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> L'ARGENT
Drama. Frankreich 1928
Alternativer Titel
Das Geld
Regie Marcel L'Herbier
Drehbuch Marcel L'Herbier, Arthur Bernède nach dem Roman von Émile Zola
Produktion Jean Sapene
Kamera Louis Berte, Jules Kruger, Jean Letort
Darsteller Pierre Alcover, Marie Glory, Brigitte Helm, Alfred Abel, Henry
Victor, Yvette Guilbert
Länge 165 Min.
Kinostart 25.12.1928 (F)
Humor | Spannung | Action | Gefühl | Anspruch | Erotik |
©
Text Marco, molodezhnaja 16.8.09
© Bilder Eureka,
Screenshots molodezhnaja
STORY
Der skrupellose Spekulant Nicolas Saccard (Pierre
Alcover) versucht, aus der Firma
"Caledonian
Eagle" Geld für seine finanziell angeschlagene "Banque Universelle" zu holen. Doch
der steinreiche Alphonse Gunderman (Alfred
Abel) durchkreuzt seine Pläne und
bringt Saccard an den Rand des Ruins. Da kommt der naive Pilot und
Ingenieur Jacques Hamelin (Henry
Victor) auf den gebeutelten Investor
zu und unterbreitet ihm einen Deal: Er sei in Guyana auf Ländereien mit Öl
gestossen, womit sich ein Vermögen machen liesse. Saccard steigt ein und schickt
Hamelin mit seinem Flugzeug auf einen von viel Publicity begleiteten Trip nach Guyana. In der Zwischenzeit
macht er sich an die Verlobte des Piloten, die hübsche Line (Marie
Glory), heran. Doch Gunderman und
Baronin
Sandorf (Brigitte Helm), eine ehemalige
Geliebte Saccards, ahnen, dass ihr Gegner mal wieder falsch spielt.
REVIEW
Der Gedanke, der mir bei "L'argent" immer wieder
durch den Kopf ging, war: Wann lernen wir? 80 Jahre nach der Entstehung dieses
Stummfilm-Meisterwerks sind wir mit Volldampf in eine durch die Raffgier von
Finanzjongleuren heraufbeschworene Finanzkrise gerast. Und schon 80 Jahre vor
dem Film war das Krebsgeschwür des Kapitalismus, nämlich die unproduktive
Spekulation, bereits als Sorgenkind ausgesondert. Und trotzdem lassen wir
Börsenhändler fröhlich weiter auf Auf- und Abstieg von Wertpapieren setzen - was
nie zu echten Wertgewinn führt, nie zu einem Produktionsbonus der realen Welt,
sondern lediglich die Verschiebung von Geld aus einem Geldbeutel in einen
anderen zur Folge hat. Wir alle profitieren davon - durch unsere Pensionskassen,
unsere Aktienfonds und die Gewinnsteuer der Banken. Doch irgendwo verursacht dieser Gewinn Löcher. Irgendwo anders verschuldet sich dafür jemand.
Und in der jetzigen Krise ist es klar, wer dieses Opfer ist: der Staat. Wir.
Nein, den Kapitalismus an sich lehne ich nicht ab, dazu bin ich zu sehr in ihm verwachsen - und fürchte, dass alternative Systeme leider auch keine Besserung herbeiführen würden. Doch ähnlich wie "L'argent" kann ich nicht zusehen, wie unser erwirtschaftetes reales Geld durch die Spiele an der Börse abgezweigt wird. Umverteilung nach oben, hin zu den Abzockern dieser Welt. Die prangerte Émile Zola in seinem 1891 publizierten Roman "L'argent" an, der in den 1860er-Jahren spielt. Und die prangert auch Regisseur Marcel L'Herbier (1890-1979) in seiner in die Gegenwart verlegten Romanadaption an. Das Stummfilmdrama ist ein flammender Appell gegen Gier und Abzockerei. Wenn auch nicht gegen den Kapitalismus an sich.
Das zentrale Anliegen wird von Gunderman früh ausgesprochen: Er will Spekulationen unterbinden. Er glaubt, sie führen in den Ruin. Später pfuscht er dem schmierigen Saccard ins Handwerk. Doch als Speerspitze im Kampf gegen die Geldsäcke eignet er sich denkbar schlecht, ist er doch selbst ein steinreicher Spieler, ein Dandy, der im Hintergrund durchaus bedrohlich die Fäden zieht. Was lernen wir daraus? Es gibt keine guten Financiers. Nur böse und weniger böse. Saccard hingegen ist das ultimative Börsenschwein, ein aufgedunsener Kapitalist mit Napoleon-Allüren, hemmungslos energisch gespielt von Pierre Alcover (1893-1957), der trotz seiner unsympathischen Figur hier immer wieder unsere Gefühle auf seiner Seite hat, einfach weil er so von innen heraus spielt. Man schaut diesem Mistkerl gerne zu.
Neben Alcover versammelt sich eine ganze Reihe internationaler Stars und Neuentdeckungen in dem Film. Aus Frankreich etwa die spätere Star-Schauspielerin Marie Glory (1905-2009) in ihrer ersten Hauptrolle. Frisch vom Erfolg von "Metropolis" die beiden Deutschen Alfred Abel und Brigitte Helm. Während Abel den Gundermann als eine Art Abbild des dandyhaften Regisseurs L'Herbier selbst verkörpert, agiert Helm genussvoll als lüsterne Finanzhure. Ihre Baronin Sandorf verschlingt Geld regelrecht und einmal, als sie Saccard ihre Pläne unter die Nase reibt, zuckt ihr Körper die ganze Zeit über vor Erregung. Eine gloriose Performance. Aus England wiederum kommt Henry Victor ins Spiel, der vielleicht blasseste untere den Akteuren, doch damit bietet er einen guten Ausgleich: Er, ein Mann der Tat und der Hände, ist ein Aussenseiter in der dekadenten Welt der Bonzen. Und das macht ihn gegenüber seiner Frau regelrecht impotent.
Es sind trotz des starken Spiels aber nicht per se die Schauspieler, die den Film unvergesslich machen. Das erledigt vielmehr die virtuose Inszenierung. L'Herbier montiert die Szenen mit ungeheurem Tempo, nutzt surreal anmutende Kameraperspektiven und setzt auf eine entfesselte Kamera, die durch Räume rast oder an der Decke gleitend herunterblickt. Die schiere Energie, die in der Bildsprache drin steckt, sorgt manchmal dafür, dass Aufnahmen nicht so scharf sind, wie man es sich wünschen würde. Man spürt die Eile, die drin steckt. Doch angesichts der gebotenen Ungestümheit schaut man darüber mit Leichtigkeit hinweg. Denn hier ist ein Künstler am Werk, dessen Gespür für Stummfilmdramaturgie jenen von Erich von Stroheim oder Friedrich Wilhelm Murnau Konkurrenz macht.
Einige Höhepunkte? Etwa Gundermans Wirtschafts-"War Room" mit surrealem Boden und verzerrter Weltkarte, in der Manager Massias mit einer 180°-Kamerafahrt in Szene gesetzt wird. Oder die schachspielartige Choreografie auf dem schwarzweiss karierten Boden vor Gundermans Büro. Oder die bereits erwähnte Szene, in der Sandorf und Saccard sich ein mit Erotik und Gewalt aufgeladenes Duell liefern. Oder der mitreissende Zusammenschnitt von Hamelins Flugzeugstart und dem chaotischen Geschäften an der Börse. Und es gibt noch viel mehr zu entdecken. Szenen wie diese, oder auch die pompöse Feier anlässlich von Saccards Erfolg, machen deutlich, dass "L'argent" der damals teuerste Film Frankreichs war - entworfen um mit den grossen Stummfilmländern Amerika und Deutschland mitzuhalten.
Bei so viel Show-Effekt (in der opulenten Ausstattung, dem furiosen Erzähltempo, den eleganten Bildern) rückt die sozialkritische Komponente manchmal in den Hintergrund, was viele Zola-Experten und linke Kritiker beim Release 1928 enttäuschte. Doch die zum Schluss richterlich festgelegte Aussage "Geld ist ein guter Diener, aber ein schlechter Meister" ist stets spürbar. "L'argent" ist ein inhaltlich noch immer brandaktuelles Mahnmal, das aber niemals kopflastig ist, sondern dank frenetischem Tempo, lustvoll aufspielenden Akteuren und schicker Bildsprache primär der Unterhaltung dienen möchte. Oder anders formuliert: Einer der besten Filme aus den letzten Jahren der Stummfilmzeit.
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EXTERNE REVIEWS
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