ist nicht nur ein technisch wunderbarer Film, sondern auch einer, der mit Menschlichkeit ein düsteres Kapitel aufarbeitet. Unsere Wertschätzung steigt wegen des Inhalts. Auf der anderen Seite ist etwa der zweite "Rambo" technisch furios und herausragend, doch nur wenige seriöse Kritiker würden sich getrauen, ihn zu loben. Sein reaktionärer Inhalt ist einfach zu abstrus. Und so stellt sich die Frage vielleicht nicht nur bei "Birth of a Nation" oder "Triumph des Willens", sondern bei jedem Film. Wird ein Film automatisch schlechter, wenn er unserem Denken widerspricht? Auf unseren Gefühlen herumtrampelt? Jeden Tag mit jedem Film stellen wir uns, bewusst oder unbewusst diesem Zwiespalt.
Im Falle von "Birth of a Nation" ist der innerliche Konflikt nur ungleich grösser, weil er historisch und technisch derart wuchtig ist. Und inhaltlich so ablehnenswürdig. Er basiert nämlich auf dem Mittelteil einer Bühnenstück-Trilogie des ehemaligen Südstaaten-Baptistenpriesters Thomas Dixon Jr.'s aus dem Jahr 1905, das schwarzenfeindlich ausgelegt war. Der Titel: "The Clansman: An Historical Romance of the Ku Klux Klan". Eine historische Romanze des Ku-Klux-Klans. Sofort bauen sich Bilder auf von Männern in weissen Kutten, die gerade einen "Neger" am Kreuz verbrennen lassen, während sie davor Ringeltanz machen und Rumschmusen. Die Realität des Films ... ist fast so schlimm.
Im zweiten Akt werden die Schwarzen, die nach dem Bürgerkrieg endlich die Freiheit erlangt haben, als Diebe, Wüteriche und triebgesteuerte Tiere dargestellt, die nette Weisse enteignen, vergewaltigen und bedrohen. Und zu Hilfe eilt unser mutiger Ku-Klux-Klan. Wem sich da nicht der Magen umdreht, der sollte dringend sein Weltbild überdenken. Tatsächlich nutzte der Klan den Film über Jahre hinaus als Rekrutierungsplattform für sein Ansinnen. Auf der anderen Seite forderten Bürgerrechtsvereinigungen ein Verbot des Films. Meistens ohne Erfolg. Regisseur D.W. Griffiths, offensichtlich in seiner Naivität völlig überrascht von dieser Reaktion, schnitt den Film 1931 um. Und noch 1917 drehte er mit dem Mammut-Epos "Intolerance" eine Art Antwort, um seine Kritiker zu beruhigen. Jener Film enttäuschte an den Kinokassen. "Birth of a Nation" war ein Grosserfolg.
Mit einem Budget von rund $40'000 und tatsächlichen Kosten im dreifachen Bereich war das Epos die teuerste Produktion überhaupt, weshalb Griffith einen nie dagewesenen Eintritt von 2 Dollar verlangte. Die Leute machten mit und der Film avancierte mit einem Einspielergebnis von 10 Millionen Dollar zum erfolgreichsten Kinowerk - bis er 1937 von Disneys "Snow White and the Seven Dwarfs" entthront wurde (der den Titel zwei Jahre später an ein anderes Südstaatenepos abgeben musste: "Gone With the Wind"). Der gigantische Erfolg lehrt uns eines: Damals hat der offensichtliche Rassismus kaum jemanden gestört. Selbst das Branchenblatt Variety ging kaum darauf ein. Es wird einmal mehr klar, dass Filme Produkte ihrer Zeit sind und im Jahr 1915 war Amerika in weiten Teilen der Bevölkerung noch ein rassistisches Land.
Aber warum begräbt man den offensichtlich ablehnungswürdigen Film nicht einfach auf der Müllhalde der Geschichte? Weil er wichtig ist. Und technisch herausragend. David Wark Griffith (1875-1948), der zuvor einige Hundert Kurzfilme drehte, darunter eine Reihe von Kriegsfilmen zur Vorbereitung, entwickelte eine Serie von revolutionären Techniken, welche die Art, wie man Filme macht, nachhaltig beeinflussten. Mehr noch als ein "Panzerkreuzer Potemkin". Mehr noch als ein "Citizen Kane". Aufzuzählen, was er alles eingeführt hat, würde den Rahmen sprengen. Doch dazu gehören die Parallelmontage, Nachtfotografie, einen eigens komponierten Soundtrack, Einfärbungen und mehr.
Mit der jeweils angebrachten Technik erzeugt Griffith Szenen von ungeheurer Energie. Der Film als Ganzes ist mit über drei Stunden etwas lang und hat seine Hänger - doch wenn er loslegt, dann richtig. Der Sturm des Klans zu Wagners "Walküre" ist ungeheuer beeindruckend. Dass Griffith einzig beim Makeup schlecht arbeitete, hat seinen Grund. Gemeint sind die "Blackface"-Schauspieler, also dunkel angemalte Weisse, die Schwarze spielen. Diese Unsitte starb ein paar Jahre später zum Glück aus, doch hier sind die Bemalungen derart offensichtlich, dass man das Gefühl bekommt. Griffith wollte, dass man sieht, dass Weisse spielen. Um sein Publikum nicht zu erschrecken. Auch das ein Hinweis darauf, wie verwurzelt der Rassismus noch war.
Gerade die Darstellung des "schwarzen Mannes" ist rückblickend durchaus interessant, weil sie Einblicke in das Denken jener Zeit gestattet. So sind die Weissen gezeichnet als gebildet und gutmütig, die Afroamerikaner jedoch als wild, aggressiv und dumm. Und nicht zuletzt als lüstern. Hier spiegelt sich offensichtlich eine Angst vor der Sexualität der Schwarzen, vor denen es die weisse Frau generell zu schützen gilt. Und dazu dient eben der "noble" Ku-Klux-Klan. Der Film ist nicht eine Sekunde ironisch oder kritisch in der Zeichnung dieser hetzerischen Gemeinschaft, sondern sieht sie vielmehr als logische Konsequenz aus dem Fehlverhalten der befreiten Sklaven. Jemand musste, so der Film, diesem "Pack" Einhalt gebieten. Und Griffith war nicht der einzige, der so dachte. Ähnliche Ideen sind bis weit oben in der Führungselite belegt - etwa bei Woodrow Wilson, dem damaligen US-Präsidenten, der vor Beginn des 2. Aktes denn auch ausführlich zitiert wird und den Film lobte.
Festgelegt sind damit zwei Dinge: Der Film ist rassistisch und manipulativ, widerspiegelt damit jedoch die Denkweise im "Alten Süden" und nicht zu vernachlässigten Teilen der Bevölkerung. Und er ist filmtechnisch eine wahre Revolution. Doch unterhält er? Packt er? Meistens schon. In der ersten Hälfte gibt es manche Längen, so richtig spannend ist die Einführung der Figuren nicht. Mit dem Attentat auf Lincoln gewinnt "Birth of a Nation" an Drive und die zweite, leider auch teuflischere Hälfte, ist in Montage und Tempo die wohl gelungenere. Wohl auch, weil man sich so aufregt über die Zeichnung der Schwarzen. Im Parlament etwa, wo sie sich buchstäblich benehmen wie unzivilisierte Wilde und ein Gesetz erlassen, dass die Heirat zwischen schwarz und weiss erlaubt - worauf die Abgeordneten ein paar weisse Frauen lüstern beäugen und zu feiern beginnen. Widerliches Zeug, basierend auf zeitgenössischen Karikaturen, aber in seiner Präzision erschütternd.
Bedenkt man dabei stets, dass das Mammutwerk 1915 entstand, ist das Gebotene wahrhaft unglaublich. Filmschüler kommen also nicht darum herum. Aber auch Filmfans generell sollten sich hier erkunden, woher viele Filmtechniken kamen, die wir später als selbstverständlich erachteten. Den Rassismus muss man nicht ausblenden - man muss sich ihm stellen. Ihn Zeitdokument betrachten. Als dunklen Fleck in der amerikanischen Geschichte, mit dem sich hier auch ein filmisches Meisterwerk beschmutzt. Ähnlich wie der in noch deutlicherer Absicht entstandene "Triumph des Willens", der zwanzig Jahre später den braunen Fleck in der deutschen Geschichte eindrücklich und erschreckend auf Zelluloid bannte. Ja, Filme in schlechter Absicht können Meisterwerke sein. Wenn man ihre Wirkung auf die Menschen damals betrachtet, kann man nur sagen: Leider.
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