The Polar Express (2004)

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US-Start: 10.11.2004
CH-Start: 25.11.2004

 

Regie: Robert Zemeckis
Buch: Robert Zemeckis, William Broyles Jr. nach dem Kinderbuch von Chris Van Allsburg
Produktion: Robert Zemeckis, Tom Hanks (Executive), Chris Van Allsburg (Executive)
Musik: Alan Silvestri, Glen Ballard
Sprecher: Sechsmal Tom Hanks, Nona Gaye, Eddie Deezen, Peter Scolari, Leslie Zemeckis, Michael Jeter
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Kritiken:
Roger Ebert (USA) 4/4
It will become a perennial, shared by the generations
James Berardinelli (USA) 3½/4 cinematic magic
(c) Warner Bros.

 

Review:

12.11.04

"The Polar Express" wird auf den beiden Seiten des Atlantiks ganz verschieden aufgenommen werden. Zum einen ist die Buchvorlage von Chris Van Allsburg ("Jumanji") in Europa nicht gar so bekannt, zum anderen werden die Zuschauer durch den klebrigen "glaub an den Weihnachtsmann"-Plot kaum in die Kinos gezogen werden. Was mich dennoch auf einen guten Film hoffen liess, war Robert Zemeckis. Der Spielberg-Zögling ist ein verlässlicher Filmemacher, dessen beste Schöpfungen ("Who Framed Roger Rabbit", "Back to the Future", "Forrest Gump") Meisterwerke sind. Erfahrung mit Hightech hat er an allen möglichen Orten gesammelt, er ist schliesslich einer der Regisseure, die moderne Techniken voranbrachten, ohne gross darauf aufmerksam zu machen. Und Zemeckis hat Erfahrung mit Animation - siehe "Roger Rabbit". Doch "The Polar Express" ist seine erste vollständige CGI-Produktion, hergestellt mit dem "Performance Capture"-Verfahren. Dazu sind die Akteure übersät mit Sensoren, so dass der Computer Bewegung und Mimik aufzeichnen kann. Effekte-Spezialist Ken Ralston hat die Technik vom bisherigen "Motion Capture"-Verfahren verfeinert. So kann Tom Hanks in sechs Rollen schlüpfen.

Eine ist die des namenlosen Buben ("Hero Boy"). Er glaubt nicht mehr an den Weihnachtsmann. Doch vor Mitternacht am Heiligabend hält plötzlich ein riesiger Zug vor seiner Türe: Der Polarexpress! Der Zugführer (Tom Hanks) bittet ihn, einzusteigen. Wohin geht es? Na zum Nordpol natürlich! An Bord sind bereits andere Kinder, darunter ein schwarzes Mädchen (Nona Gaye) und ein Besserwisser (Eddie Deezen). Einen armen Aussenseiter (Peter Scolari) holen sie ebenfalls an Bord. Dann gehts los durch tiefe Schluchten, durch glitschige Eis-Seen und über riesige Brücken. In diesen Szenen entwickelt der Film eine extreme Achterbahn-Dynamik. "The Polar Express" wird auch in 3-D im Imax gezeigt und v.a. bei diesen Szenen ist der Effekt wohl überwältigend. Aber abgesehen davon ist der Streifen leider eine extrem dröge Angelegenheit.

Da ist einmal die Technik. Der Zug sieht göttlich aus, doch die surrealen Menschen sind ein Graus. Sie bewegen sich seltsam und haben eine steife Mimik. In gewissem Sinne ist die Animation nicht einmal so gut wie jene in "Final Fantasy". Das Hauptproblem sind die glatten Hautoberflächen. Bei "FF" waren die Figuren besser, die etwas im Gesicht hatten - Bart, Falten, Warzen. Die Kinder hier haben aber alle glatte Haut und sehen aus wie Plastikpuppen. Sie verhalten sich auch so. Glattpolierte, emotionslose Püppchen, mit denen ich kaum mitfühlen konnte. In Actionsituationen ist es egal, wie gut der Charakter ist, da kann Zemeckis seine inszenatorische Dynamik voll laufen lassen - aber bei allen emotionalen Szenen sind diese Figuren irgendwie unheimlich. Und dies nicht im positiven Sinne.

Die Welt, die ziemlich exakt jener Allsburgs nachempfunden wurde, ist dagegen recht attraktiv. Die Berge und Täler sind elegant eingefangen. Sobald das Ziel (eben der Nordpol) angesteuert wird, siehts etwas bescheidener aus. Der Look ist nicht immer top, aber stets klasse animiert. Die Animation des ganzen Films ist eigentlich gelungen - aber das Getöse der Macher, dies sei eine Revolution kann ich nicht nachvollziehen. Da lieber künstliche Menschen à la The Incredibles, mit denen ich mehr mitfühlen kann, weil sie mehr sind als blosse Kitsch-Hülsen.

In "The Polar Express" ist eben alles extrem klebrig. Den Plot kann man sich von Anfang an denken. Sobald der Bub sagt, er glaube nicht mehr an den Weihnachtsmann, spulte sich mir der gesamte Streifen bereits vor dem inneren Auge ab. Die einzigen Überraschungen waren visueller Natur. Und von Anfang an ist der Kitsch da: Im Agieren der Personen und vor allem in den Songs. Tom Hanks' erste Nummer ist gut, doch das verheulte Liedchen, dass die Kinder am Heck des Zugs anstimmen, bereitet einen auf die Zucker-Attacke vor, die danach kommt. Oh und es kommt noch viel schlimmer - schliesslich muss sogar "Aerosmith"-Schnauze Steve Tyler einen Song haben. Passt nicht hierher, denn ansonsten wird so verklemmt auf Modernität zu Gunsten von Altmodigkeit verzichtet.

Der Kitsch nimmt schier unaushaltbare Proportionen an, wenn der ausgestossene Bub zweimal sagen muss "Christmas doesn't work out for me" und wenn Tom Hanks zum Schluss allen Kindern die gelernte Moral auf den Weg geben muss. Diese Passage ist wirklich nur noch peinlich. Alle unter 12 dürften sich daran kaum stören - aber Erwachsene dürften zu diesem Zeitpunkt im Kohlenhydrat-Koma liegen. Ich mag Kitsch sehr, ich mag auch Kinderfilme, aber wenn die nur auf die ganz kleinen Amis ausgerichtet sind und nichts fürs Hirn bieten, stell ich ab. Ja ich sage nichts fürs Hirn. Die Botschaft, man solle wieder glauben und den Weihnachtsgeist hochhalten ist ja schablonenhaftes Christmas-Drehbuchschreiben #1. Europäische Kritiker werden zudem auf das "Glauben" noch aggressiver reagieren, schliesslich ist der Sieg der christlichen Moral Majority in den USA noch nicht lange her. Mich hats nicht gestört, aber hundert Mal "you must believe" ist einfach schwache Dramaturgie. Zumal jeder Mensch bereits beim Erscheinen des Zuges zu glauben beginnt. Hallo? Ein Zug vor meiner Hütte? Das gibts doch nicht - vielleicht lag ich doch falsch mit meiner Vermutung, es gäbe keinen Weihnachtsmann? Nein, unser Held glaubt erst, wenn er Santa sieht, nach hunderten von Abenteuern. "Seeing is believing", sagt der Film, und an dieses Credo hält er sich eisern. Alles wird stückchenweise serviert - nichts subtil vermittelt.

Am wenigsten subtil ist Santas Auftritt. Ich spoilere nichts, oder? Es ist ziemlich klar, dass der Bub Santa trifft, das ist von Anfang an bei einem solch überraschungslosen Film gegeben. Nun, er tritt vor einer Horde jauchzender Elfen auf - und ich weiss schon jetzt, dass mancher Kritiker Riefenstahl und "Triumph des Willens" schreien wird. Ich hasse solche Vergleiche, denn nicht jede Massenszene mit einem Machtmenschen, der auf sie herunterschaut, ist faschistoid - aber Zemeckis hätte für eine der zentralsten Freudenszenen des Films doch ein wenig nachdenken sollen und das Ganze nicht so umsetzen müssen, als ob es dem Reichsparteitag derart ähnelt. Oder noch eher: Einer stalinistischen Demo mit allen Elfen in rot. Man stelle sich Millionen von Untertanen vor, der Herrscher betritt die Szene vor einem menschenleeren Korridor, es wird zugewunken und salutiert - und dazu läuft eine von dem sonst von mir verehrten Alan Silvestri schlecht eingesetzte Marschnummer. Ein Marsch zu einer solchen Szene, das spielt der Fascho-Argumentation ja geradezu den Ball zu.

Aber ich lese bereits zuviel herein - den letzten Abschnitt könnt ihr sozusagen als wildes Ausgeufere anschauen. Fakt bleibt, dass "The Polar Express" ein liebloses Glanzprodukt ist, das Weihnachten unsubtil zu Tode trampelt und jedem Zuschauer die gut gemeinten Botschaften mit dem Vorschlaghammer einprügelt. Der Film spielt Liebe vor und wurde sicher mit Liebe gemacht - aber das Herz der Zuschauer erreicht er nur beschränkt. Ich sah mich immer als jemanden, der sich auch im Alter viel Unschuld, Naivität und Kindlichkeit bewahrt hat und trotzdem natürwissenschaftlich denken kann. Aber egal wie kindlich ein aufgeklärter Erwachsener ist - diesen Film kann niemand ohne ein paar Insulin-Spritzen geniessen. Die Zugfahrt ist toll, der Zug selber sensationell, Hanks als Zugführer grossartig animiert und ein paar der Christmas-Songklassiker ("Santa Claus Is Coming to Town", "I'm Dreaming of a White Christmas") lassen es warm werden ums Herz. Aber das reicht nicht annähernd, um als CGI-Film durchzugehen, der die selbe Euphorie erreicht, wie etwa The Incredibles es tut.

 


page created: 12.11.04  ~  last updated 12.11.04

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