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Episodendrama. UdSSR / Kuba
Alternative Titel I Am Cuba; Я Куба
Regie Mikhail
Kalatozov
Drehbuch Enrique Pineda Barnet, Evgeniy Evtushenko
Produktion ICAIC, Mosfilm
Musik Carlos Fariñas
Kamera Sergey Urusevskiy
Schnitt Nina Glagoleva
Darsteller Luz María Collazo, José Gallardo, Raúl García, Sergio Corrieri
Länge 135 Min.
Kinostart 1964
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. |
©
Text Marco Spiess, molodezhnaja 27.8.2016
© Bilder Arte,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Unter dem Namen Betty arbeitet die junge Maria (Luz María Collazo) als
Prostituierte in Havanna. Im Nachtclub gabelt ein Amerikaner (Jean Bouisse) sie
auf und bringt sie in ihre Hütte. Der alte Farmer Pedro (José Gallardo) erfährt
derweil, dass sein Feld nun einem amerikanischen Fruchthersteller gehört.
Enteignet von Boden und Haus wehrt er sich. Auch Studenten wie Enrique (Raúl
García) wehren sich. In der Stadt fällt ihre Revolution auf fruchtbaren Boden.
Doch auch auf dem Land wächst der Widerstand, sogar beim jungen Pazifisten
Alberto (Sergio Corrieri), der zum Guerillakämpfer wird.
REVIEW
Es ist erstaunlich, wie viele Propagandafilme zu
cineastischem Ruhm kamen. Bekannte Beispiele sind "Panzerkreuzer Potemkin",
"Triumph des Willens" und "Casablanca" - freilich mit unterschiedlichem
inhaltlichem Wert. Gemein ist aber vielen von ihnen die technische
Überlegenheit. "Soy Cuba" gehört ganz klar auch in diese Kategorie.
Nach
dem erfolgreichen Umsturz in Kuba wollte Fidel Castro einen Film, um die
Revolution zu glorifizieren. Da es aber im Land selbst keine geeigneten
Regisseue gab, wandte er sich an den grossen Bruder in der Sowjetunion. Premier
Chruschtschow war einverstanden und beauftragte einen seiner besten damit:
Mikhail Kalatozov (1903-1973), der Regisseur des Cannes-gekrönten "The Cranes
Are Flying" (1957) und des famosen Letter
Never Sent.
Er reiste mit seinem Team nach Kuba, brachte seine
erfahrenen Kameratechniker mit sich, hörte sich vor Ort bei der Bevölkerung um
und liess den russischen Poeten Yevgeny Yevtushenko zusammen mi dem kubanischen
Schriftsteller Enrique Pineda Barnet ein Skript ausarbeiten. Das Projekt zog
sich dahin, doch als es endlich im Jahr 1964 gezeigt wurde, war die Euphorie
verflogen. In der UdSSR brach die Breschnew-Zeit an und ein revolutionär
angehauchter Film wie "Soy Cuba" wurde nicht mehr gebraucht.
In der
Heimat indes lehnte man das Werk als stilistisch zu osteuropäisch ab, das echte
Kuba-Feeling suchten die Kritiker vergeblich. Der Film verschwand in der
Versenkung. Erst in den 1990ern feierte er seine Neuentdeckung, unter anderem
mit Hilfe von Martin Scorsese, der seinen Wert erkannte. Man müsste auch
ziemlich blind sein, ihn nicht zu sehen - denn, wie das elitäre Slant Magazine
ausnahmsweise korrekt attestierte "er ist der feuchte Traum jedes Cinephilen".
In der Tat. Kalatozov und Kameramann Sergey Urusevskiy nutzten manchmal
eine Infrarot-Kamera für einen verfremdeten Look, wechseln ab zwischen
faszinierenden Totalen und charakterstarken Nahaufnahmen. Aber vor allem
entfesselten sie die Kamera, als würde sie selber eine Revolution gegen
statische Konventionen starten. Besonders krass ist dies am Anfang, wenn es in
den ersten 13 Minuten gerade mal drei Cuts gibt.
Die erste Sequenz nach
dem Prolog spielt in einem Luxushotel, während die schmissige Musik spielt,
fährt die Kamera per Lift an den Pool, filmt die Party und die Frauenkörper,
taucht ins Wasser ab und wieder hoch - das ruft eine ähnliche Lang-Sequenz aus
"Boogie Nights" in Erinnerung, die notabene auch von Scorsese beeinflusst wurde
und dessen Faszination miterklärt. Es ist aber auch ein wahrhaft genialer Shot,
von dem Kritikerpapst Roger Ebert rätselte, wie man ihn in Zeiten vor der
Steadycam überhaupt hinbekam.
Auch später gibt es immer wieder
ausgeklügelte Kamerafahrten. Etwa von einer Trauerkundgebung der Hauswand hoch,
hinein in eine Zigarettenfabrik, wo die Arbeiter eine Fahne hissen und über
diese Fahne wieder hinaus ins Freie weit über den Menschenmassen, denen die
Kamera dann durch die Strassen folgt. Schlicht episch. Man kann sich aber auch
an den weniger langen und weniger ausgeklügelten Szenen kaum sattsehen, weil
Kalatozov jeden Frame mit Faszination füllt.
Das Resultat ist ziemlich
traumwandlerisch. Mit Sätzen wie "Meinen Zucker nahmen die Schiffe mit, meine
Tränen liessen sie hier" wendet sich Kuba als sprechende Frau direkt ans
Publikum und begleitet die Ereignisse. Einzelne Helden lassen sich schwer
ausmachen, in marxistischer Tradition wird die Revolution an sich zum
Protagonisten, sind es die Massen, die den Wechsel bringen.
Den
propagandistischen Aspekt schmälert all das das natürlich nicht. So sind etwa
die letzten zwei Segmente recht typisches Revolutionskino mit Aufständen und
Parolen. Und im ersten Segment sind die gezeigten Amerikaner ungeheuer
schmierig, selbst ihrer vermeintlichen Demokratie wird ans Bein gepinkelt, wenn
die feinen Herren ganz "demokratisch" auslosen, wer welches Mädchen haben darf.
Genau diese Bar-Szenen voller Sex, Alkohol und Götzenbildern sollen wohl als
Negativbeispiel westlicher Dekadenz dargestellt werden, aber die berauschende
Musik und die exzessive Stimmung erreicht eher das Gegenteil. Vielleicht war es
auch das, was bei Breschnews Gefolge Unbehagen auslöste: "Soy Cuba" ist
sicherlich ein kommunistischer Propagandafilm, aber einer, der in so einen
Rausch hineinkommt, dass er bei den Zuschauern vielleicht ungewollte Emotionen
auslösen könnte.
Allem fragwürdigen oder gelungenem Inhalt zum Trotz:
"Soy Cuba" ist vor allem Stil. Und wer auf technisch ausgeklügelte Filme steht,
kommt um diesen kaum herum. Schön also, kann man sich nach Jahren der Obskurität
nun wieder daran ergötzen.
EXTERNE REVIEWS
imdb.com
Screenshots des Arte-Streams mit VLC, verkleinert und geschärft mit Photoshop CS2
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