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Politthriller. USA 2005
Alternativer Titel
München
Regie Steven Spielberg
Drehbuch Tony Kushner, Eric Roth nach dem Roman von George Jonas
Produktion Steven Spielberg, Kathleen Keneedy, Barry Mendel, Colin Wilson
Musik John Williams
Kamera Janusz Kaminski
Darsteller Eric Bana, Daniel Craig, Ciáran Hinds, Mathieu Kassovitz,
Hanns Zischler, Geoffrey Rush,
Ayelet Zorer, Mathieu Amalric, Michael Lonsdale, Moritz Bleibtreu, Gila Almagor,
Valeria Bruni Tedeschi
Länge 164 Min.
US-Kinostart
23.12.2005
CH-Kinostart 26.01.2006
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
© Text Marco,
molodezhnaja 4.1.06
© Bilder DreamWorks / Universal,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Im September 1972 dringen palästinensische Terroristen der Gruppe "Black
September" in das Quartier der israelischen Mannschaft auf dem Gelände der
olympischen Spiele in München ein. Sie töten zwei Israelis und verschleppen neun
weitere zum Flughafen. Dort kommt es zum Massaker. Jim McKay, Sprecher eines
US-Senders, erklärt erschüttert "they're all gone". Die israelische
Premierministerin Golda Meir (Lynn Cohen)
beschliesst einen Vergeltungs-Schlag: 11 führende "Black September"-Terroristen,
die sich in Europa aufhalten, sollen getötet werden. Mit dem Auftrag wird
der Mossad-Agent Avner (Eric Bana) betraut, der vom Offizier Ephraim (Geoffrey Rush)
instruiert wird, dass alle Kontakte abgebrochen werden und Israel lediglich in
einem Genfer Bankschliessfach Geld deponieren wird. In Europa trifft Avner auf
sein Team: den Südafrikaner Steve (Daniel Craig), den Deutschen Jans (Hanns
Zischler), den Bombenbastler Robert (Mathieu Kassovitz) und den Analytiker Carl
(Ciáran Hinds). Durch seinen deutschen Kumpel Andreas (Moritz Bleibtreu) kommt
Avner an den Franzosen Louis (Mathieu Amalric), der die Israelis mit
Namen versorgt. So beginnen sie ihren Tötungsauftrag. Doch von Opfer zu Opfer
werden die Hürden grösser.
REVIEW
Bevor man überhaupt auf die politische Ebene von "Munich"
einsteigt, sollte man mit hängendem Unterkiefer darüber sinnieren, welch
wunderbaren Thriller man gesehen hat. Unterstützt von einem der besten Art
Designs der letzten Jahre und der Retro-Zoom-Linse von Janusz Kaminski schuf
Steven Spielberg einen Politthriller in genialster 70er-Jahre-Machart. Ein Film,
der von Vorbildern wie Costa-Gravas ("Z"), William Friedkin ("The French
Connection"), Francis Ford Coppola ("The Conversation"), Sidney Pollack ("Three
Days of the Condor"), Fred Zinnemann ("The Day of the Jackal") und Alan J.
Pakula ("The Parallax View") lebt. Manche seiner Inspirationen übertrifft
Spielberg sogar und liefert ein Stück Kino ab, das in seiner Machart alleine
schon vieles übertrumpft, was das weltweite Kino dieses Jahr zu bieten hatte.
Abstriche gibts auch, dazu gehört die leichte Überlänge - wirklich nur leicht, denn ich war überrascht, wie schnell der Film endet. Und auch ein paar ausgesprochene Trivialitäten sowie das "orgiastische" Katharsis-Ende gehören dazu. Doch "Munich" ist ein Film, in den sich jeder cineastisch interessierte Mensch eigentlich auf Anhieb verlieben sollte: Die Musik von John Williams schmeichelt der Inszenierung, die Kameraarbeit von Kaminski mit teilweise langen Shots und kultigen Zooms ist "Oscar"-würdig, die Ausstattung von Rick Carter kann ich nur nochmals und nochmals loben, da sie die Zeit, in der der Film spielt, so perfekt wiedergibt. Der Schnitt vom ebenfalls Spielberg-erprobten Michael Kahn ist ein Genuss, der Fluss, den die Montage erzeugt, beneidenswert.
Und da ist das brillante Casting. Noch nie hatte ein Spielberg-Film mehr Sprechrollen und der Meister hat dazu 200 Schauspieler aus verschiedensten Ländern besetzt. Alle sind genial, ein Mix aus Charakterköpfen und authentisch wirkenden Visagen. Premierministerin Golda Meir, die israelischen Sportler, die Terroristen, der göttliche Michael Lonsdale als "Papa" im Hintergrund - es ist einfach eine Freude, diesen Personen zuzusehen. Auch die fünf Agenten sind erste Sahne: Eric Bana liefert eine vielschichtige Darbietung, Bald-Bond Daniel Craig spielt den "Falken" mit Passion, Ciáran Hinds betört als besonnenes Mitglied, der zuletzt im Schweizer Flop Undercover gesehen Deutsche Hanns Zischler bleibt dezent im Hintergrund, um immer wieder perfekt einzugreifen - und Mathieu Kassovitz brilliert als Bombenleger mit Gewissensbissen. Erst wenn man das alles gewürdigt hat, ist man bereit für die nächste Ebene.
"Munich" ist selbstredend ein hochkontroverser Film: Hollywoods Aushängeschild für die jüdische Sache packt ein düsteres Kapitel in der Geschichte Israels an. Für rote Köpfe war auf fast allen Seiten gesorgt. Dabei ist der Plot nicht einmal neu, sondern basiert auf dem Roman "Vengeance" von George Jonas, der 1986 bereits als TV-Thriller "Sword of Gideon" verfilmt wurde. Spielberg spickt die Jagd auf die Attentäter mit penibel rekonstruierten Bildern der Geiselnahme in München und dokumentarischen Schnipseln. Das erzeugt ein Gefühl von enormer Realitätsnähe. Die Idee, zwar mit der München-Tragödie einzusteigen, sie aber danach in Form von Rückblenden wiederzugeben, erweist sich als Glücksgriff. So holt uns Spielberg inmitten der Vergeltung immer wieder in Erinnerung, was der Auslöser war. Wer Spielberg vorwirft, er beschmutze seine jüdischen Wurzeln, indem er die Täter zu Opfern macht, der will nicht beide Seiten des Films sehen. Die Augen der gekidnappten israelischen Sportler sprechen eine deutliche Sprache. Ihre Angst ist so spürbar, dass es mir kalt den Rücken herunter lief. Wer Angesichts solcher geschundenen und letztendlich hingerichteter unschuldiger Menschen den Terror als "gerechtfertigt" anschauen kann, hat den Film nicht an sich heran gelassen.
Spielberg plädiert für ein Innehalten. Er lässt beide Seiten zu Wort kommen, versucht aber keineswegs, eine Rechtfertigung für Gewalt zu präsentieren. Avners Mutter erklärt in einem berührenden Appell, dass niemand den Juden freiwillig eine Heimat geben würde und man für diese kämpfen soll. Die Premierministerin tischt die nachdenklich stimmenden Worte "Every civilization finds it necessary to negotiate compromises with its own values" auf, während später ein junger Palestinenser erklärt, jeder Mensch brauche ein Heim und man kämpfe dafür. Ideen prallen mit voller Wucht aufeinander und Spielberg versucht gar nicht erst, eine Lösung darzulegen. Er zeigt nur, wie es eben nicht geht. "An eye for an eye makes the whole world blind" sagte Gandhi und in Spielbergs Umsetzung davon wird deutlich, dass das gegenseitige Killen von Führungskräften niemanden voran bringt. Es wachsen neue nach, so lange die Wurzel des Übels nicht bekämpft ist.
Stets schwebt über der ganzen Sache der Link zur heutigen Zeit, zu Amerikas Handhabung des Terrors. Nützt es etwas, Osama Bin Laden auszuschalten? Jeder vernünftige Mensch wünscht sich diesen Psychopathen lieber tot als lebendig, doch ist dadurch etwas gelöst? Wächst nicht ein neuer Kopf nach? Die Frage ist alt, ja fast trivial, doch manchmal muss man sie wieder stellen. Die Parallelen zur heutigen Zeit schliesst Spielberg mit dem unheilvollen Schlussbild ab, das eigentlich Optimismus ausstrahlen soll, aber im Hintergrund die "Twin Towers" des World Trade Centers zeigt. Ob Spielberg damit andeuten will, die in München losgetretene Lawine habe zu 9/11 geführt oder lediglich sagt "Terror ist allgegenwärtig" ist jedem Zuschauer selbst überlassen - aber die Allegorie sitzt.
"Munich" ist wegen solcher Vielschichtigkeit ein Film für mitdenkende Menschen. Es ist nicht das komplexeste Werk zum Thema und Spielberg tischt einem manche Gedankengänge regelrecht auf - doch jedes Ereignis zieht ein anderes nach sich, jede Aktion suggeriert bereits eine Gegenaktion und im Kopf des Zuschauers ist ein Denkprozess in Gang gesetzt, der Auswege sucht. Spielberg muss sich für seinen Mut, kein Rezept parat zu haben, viel Kritik gefallen lassen. Er sei unverantwortungslos. Das Gegenteil ist der Fall. Sein Plädoyer zum Innehalten ist mutig und wichtig. Die Anerkennung von Interessen auf beiden Seiten muss Grundlage für jede zukünftige Entscheidung sein. Welche dies ist, lässt Spielberg aus - aber es ist deutlich, dass er den Begriff "home" zentral sieht. Jeder braucht eine Heimat. Und jeder braucht Hoffnung.
All dies mischt Spielberg in den Film ein. Immer wieder bringt eine Figur ein Thema zur Diskussion, dass die Situation kurz analysiert, das Standpunkte klar macht und Argumente liefert. Und immer wieder werden wir mit der Realität konfrontiert, dem Resultat der Gedankenspiele. Die toten Sportler, die gekillten Terroristen, die Schachzüge der Politiker. Im Vordergrund bleibt aber immer der Politthriller. Die fünf Jungs, die durch Europa reisen, und ihrem blutigen Geschäft nachgehen - und blutig ist es auf jeden Fall und Spielberg zeigt, ohne den Hauch von Voyeurismus, ein paar extreme Gewaltakte. Besonders der Tod einer Dame fährt mit seiner Langsamkeit ein. Wir zittern mit den Attentätern, mit dem Mädchen, das ins Kreuzfeuer gerät, mit einem am Boden liegenden Verletzten. In jeder Szene steigert Spielberg den Thrill, eingebettet in Realismus und politischen Diskurs. Die Vielschichtigkeit dieses Unterfangens ist so umwerfend, dass ich gerne kleine Fehler vergebe. Das es diese gibt (neben der erwähnten Überlänge oder der zweitletzten Szene ein paar allzu offensichtliche Drehbuch-Dialoge) ist nicht zu bestreiten, doch dies ist letztendlich kein fehlerfreier Film. Er wurde schnell gedreht, er soll etwas ruppig wirken, etwas ungehobelt, und doch strahlt er vor Engagement, vor cineastischem Können und viel Leidenschaft auf künstlerischer wie politischer Ebene. "Munich" ist ein wichtiger Film, doch vor allem ist es ein erstklassiges Kino-Erlebnis von einem der besten Regisseure aller Zeiten.
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(D)
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