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> THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON
Drama. USA 2008
Alternative Titel
Der seltsame Fall des Benjamin Button
Regie David Fincher
Drehbuch Eric Roth
Story Eric Roth und Robin Swicord nach einer Kurzgeschichte von F. Scott
Fitzgerald
Produktion Kathleen Kennedy, Frank Marshall
Musik Alexandre Desplat
Kamera Claudio Miranda
Darsteller Brad Pitt, Cate Blanchett, Taraji P. Henson, Julia Ormond,
Tilda Swinton, Mahershalalhashbaz Ali,
Jared Harris, Jason Flemyng, Elias Koteas, Elle Fanning, David Ross Paterson,
Paula Gray
Länge 166 Min.
US-Kinostart
25.12.2009
CH-Kinostart 29.01.2009
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
© Text Marco,
molodezhnaja 20.1.09
© Bilder Warner Bros. / Paramount,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Am Tag, an dem 1918 der Erste Weltkrieg endet, wird in New Orleans ein Junge
geboren. Die Mutter stirbt bei der Geburt. Der Vater (Jason Flemyng) sieht das
Kind kurz an und erblickt nur einen schrumpeligen kleinen Haufen Haut. Kurzum
setzt er das vermeintlich missgebildete Baby aus. Die Afroamerikanerin Queenie
(Taraji P. Henson), die in einem Altenheim arbeitet, nimmt den Buben bei sich
auf und nennt ihn Benjamin. Der Arzt erklärt, dass das Kind nicht lange leben
würde, da es an Arthrose und anderen Gebrechen leide, die einen Menschen im
hohen Alter plagen. Doch Benjamin (Brad Pitt) lebt. Im Körper eines Greises
verbringt er seine Jugend - und er wird fortan langsam jünger. Er verliebt sich
in Daisy (Cate Blanchett), verbringt den Zweiten Weltkrieg auf einem Boot auf
See, hat in Murmansk eine Affäre mit einer Britin (Tilda Swinton) und kehrt nach
Amerika heim, wo Daisy ihm nach wiederholten Versuchen endlich ihr Herz öffnet.
Doch kann ihre Liebe bestehen, wenn sie immer älter wird und er immer jünger?
REVIEW
Mark Twain hat einst gesagt "Das Leben wäre
unendlich glücklicher, wenn wir mit 80 geboren und langsam auf die 18 zugehen
würden". Die Kurzübersetzung dessen: Wenn wir jung sind, haben wir den Körper
und die Energie, wenn wir alt sind die Reife und den Geist. Dafür lässt uns der
Körper im Stich. Eine Gemeinheit der Natur oder vielleicht doch sinnvoll? F.
Scott Fitzgerald, Autor des Klassikers "The Great Gatsby", nahm diesen
Gedankengang im Jahr 1921 zum Ausgangspunkt seiner etwa zwanzigseitigen
Kurzgeschichte "The Curious Case of Benjamin Button", in der er einen
Mann als alten, erwachsenen Kerl zur Welt kommen lässt (die Details der Geburt
lässt er zum Glück aus), der im Verlauf des Lebens immer jünger wird.
Diese Story wiederum inspirierte den oscargekrönten Drehbuchautor Eric Roth ("Forrest Gump") zu einem Drehbuch, das nun von Regie-Genie David Fincher verfilmt wurde - als episches, bewegendes Drama voller intelligenter Gedankengänge und doppelbödiger Dialoge. Aber vor allem mit grossem Herzen. Es ist ein Film über das Altern und das Loslassen. Ein Film über die Hochs und Tiefs, und wie wir an ihnen wachsen. Die Falten und Flecken sind nicht nur Zeugen unseres vorschreitenden Alters, sondern es sind die Narben unserer Seele. Die Jahresringe des Ichs. Weil dies bei unserem Protagonisten gerade umgekehrt verläuft, wird man ständig daran erinnert, wie es eben richtig wäre, wie es unaufhaltsam vorangeht, hin zum Tod. Unserem Tod. Benjamin Button ist fast schon ein passiver Charakter. Der Film leitet die Gedanken vielmehr um in sein Publikum.
Am besten ankommen dürfte das Werk daher bei der Altersgruppe, die sich des Alterns schmerzhaft bewusst wurde, aber sich noch nicht mit dem Tod abgefunden hat. Menschen mittleren Alters, für die Benjamins Reise und jene von Daisy die Stationen unseres Daseins durchläuft. Für Daisy tun sie dies chronologisch. Sie ist jung und lernt Benjamin kennen. Sie wird eine schöne Frau, lebt voller Energie und Erotik, zieht sich ungewollt in sich zurück, arrangiert sich mit sich selbst und schreitet voran in die letzte Phase ihres langen Lebens, in ihr die Erinnerungen an gute und schwere Zeiten. An das, was sie geformt hat. Benjamin hingegen macht die Twain'sche Traumrichtung durch. Durchaus mit Vorteilen - so ist er als "alter Mann" potent wie ein Teenager und als reifer Mann gutaussehend wie ... Brad Pitt. Doch seine Verkehrtheit wird für ihn zur Qual, weil Freundschaften so nicht möglich sind. Weil um ihn alles altert, während er aussen vor bleibt. Zusammen alt werden lindert den Schmerz. Etwas, was er nicht kann.
Tod und Vergänglichkeit sind dementsprechend Dauerthemen im Film. Nachdem die Anfangsphase noch etwas holprig erzählt ist, man sich an die Rahmenhandlung gewöhnen muss und auch die Effekte mit Brad Pitts Kopf auf einem schrumpligen Körper ziemlich irritierend sind, findet der Mittelteil zu seinen Themen und seinen Figuren. Dann entfaltet sich mit ungeheurer Virtuosität und noch mehr Eleganz eine sonderbare Lebensgeschichte, eingebettet in eine turbulente Welt. Wie Benjamin und Daisy Momente des Glücks erleben, ist fast von gesegneter Liebe - doch stets begleitet von der Angst, dass diese Gleichheit nur kurz dauert und danach ihre Altersschere sich wieder trennt. Dass sie alt wird. Und er jung. Wen das mehr belastet, sei dahin gestellt. Aber in der Szene, in der Brad so verdammt jung und schön vor der faltigen Daisy steht, kann man mitfühlen, wenn sie meint, sie hätte das nicht ertragen. Einen Mann an der Seite zu haben, der sie konstant daran erinnert, dass sie ihre Jugend hinter sich hat.
Das alles sind grosse Themen, eingerahmt in einen epischen 166-Minuten-Film mit aufwändigen Tricks und wuchtiger Inszenierung. Doch David Fincher schafft es, alles intim und persönlich zu halten. Und die Zuschauer durch diese doch sehr abstruse Geschichte zu manövrieren. Uhren und Zeitraffer sind ein wichtiges Mittel, Zeitsprünge durch die Rahmenhandlung ebenso. Und nicht zu vergessen Spezialeffekte, die unsere Protagonisten je nach Bedarf alt oder jung erscheinen lassen. Der Anblick ist wahrhaft umwerfend und hier wäre ein Makeup-Oscar ebenso angebracht wie einer für die Tricks. Fincher rückt dies aber nie ins Zentrum, vielmehr dienen Bits und Bytes dazu, die Geschichte zu erzählen. Das zeugt von Reife.
Überhaupt ist dies einer von Finchers reifsten Filmen, vielleicht nur knapp hinter dem methodischen "Zodiac". Ich persönlich bevorzuge den unreifen Fincher - "Fight Club" ist einer der besten Filme aller Zeiten, "Seven" folgt dicht dahinter. "Button" kommt bei mir auf Nummer drei. Denn Reife alleine macht noch kein Meisterwerk: Vielmehr braucht es einen Regisseur, der in dem Moment seines Lebens den passenden Film dreht. Als Fincher "Fight Club" drehte, war dies der perfekte Zeitpunkt. Entstanden ist ein Geniestreich sondergleichen, wen interessiert da Reife? Gefragt waren Biss, Zorn, Power, Zynismus. Hier nun gelten andere Werte und es ist beachtlich, wie mühelos Fincher sich ihrer annimmt. Reif, ja, aber eben auch wie er es immer tut mit einer ihm eigenen Unterwürfigkeit. Der Stoff diktiert die Inszenierung. Und hier heisst das eben elegant, ausgiebig, melancholisch, melodramatisch - und zwischendurch kurz schwarzhumorig ("ich wurde sieben Mal vom Blitz getroffen").
Auf das Resultat muss man sich einlassen. Manchmal holpert es etwas. Manchmal wirkt das Fantasy-Konstrukt distanzierend von den Emotionen. Doch im Kern schlägt hier wacker ein Herz, das fühlt. Und das uns an fundamentale Dinge des Lebens erinnert. Ganz früh im Film meint der Arzt, "Some creatures are not meant to be alive" - eine Aussage, der das nachfolgende Werk zweieinhalb Stunden lang vehement widerspricht. Es lohnt sich zu leben. Es lohnt sich zu altern. Denn, wie Benjamin einmal erläutert, "none of us is perfect forever". Keiner von uns ist für immer perfekt. Das ist vielleicht nur die halbe Wahrheit, denn wenn wir äusserlich am perfektesten sind, haben wir innerlich noch nicht dieselbe Makellosigkeit. Wir sind nie perfekt. Das treibt uns an. Das schwächt uns.
Interessant ist, dass Finchers drei beste Filme so pointiert dazu Stellung nehmen, was wir hier auf der Welt zu suchen haben und wie wir unsere jämmerliche Existenz durchstehen können. In "Fight Club" meint Brad Pitt eiskalt "You're the all-singing, all-dancing crap of the world". Nichts hat Wert, nichts Bestand. In "Seven" erklärt Morgan Freeman "Ernest Hemingway once wrote, 'The world is a fine place and worth fighting for.' I agree with the second part." Nichts hat Wert, nichts Bestand, aber lasst uns trotzdem kämpfen. Und nun in "Benjamin Button"? Nichts hat Bestand. Aber lass uns trotzdem leben. David, du kleiner Philosoph.
Von der delikaten Musik über die elegante Kameraarbeit bis zum tollen Spiel der Akteure (Cate Blanchett ist genial), von den überlegten Dialogen über die tollen Tricks bis hin zu den "Forrest Gump"-Parallelen (Einbettung in die Geschichte, eine "du kannst laufen"-Szene) ist dies ein Film voller Grösse und doch auch mit Demut. Ein Film, der das ganze Leben thematisiert, aber auch seine Flüchtigkeit, seine Vergänglichkeit. Es ist trauriger und deprimierender Stoff, keine Frage, aber präsentiert mit viel Wehmut und Hoffnung. David Fincher wird dafür wohl einige der Preise abräumen, die ihm schon lange zustehen. "The Curious Case of Benjamin Button" ist nicht sein bester Film, aber einer, auf den er stolz sein kann und ihn jeder beneiden darf. Wenn er dafür einen Oscar kriegen würde, ist das indirekt eine Entschädigung dafür, dass 1999 die Academy zu blöd war, um die zeitlose Klasse von "Fight Club" zu erkennen ...
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