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Actiondrama. USA 2005
Alternative Titel -

Regie Robert Rodriguez, Frank Miller, Quentin Tarantino
Drehbuch Frank Miller nach seinem Comic
Produktion Robert Rodriguez, Frank Miller, Elizabeth Avellan
Ausführende Produzenten Bob und Harvey Weinstein, Andrew Rona, Brad Weston
Musik Graeme Revell, John Debney, Robert Rodriguez
Kamera und Schnitt Robert Rodriguez
Darsteller Bruce Willis, Mickey Rourke, Clive Owen, Jessica Alba, Benicio Del Toro, Elijah Wood
Nick Stahl, Brittany Murphy, Rosario Dawson, Powers Boothe, Rutger Hauer, Jaime King
Devon Aoki, Josh Hartnett, Carla Gugino, Michael Clarke Duncan, Michael Madsen, Frank Miller
Länge 100 Min.

US-Kinostart 01.04.2005
CH-Kinostart
18.08.2005

 

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik

©  Text Marco, molodezhnaja 8.6.05
©  Bilder Dimension


STORY
Sin City ist ein Sündenbabel. Darin ist ein Auftragskiller wie "The Man" (Josh Hartnett) noch das geringere Übel. Bedeutend übler geht Junior (Nick Stahl) vor: Da er der Sohn von Senator Roarke (Powers Boothe) ist, kann er sich alles erlauben. Auch das Entführen, Vergewaltigen und Töten von kleinen Mädchen. Momentan ist die 11-jährige Nancy in seiner Gewalt. Der gesetzestreue Cop Hartagan (Bruce Willis) will sie retten. Zu spät für Rettung ist Marv (Mickey Rourke). Der verunstaltete Koloss verbrachte gerade mit Goldie (Jaime King) die Nacht seines Lebens. Doch am nächsten Morgen hat sie der stumme Killer Kevin (Elijah Wood) getötet. Marv jagt die Verbrecher - und riskiert dabei seine Gesundheit. Ebenso viel setzt der Ex-Killer Dwight (Clive Owen) aufs Spiel. Er will die Kellnerin Shellie (Brittany Murphy) vor ihrem Schläger-Freund Jackie Boy (Benicio Del Toro) retten und verfolgt ihn bis ins Rotlichtviertel von Old Town. Dort regiert Dwights alte Flamme Gail (Rosario Dawson) mit ihrer Killer-Nutten. Sie wollen Jackie umlegen - doch er hat ein Geheimnis.

 

REVIEW
Ein Film gewordener Comic von meisterhafter Klasse. "Sin City" ist nicht nur Robert Rodriguez bester Film und ein heisser Anwärter auf die Top 5 des ganzen Jahres, er ist auch eine der besten Comic-Adaptionen aller Zeiten. Wobei das Wort "Adaption" es nicht genau trifft. Zu Beginn des Films werden zu den Credits ein paar Bilder aus dem Comic von "Sin City"-Schöpfer Frank Miller gezeigt, die später im Film beinahe 1:1 rekonstruiert wurden. Nicht umsonst trat Rodriguez aus der US-Regisseursgewerkschaft aus, damit er Frank Miller als Co-Regisseur nennen durfte. Rodriguez trat hier gänzlich zurück und dient nur einer Sache: Millers Vision cineastisch aufzuarbeiten. Und das macht er mit schier unglaublicher Wucht.

Die Anfangssequenz mit Josh Hartnett steht etwas Abseits, denn sie entstand als Testfilm, damit Rodriguez Frank Miller von seinen Ideen überzeugen konnte. Rodriguez filmte wie seit ein paar Jahren üblich nur digital und das ist hier ganz klar die beste Herangehensweise. Es erlaubt Rodriguez, den Film in Schwarzweiss zu halten und Farbe nur einzusetzen, um gewisse Elemente herauszuheben. Blut ist manchmal weiss, manchmal rot, manchmal gelb. Augen leuchten auf, Autos schimmern mal bläulich. Und Miller war überzeugt. Das Testfilmchen blieb drin und bietet sozusagen die Einleitung. Die ist ganz hübsch - aber noch keineswegs der Höhepunkt.

Danach setzt uns Rodriguez nämlich Episoden aus drei Miller-Stoffen vor: "The Hard Goodbye“, "The Big Fat Kill“ und "That Yellow Bastard“ - alle drei ganz dezent miteinander verwoben. Der leicht episodische Charakter ist in diesem Fall aber ein Glücksgriff, da es das pulpige Serial-Feeling erhöht. Ich hatte nach jeder Episode mehr Lust auf die nächste. Und dass nach drei Episoden alles vorbei war, konnte ich kaum fassen. Ich wollte mehr. Hier und jetzt. Dass Rodriguez und Miller zwei weitere Teile in Vorbereitung haben, ist nur schwacher Trost. Selten zuvor wollte ich nicht, dass ein Film endet. Bei anderen Werken, selbst solchen, die mir mehr am Herzen liegen als dieser hier, hat man nach dem Höhepunkt das Gefühl, die Geschichte sollte zum Abschluss kommen, damit man glücklich heim gehen kann. Bei "Sin City" wollte ich noch eine Episode. Und nach dieser noch eine. Man ist sozusagen auf einem konstanten Hoch. Zwei Stunden gehen im Fluge vorbei und Rodriguez' Genie besteht auch darin, keine Sekunde langweilig erscheinen zu lassen.

Die beste Episode? Kann ich nicht wählen - sie sind alle geil. "The Hard Goodbye" hat einen gewaltigen Vorteil gegenüber den anderen: Mickey Rourke. Mit Maske und Charisma, das von der Leinwand tropft, gibt er vielleicht das Comeback des Jahres. Er ist eine Mischung aus Frankensteins Monster, Phillip Marlowe und dem Hulk, ein schier unkaputtbarer Trottel mit erstaunlich grossem Herz. Das zeichnet Millers Anti-Helden aus: Sie sind irr, tötungssüchtig, fehlgeleitet oder dumm, aber sie metzeln für eine gute Sache. Am liebsten für eine schöne Frau. Oder für Erlösung. Im Falle von Rourke ist es eine Frau. Die engelhafte Jaime King macht ihn zum Tier und er muss eins sein, denn seine Gegner sind extrem. Elijah Wood als Martial-Arts-kickender Menschenfresser (das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen), Rutger Hauer als diabolischer Bischof und Frank Miller persönlich in einem Gastauftritt als nicht sehr lange lebender Priester. Dazu Dames und Babes bis die Augen glänzen: Die brandheisse Jessica Alba als Tänzerin, Brittany Murphy als Kellnerin, Carla Gugino als Lesbe - und alle meistens nackt oder spärlich bekleidet. Dies ist eine Welt der Femme fatales, die zwar nach aussen aussehen wie hilflose Püppchen, aber zulangen können, wenns drauf ankommt. Miller bedient sich bei allen Film-noir-Klischees über schöne Frauen, aber aufgehypt fürs neue Jahrtausend. Die Mädchen werden geschlagen, aber sie rappeln sich auf. Sie verführen und schiessen. Sie sind mal Gottheit, mal Biest. Und sie sind ein Anblick für die Ewigkeit.

Aber Rourke stiehlt allen die Show. Man achtet sich kaum auf derbe Continuity-Fehler (das Blut in seinem Gesicht variiert enorm in der Menge und Platzierung), man leidet, drischt und freut sich vielmehr mit dem tumben Brutalo. Die Dialoge sind aufs "i"-Pünktchen perfekt. Seien es die noir-ischen Voice-Over, die direkt als Comictexte durchgehen, seien es die knisternder Mann-Frau-Konversationen oder die Macho-Sprüche. Alles ist harte Pulp-Poesie, von der man nicht genug bekommen kann, begleitet von verführerischer Noir-Musik, die eine unheilvolle und trotzdem sinnliche Atmosphäre erzeugt.

"The Big Fat Kill" hat den blassesten Helden: Clive Owen. Ich mag ihn sonst enorm und auch hier ist er alles andere als schlecht, doch er bekommt zu starke Konkurrenz. Einerseits von schurkischen Benicio Del Toro. Seine Szene mit Owen im Auto ist herrlich absurd. Die Sequenz hat Rodriguez' Kumpel Quentin Tarantino gedreht, doch sie fügt sich nahtlos in den Film ein. Und davor hat Devon Aoki ihren geilsten Auftritt. Das Asia-Babe aus "2 Fast 2 Furious" legt mit buddhistischem Hakenkreuz und schnellen Säbeln einen genialen Auftritt hin. Rosario Dawson glänzt als Anführerin der Nutten von "Old Town" und in kürzeren Auftritten sind Michael Clarke Duncan, sexy Brittany Murphy, die unschuldige Alexis Bledel und Nicky Katt als Nazi-Killer (sein Hakenkreuz ist nicht buddhistisch). Sein Abgang ist zum Kugeln komisch.

Bevor ich auf die letzte Episode eingehe, ein paar Worte zu diesem Humor: Er ist rabenschwarz und meist gepaart mit Gewalt. Man muss schon einen starken Magen haben, denn obwohl die Gewalt extrem stilisiert ist, ist sie roh und extrem. Abgehackte Gliedmassen, gespaltene Köpfe, durchsiebte Körper und mehrmals zerschossene und zertrümmerte männliche Geschlechtsteile. Was das männliche Geschlechtsorgan in diesem Film aushalten muss, ist kaum zu beschreiben. Und eben, meist wirken die Sequenzen durchaus amüsant. Rodriguez nimmt den Film nämlich schon ernst, distanziert sich aber durch Hyperstilisierung, Sarkasmus und Popkultur-Inszenierung vom Stoff gerade so viel, dass man ihn nie ganz an sich ran lässt. Es ist schwer zu beschrieben. Man taucht nie in die Charaktere ein, man beobachtet sie vielmehr. Und darum kann man auch mit ihnen lachen, ohne dass der Film jemals lächerlich würde.

In "That Yellow Bastard", dessen Anfang zu Filmstart auftaucht und der erst gegen Schluss fortgesetzt wird, gibt Bruce Willis eine Top-Performance. Auch er ist die Widergeburt des Comic-Antihelden. Gefilmt aus den coolsten Winkeln, stets die ärgsten Sprüche auf den Lippen und jederzeit bereit, extrem viel zu leiden. Nicht Leid im melancholisch-tragischen Sinn, sondern als Mittel zur Erlösung. Hartigan hat Herzprobleme, ist alt, wird von seinem Kumpel (Michael Madsen) angeschossen und gibt nicht auf. So ein sturer Bock. Und dafür muss man ihn lieben. Besonders lieb hat ihn die 11-jährige Nancy, die er vor dem Massenvergewaltiger Yellow Bastard (Nick Stahl) gerettet hat. Später ist Nancy älter und ohne zu verraten, was oder wer aus ihr wird: Die Szenen mit ihr wirken extrem verrucht. Hartigan darf es ein paar Mal andeuten, aber für ihn und genauso für die Zuschauer ist Nancy immer noch das 11-jährige Mädel. Rodriguez zeigt also nichts Schlimmes, aber er impliziert - und Mann, was der Kerl einem aufzutischen wagt ist eben einfach krank. Aber von der Krankheit will man angesteckt werden.

"Sin City" ist mehr als nur diese drei Plots. Er ist mehr als nur Film-noir-Monologe, Femme fatales und Antihelden. Er ist mehr als Superstars. Mehr als eine am Computer generierte Stadt in düsterem Schwarzweiss. Er ist die perfekte cineastische Umsetzung eines Comics, ein Meisterwerk in beinahe jeder Hinsicht. Rodriguez war nie ein wahnsinnig guter Regisseur - sein bislang bester Film "From Dusk Till Dawn" hat eher Kultqualitäten. Und Werke wie "Spy Kids" oder "El Mariachi" leben eher von ihrer Energie und ihrem schockierend kleinen Budget als von ihrer Inszenierung. Aber hier toppt er sich, wohl dank der Hilfe von Miller. Die beiden sind geboren füreinander und "Sin City" hätte schlicht nicht besser ausfallen können. Worte werden ihm denn auch kaum gerecht: Man muss ihn sehen, muss ihn erleben. Voraussetzung ist, dass man extreme Gewalt und Stilisierung akzeptiert, dass man Sexismus nicht als Sexismus betrachtet, sondern als Teil der menschlichen Degradierung in "Sin City". Die Behandlung von Frauen würde sonst Bücher füllen. Aber die Babes nehmen nicht nur, sie teilen aus. Und sie sind es, die den Film zusammenhalten. Die Rollenverteilung ist komplexer, als man denken könnte. Und trotzdem ist "Sin City" ein einfach gestricktes Werk, seine Geschichten artverwandt, ja überlappend. Bei einem schwächeren Filmemacher-Team wäre dies demnach ein Sieg von Stil über Substanz. Nicht hier. Stil ist Substanz. Die Inszenierung ist Teil der Geschichte. Alles passt zueinander und ineinander. "Sin City" ist einzigartig. Und so gut wie perfekt.

 

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EXTERNE INFOS & REVIEWS 
imdb.com
Roger Ebert (4/4)
James Berardinelli (3½/4)

 


 

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