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Drama. CH 2007
Alternative Titel -

Regie Mike Eschmann
Drehbuch Thomas Hess, David Keller, Michael Sauter
Produktion Lukas Hobi, Reto Schärli
Musik Stress, Moritz Schneider, Mich Gerber
Kamera Roland Schmid
Darsteller Nils Althaus, Melanie Winiger, Roeland Wiesnekker, Stress, Max Loong,
Aaron Arens, Joel Basman, Bardo Eicher, Max Rüdlinger, Hanspeter Müller-Drossaart
Länge 100 Min.

CH-Kinostart 18.1.2007

soundmedia.ch

 

Humor Spannung Action Gefühl Anspruch Erotik

©  Text Marco, molodezhnaja 12.12.06
©  Bilder Buena Vista


STORY
Der Jurassier Marco
Nia (Nils Althaus) lebt in Zürich und hat keine echten Zukunftsaussichten. Lieber hängt er mit seiner Posse herum, reisst Frauen auf und trainiert sein Breakedance-Talent. Als sein bester Freund Pulpo (Bardo Eicher) auf einer Party die heisse Foxy (Virginia Gomez-Joss) aufreisst, gibts Ärger, denn deren Ex ist der Rapper Spirit (Stress). Der fängt mit seiner Posse eines Nachts Nia und seine Freunde ab und provoziert einen Streit. In der darauf folgenden Schlägerei geht Pulpo zu Boden und muss notfallmässig ins Spital. Nia landet vor dem Jugendrichter (Hanspeter Müller-Drossaart). Weil er nicht petzen und bei seinen Homies als Ratte gelten will, sagt er nichts zu dem Vorfall und wandert in die Arbeitserziehungsanstalt von Direktor Salis (Max Rüdlinger). Dort trifft er seinen alten Kumpel Blade (Max Loong), freundet sich mit dem einsilbigen Silenzio (Joel Basman) an und bekommt die Jugendanwältin Nicole Frey (Melanie Winiger) zugeteilt. Die will ihm helfen, doch Nia hat nur eines im Sinn: Rache.

 

REVIEW (Text ab 16)
PS: Vielleicht eher eine Analyse als eine Filmkritik, also Geduld beim Lesen. Und für die deutschen Gäste: Schweizerdeutsche Ausdrücke kommen vor, ich übersetz sie aber nicht :)

Welch Freude wäre "Breakout", wenn er eine Satire auf die Hip-Hop-Poser durchziehen würde. Doch leider versteht sich der neue Film von "Achtung, fertig Charlie!"-Regisseur Mike Eschmann als ernst zu nehmendes Sozialdrama. Daran scheitert er - und dies sogar gnadenlos. Doch als schizophrene Milieustudie birgt diese Lifestyle-Glorifizierung doch ungemein viel Interessantes. Der Film packt Themen an, die der Jugend und den Jugendschützern gleichermassen unter den Nägeln brennen, er zeigt eine verlogene Jugendkultur durch eine fast ebenso verlogene Brille und trifft durch diese Doppel-Negierung manchmal den Nagel auf den Kopf. Für viele Junge, die sich den Streifen reinziehen, dürfte es der Überflieger sein: "geili Muusig, geile Sieche, geile Rap" - für manche Erwachsene geht das Werk eher schon als Kulturschock durch, oder wie für mich eben als oft unfreiwillig komische Huldigung einer Szene, die so leer ist wie der Hip-Hop von heute. Welch gelungenes Abbild.

Warum die Hip-Hop-Kultur verlogen ist, bedarf eigentlich keiner Worte - man muss nur kurz hinschauen. Doch ich setz mich trotzdem mal aktiv in die Nesseln. Fraglos gilt mal Folgendes: Es gibt im Hip-Hop-Milieu jede Menge Talente. Da sind ein paar begabte Sprayer, virtuose Reimer, topfitte Parkour-Athleten oder beneidenswerte Breaker in dem Dunstkreis, denen man gar nicht genug Respekt zollen kann. Dazwischen, und das ist die grosse Mehrheit, ist Bodensatz. Das gilt für die Möchtegern-Performer, die lieber davon singen, den dicksten Schwanz in den engsten Arsch zu zwängen ebenso wie für deren Posse. Voreilige Erwachsene tun diese Bewegung mit ihrer materialistischen und sexistischen Oberflächlichkeit gerne als Amerikanisierung der Gesellschaft ab, doch das trifft den Kern nicht. Vielmehr ist die Hip-Hop-Kultur zum Sammelbecken jener geworden, die sich in der globalisierten Wirtschaftswelt abgekapselt fühlen, obwohl sie (unbewusst) integraler Bestandteil davon sind. In Amerika funktioniert das ebenso gut wie in einem Slum von Johannesburg, einem Banlieu in Paris oder einem Industriequartier von Osaka. Die USA bieten einfach einen guten Anschauungsunterricht, weil es die Wirtschaftsnation schlechthin ist und besonders die Nicht-Weissen Mitbürger stehen lässt. Die, die denn auch den Hip-Hop prägen.

Was zeichnet die Kultur heute noch aus? Eine verunstaltete Sprache, grenzenloser Narzissmus und Sex. Das Abschleppen von Bitches dient als Gradmesser des Erfolgs. Zwei Film-Männer kommen mir bei den letzten beiden Punkten in den Sinn, die diese Stossrichtung illustrieren. Da ist Patrick Bateman, der Yuppie aus "American Psycho". Obwohl er zu einer ganz anderen Gruppe gehört, hat er eine Szene, in der er sich beim Sex im Spiegel beobachtet. Diese Kombination aus Sex und Narzissmus spiegelt sich in der Hip-Hop-Kultur und auch in "Breakout" hin und wieder: Nicht der Sex an sich ist geil, sondern sich zu sehen, wie man Sex hat, im Idealfall die eigenen Muskeln zu begutachten, die in Aktion sind. Das funktioniert auch mit einem metaphorischen Spiegel wie etwa der Aufmerksamkeit durch die Gruppe. Oder beim "Partnerfick", wenn der Kumpel in der Toilette gegenüber abgeht und sich die Jungs wie im Geiste gegenseitig gratulierend zunicken - zu sehen im Film.

Dabei zeigt genau diese Szene auch wunderbar, wie männerlastig diese Kultur ist. Frauen sind Fickmaterial, Bitches zum schnellen Konsum, die man knallhart verteidigt - wie man es mit Besitz eben tut. Männer hingegen halten in Loyalität und Ehre zusammen. Im gleichen Moment einer Tussi in den Mund zu spritzen, während der Kumpel gegenüber abgeht, ist Innbegriff der spirituellen Partnerschaft ("ich liebs mit dir z'cho, Mann"). Der männliche Körper nimmt dabei stets die Schlüsselposition ein: Er muss befriedigt werden, er muss für den Kampf gestählt sein, gegenseitig bewundert. Während der Frauenkörper als sexy wahrgenommen wird, ist es der männliche Körper, der wirklich angebetet wird. Das macht auch der Film in Duschszenen und ihn heissen Oben-ohne-Breaks mit schwitzenden Sixpacks. Nach aussen geben sich Hip-Hopper homophober als fast jede andere Gruppe in der Jugendkultur, doch in Wahrheit steckt in ihrem gegenseitigen Körperkult und dem ständigen Befühlen mehr Homosexualität, als die Kerle es jemals wahrhaben würden: die Frau zum abspritzen, den Mann zum Lieben. Nicht umsonst sorgt Pulpos Dialogzeile im Film, "ich lieb di, Mann", für einen der besseren Lacher. A) Der Satz funktioniert auf Englisch besser als auf Deutsch und B) untermauert er die Homoerotik der Szene. Schade packt der Film das nicht besser an.

Das führt zum zweiten Film-Charakter, der in diesen Bereich schlägt: Tyler Durden. Der "Fight Club"-Held erklärt einmal "I look like you wanna look, I fuck like you wanna fuck, I am smart, capable, and most importantly, I am free in all the ways that you are not." Das könnte das Leitmotiv der Filmemacher gewesen sein, die sich unbewusst oder bewusst aufgeilen an diesem Lifestyle. Zum einen an den virilen Machos, zum anderen an der vorsteinzeitlichen Behandlung der Frauen. Welcher Mann, erwachsen, seriös und durch jahrelange Emanzipations-Dusche sensibilisiert, hat nicht schon staunend auf diese Kultur geschaut, in der sich der Macho das nimmt, was er will? Aussehen wie sie, ficken wie sie, ganz dem narzisstischen Trieb hingeben. Der Film rutscht auf diese Spur und peitscht sich an diesen Alphamännchen auf, bis hin zu ihrer Gewalttätigkeit. Und sei es nur mit einer erschreckten Faszination. Das ist nicht das Verlogene daran, sondern der Umstand, dass "Breakout" versucht, sich trotzdem einen seriösen Anstrich zu geben.

Ein Beispiel ist die unglaubwürdige Fast-Vergewaltigung. Ex-Viva- und jetzt MusicStar-Moderator Max Loong, nicht wirklich treffsicher besetzt als Vergewaltiger, versucht, Melanie Winiger zu misshandeln. Dabei hält Nils Althaus ihn auf. Soweit, so gut, doch das ist derselbe Typ, der in einer frühen Szene seinem Kumpel eine Frau überlässt: "Da nimm sie, darfst sie haben". So geht man mit Huren um - und schliesslich nennt sie auch jeder Bitches. Was tut man mit denen? Man nimmt sie sich für Sex. Wieso also plötzlich die Hauptfigur den moralischen Instinkt hat, die Frau zu schützen, ist absolut lächerlich. Es sei denn, der Typ betrachte sie bereits als sein Eigentum, wodurch das Hip-Hop'sche "ich verteidige meinen Besitz"-Prinzip spielt. So oder so: Die Szene, die darstellen soll, dass auch Poser einen Moralkodex haben, ist lachhaft. Und es gibt noch viel mehr davon.

Richtig übel wird der Film jedoch, wenn er nicht weiss, ob er nun anbiedern oder verurteilen soll. Letzteres tut er mit ganz durchsichtigen Methoden und Dialogen. Rap habe die Seele verloren, sagt mal einer. Ihr Jungs sollte arbeiten, ein anderer. Das meiste wird schnell relativiert, höchstens eine Kopfwäsche von Melanie Winiger sitzt einmal. Doch von einer ernsthaften Verurteilung dieses Styles ist der Film ebenso weit entfernt wie von einer Idee auf Besserung. Im Gegenteil, mehr und mehr fühlt er sich berufen, sich anzubiedern. So sind die Heimleiter auf der Seite der beiden Pöbel-Nazis, das Jugenderziehungsheim wird plötzlich zum Sündenbock, die Polizei zum Buhmann. Ideologisch ist das letzte Drittel des Films unter aller Sau, ein plumper Versuch, das Zielpublikum zu erfreuen und den Poser-Lebensstil zu zelebrieren, den man zuvor lustlos anprangert. Schizophren, wie Eingangs gesagt - und vielleicht darum eben oft unterhaltsam.

Denn "Breakout" ist ein solches Potpourri an Ideen, dass manche eben sitzen müssen. Die gemeinsame Abspritz-Szene fand ich angenehm entlarvend, die Breakdance-Szenen fahren ein - obwohl sie schlecht mit Body-Doubles gedreht wurden. Ebenso ein Double gabs für Melanie Winigers Brüste, aber auch das passt zum diffusen Ton des Films. Tits-and-ass oder doch lieber Sozialstudie? Der Film weiss es nicht so genau. Weiter unten in der Skala: Ein Sozialist, der vor 30 Jahren in den Plot gepasst hätte, heute nur zum Lachen anregt. Heftige Schlägereien, coole Songs von Stress & Co. Und noch viel mehr. Alles inszeniert im hippen Style zwischen MTV, "8 Mile" und US-Knastfilmästhetik. Im Vergleich zu "Charlie" ist das für den Regisseur ein deutlicher Fortschritt, wenngleich man über die Richtung des Fortschritts geteilter Meinung sein kann.

Ein Glücksfall auch die Schauspieler - nicht alle, aber viele. Hauptdarsteller Nils Althaus, der sonst als Mundartmusiker durchs Land tingelt, macht sich gut und hat die Faxen gut drauf. Sein Body-Double sieht noch etwas muskulöser aus, doch den Unterschied verschmerzt man. Melane Winiger ist, daran führt kein Weg vorbei, fehlbesetzt als Jugendanwältin - und ihre Lovestory ist ebenso aufgesetzt wie ihr Pro-Hopper-Feldzug am Schluss. Doch sie hat ihre Momente, v.a. die im Verhörraum. Mein Liebling in der Crew war Roeland Wiesnekker, der mit uncoolem Pulli durch die Gegend schlurft und die kleinen Wichtigtuer so behandelt, wie man mit ihnen umgehen sollte. Dass seine Figur gegen Schluss sozusagen als Schurke aufgebaut wird, gehört zur verlogenen Absicht des Films. Böse, böse Jugendinstitutionen, machen die ach-so-armen Jungs kaputt. Dabei wollen die doch nur etwas leben und ihren Kumpels helfen. Die armen Schnuffis.

Melanies Real-Life-Lover Stress gibt sinnigerweise einen Rapper, aggressiv und überzeugend. Hanspeter Müller-Drossaart ist verschwendet, Max Rüdlinger amüsant, "Cannabis"-Boy Joel Basman als "Scheisse Mann, figg di!"-ausspeiender Insasse ein heimlicher Star. Vielleicht am sympathischsten kommt Bardo Eicher rüber, dessen Lähmung Pathos birgt, da man das Gefühl nicht los wird, der sei ein Mitläufer und nicht ganz auf Gewalt und Sex getrimmt wie die Kumpels - trotz der WC-Szene. Nur die zentrale Entscheidung seiner Figur wirkt forciert und setzt falsche Zeichen.

Ist er nun gut oder nicht, der Film? Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Es gibt so viel Dummes und Lächerliches an dem Werk (v.a. gegen Schluss), es glorifiziert einen öligen Macho-Lifestyle, ohne zielsicher dessen in manchen Szenen hemmungslos zelebrierte Homoerotik aufzugreifen, und er ist gnadenlos am kommerziellen Denken orientiert, indem er den Kiddies, die auch gerne die Bitches vollsaften möchten, das liefert, was sie sehen wollen. Doch auf der anderen Seite ist ein schizophrener Film wie dieser immer spannender zu studieren, als irgendein Blitzblank-Produkt à la "Eragon". Hier spiegelt sich immerhin eine Entwicklung in der Schweizer Jugend wider und indirekt die Hilflosigkeit gegenüber diesem in den Köpfen vieler Jungs als heiss angesehenen Lebensstil - wie kann man schliesslich einem jungen Mann austreiben, dass es nicht geil ist, jeden Abend aufgepumpt mit Freunden abzuhängen und Pussys abzuschleppen? Was Mädchen eigentlich darüber denken, geht im Film ebenso unter wie in der Clique. Sie machen mit, bedienen die Typen, erfreuen sich in "Breakout" am glänzenden Sixpack der Tänzer. "Geili Sieche", eben, daher werden auch sie den Film mögen. Eine dubiose Einstellung zum eigenen Geschlecht, die auch mal untersucht werden sollte. Doch dazu nehme ich mir mal einen anderen Film vor. Der hier ist den schwanzgesteuerten Männer gewidmet. Die Bewertung von all dem? Ich geb ganz knappe 3 wegen des Faszinations-Levels. Ihr dürft aber gerne beliebig abrunden.

 

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