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Historienfilm. CSSR 1967
Alternativer Titel -
Regie
František Vláčil
Drehbuch František Vláčil, František Pavlíček nach dem Roman von
Vladislav Vančura
Produktion Josef Ouzký
Musik Zdeněk Liška
Kamera Beda Batka
Schnitt Miroslav Hájek
Darsteller Magda Vášáryová, Josef Kemr, František Velecký, Naďa Hejná,
Jaroslav Moučka
Länge 158 Min.
Kinostart 1967
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
. |
©
Text Marco Spiess, molodezhnaja 20.2.2018
© Bilder Bildstörung,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Böhmen im 13. Jahrhundert: Der alte Kozlik (Josef Kemr) macht mit seinem
heidnischen Clan das Grenzgebiet zu Sachsen unsicher. Während eines besonders
strengen Winters überfallen zwei der Söhne, der "Wolf" Mikolás (Frantisek
Velecký) und der einarmige Adam (Ivan Paluch), einen kleinen Konvoi. Sie töten
die meisten Reisenden und nehmen den Ritter Christian (Vlastimil Harapes)
gefangen. Das löst den Zorn des Königs aus, der "Hauptmann Bier" (Zdenek
Kryzánek) schickt, um den aufmüpfigen Clan zu bestrafen. In ihrer Not wenden
sich die Kozliks an die rivalisierende Sippe des christlichen Kaufmanns Lazar
(Michal Kozuch) aus Obořiště. Der reagiert jedoch damit, dass er Mikolás
windelweich schlägt. Mikolás schwört Rache und kidnappt Lazars jungfräuliche
Tochter Marketa (Magda Vásáryová), die eigentlich in ein Kloster gehen sollte.
REVIEW
Wenn Prager Filmkritiker zusammenkommen, um den besten
tschechischen Film aller Zeiten zu küren, dann vermute ich als Aussenseiter
entweder einen Film eines international bekannten Regisseur wie Milos Forman
oder Jirí Menzel, oder ein Werk der surrealen Vorzeigeregisseure wie Jan
Svankmajer oder Karel Zeman. Die Wahl der tschechischen Kritiker fiel aber auf
einen Film, von dem ich zu meiner Schande lange Zeit nichts gehört hatte:
"Marketa Lazarová" von František Vláčil (1924-99).
Dabei ist diese Wahl
keinesfalls aus dem Nichts gekommen, denn das Epos holte schon zuvor etliche
Auszeichnungen und gilt als eines der Schlüsselwerke der tschechoslowakischen
"Neuen Welle", die Ende der 60er und frühen 70er einige der besten Filme des
Landes hervorbrachte, ja gar zwei Oscars holte (für die bei Criterion
erschienenen Filme "Closely Watched Trains ",1966 und "The Shop on Main Street",
1965). Der perfekte Nährboden für Cineasten.
Und doch brauchte es von
Seiten Vláčils einen Kraftakt, um seinen Traum zu verwirklichen. Er adaptierte
den 1931 veröffentlichten Roman des Volksschriftstellers Vladislav Vančura in
jahrelanger Arbeit und drehte dann 548 (!) Tage, was das Budget in die Höhe
schnellen liess. In der Not musste er die Kostüme für seinen Nachfolgefilm "Das
Tal der Bienen" nochmals verwenden. Der Aufwand, den Vláčil einbrachte, sieht
man aber in jeder Szene. Die Kostüme sind ausgefallen, die Sets üppig
ausstaffiert und die vielen Originalschauplätze gut ausgesucht. So viele
Schauwerte und eine Laufzeit von über zweieinhalb Stunden - das schreit nach
wuchtigem Epos.
Das ist "Marketa Lazarová" freilich nur bedingt. Er
sieht mit seinem düster-naturalistischen Look zu dreckig aus für einen
Monumentalfilm, seine Story ist zu sperrig, seine Herangehensweise zu abgehoben.
Schon im Vorspann steht "diese Geschichte wurde für beinahe nichts und wieder
nichts zusammengestellt, und verdient kaum ein Lob". Auch wenn Letzteres
natürlich nicht zutrifft, so wirkt der Film doch immerzu fragmentarisch, selbst
die für Struktur sorgenden Zwischentitel und Episodeneinteilungen machen das
Ganze eher noch konfuser.
Wichtiger als Plot sind Vláčil zwei anderen
Aspekte: Ideen und Atmosphäre. Letztere ist bestechend. Chorale Musik
konkurriert mit sphärischer Lautmalerei, epische Bilder kontrastieren enge,
schmutzige Räume, Poesie trifft auf Blut und Mittelalter-Albtraum. Man wird in
diesen Strudel hineingezogen, selbst wenn man die Figuren anfänglich nicht
einordnen kann und mit der Handlung überfordert ist. Manche Parallelen zu Andrei
Tarkovskis frühen Werken " Iwans Kindheit" und "Andrei Rublev" helfen als
Leitfaden, aber Vláčils Rhapsodie ist doch stets ihr eigenes, widerborstiges
Biest.
Und das andere sind die Ideen: Themen, die er mit Symbolik und
Handlungselementen vertieft. So geht es etwa um den Konflikt zwischen Heidentum
und Christentum. Karl der Grosse hatte Sachsen erst um das Jahr 800 gewaltsam
christianisiert, Böhmen folgte etwas später im 10. Jahrhundert. Das heisst, in
der Zeit, in welcher der Film spielt, mag die Obrigkeit zwar schon weitgehend
christlich sein, aber heidnische Bräuche halten sich im Volk. Ja selbst das
Christentum an sich wird seltsam ausgelegt, so hört man Sätze wie "Gott erlaubt
sieben Sünden pro Tag".
Und es geht auch um den alten Kampf von Gut gegen
Böse, auch wenn er zunehmend verwässert wird. Der Kozlik-Clan ist leicht als
böse ausgemacht, der eine Sohn bekam den Arm abgehackt, weil er sich an seiner
Schwester Alexandra (Pavla Polaskova) verging, Vergewaltigung scheint genauso in
Ordnung wie Gewalt. Auf der anderen Seite haben wir die Reinheit, personifiziert
durch Marketa. Es ist denn auch sie, die vor allem gegen Ende des Films, ihren
Einfluss auf Mikolás zu haben scheint, bis zum kurios idyllischen Finale.
"Marketa Lazarová" ist ein Ungetüm von Film, aber eines, das es zu bezwingen
lohnt. Bilder brennen sich ins Gedächtnis, die Handlung lädt zum Mitdenken und
Sinnieren ein, doch vor allem taucht man einfach gerne in diese Welt ab, die den
oft gebrauchten und auch nicht immer korrekten Begriff des "dunklen
Mittelalters" perfekt in Szene setzt. Bester tschechischer Film aller Zeiten?
Weiss ich nicht, denn ich hab nur ein paar Dutzend gesehen in meinem Leben. Und
es gibt durchaus ein paar Probleme, wie Längen im Mittelteil und die
Distanzierung durch die (gewollt) verwirrende Erzählweise. Doch ein qualitativ
hochwertiges Filmerlebnis ist "Marketa Lazarová" auf jeden Fall.
EXTERNE REVIEWS
imdb.com
Screenshots der DVD mit VLC, verkleinert und geschärft mit Picture Converter und Paint.net
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