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Groteske. Frankreich /
Deutschland
Alternativer Titel -
Regie
Leos Carax
Drehbuch
Leos Carax
Produktion Martine Marignac, Albert Prévost, Maurice Tinchant
Kamera Caroline Champetier
Schnitt Nelly Quettier
Darsteller Denis Lavant, Edith Scob, Kylie Minogue, Eva Mendes, Elsie
Lhomeau,
Jeanne Disson, Michel Piccoli, Leos Carax, Nastya Golubeva Carax, Reda
Oumouzoune
Länge 115 Min.
Kinostart CH 30.8.2012
Kinostart F 4.7.2012
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
©
Text Marco, molodezhnaja 1.2.2013
© Bilder Artificial Eye,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Der steinreiche Monsieur Oscar (Denis Lavant) besteigt seine Limousine
und lässt sich von seiner Fahrerin Céline (Edith Scob) durch Paris kutschieren.
Unterwegs steigt er immer wieder aus, um in verschieden Rollen zu schlüpfen -
etwa jene einer alten Bettlerin oder einer widerlichen Kreatur, die um
Untergrund lebt.
REVIEW
Filme über das Kino haben immer Hochkonjunktur - aber ich werde
den Verdacht nicht los, dass das breite Publikum daran nicht dieselbe Freude
entwickelt wie eingefleischte Cineasten und die Filmemacher selbst.
Dennoch haben in jüngerer Zeit Filme wie The Artist, "Hugo" oder
im weiteren Sinne auch "Argo" dafür gesorgt, dass auch die Massen die Freude an
unser aller liebster Kunst zelebrieren können. Wir lieben Kino, also lasset uns
diese Freude teilen, sozusagen. Leos Carax ist daran auch interessiert, aber
natürlich nicht nur daran.
Wir erinnern uns: Carax ist einer der Arthouse-Exzentriker des
französischen Kinos, schuf mit "Les amants du Pont-Neuf" ein Meisterwerk, dessen
Budget das Studio arg strapazierte, nur um danach mit dem Kunstmurks"Pola X"
wiederum die Zuschauer zu quälen. Danach wurde es still. Hie und da ein
Kurzfilm-Beitrag wie sein unsägliches Segment in Tokyo. Er war
aber eben auch daran beschäftigt, "Holy Motors" endlich zu stemmen, eben seine
Hommage an das Kino. Er war bereit, das Budget wo auch immer zu straffen, drehte
erstmals sogar digital. Und brachte sein Werk tatsächlich auf die Leinwand.
Aber was genau schuf er denn? Auf der einen Seite ein
hochfaszinierendes Werk, das die Schattenseiten der Filmindustrie ebenso
beleuchtet wie ihre schönen. Gleichsam Ode an die Kreativität und Abgesang. In
einer Art Allegorie, unterteilt in nur durch den Star zusammenhängende Segmente,
wird die Karriere eines Schauspielers beleuchtet, von Rollen in einem Billigfilm
über Horror und Action bis zu den preisgekrönten Rollen und dem Niedergang. All
das durch Carax’ Lieblingsschauspieler Denis Lavant verkörpert, der von einem
Part in den nächsten schlüpft.
Auf der anderen Seite ist es eben auch diesmal Kunstmurks. Carax
ist so darauf erpicht, sperriges Kino zu machen, dass manches einfach forciert
anders wirkt. Und am Ende verliert er die Zuschauer mit ziemlicher Langeweile.
Ist das Spezielle nämlich mal verflogen, ist "Holy Motors" nicht mehr halb so
anders, halb so faszinierend, wie Carax es sich wünschen würde. Das gilt für den
Film als Ganzes jedenfalls. In seinen Einzelszenen indes bietet er manchmal so
Wunderbares, dass man geneigt ist, ihn höher zu hieven, als er eigentlich wert
wäre.
Da ist zum Beispiel diese famose Sequenz, in der Lavant in einem
Motion-Capture-Anzug eine sehr beweglichen und ebenfalls in Motion-Capture-Latex
gehüllte Dame liebkost. Die beiden sind Platzhalter für einen CGI-Erotikfilm
spezieller Natur, doch das sieht man erst am Ende. Was de Szene vielmehr zeigt
sind diese beiden in Plastik gehüllten Menschen mit ihren Computermesspunkten
auf dem Körper, die sich innig liebkosten. Das ist erotischer als jede Szene in
"Pola X" und von begeisternder Sinnlichkeit.
Auch die Szene, in der Lavant seine scheussliche Rolle aus
"Tokyo" wieder aufnimmt, ist beeindruckend: Er entführt als Monster die Schöne
(verkörpert von einer dialoglosen Eva Mendes) und verschleppt sie in seine Höhle.
Dort steht er mit voller Erektion vor ihr - angeblich eine Penisprothese, um
sein Ding noch animalischer aussehen zu lassen, und schläft Pieta-gleich in ihrem Schoss ein.
Eine zur Deutung freigegebene Passage, die aber vielmehr durch ihre Kontraste
fasziniert. Hollywoods Glamour, abgehoben und fern, zusammen mit dem
anhimmelnden Publikum, degeneriert zur gierigen Masse, die das Schöne an sich
reissen will. Oder so ähnlich, denn Carax bleibt betont vage.
Und da fangen die Probleme an. Lavant kurvt nämlich, "Cosmopolis"
gleich, durch die Stadt, und springt von einer Rolle / Szene in die nächste,
ohne das noch gross zu verknüpfen oder erklären. Mal scheint er in einer Rolle
zu sein, mal er selbst, mal buchstäblich ersetzt durch ein Double - und alles
wird bedeutungsschwanger dargeboten, ohne wirklich wahnsinnig viel wirklich
auszusagen. Kritik wird geübt an Hollywood, am Kapitalismus, an menschlichen
Trieben, an was auch immer. Carax schiesst auf alles, und trifft irgendwie
nichts. Klar kann man hineinlesen, kann man Carax’ diese und jene Absicht
unterstellen, aber es fehlt der Fokus, um dies zu stützen.
Stattdessen suhlt man sich in den Sinneseindrücken, in den
bizarren Bildern, der so frei assoziierenden und wilden Herangehensweise an das
Kino. Stars wie Eva Mendes oder Kylie Minogue zu bestaunen, Denis Lavans immense
Wandelbarkeit zu bewundern. Man taucht in eine Welt der Traumlogik ein, die mal
anekelt, mal fasziniert - aber auch seltsam kalt lässt. Carax gibt sich
sinnlich, präsentiert einen Film, den man spüren und erfahren muss, aber er ist
im Kern eben immer noch einer dieser französischen Cineasten-Theoretiker, die
alles tun, um das Emotionale eines Werks durch ihren Hang zur Künstlichkeit von
uns, dem Publikum, zu entfremden.
"Holy Motors" ist also primär eine Spielerei, eine mit Poesie aber auch prätentiösem Gehabe angereicherte Verbeugung vor dem Kino. Wie Carax immer neue Extreme findet, in immer neue Bereiche vorstösst, das ist mindestens zwei Drittel der Laufzeit lang sehr einnehmend. Aber gegen Ende verpufft die Energie, und die Sache wird sogar richtig langweilig. Wir kriegen also alle Facetten des Filmemachers Carax: den Provokateur, den Kinoliebhaber, den Künstler, den Fabulierer - aber eben auch die Kehrseite, die sich im Prätentiösem, im Unnahbaren und Verkünstelten zeigt. Es ist schön, den Mann im Kreis der Spielfilmer zurück zu haben, denn er steckt voller Ideen. Aber der grosse Geniestreich, den manche Kritiker in "Holy Motors" zu entdecken glaubten, ist ihm höchstens in Ansätzen gelungen.
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EXTERNE REVIEWS
imdb.com
Screenshots der DVD mit TotalMedia Theatre 3, verkleinert und leicht geschärft mit CorelPaint
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