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Thrillerdrama
China / USA / Taiwan 2007
Alternative Titel Se, jie; Gefahr, Begierde; 色, 戒

Regie Ang Lee
Drehbuch James Schamus, Wang Hui-Ling nach einer Kurzgeschichte von Eileen Chang
Produktion James Schamus, William Kong
Kamera
Rodrigo Prieto
Darsteller Tang Wei, Tony Leung Chiu-Wai, Joan Chen Chong, Wang Lee-Hom,
Tou Chung Hua, Chi Chih-ying, Kao Yin-hsien, Johnson Yuen,
Anupam Kher

Länge 157 Min.
Molodezhnaja Altersempfehlung
ab 16

 

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik
.

©  Text Marco, molodezhnaja 8.10.07
©  Bilder Focus, Screenshots molodezhnaja


STORY
Hongkong 1938: Die Schülerin
Wang Jiazhi (Tang Wei) tritt der Theatergruppe des jungen Kuang Yu-Min (Wang Lee-Hom) bei. Der spannt sie schon bald für eine ganz andere Mission ein: Die Ermordung von Mr. Yee (Tony Leung), der mit den Japanern kollaboriert. Die jungen Leute versuchen sich im Haushalt des paranoiden Mannes einzunisten, doch nur Jiazhi gelingt dies, indem sie sich mit Mrs. Yee (Joan Chen) anfreundet. Bald weckt sie auch das Interesse von Mr. Yee, der sich von der jungen Frau angezogen fühlt. Doch bevor etwas passieren kann, ziehen die Yees um nach Shanghai. Dorthin verschlägt während der japanischen Besatzung Chinas auch Wang Jiazhi. Yee ist mittlerweile ein mächtiger Mann - und er beisst wieder an bei Wang Jiazhi. Diesmal beginnen die beiden eine hemmungslose Affäre.

 

REVIEW
Nur wenige Regisseure sind so unvorhersehbar wie Ang Lee: Er packt Projekte von ausserordentlicher Vielfalt an, Martial Arts liegt ihm ebenso wie Jane Austen, ein Comicheld ebenso wie ein Western. Mit Brokeback Mountain holte er sich letztes Jahr einen Oscar und beeindruckte die Filmewelt mit einer stattlichen homosexuellen Liebesgeschichte fürs Mainstreampublikum. Schade eigentlich war er damals nicht schon so mutig wie in "Lust, Caution", seinem neuen Film, denn da geht es beim Sex dann wirklich zur Sache. Semi-pornografische Bettszenen wären im Schwulenwestern wohl eine Provokation zu viel gewesen, schade eigentlich. Aber nun beglückt uns Lee doch noch mit viel nackter Haut, wenn auch eben in der heterosexuellen Variante.

Der Sex in "Lust, Caution" wird denn auch am meisten zu reden geben. Er ist ziemlich explizit, nur ein paar Cuts von echter Pornografie entfernt. Hatten Tang Wei und Tony Leung hier echten Sex? Es ist nicht anzunehmen, vielmehr sind sie verdammt gut darin, die Lust ihrer Figuren darzustellen und Lee montiert alles derart gut, dass daraus Filmlegenden entstehen: Haben sie oder haben sie nicht? Auf alle Fälle haben die Szenen dem Film ein NC-17-Rating eingebrockt, das heisst, niemand unter 18 darf ihn sehen. Der Verleiher hat dagegen nicht rekurriert, ein mutiger Schritt, da dieser finanzielle Einbussen nach sich zieht. Lächerlich ist die Entscheidung der MPAA-Sittenwächter trotzdem. Auf knapp 160 Minuten Film gibts 10 Minuten heissen Sex, der garantiert keinen 16-Jährigen umbringt. Seltsamerweise gab die Mordszene in der Mitte des Films weniger zu nörgeln, dabei ist die erschreckender: Da das Messer beim ersten Hieb nicht in die Brust eindringt, stechen die Täter im Bauch zu, das Opfer japst und keucht und wird abermals erdolcht. Einer der qualvolleren und realeren Filmmorde der letzten Zeit.

Aber Sex stört die Amerikaner eben mehr als Gewalt. Seis drum. Gut jedenfalls, dass sich Lee nicht einschüchtern liess und zu seiner Vision stand. Die Sexszenen sind nämlich toll, sehr sinnlich, ein wenig akrobatisch und voller Leidenschaft gespielt. Applaus für Tony Leung, der viel Mut zeigt, nach einer so langen Karriere sich noch einmal so aus dem Fenster zu lehnen. Und auch Lob an die junge Tang Wei, die in ihrem Debüt so viel leistet - auch ausserhalb der erotischen Passagen. Und dieser nicht Bett-bezogene Teil macht eben das Gros des Films aus: Das ist der Spionagefilmteil, sozusagen Black Book ohne den Sleaze (und mit weniger Genie). Lee inszeniert die Story gemächlich, aber enorm elegant und belebt durch eine vife Montage, schöne Sets sowie grandiose Darsteller.

Leung verströmt Gelassenheit und Virilität, in einer Vergewaltigungsszene ist er erschreckend, später einmal sehr verletzlich. Ein breites Spektrum, trotz minimaler Gestik. Tang Wei ist ein Naturtalent, ebenso verführerisch wie natürlich. "Twin Peaks"-Star Joan Chen gibt Yins Ehefrau, die sich nur mit Mahjong und Shopping durchs Leben schlägt. Wang Lee-Hom hat die undankbare Rolle des Jünglings, der gegenüber Leung impotent und bubihaft wirkt. Er wagt es nicht, sich an Jiazhi ranzumachen, obwohl er sich verliebt hat. Er bleibt ein Schatten, ein Schwächling, was er in seiner politischen Agitation kompensiert. Aber auch hier: starkes Spiel. Ergänzt wird das Ensemble durch eine Reihe souveräner Schauspieler aus China, Taiwan, Japan, Amerika und sogar Indien - mit Bollywood-Star Anupam Kher.

Ganz grandios wird "Lust, Caution" trotzdem nicht, dazu ist die Erzählweise manchmal etwas zu zögerlich, ist der Tiefgang zu verhalten. Das gilt besonders für den Mittelteil, der etwas durchhängt. Auch bleiben einige Beweggründe fragwürdig. Der Schluss relativiert denn alles wieder, denn der ist (bis auf die etwas alberne Fixierung auf den Diamanten) fulminant und entlässt einen mit einem starken Gefühl. "Lust, Caution" ist mitnichten Lees bester Film, doch er zeigt einen Regisseur, der kreativ noch lange nicht ausgelaugt ist und die Welt mit immer neuen tollen Filmen überrascht. Er zeigt einen Film über eine starke Frau zwischen den Fronten, manipuliert von Männern auf beiden Seiten und hin- und hergerissen zwischen Vaterlandsliebe und Sinnlichkeit. Und er zeigt Superstar Tony Leung in einer Rolle, die ihm wohl kaum einer zugetraut hätte. Respekt. Für all das gibts knappe 3½ Sterne. Black Book war besser, ja. Aber Lees Interpretation einer ähnlichen Story ist keineswegs zu vernachlässigen.

 

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