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Drama
Japan 1962
Alternative Titel Sanma no aji; The Taste of Saury; Ein Herbstnachmittag,
秋刀魚の味

Regie Yasujiro Ozu
Drehbuch Yasujiro Ozu, Kogo Noda
Darsteller Chishu Ryu, Shima Iwashita, Keiji Sada, Mariko Okada, Teruo Yoshida

Länge 113 Min.
Molodezhnaja Altersempfehlung
ab 6

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik
. . .

©  Text Marco, molodezhnaja 3.11.08
©  Bilder Criterion, Screenshots molodezhnaja


STORY
Tokio: Der Witwer
Shuhei Hirayama (Chishu Ryu) arbeitet im mittleren Kader einer Fabrik und wird bald in Rente gehen. Sein ältester Sohn Koichi (Keiji Sada) ist verheiratet und ausgezogen, der jüngste Sohn Kazuo (Shinichiro Mikami) hat eine Arbeit und Tochter Michiko (Shima Iwashita) verdingt sich im Haushalt. Sein Freund Kawai (Nobuo Nakamura) erinnert ihn dran, dass es für die Tochter langsam Zeit wäre, zu heiraten. Nach einem Klassentreffen bringt Shuhei seinen ehemaligen Lehrer Sakuma (Eijiro Tono) nach Hause. Der Alte betreibt einen Nudelshop, um sich und seine Tochter Tomoko (Haruko Sugimura) durchzubringen. Die Frau hat nie geheiratet und unterstützt stattdessen ihren Vater. Da wird Shuhei bewusst, dass seine Michiko ebenso enden könnte.

 

REVIEW
Ozu war ein ganz spezieller Kauz, das wird einem schon klar, man seine Personalien kurz anschaut. Er lebte vom 12. Dezember 1903 bis zum 12. Dezember 1963, also genau 60 Jahre. Er heiratete nie, sondern lebte bis zum Tod bei seiner Mutter, die ein Jahr vor ihm starb. Und beinahe wie ein Uhrwerk drehte er im späten Teil seiner Karriere einen Film pro Jahr. Zu allem Übel gleichen die sich noch ungeheuer: Ähnliche Namen, ähnlicher Inhalt, ähnliche Optik, ähnliche Dramaturgie
. Selbst seine grössten Fans haben da manchmal Mühe, die einzelnen Werke auseinanderzuhalten.

Was also macht seinen Reiz aus? Vielleicht gerade das. In einer sich wandelnden und schnellen Welt weiss man bei ihm, was man bekommt. Es ist ein weiser und gewitzter Wertkonservativismus, der mich immer an meinen Deutschlehrer im Gymnasium erinnert. Ozu ist eine Konstante, ein Fels in der Brandung. Und sein Stil, den er schon früh perfektioniert hat, wirkt auch viele Jahrzehnte später in seiner Präzision beeindruckend. Rückblickend habe ich wohl einen Fehler gemacht, als ich "Tokyo Story" so früh sah: Bei diesem vielerorts höchstgelobten Werk handelt es sich um einen untypischen Ozu. Wäre ich mit etwas wie Late Spring eingestiegen und hätte mich vorgearbeitet, mein Respekt für jenen Meilenstein (und für Ozus Oeuvre als Ganzes) wäre wohl grösser.

Mittlerweile ist aber gerade der Respekt doch recht gross - und "An Autumn Afternoon" hätte nicht zu einer besseren Zeit in meinen Sehplan kommen können. Ozus leider letztes Werk ist auch eines der besten, die ich bisher anschauen durfte. Seine schwarzweissen Filme sind zwar Meisterstücke der visuellen Reduktion, doch hier ist nicht nur jede Komposition genial, auch jeder Farbtupfer scheint präzise eingesetzt. Kurz: Ich liebe den Look, schon vom ersten rot-weissen Schornstein an, selbst wenn das Design hier beinahe verbissen Oberhand zu gewinnen scheint, ähnlich wie es bei Jacques Tati über die Jahre bis hin zum formstrengen "Playtime" passiert ist.

Ozu plante "An Autumn Afternoon" keineswegs als seinen Schwanengesang: Er arbeitet bereits an seinem nächsten Projekt, dem lange gehegten "Radishes and Carrots", als ihn der Krebs aus dem Leben riss. Doch nun steht das Werk als sein letztes da, als Vermächtnis eines Genies. Und es hätte kaum ein schöneres sein können. All die Ozu-Themen sind da, all der leise Humor, das menschliche Drama, die famosen Kompositionen, die brillanten Szenenübergänge, die dezente Musik, die delikate Ausstattung. Um die Ein-Stunden-Marke hängt der Film etwas durch, doch am Anfang und am Ende gehört er zum Besten, was der Meister je gedreht hat. Um die restlichen Mankos auch gleich aus dem Weg zu räumen: Ich habe eine leichte Blockade gegen Chishu Ryu, er wirkt mir stets eine Spur zu distanziert. Es macht Sinn, dass er in den Tora-San-Filmen einen Priester spielte, denn als echter, lebendiger Alltagsmensch ist er mir einen Deut zu steif. Dann hat der Film auch leichte Überlänge und eben, hängt im Mittelteil etwas durch.

Der Rest? Zauberhaft. Besonders gut sind die Szenenübergänge, bei denen Ozu eigentlich nie daneben griff. Hier ist es eine Freude, das moderne Japan in diesen kurzen Montagen zu sehen. Immer wieder wird man auch während der Geschichte Zeuge der Verwestlichung Japans. Überall Bars mit englischen Namen, Werbung mit westlichen Produkten. Aber Ozu ist deswegen, anders als in Late Spring, nicht verbittert. Als einer von Shuheis Untergebenen im Krieg während eines Glases Whiskey davon fantasiert, wie die Welt aussehen würde, wenn Japan gewonnen hätte, meint der alte Mann nur lächelnd "Ich glaube, es ist gut, dass wir verloren haben". Da spricht wohl auch Baseball-Fan Ozu, der zwar der japanischen Tradition tief verwurzelt ist, aber die vom Westen ausgehende Modernisierung nicht ablehnt.

Seine Figuren kämpfen vielmehr mit klassischen Dilemmas in einer fortschrittlichen Welt - in diesem späten Werk wirken diese sogar fast wie ein Paradox. Ungehetzt und liebenswert schildert Ozu, wie im alten Protagonisten ein Denkwandel stattfinden muss und wie das Leben aus dem immergleichen Zyklus besteht: Geburt, Aufwachsen, Heirat, Kinder verheiraten, Lebensabend. Unterbrochen natürlich von grösseren und kleineren Dramen, die in Ozus Welt aber meistens ausgeblendet bleiben. "An Autumn Afternoon" macht dies nicht besser als andere Ozu-Filme, doch der Zugang fiel mir etwas leichter, vielleicht auch, weil er nicht zu schwarzmalerisch ans Werk geht, sondern geprägt vom Gedanken ist, dass das Leben weitergehen muss - vielleicht auch eine Antwort auf den Verlust seiner Mutter kurz davor.

Manchmal ist es schwer zu erklären, warum gefeierte Meisterwerke eines Künstlers einem weniger zusagen als sein restliches Schaffen. "Tokyo Story" steht da nicht alleine, ich kann eine ganze Liste von in meinen Augen überschätzten Filmen auflisten, die unter Cineasten Klassiker-Status haben: Robert Bressons unsäglicher "Les Dames du Bois de Boulogne", Akira Kurosawas schleppender "Red Beard", Alain Resnais verkünstelter  "Hiroshima mon amour", Vittorio De Sicas öder "Umberto D.", Dreyers zäher "Gertrud", Antonionis langweiliger "Il grido" und selbst Federico Fellinis "8½", den ich zwar bewundere, ihn aber hinter "La Strada" und anderen Fellini-Werken einordne. Bei Ozu ist es nun wohl "Tokyo Story", bei dem ich kleine Probleme hatte. Meine Lieblings-Ozus sind eher Late Spring, Tokyo Twilight, "Early Summer", "Good Morning" und nun auch "Autumn Afternoon" - selbst wenn ich nach über einem Dutzend Filmen schon Probleme habe, sie alle auseinanderzuhalten. Einzig "Good Morning" sticht aus dieser Liste heraus.

Ich entschuldige mich dafür, dass dies nicht immer eine Kritik im eigentlichen Sinne war. Doch obwohl sich alle Ozu-Werke in ihren Nuancen unterscheiden, kann man doch oft in etwa dasselbe schreiben. Daher liess ich mich diesmal zu einem etwas allgemeinen Geschwätz hinreissen. Wer es zum Schluss trotzdem nochmals kurz und bündig will: "An Autumn Afternoon" ist ein wunderbarer Schwanengesang von Yasujiro Ozu, elegant inszeniert, formstreng gefilmt, liebevoll gespielt. Für Fans des Regisseurs auf jeden Fall ein Genuss und auch für Einsteiger gut geeignet.

 

MEINE DVD (Criterion)
USA, Code 1, NTSC
Bild: 4:3
Ton: Japanisch mono mit englischen Untertiteln.

 

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SCREENSHOTS

 


 

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