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> RYAN'S DAUGHTER
Melodrama. Grossbritannien
Alternativer Titel Ryans Tochter
Regie David
Lean
Drehbuch Robert Bolt
Produktion Anthony
Havelock-Allan
Musik Maurice Jarre
Kamera Freddie Young
Schnitt Norman Savage
Darsteller Robert Mitchum, Sarah Miles, Christopher Jones, Trevor Howard,
John Mills, Leo McKern, Barry Foster
Länge 196 Min.
Kinostart 1970
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
©
Text Marco Spiess, molodezhnaja 18.11.2019
© Bilder MGM,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Ostirland, 1917: Rosy (Sarah Miles), die Tochter des
Kneipenbesitzers Thomas Ryan (Leo McKern), ist in ihren früheren Lehrer Charles
Shaughnessy (Robert Mitchum) vernarrt. Sie sieht in dem kultivierten Witwer die
Chance, aus der Enge des verarmten Dorfes Kirrary ausbrechen zu können. Obwohl
Charles sie vor zu viel Euphorie warnt, heiraten die beiden. Tatsächlich ist
Rosy in der biederen Ehe bald gelangweilt. Umso mehr interessiert sie sich für
Major Randolph Doryan (Christopher Jones), den neuen Befehlshaber der englischen
Garnison. Der vom Krieg traumatisierte Mann beginnt eine Affäre mit Rosy.
Charles ahnt schon bald, dass etwas nicht stimmt. Derweil spitzt sich der
Konflikt zwischen aufständischen Iren und englischen Besatzern zu.
REVIEW
Manche Regisseure sind so gut wie unfehlbar, derart
hat man zumindest Grössen wie Stanley Kubrick, Alfred Hitchcock, Hayao Miyazaki
oder Akira Kurosawa im Gedächtnis. Doch jeder noch so famose Filmemacher weist
den einen oder anderen schlecht besprochenen Film in seinem Repertoire auf
(ausser Kubrick vielleicht, denn der drehte wenig Filme und sie alle pendeln
zwischen "gut" und "Meisterwerk für die Ewigkeit"). David Lean, auf jeden Fall
einer der ganz Grossen, kann von diesem Problem ein Lied singen: Verwöhnt vom
Erfolg seiner Klassiker wie "Lawrence of Arabia", "The Bridge on the River Kwai"
oder "Great Expectations" veröffentlichte er 1970 sein episches Melodrama
"Ryan's Daughter" - und fiel bei den Kritikern voll auf die Nase.
Aber
ist er wirklich schlecht? Nein, im Gegenteil sogar. Aber man kann sich gut in
die Kritiker von damals einfühlen, die nach drei Lean'schen Top-Epen mehr vom
Selben erwartet haben - und stattdessen ein fast vierstündiges Melodrama
vorgesetzt bekamen. Es folgten Verrisse, Lean kürzte den Film um fast 20 Minuten
(der den Kritikern gezeigte Cut von 220 Min. existiert nicht mehr) und drehte
danach vierzehn Jahre keinen Film mehr (bis zu A
Passage to India)!
Wie gesagt: nicht verdient. Denn seine lose
Adaption von Gustave Flauberts "Madame Bovary" mag zwar zu lang sein und in der
zweiten Hälfte auch an Zugkraft einbüssen. Aber die Bilder sind eine Pracht, und
der Soundtrack erquickt (hier waren die Lean-Veteranen Freddie Jones und Maurice
Jarre am Werk). Die Geschichte hält bei Laune und fokussiert sich angenehm auf
die Figuren und deren Psychologie. Und nicht zuletzt überzeugen auch die
Schauspieler. Mit Abzügen.
Solchen Abzug gibts vor allem für Christopher
Jones. Er wurde damals als legitimer Nachfolger von James Dean gehandelt und
machte mit seinen Frauengeschichten von sich reden. Doch im Film langweilt er
von Anfang an, seine Stimme soll David Lean so sehr gehasst haben, dass er ihn
von einem Synchronsprecher neu vertonen liess. Auch mit seinen Co-Stars verstand
sich Jones nicht. Da er sich nicht von Sarah Miles angezogen fühlte, setzte ihn Robert
Mitchum angeblich für die ausgedehnte Sexszene zur Filmmitte komplett unter
Drogen.
Mitchum selbst derweil ist gegen Strich besetzt und spielt
solide. Seine Rolle hätte an sich Alec Guinness übernehmen sollen, lehnte aber
wegen künstlerischen Differenzen ab. Und Sarah Miles ist angenehm normal, keine
Hollywoodschönheit, sondern eine irische Dorffrau, die mehr vom Leben erwartet,
als Fische und Dreck. Einen Oscar für seine Rolle bekam derweil ein anderer
(neben Freddie Youngs Kamera die einzige Auszeichnung) - nämlich John Mills.
Sein einddrückliches Spiel als sabbernder, verkrüppelter Dorftrottel taten
manche Kritiker als Stereotyp ab. Mir indes erschloss sich der Sinn seines Parts
nicht ganz, vielfach wirkt er fast ungewollt als Comic-Relief, und das war
sicher nicht der Plan. Hätte man seinen Part komplett weggelassen, der Film
hätte inhaltlich nichts verloren.
Dann wäre der Fokus mehr auf dem
Wichtigen und auch Interessanten gelegen: Dem Unterschied zwischen amourösen
Träumen und Realität, dem erwachsenen Umgang mit Gefühlen, dem erschreckenden
Einblick in die Mob-Mentalität eines Dorfes, dem Konflikt zwischen Iren und
Briten, dem Wunsch nach sozialer wie politischer Emanzipation. Das alles ist
gehaltvoll genug und wird auch noch musikalisch bereichert.
So erklingt
neben Jarres verspieltem Soundtrack eine ganze Reihe von
Klassikstücken, vorrangig Beethoven. Denn Charles ist Verehrer des grossen
Komponisten und deutscher Klassik im Allgemeinen - was durchaus auch eine
Relevanz für die geschichtliche Einbettung hat: Da sich Grossbritannien im Krieg
mit Deutschland befand, waren die grossen Künstler aus dem Feindesland verpönt.
Für die Iren, die sich vom britischen Joch lösen wollten, war es also durchaus
legitim, die Deutschen nach dem Motto "meines Feindes Feind ist mein Freund" zu
mögen. Und ihre Musik zu hören.
"Ryan's Daughter" ist voll von solchen
Facetten und Ideen, voll von Geschichten im Kleinen wie im Grossen. Und das
braucht seine Zeit - zu viel Zeit, keine Frage. Doch weil alles in spektakuläre
Bilder und makellose technische Präsentation eingebettet ist, lohnt sich das
Anschauen auf jeden Fall. Nein, dies ist kein "verlorenes Meisterwerk", kein
Klassiker im Rang eines "Lawrence of Arabia". Aber ein episches, schwelgerisches
und cineastisch hochwertiges Melodrama ist es allemal.
EXTERNE REVIEWS
imdb.com
Screenshots der DVD mit VLC, verkleinert und geschärft mit Picture Converter und Paint.net
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