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Drama. Deutschland 1957
Alternativer Titel
Anders als du und ich (§175); Das dritte Geschlecht

Regie Veit Harlan
Drehbuch
Felix Lützkendorf nach einer Idee von Robert Pilchowski
Produktion
Helmuth Volmer
Musik Erwin Halletz

Kamera
Kurt Gridoleit
Schnitt Walter Wischniewsky

Darsteller
Paula Wessely, Paul Dahlke, Hans Nielsen, Ingrid Stenn, Christian Wolff,
Friedrich Joloff, Herbert Hübner, Kurt Vespermann, Hilde Körber
Länge
92 Min.

Kinostart 1957

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik
.

©  Text Marco, molodezhnaja 26.4.2011
©  Bilder Edition Filmmuseum, Screenshots molodezhnaja


STORY
Der Bankdirektor Werner Teichmann (Paul Dahlke) und seine Frau Christa (Paula Wessely) sorgen sich um ihren Sohn Klaus (Christian Wolff): Der 17-jährige Hobbymaler ist zwar ein Musterschüler, interessiert sich aber nicht für Mädchen. Sein Kumpel Manfred (Günther Theil) sagt ihm viel mehr zu. Während die Mama die vermutliche Homosexualität des Sprösslings gelassen nimmt, rastet Werner aus. Vor allem, als der Antiquitätenhändler Dr. Boris Winkler (Friedrich Joloff) Klaus immer tiefer in die verhasste Szene einführt.

 

REVIEW
So richtig geniessen kann man "Anders als du und ich" nicht. Ständig ist die brennende Frage im Hinterkopf: Kann ein Regisseur sich rehabilitieren? Darf man dem Mann vergeben, der einen der schlimmsten Propagandafilme aller Zeiten inszeniert hat? Die Rede ist von Veit Harlan (1899-1964), dessen 1940 uraufgeführter und von Joseph Goebbels noch massiv veränderter "Jud Süss" die antisemitische Ideologie der Nazis unter die Massen brachte. Dass Harlan ein guter Filmemacher ist, stand schon während des Weltkriegs ausser Frage - zu sehen etwa in den Überresten seines imposanten Historienepos' Kolberg, das kurz vor Kriegsende in die Kinos kam. Auch jenes: pure Propaganda. 

Und dennoch schaffte es Harlan nach dem Krieg, ungeschoren davonzukommen. Ja er durfte sogar weiterhin drehen, meistens seichte Heimatfilme. Mit "Anders als du und ich" schickte er sich jedoch an, etwas Wichtiges zu erzählen. Man könnte fast sagen: positive Propaganda zu schaffen. Das macht ihn nicht zum besseren Menschen, aber immerhin zu einem, der Mut zeigt, denn am Schwulenthema konnte man sich 1957 nur die Finger verbrennen. Gays hatten keine Lobby, keine Anerkennung, nichts. Homosexualität wurde unter den Teppich gekehrt, und wenn ein Film so offen hervorkramt, war das ein bemerkenswerter Akt. 

Abseits des Mutes jedoch gibt es nur wenig an dem Werk zu loben - oder von dem, das übrig geblieben ist: Die FSK gab den Film, der unter dem Titel "Das dritte Geschlecht" gedreht wurde, nicht für den Vertrieb frei. Also wurde er neu montiert und als "Anders als du und ich" herausgebracht - mit neuen Szenen und einer juristischen Rahmenhandlung. Die Originalfassung existiert nicht mehr, der "Neu-Cut" ist eine Ansammlung ebenso schizophrener wie gefährlicher Inhalte. Das fängt schon damit an, dass die Homosexualität hier meistens in ein unangenehmes Licht gerückt wird. Das ging sogar so weit, dass Harlan selbst sich bei der FSK beschwerte, der Film dämonisiere nun die Homosexuellen stärker, als er es je wollte. Ja er zieht gar Vergleiche zur Judenhetze in "Jud Süss". 

So meint der Vater im Film, der junge Klaus sei "krank", und die folgenden Minuten tun alles, um dies auch klar so zu illustrieren. Die beiden wichtigsten deutlich schwulen Charaktere, Manfred und Winkler, werden als manipulative oder schlicht psychotische Wesen vorgeführt. In Winklers Haus ist die Kamera meist in verstörter Schräglage, es regieren die zu Nazizeiten wohl als entartete Kunst eingestufte Malerei und elektronische Musik. Alles wirkt verzerrt und verstört. Die vermeintliche Entartung von Kunst und Lust wird in einen Topf geworfen, ja kausal verknüpft. Selbst ein Wrestling-Match zwischen zwei halbnackten Jungs wird anerboten, wohl um die latente Aggression dieser "Bande" noch zu unterstreichen. 

Ja, der Problemfilm nimmt sich halbaufklärerisch des Paragraphen 175 an, der Homosexualität unter Strafe stellt - doch zu welchem Preis? Jeder, der sich "Anders als du und ich" anschaute, musste wohl denken, bei Schwulen handle es sich um Perverse und Absonderliche, ihre Triebe um eine gefährliche Abart von der Norm. Schmierige Typen, die propere Kerle wie Klaus auf die dunkle Seite holen. Unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich wohl kaum um einen Pro-Schwulen-Film. Trotz der Beratungsfunktion des schwulen Sexualforscher Hans Gies. 

Doch nicht alleine der Inhalt ist zwiespältig, auch Harlans hemdsärmlige und oft geschwätzige Inszenierung lässt nicht gerade frohlocken. Nur in den Szenen, in denen der Film Richtung Sleaze tendiert, Richtung Schwulenmelodrama oder Jugend-Rebellenfilm, dann hat er etwas Keckes. Ansonsten entfaltet er sich reichlich bieder. Kommt dazu, dass die ehemalige Nazi-Aktrice Paula Wessely als naive Mama anfänglich ziemlich chargiert. Der junge Christian Wolff, die süsse Ingrid Stenn (als Haushälterin) und andere Akteure leisten aber immerhin noch Solides - trotz stereotyper Charaktere. 

"Anders als du und ich" hat zweifelsohne historischen Wert. Und er birgt überraschendes Unterhaltungspotential, daran hat auch der schizophrene Charakter des Projekts seinen Anteil. Man staunt, man ist verblüfft, man ärgert sich, man staunt noch mehr. Und wenn die schwulen Männer sich dezent und doch irgendwie schlüpfrig die Hände reichen oder sich auf die Schultern langen (mehr Fummeln lag zensurbedingt einfach nicht drin), dann kommt man nicht drum herum, ein wenig zu kichern: In 50 Jahren ist viel passiert. Sehr viel.

 

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EXTERNE REVIEWS 
imdb.com

 

SCREENSHOTS

Screenshots der DVD mit TotalMedia Theatre 3, verkleinert und leicht geschärft mit CorelPaint


 

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