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> THERE WILL BE BLOOD
Drama. USA 2007
Alternative Titel
-
Regie
Paul Thomas Anderson
Drehbuch Paul Thomas Anderson nach dem Roman
"Oil!" von Upton Sinclair
Produktion Paul Thomas Anderson, Daniel Lupi,
JoAnne Sellar
Musik Jonny Greenwood
Kamera Robert Elswit
Darsteller Daniel Day-Lewis, Paul Dano, Dillon Freasier, Kevin J.
O'Connor, Ciarán Hinds
Länge 158 Min.
US-Kinostart
26.12.2007
CH-Kinostart 14.02.2008
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. |
© Text Marco,
molodezhnaja 14.1.08
© Bilder Walt Disney,
Screenshots molodezhnaja
STORY
1898 gräbt Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) in Kalifornien nach Silber und
Gold. In einer seiner selbst ausgehobenen Gruben stösst er dabei auf Öl. Er
heuert ein paar Männer an und scheffelt das schwarze Gold bald eimerweise.
Langsam wird er reicher und etabliert sich als kleiner Ölsucher und Ölförderer.
Stets begleitet von seinem Adoptivsohn H.W. (Dillon Freasier), den er nach dem
Tod eines Mitarbeiters unter seine Fittiche nahm, streift er durchs Land auf der
Suche nach neuen Ländereien mit Öl. Da bekommt er Besuch von Paul Sunday (Paul
Dano), der ihm von der Farm seiner Familie in Kalifornien erzählt, auf der es Öl
geben soll. Daniel zahlt Paul aus und findet vor Ort tatsächlich Öl. Er kauft
das Land von Pauls Vater Abel (David Willis)
und verspricht Pauls Zwillingsbruder Eli (Paul Dano), die örtliche Kirche von
Little Boston mit $5000 zu unterstützen. Es kann gebohrt werden. Schon bald
sprudelt das Öl, doch das erste Anzapfen wird begleitet von einer Tragödie: H.W.
verunfallt und verliert sein Gehör. Gleichzeitig lodert auch ein Konflikt
zwischen Daniel und Eli um die Macht im Dorf auf.
REVIEW
Ein zweiter "Citizen Kane" ist er nicht.
Auch kein zweiter "Giant". Die Frage ist sogar, ob der overhypte "There Will Be
Blood" nicht gar mehr Show als Substanz ist. Doch beim Gott von Exxon und Shell
- wenn man einmal in diesem Dampfzug von Film drin ist, kümmert man sich nicht
mehr gross um solch kleinkarierte Überlegungen. Dann wird man Zeuge eines
epischen Fiebertraums, gemischt mit guter alter Americana-Ästhetik, in dessen
Zentrum vor unser aller Augen ein Monster geschaffen wird. Paul Thomas Anderson
und Hauptdarsteller Daniel Day-Lewis kreierten mit Daniel Plainview eine Kreatur
von teuflischer Sogwirkung, die alle Menschen hasst und verachtet, die lieber
allein ist, als geschlagen. Und die auf eine Art an sich selbst zu Grunde geht,
die man mit einer Mischung als Abscheu und Faszination miterleben muss.
Daniel Plainview ist noch grösser als der Film selbst und das ist primär das Verdienst von Day-Lewis. Der gefeierte Schauspieler gehört zu den besten seines Fachs und obwohl ich ihn nicht in jedem Film wirklich mag, so ist eines an ihm nicht wegzudiskutieren: Er hat ein Charisma wie kein zweiter. Wenn er etwas sagt, dann lauscht die Welt. Wenn er ausrastet, dann zittert die Leinwand. Er ist eine Urgewalt, immer hart an der Grenze zur Theatralik, aber mit solcher Wucht, dass man nur beeindruckt sein kann. Selbst wenn er still ist, erzeugt er eine regelrechte Gravitation um sich. Planet Day-Lewis. Und als solcher dominiert er den ganzen Film. Am besten gefiel er mir ironischerweise in der ersten Filmhälfte, wenn er noch normal ist.
Wir lernen Daniel kennen als einen hart arbeitenden, besessenen und stillen Menschen (die erste Viertelstunde ist wortlos). Er adoptiert das Baby eines verunglückten Kameraden und redet mit freundlicher, aber bestimmter Stimme. Wenn er sagt "ich sehe mich als Ölmann", dann ist er einer von uns, einer, der es zu was gebracht hat, der aber doch bodenständig blieb. Oder lügt er uns an? Noch deutet wenig darauf hin und ich habe jede Szene mit ihm genossen. Herrlich etwa, wenn er auf der Farm der Sundays ankommt und sein Zelt aufschlagen will. Eine banale Konversation wird aus dem Mund eines Schauspielers von solcher Grösse schon zum Erlebnis.
Den ersten "Rückfall" erleidet seine Figur, als Daniel fast unlogisch heftig auf Eli einschlägt, der gekommen ist, um das Geld einzufordern. Nun erst wird einem klar, dass Daniel Plainview ein Choleriker ist. Und danach beginnt sein Abstieg in die Hölle von Hass und Selbstzerfleischung. Die Faszination dieses Seelentrips ist ungebrochen, doch nun tritt genau die Theatralik hervor, die Day-Lewis manchmal nicht abschütteln kann. Im Finale, wenn Plainview semi-absurde Dialoge schreit und aus dem Mund sabbert, dann nimmt man ihn fast nicht mehr ernst und wähnt sich in einer Parodie, bevor solche Gedanken wieder ausgetrieben werden und der Schlusssatz "I'm finished" bleibt. Fürwahr. Und wir mit ihm. Doch dann steht endgültig die Frage im Raum: Was sollte das eigentlich alles?
Anderson schwebte vieles vor. Er nahm als lose Vorlage den 1927er-Roman "Oil!" von Upton Sinclair, dessen Themen wie Religion, Sühne und Gier eine Basis für den Film dienten. Darauf pappte er ein uramerikanisches Drama vom Erfolg, der den Bach herunter geht - Vorbild hier: "The Treasure of Sierra Madre", den Anderson jeden Tag nach dem Dreh angeschaut haben soll. Und im Finale nimmt Daniel in seinem leeren Anwesen Züge von Charles Foster Kane in seinem Schloss Xanadu in "Citizen Kane" an. Kurzum: Tragödie in epischen Zügen. Doch Anderson, der in seinen Meisterwerken "Boogie Nights" (immer noch sein bester Film) und "Magnolia" es so vorzüglich geschafft hat, verschiedene Handlungsstränge im Robert-Altman-Stil unter einen Hut zu bringen, scheitert hier bei einem narrativ gesehen simpleren Projekt, indem er den Fokus aus den Augen verliert.
Im Zentrum stehen könnte der Kampf zwischen Daniel und Eli, die beide getrieben sind von Machtgelüsten, der eine via Geld, der andere via Gott. Dieser Konflikt, der auch auf dem Poster seinen Ausdruck findet ("When Ambition Meets Faith") ist da und sogar auf oft plakative Weise - doch er führt zu nichts. Eli verschwindet für einen grossen Teil des Films aus der Story und gerade, wenn man denkt, Anderson würde eine Botschaft oder irgend etwas aus dem Duell der Dickköpfe herauskristallisieren, kommt dieses Ende. Dieses beinahe unbegründet hasserfüllte Aufeinandertreffen. Nochmals wird bestätigt, dass der Konflikt das gedankliche Zentrum des Films ist, bloss eben ein leeres Zentrum. Etwas gegen Religion zu lästern ist noch kein Thema, schon gar nicht wenn man es so plump tut. Ja beide Männer sind verblendet - das ist ein Startpunkt für eine Story. Nicht jedoch ihre Aussage.
Ähnlich unausgegoren sind Daniels Aufeinandertreffen mit seinem Bruder, die bösartige Rivalität mit den Ölfirmen und selbst die Beziehung zu seinem Ziehsohn F.W. Ich fand die Szenen in der ersten Hälfte, in denen F.W. und Daniel nach Öl suchten, ungemein reizvoll, doch von da an, wo der Sohn das Gehör verliert, geht der Fokus wieder flöten - bis zum wieder etwas konzentrierten, dafür plakativen Abschluss dieser Handlung. So läuft es in "There Will Be Blood" oft: Ideen werden angeschnitten und münden in nichts. Ist das wirklich der Filmemacher, der in "Boogie Nights" den Wechsel von den 70ern in die 80er am Beispiel des Pornogeschäfts virtuos analysierte? Hier fehlt der analytische Blick. Andersons inszenatorisches Talent ist unbestritten, einzelne Komponenten des Films kann man gar nicht oft genug loben, doch wenn die Story nicht richtig zu ihrem Sinn finden will und selbst zentrale Charaktere Mysterien bleiben, kommt einem das Ganze manchmal vor wie ein Schulbuch für Nachwuchsfilmer. Das ABC des Filmemachens. Viele Kritiker bezeichneten Anderson schon Mal als Mann ohne Stil, der andere (v.a. Robert Altman) nachmacht - ich werde mich hüten, das zu tun, denn ich mag seine Filme sehr. Doch hier fehlt tatsächlich das letzte Quäntchen Genie, das alles zusammenhält, weshalb dem Film etwas Lehrmeisterliches anhängt.
Was "The Will Be Blood" stets eint, ist nur Day-Lewis' Performance. Der Mann ist eine Naturgewalt und sein Charakter einer, dem man nicht begegnen will. Ein unkontrollierbarer Dämon, von dem man zwar nie ganz weiss, warum er so wird, wie er ist. Er ist einfach so - und so lange Day-Lewis ihn derart genial verkörpert, nimmt man das gerne so hin. Eine Liga weiter unten agiert der etwas junge Paul Dano, der ursprünglich nur die Rolle des Paul hätte spielen sollen und dann auch den Eli übernahm. Ich fand ihn überfordert. Dafür gibts sehr gute Unterstützung von Charaktermimen wie Ciarán Hinds und vom kleinen Dillon Freasier als H.W.
Besser als alle Akteure (sieht man von Day-Lewis ab) ist Andersons Umsetzung. Schon mit der simplen Titelkarte, die nichts zeigt, als den Filmtitel, zeigt der Mann Klasse. Danach schwillt die Musik enervierend und sirenengleich an - eine Technik, die den ganzen Film hindurch immer wieder zum Zug kommt: Die Musik quält bisweilen das Trommelfell und deutet an, dass in Daniel etwas vorgeht, das nicht gut enden kann. Wenn Stille einkehrt, dann richtig: Wir sehen Daniel seine erste Grube graben, hart arbeiten. Das ist Americana pur. Ich liebe diese Art des Kinos, die von der jungen Geschichte Amerikas lebt und überlebensgrosse Figuren in einem mythisch anmutenden Kampf gegen die Elemente und gegen das harsche Umfeld zeigt. Gerade 2007 war ein gutes Jahr für Americana-Filme, kann man doch "The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford" ebenso dazu zählen wie (der vom gleichen Kameramann gefilmten) "No Country for Old Man" oder "3:10 to Yuma". Das uramerikanische Kino feiert ein willkommenes Comeback. In diesem Stil läuft auch ein Grossteil von "There Will Be Blood" ab, der weite Landschaften, markige Männer und natürlich Öl zelebriert.
Öl ist hier die magische Kraft, die die Seele korrumpiert. Anderson legt darauf nicht gar so viel Wert wie es in "Giant" mit James Dean passiert, doch das schwarze Gold treibt die Handlung nichtsdestotrotz voran. Es ist das Blut des Films, denn echtes Blut gibt es wider Erwarten nur selten - und wenn, dann als Resultat ungeschönter, heftiger Gewalt. Die ist im Film verstörend, weil sie nicht immer zwingend Resultat von etwas ist, sondern willkürlich passieren kann - kein Wunder bei einem so instabilen Charakter wie Daniel Plainview. Anderson verabschiedet sich mit diesem Werk auf beinahe irritierende Weise von allem Humanismus und zelebriert das Unmenschliche. Das sorgt dafür, dass einen die bereits etwas skizzenhaft dargestellten Charaktere noch kälter lassen. Die von manchen Kritikern gezogenen Vergleiche zu Stanley Kubrick rühren sicher auch daher, selbst wenn ich Kubrick immer für den grösseren Humanisten hielt, als man ihm zutraute (siehe "Plaths of Glory").
"There Will Be Blood" ist von seinen Figuren und der durchexerzierter Inszenierung her sogar noch etwas kühler als mancher Kubrick-Film. Das ist freilich nur bedingt relevant, denn das zweieinhalbstündige Epos will ja gerade eine Welt ohne Menschlichkeit zeigen. Warum Eli und Daniel so besessen sind, wird nie ganz schlüssig, die vielen Bibel-Referenzen im Film sind plakativ, die Charakterentwicklung bleibt überraschend simpel und aus dem Kampf Kapitalismus-gegen-Religion erwächst erschreckend wenig - doch mit grosser Kelle richtet Anderson hier den Aufstieg und menschlichen Fall eines Egomanen an. Gespickt mit schauspielerischen Eruptionen von Day-Lewis, grandioser Kameraarbeit und expressionistischem Musikeinsatz lässt Anderson die Fieberkurve seines Films anschwellen bis zum beinahe karnevalesken Finale. Ganz ernst nehmen konnte ich den Film nie, denn die Figuren sind over the top. Sie sind larger than life. Doch dies in voller Absicht. Und mit niederschmetternder Kraft. Ein stellenweise verpatzter Film, ja. Ein überschätzter Film, sicher. Doch einer, den man so schnell nicht vergisst und der manchmal zu bersten scheint vor Energie.
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