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Thrillerdrama. USA/CAN 2005
Alternative Titel -

Regie David Cronenberg
Drehbuch Josh Olsonr
Produktion David Cronenberg, J.C. Spink, Chris Bender
Musik Howard Shore
Kamera Peter Suschitzky
Darsteller Viggo Mortensen, Maria Bello, Ed Harris, William Hurt, Ashton Holmes, Heidi Hayes
Länge 100 Min.

US-Kinostart 23.09.2005
CH-Kinostart
13.10.2005

 

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik

©  Text Marco, molodezhnaja 1.9.05
©  Bilder NewLine, Screenshots molodezhnaja


STORY
Die Kleinstadt Millbrook in Indiana. Tom Stall (Viggo Mortensen) führt hier ein zufriedenes Leben mit seiner Frau Edie (Maria Bello), Sohn Jack (Ashton Holmes) und Töchterchen Sarah (Heidi Hayes). Er führt eine kleine Imbissstube und peppt sein Sexleben mit Rollenspielchen auf. Eines Abends tauchen zwei Killer in seinem Café auf und beginnen, die Gäste zu bedrohen. Geistesgegenwärtig schnappt sich Tom die Waffe des einen und erschiesst die zwei. Er wird zum Helden, sogar sein Sohn schöpft dadurch Kraft und verprügelt in der Schule einen Macho-Kameraden. Wenig später taucht der dubiose Carl Fogaty (Ed Harris) aus Philadelphia auf und redet Tom mit Joey an. Er habe ihn am TV wiedererkannt. Tom schickt ihn weg, doch Carls Wagen verfolgt fortan die Familienmitglieder. Die Lage ist angespannt - und mündet in einem Blutbad.

 

REVIEW
Ironischerweise schafft "A History of Violence" das am wenigsten gut, was der Titel vermuten lässt: eine Reflektion über Gewalt. David Cronenberg zeigt Gewalt, er spielt mit ihr und nutzt sie als zentrales Element für das Vorantreiben der Story. Aber er sagt wenig aus über Wesen, Ursache und Folgen von Gewalt. Es geht ihm mehr darum, wie eine Familie auf verschiedene Formen von Gewalt reagiert und wie man Gewalt hinter sich lassen kann. Der Rest ist ein, und das meine ich keinesfalls böse, gewöhnlicher Thriller. "A History of Violence" ist einer von Cronenbergs Mainstream-tauglichsten Filme, einer seiner geradlinigsten und auch einer seiner psychologisch oberflächlichsten.

Das empfinde ich als interessanteste und überraschendste Feststellung. Bei Cronenbergs bekanntesten Filmen entdeckt man Parabeln, Philosophien und Allegorien. Es sind psychologisch clevere Spiele mit der Realität und Studien über das Wesen des Menschen - oder seiner physischen Existenz. Seinem Fleisch. Das Motiv der Deformation des Fleisches, das sich durch Cronenbergs Schaffen wie ein roter Faden zieht, ist auch hier zu sehen - in Ed Harris verunstaltetem Gesicht und den expliziten Gewaltakten, die stets in Fleischfetzen resultieren. Doch wie bereits gesagt: Es geht nicht viel tiefer. So offen wie hier trug Cronenberg seine Absicht noch selten zur Schau. Er zeigt, wie normale Menschen mit Gewalt in ihrer Mitte fertig werden müssen, wie man mit Vergangenheit abschliessen muss und wie der Mensch in Extremsituationen zu vielem fähig ist. Seine Figuren sind komplex gezeichnet und es gibt manch überraschende Wendung nicht nur in der Handlung, sondern in der Entwicklung der Charaktere - aber die Story ist einfach gestrickt.

Das mindert ihren Wert in keiner Weise. Denn cineastisch ist David Cronenberg so fulminant wie eh und je. Er inszeniert den Film mit einer bedrohlichen Gemächlichkeit, was schon in den Anfangsszenen sichtbar wird, in der zwei Killer beim Hotel auschecken und seelenruhig ein paar Morde begehen. Diese Killer, so stellen wir bald fest, sind nur ein Nebenprodukt. Ich habe jedenfalls kurz innerlich gelächelt, als sie nach ein paar Minuten aus der Handlung verschwinden. Auch die Probleme von Sohn Jack in der Schule sind nur ein Subplot, der nicht einmal gross für eine Parallelenbildung verwendet wird. Gewalt in Vorbildern führt zu Gewalt in der Jugend - auf solch eine Bahn hätte man den Plot lenken können - dazu kommt es nicht. Cronenberg zeigt einzig, dass auch ein in die Enge getriebener Schwächling zum Aggressor werden kann.

Diese Szene lebt von ihrer schlagartigen Umkehr der Machtverhältnisse. Oder direkter gesagt: von der explosiven Gewalt. Sie kommt plötzlich und sie kommt verdammt heftig. Noch krasser siehts beim Papa aus. Die erste Szene erwischt einen eiskalt und von da an wird es nur noch krasser. Da tritt Cronenbergs Faible für das Zerlegen von menschlichem Fleisch kurz an die Oberfläche. Ein Schädel wird durchschossen, danach geht ein Closeup an das zermantschte Ding heran, ein Körper wird mit Schrot durchsiebt und das Fleisch klebt an einem Hemd, eine Nase wird regelrecht in den Schäden geschlagen. Heftiges Zeug, das den Film nicht für jedermann zugänglich macht. Interessanterweise reagiert man bei manchen Gewaltszenen mit einem Lachen - entweder aus Selbstschutz, damit einem die Emotion nicht zu nahe geht, oder, weil die Gewalt comicmässige Ausmasse annimmt. Cronenberg ist aus dem Schneider, weil er eben keine Analyse zum Thema Gewalt vorschaukelt (höchstens ein wenig), deshalb kann er sich leisten, auch mal über die schiere Heftigkeit von Gewalt zu schmunzeln. Vor allem gegen das Ende hin, wenn der herrlich süffige William Hurt ins Spiel kommt.

Ein weiterer Grund für die Deftigkeit ist die Vorlage: Die Graphic Novel von John Wagner und Vince Locke gilt als eine der brutalsten überhaupt. Cronenberg entschärfte inhaltlich einiges, doch das, was er beliess, ist starker Tobak. Ein Thriller mit derartigem Blutvergiessen, mit kurzen, coolen Actionszenen und stimmungsvoller Inszenierung wäre bereits empfehlenswert. Doch "A History of Violence" hat noch etwas: geniale Figuren.  

Viggo Mortensen spielt den Familienvater, der seine Existenz retten will, mit unterdrückter Kraft. Maria Bello ist ein reifer Gegenpart und der Sex der beiden kommt impulsiv. Sohnemann Ashton Holmes überzeugt u.a. in einer Umziehkabinen-Sequenz, bei der jede Sekunde etwas Schmerzhaftes passieren könnte. Ed Harris, genial wie immer, geniesst seinen sadistisch-gepflegten Auftritt und William Hurt ist, wie bereits angedeutet, ein echter Genuss in seiner überheblichen Art. Dieses Ensemble verleiht den Charakteren die nötige Reife, die nötige Erfahrung. Das ist insbesondere bei Bello und Mortensen nötig, denn gegen Schluss müssen ihre Charaktere einschneidende Entscheidungen treffen. Dies sind die tiefgründigsten Szenen des Films und sie sind superb gelöst - bis hin zum wortlosen, aber stimmigen Abschluss.

"A History of Violence" ist kaum Cronenbergs bester Film. Howard Shores Musik erinnert an sein Hobbit-Thema, der Plot ist abgesehen von den Twists voraussehbar und Cronenberg verzichtet auf die subversiven Elemente, die sich bei einem solchen Stoff aufdrängen würden. Stattdessen zieht er sich auf einen geradlinigen, heftigen Familien-Psychothriller vor, dessen nächster Verwandter Road to Perdition ist, eine Graphic-Novel-Adaption mit deckungsleichen Themenbereichen. Auch Elemente aus Film noir, Western und "Straw Dogs" sind zu entdecken. Aber in der Einfachheit des Films liegt seine Kraft. Mit einem herausragenden Schauspielteam, eruptiver Gewalt und einer unheilschwangeren Atmosphäre punktet Cronenberg bei der Spannung. Für einmal heisst es nicht Mindfuck, sondern wirklich Suspense. Und das ist keinesfalls zu verachten.

 

EXTERNE INFOS & REVIEWS 
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