Requiem for a Dream - Click to order

Bewertung: * * * *

Buch und Regie: Darren Aronofsky ("Pi")

Requiem for a Dream ist einer der schockierendsten Filme überhaupt. Er ist nicht der beste Film des Jahres 2000 (Produktionsjahr), als den ihn einige bezeichnen, er ist jedoch zweifellos eine visuell elektrifizierende, schauspielerisch perfekte und inhaltlich schockierende Spirale hinunter in die Hölle von Drogen, Einsamkeit und Wahnsinn. Oder kurz: Nichts für schwache Mägen.

Erst zum Background: Der Film, basierend auf dem Roman von Hubert Selby jr., wurde am Sundance-Festival uraufgeführt und schnell war klar, dass der Film so wie er gezeigt wurde, nie an der US-Zensurbehörde MPAA vorbeikommen würde. Was genau denn so schockierend ist, dazu später - aber die MPAA verlangte klar Schnitte, um ein R-Rating (unter 17 nur in Erwachsenenbegleitung) zu gewähren. Darren Aronofsky, der Independent-Künstler, der er ist, weigerte sich und so kriegte der Film das gefürchtete NC-17 Rating. Das heisst zwar auch ab 17 - aber in strikter Form. Zudem bedeutet es, dass für den Film nicht geworben werden darf sowie weitere marktwirtschaftliche Einschränkungen: Normalerweise der finanzielle Tod eines Films. Da aber viele Kritiker den Film lobten und einige Kinos mutig genug waren, das Werk uncut zu zeigen, spielte er beachtliche Summen ein und holte gar eine verdiente "Oscar"-Nominierung für Ellen Burstyn als beste Hauptdarstellerin.

Die Story: Der Film erzählt vom Junkie Harry (Jared Leto), seiner schönen Freundin Marion (Jennifer Connelly) und seinem Freund Tyrone (Marlon Wayans). Sie alle sind süchtig und wittern im Zwischenverkauf von Heroin das grosse Geld. Als sie tatsächlich ein paar Scheine zusammenbringen, will Harry seiner Mutter Sara (Ellen Burstyn) entschuldigen, die er jahrelang um ihren geliebten Fernseher bestohlen hat, um an Drogen zu kommen. Als er ihr einen grossen TV vorbeibringt, findet er seine Mutter vor, die völlig am Boden ist. Was ist passiert? Sie hat eine Einladung zu einer TV-Show bekommen und war fortan besessen davon, abzunehmen, um mit ihrem schönen roten Kleid aufzutreten. Da die Kilos einfach nicht weg wollten, liess sie sich von einem Arzt Pillen verschreiben. Das Zeug wirkte bald nicht mehr. Sie begann wild zu kombinieren, nahm extrem viel Gewicht ab und fiel in einen hyperaktiven Zustand. Sie wird komplett süchtig und verwahrlost völlig. In der Fortsetzung zeigt der Film, wie alle 4 Charaktere unaufhaltsam nach unten sausen - bis zum erschütternden, kompromisslosen Finale.

Das Finale: Ich möchte nicht zuviel verraten (inhaltlich) sondern auf andere Dinge eingehen. Erstens die Vorbereitung: Aronofsky beginnt seinen Film zwar stilsicher und mit allerlei Spielereien, aber dennoch herrscht eine gewisse Ruhe. Die Übergänge der beiden Storylines sind mit x-maligen raschen Drogen-Sequenzen clever gemacht, auch wenn sie mit der Zeit repetitiv werden. Aber das ist gewollt, man wird das Gefühl nicht los, hier hämmert jemand. Und tatsächlich wird Aronofskys Rhythmus des Hämmerns immer schneller, immer hektischer. Alles pocht auf das Finale zu - bis es wie ein Unwetter hereinbricht. Im Sekundentakt wird zwischen den vier schockierenden Schicksalen hin- und hergeschnitten. Ich möchte hier keines verraten, man muss es gesehen haben, aber auf eine Sequenz muss ich eingehen, um das Vorgehen der MPAA zu beleuchten.

Zensur: Der Film ist hart und kompromisslos, keine Frage. Ein R-Rating war also ein Muss. Dann gehts um Drogen, man sieht auch den Gebrauch davon. Na ja, Trainspotting und Pulp Fiction hatten deswegen auch kein NC-17 gekriegt. Dann ein wenig Sex, ein wenig Blut. Hmmm... aber eben: Jennifer Connellys Finale war der MPAA dann doch viel zu viel. [Spoiler!] Sie wird an eine Party eingeladen und macht mit, um an Heroin zu kommen. Sie und eine andere Frau knien auf einem Tisch, als die Männerrunde zu gröhlen beginnt "Ass to ass" - Arsch zu Arsch. Man sieht die Aktion nicht, aber man sieht wie ein grosser Dildo eingefettet wird und die zwei Frauen danach ihre Hintern aneinanderdrücken. Das Problem ist, dass wenn man das so erzählt, es vielleicht vielen unangenehm erscheint - aber seien wir ehrlich, in Pornofilmen ist es nichts Besonderes. Nur hier handelt es sich um ein Mädchen aus reicher Familie, das nur wegen den Drogen diese Schmach über sich wegehen lassen muss. So wie Aronofsky die Sache geschnitten hat, ist daran nichts mehr erotisches, nicht einmal für Fetisch-Liebhaber: Es ist einfach widerlich und erschreckend. [Ende Spoiler] Dazwischen noch die drei anderen abstossenden Schicksale und man ist mit einem Schwall von Gefühlen torpediert, die einen nicht kalt lassen können. Der Film hat sein Ziel erreicht, man kann kaum noch atmen. Der MPAA muss es gleich gegangen sein.

Dennoch: "Requiem for a Dream" ist kein Schocker. a) ist der Film ein zielstrebiges Manifest gegen Drogen und aus dem Standpunkt eigentlich zu verteidigen. b) sind die Geschichten toll erzählt und der Aufbau macht Sinn. Zudem ist er zwischenzeitlich extrem poetisch und schön, etwas, was ein plumper Schocker nie fertig bringen würde.

Mein Urteil? 4 Sterne von 5. Man muss ihn gesehen haben, unbedingt. Aber er ist nicht perfekt. Da ist etwa eine etwas aufdringliche Moral. Nach 10 Minuten weiss man, dass Drogen schlecht sind. Nach 30 Minuten ist es sonnenklar und zum Schluss kriegte man es eingehämmert. Wie gesagt, eine gute Message, aber "Traffic" etwa, ging das Ganze differenzierter an. "Requiem" ist eher für die Sinne, "Traffic" eher fürs Hirn. Aber wer denkt schon an so etwas, wenn man Ellen Burstyn buchstäblich zum Teufel gehen sieht? "Requiem for a Dream" - ein Film der sitzt.

http://www.requiemforadream.com/

Roger Ebert 3.5 von 4

James Berardinelli 4 von 4 - Best Movie of 2000

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