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Sci-Fi-Thriller. USA/GB 2020
Alternativer Titel -

Regie Christopher Nolan
Drehbuch Christopher Nolan
Produktion Christopher Nolan, Emma Thomas
Musik Ludwig Göransson
Kamera Hoyte Van Hoytema

Schnitt
Jennifer Lame
Darsteller John David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki, Kenneth Branagh, Dimple Kapadia,
Aaron Taylor-Johnson, Himesh Patel, Clémence Poésy, Michael Caine, Martin Donovan
Länge
151 Min.

Kinostart 26.8.2020 (CH)
Kinostart 3.9.2020 (USA)

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik
. .

©  Text Marco Spiess, molodezhnaja 21.8.2020
©  Bilder Warner Bros., Screenshots molodezhnaja


STORY
Ein CIA-Agent (John David Washington) wird darüber informiert, dass jemand in der Zukunft es geschafft hat, Gegenstände zeitlich umzukehren. Sie existieren sozusagen rückwärts und funktionieren daher nach anderen physikalischen Regeln. Diese Objekte, zum Beispiel Waffen, landen nun in der Gegenwart. Alles deutet darauf hin, dass diese temporale Manipulation erst der Anfang ist: Die Zukunft hat der Gegenwart den Krieg erklärt. Um den Urhebern auf die Spur zu kommen, nehmen der Agent und sein zugeteilter Partner (Robert Pattinson) den cholerischen Waffenhändler Sator (Kenneth Branagh) ins Visier.

 

REVIEW
Eine Wissenschaftlerin in "Tenet" hält in der Anfangsphase des Films einmal fest: "Man muss nicht wissen, wie es funktioniert - man muss es fühlen". Christopher Nolan folgt diesem Credo seit Jahren. Die Filme des britischen Regisseurs sind in ihren meist verschachtelten Themen nicht 100 Prozent niet- und nagelfest, aber er hält inszenatorisch die Zügel so straff in der Hand und führt das Publikum mit solcher Raffinesse hindurch, dass man jederzeit fühlt, man habe "Inception" verstanden oder bei "Memento" kein Logikloch entdeckt - man habe alles verstanden.

"Tenet" dürfte dahingehend die vorläufige Kulmination sein. Zum einen lässt Nolan uns die Komplexität des Themas nie vergessen. Und zum anderen perfektioniert er das Spiel mit seinem bevorzugten Stilmittel: der Zeit. Sein Frühwerk "Memento" erzählte er szenenweise retour, in "Interstellar" und "Inception" verlief die Zeit für Protagonisten unterschiedlich schnell und selbst bei einem tatsachenbasierenden Film wie "Dunkirk" fand Nolan die Möglichkeit, Zeit ins Spiel zu bringen, indem er drei Handlungsstränge unterschiedlich schnell aufeinander zulaufen liess.

"Tenet" nun führt Objekte ein, die auf der Zeitachse rückwärts existieren. Für einen Nolan-Film entwickelt sich das anfänglich recht geradlinig: Der Geheimdienst folgt Sators Spuren, ähnlich einem klassischen Agentenfilm. Doch es kommen immer mehr zeitlich retour laufende Gegenstände und sogar Personen ins Spiel, wodurch "Tenet" Stück für Stück ausgeklügelter wird, bis hin zu einer wahren Schlusssymphonie aus Zeitwirrwarr. Nolan tut alles, um Klarheit zu bewahren: manchmal setzt er auf Farben, um zu erklären, wie die Zeit läuft. Manchmal auf den Soundtrack von "Mandalorian"-Komponist Ludwig Göransson, der fast pausenlos aus den Lautsprechern dröhnt, und bei Bedarf dazu dient, mit dissonanten Geigen das Gefühl von rückwärtslaufenden Melodien zu vermitteln.

Wenn man trotzdem irgendwann die Waffen strecken muss, ist das nicht weiter schlimm: "Tenet" wird auf Jahre hinaus erklärende Youtube-Videos mit detaillierten Analysen und Erklärvideos generieren. Und wer den Film lieber ohne begleitende Abhandlungen durch Physikprofessoren geniessen will, der kann sich an dem eingangs erwähnten Mantra festklammern: Man muss nicht wissen, wie alles funktioniert. Man muss es fühlen

Nolan lässt es fühlen: mit einer faszinierend realistischen Bildsprache, die oft auf Computertricks, ja gar auf Green-Screen verzichtet. Oder mit dem pulssteigernden Soundtrack. Und nicht zuletzt mit einer mitreissenden Schauspielerriege, angeführt vom lustvoll aufspielenden Robert Pattinson und Denzel Washingtons Sohn John David Washington ("BlackKklansman"). Letzterer ist der namenlose Protagonist, der auch unsere Fragen ausformuliert. Bei Nolan gibt es oft viel Exposition (böse Stimmen sagen zum Beispiel, "Inception" sei nur Exposition), aber Washington vermittelt den Informationsfluss leichtfüssig und Nolan versteht es ausgezeichnet, nicht einfach nur seine Akteure faseln zu lassen, sondern jede Erklärung in die Action einzubinden.

Nur wenige Filmemacher heutzutage können ihm dahingehend das Wasser reichen und die Nolan-Fans hieven seine Filme darum fast zu schnell und in den Klassiker-Rang hoch. Ich mag Nolan ja auch sehr, aber ein "Dark Knight Returns" zum Beispiel gehört nie und nimmer in eine ewige Bestenliste wie die IMDb Top-250. In welche Position des Nolan-Pantheons "Tenet" aufsteigen wird, wird die Zeit zeigen müssen. Aber den Nolan-Fans wird er auf jeden Fall munden.

Edit: Ein negativer Nachtrag muss noch sein. So geil der Soundtrack reinhaut, am Ende habe ich mich davon auch erschlagen gefühlt. Ein Score wird im Kino schliesslich auch eingesetzt, um Szenen Wichtigkeit zu verleihen. John Williams' Leitmotive sind nicht einfach da, sie lenken die Emotionen und machen einzelne Szenen zu Einheiten, die man in Erinnerung behält. In "Tenet" ist der Soundtrack eine derart unaufhörliche Wucht, dass es Nolan nicht mehr schafft, mir zu sagen, welche Szene wichtig ist. Denn jede Szene wird begleitet von Musik-Dröhnen, als wäre jede Szene wichtig. Das hat Nolan schon bei anderen Filmen gemacht, aber nirgends so extrem wie hier. So fällt es letztendlich schwer, zu sagen, welche Sequenzen man in Erinnerung behalten soll. Als wolle Nolan sagen: "Vergiss einzelne Szenen, behalte dieses Werk als ein grosses Donnerwetter im Kopf!"

  

EXTERNE REVIEWS 
imdb.com

 


 

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