> molodezhnaja Hauptseite
> filme D

> DUNKIRK

 


 

Kriegsfilm. USA/GB/F/NL
Alternativer Titel Dünkirchen

Regie Christopher Nolan
Drehbuch Christopher Nolan
Produktion Christopher Nolan, Emma Thomas
Musik
Hans Zimmer
Kamera Hoyte Van Hoytema

Schnitt Lee Smith
Darsteller Fionn Whitehead, Aneurin Barnard, Mark Rylance, Tom Hardy, Jack Lowden, Harry Styles,
Barry Keoghan, Tom Glynn-Carney, Kenneth Branagh, James D'Arcy
Länge
108 Min.

Kinostart (CH) 27.7.2017
Kinostart (USA) 19.7.2017

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik
. .

©  Text Marco Spiess, molodezhnaja 20.7.2017
©  Bilder WB, Screenshots molodezhnaja


STORY
Mai 1940: Die deutschen Streitkräfte haben die Alliierten in der französischen Hafenstadt Dünkirchen eingekesselt. Die Franzosen halten die Stadt mit Müh und Not, während die britischen Truppen am Strand auf die Evakuierung warten. Über 300'000 Soldaten harren angespannt aus, unter ihnen der junge Soldat Tommy (Fionn Whitehead), der alles versucht, um an Bord eines rettenden Schiffs zu kommen. Derweil fährt Mr. Dawson (Mark Rylance) mit hunderten anderer Zivilistenschiffe in England los, um den Soldaten zu helfen. In der Luft sorgt der Kampfflugzeugpilot Farrier (Tom Hardy) dafür, dass die deutschen Flugzeuge nicht alle Rettungsversuche torpedieren.

 

REVIEW
Das vielerorts herausposaunte Meisterwerk ist "Dunkirk" sicher nicht. Es ist ein hochintensiver Film ohne Ballast, audiovisuell überwältigend und technisch hervorragend - aber trotz der implizierten Emotionen (es geht schliesslich ums nackte Überleben) lässt er seltsam kalt. Kritiker werfen Nolan ja gerne vor, er sei ein kühler Regisseur, weniger am Schicksal seiner Figuren interessiert, als sie in ein  ausgeklügeltes System zu stürzen - narrativer oder technischer Art. Dem konnte ich nie ganz zustimmen, nicht zuletzt der fast schon zu klebrige "Interstellar" hat sehr wohl gezeigt, dass Nolan auch sentimental sein kann. Doch hier nun kommt dieser Vorwurf von mir: "Dunkirk" ist kühl.

Einer meiner grössten Vorbehalte ist Nolans Verbissenheit, mal wieder mit der Erzählstruktur zu spielen. In "Memento" war der Gimmick des Rückwärtserzählens Teil des Genies, verankert in der Krankheit des Protagonisten. In Nolans noch immer bestem Film Inception macht die Sache dank der verschiedenen Traumebenen auf komplexe Weise Sinn. Und in "Interestellar" tickt die Zeit buchstäblich ab und zu anders. Hier nun haben wir auf dem Boden eine Woche Handlung, auf dem Wasser einen Tag Handlung und in der Luft eine Stunde Handlung. Das läuft aber nicht auf ein grosses Crescendo zu, sondern irritiert mehr, als es hilft. Manche Sequenzen sieht man geschickt aus verschiedenen Perspektiven, aber man muss sich immer fragen, wo und wann wir uns gerade befinden. Vor allem die Szenen auf dem Schiff (mit Mark Rylance) sind manchmal so seltsam zu den anderen Strängen geschnitten, dass man verwirrt ist.

Der Nutzen? Null. Doch Nolan und sein Stammkomponist Hans Zimmer zwingen uns trotzdem immer, zu glauben, das alles münde irgendwo. Zimmers Score ist so aggressiv (oft unterlegt mit einem unsubtilen Ticken), dass man zu Emotionen fast genötigt wird, selbst wenn sie gerade gar nicht passen. So ist zum Beispiel ein Flugzeug-Angriff in einem Handlungsstrang zwar sinnvoll laut unterlegt, im anderen Strang läuft derselbe Score aber weiter und erdrückt dort vor lauter Lärm die Figuren, die vielleicht gerade nur am Quasseln sind. Der Lärm ist eines von Nolans Mitteln, die Zuschauer ins Getümmel zu ziehen, doch man kommt sich stattdessen vor wie in einer gut geölten Maschine.

Nolans vollkommener Verzicht, seinen Charakteren Hintergrundgeschichten zu geben, ist an sich erfrischend. Es gibt kaum Dialoge, die Männer sind im Chaos, jeder stirbt für sich allein, und wir Zuschauer klinken uns nur ein. Die Schattenseite dessen ist, dass mir völlig egal war, wer stirbt. "Saving Private Ryan" mag nach seinem Stakkato-Prolog klebriger sein, aber er hat Figuren. "Platoon" hat Figuren. Und wenn sie vom Horror des Krieges durchgeschüttelt werden, dann wird man mit durchgeschüttelt. Hier passiert das eher, weil der Kinosessel vibriert. Das Verrecken ist im Kern tragisch, keine Frage. Doch es gibt Dutzende anderer Kriegsfilme, bei denen ich geschlaucht war. Hier verliess ich den Kinosessel erstaunlich gelassen.

Dem zum Trotz: Nolan ist Nolan, und das bürgt eben auch für was. Er treibt die Spannung immerzu in die Höhe. Er und sein Kameramann Hoyte Van Hoytema schufen unglaubliche Tableaus - die apokalyptische Strand-Landschaft, hochrealistische Luftkämpfe, ebensolche Schiffsattacken und -untergänge. Eine der tollsten Szenen kommt gleich am Anfang, wenn unser nomineller Protagonist Fionn Whitehead durch die Stadt stolpert und am Ende hinaus auf den Strand in eben diese Hölle läuft. Kaum einer orchestriert heutzutage Filme wie Nolan, selbst wenn er mal bei einer Actionszene die Geografie kurz vergisst oder einen seltsamen Achsensprung drin hat, so drängt und drückt er mit Bild, Ton und Handlung doch so voran, dass man manchmal schwitzt, und gar nicht weiss, warum.

Schauspieler sind dabei zweitrangig, aber alle leisten Solides. Mark Rylance schätze ich sehr, sein Part indes wirkt etwas holprig. Debütant Whitehead ist genauso überzeugend wie One-Direction-Superstar Harry Styles. Sie alle geben in jeder Szene alles, vor allem auch körperlich. Und sie verkaufen so selbst Szenen, die keinen Sinn ergeben (Beispiel: Ein Schiff wird durchlöchert und droht zu sinken, das Wasser strömt literweise rein, doch an Bord diskutiert man, welcher Mann sich opfern soll, und das Schiff verlassen - wenn längst das Gewicht von fünf Männern hineingeflossen ist. Ziemlich gaga, aber man fiebert doch mit).

Christopher Nolan ist der zurzeit wohl amtierende König des hochwertigen Mainstreamkinos. Ich selbst liebe "Inception", "Memento" und "The Dark Night" - und Nolan hat noch nie einen schlechten Film geliefert. Doch bei den Internet-Fanboys hat in den letzten Jahren eine etwas gar übertriebene Vergötterung eingesetzt. So sind in den "IMDb Top 250" fünf seiner Filme in den Top 50 der besten Filme aller Zeiten vertreten, sogar "The Prestige". Und bei aller Liebe für "The Dark Knight", das ist nie und nimmer der viertbeste Film ever. "Interstellar" nie im Leben der 32. beste. Nolan ist super. Aber Nolan ist auch overrated. Ich verteidige ihn gern gegen Hater, denn mit Erfolg kommt Neid, und den verdient er nie und nimmer. Aber ich plädiere auch dafür, auf dem Boden zu bleiben, was seine Filme betrifft.

Und damit bin ich eben wieder bei "Dunkirk": Ein packendes Kriegsfilmerlebnis, technisch stark, im Kino eine Wucht. Aber mit deutlichen Schwächen bei der Erzählweise und der Figurenzeichnung. Vom besten Kriegsfilm aller Zeiten ist das weit entfernt, er kann "Apocalypse Now", "Full Metal Jacket" oder "Paths of Glory" nie das Wasser reichen, er erreicht auch nicht die Direktheit der Eröffnungsszene von "Saving Private Ryan". Und doch wird er in der genannten IMDb-Liste vor diesen auftauchen, denn der Nolan-Hype-Train ist kaum zu stoppen. Mal sehen, ob er diesmal auch bei den Oscars noch Dampf hat.

  

EXTERNE REVIEWS 
imdb.com

 


 

created by molodezhnaja
all rights reserved.

 

 

 

 

 

 

Seite optimiert für Internet Explorer 9