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> > To Joy, 1949

 

 

©  Text Marco, molodezhnaja 3.6.07
©  Bilder criterion, Screenshots molodezhnaja

 


 

Torment  
Hets (Schweden, 1944)

Regie: Alf Sjöberg
Buch: Ingmar Bergman
Mit: Alf Kjellin, Stig Järrel, Mai Zetterling, Olof Winnerstrand, Gösta Cederlund

Länge: 101 Minuten. Schwedisch mono mit englischen Untertiteln.

 

Das erste verfilmte Drehbuch von Ingmar Bergman handelt vom Schüler Widgren (Alf Kjellin), der sich ausgerechnet vor der Abschlussprüfung mit dem sadistischen Lehrer "Caligula" (Stig Järrel) anlegt und in die als leichtlebig verschriene Bertha (Mai Zetterling) verliebt. Es folgen emotionaler Tumult und psychologische Konflikte - primär zwischen den Generationen. Bergman, der kein Freund von Institutionen generell und Schulen speziell ist, zielt dabei auf das Bildungswesen, personifiziert durch den diabolischen und seelisch angeknacksten Caligula.

Inszeniert wurde der Film vom schwedischen Regisseur Alf Sjöberg (1903-1980), der Bergmans Skript in fesselnde Bilder packt, welche die emotionale Tortur der Beteiligten illustrieren und stilvoll expressionistische Winkel und Film-noir-Einflüsse verbindet. Bergman durfte, nachdem das ursprüngliche Ende als zu düster angesehen wurde, die letzte Szene des Films selbst drehen, wodurch "Torment" zu einer Stabsübergabe von einem grossen Regisseur an den nächsten wurde. Bereits zwei Jahre später gab Bergman mit Crisis sein offizielles Regiedebüt.

Der Film ist primär visuell ein Ereignis und auch die bedrohliche Stimmung meistert Sjöberg fulminant. Der Plot mag etwas dünn gestrickt sein und die Seitenhiebe auf die Institution Schule etwas schematisch - doch das ist letztendlich nicht tragisch, da die Qual der Beteiligten (Widgren, Bertha, Caligula) ungleich wichtiger ist als der sozialkritische Unterton. Daher liefert "Torment" einen starken Einstieg in das Eclipse-Set - und bleibt ironischerweise sogar der beste Beitrag der ganzen Box, knapp vor To Joy.

 


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Crisis  
Kris (Schweden, 1946)

Regie: Ingmar Bergman
Buch: Ingmar Bergman nach einem Stück von Leck Fischer
Mit: Inga Landgré, Stig Olin, Marianne Löfgren, Allan Bohlin, Dagny Lind

Länge: 93 Minuten. Schwedisch mono mit englischen Untertiteln.

 

Mit "Crisis" gab Ingmar Bergman sein Regiedebüt. Filmerfahrungen holte er sich zuvor zwar als Drehbuchautor und Aushilfsregisseur der Schlussszene von Torment, doch wirklich ein Profi war Bergman damals erst im Theater. Und genau dieser Einfluss wird in "Crisis" überdeutlich, wenn der Erzähler etwa zu Beginn ironisch kommentiert: "Es ist ein Alltagsdrama, fast eine Komödie: Vorhang auf!"

Das ist "Crisis" denn auch: Ein theatralisches, tragikomisches Moralstück ohne grosse Spreng- oder Ausdruckskraft um die städtische Dame Mrs. Jenny (Marianne Löfgren), die in ein kleines Dorf kommt, um ihre 18-jährige Tochter Nelly (Inga Landgré) zu sich zu holen, die bei Frau Ingeborg (Dagny Lind) aufgewachsen ist. In Stockholm gerät Nelly jedoch in die Fänge des lüsternen Jack (Stig Olin). Das Filmstudio war von Bergmans Arbeit derart enttäuscht, dass es ihm den Regisseur und späteren "Wild Strawberries"-Star Victor Sjöström als Berater zur Seite stellte. Der wurde zu Bergmans Mentor, doch um den Film substanziell aufzuwerten, reichte es wohl doch nicht. Der Plot bleibt dünn, die Dramatik etwas aufgesetzt.

Wo Bergman indes punkten kann, ist die Bildsprache. Zwar noch weit entfernt von späterer Grösse zaubert er hier einige starke Kompositionen auf die Leinwand, manchmal inspiriert vom Film-noir, manchmal sinnlich, manchmal theatralisch. Der Look ist noch nicht richtig einheitlich, doch er deutet Bergmans Talent an. Immerhin: Weil Bergman selbst die Vorlage als Ramsch betrachtete, war er auch nicht verpflichtet, ihr Gewicht beizumessen und veränderte sie nach Belieben. Es entstanden einige genüssliche Dialoge, die besonders gegen Schluss stark sexuellen Charakter haben. Das, plus Inga Landgrés knackiges Spiel und die ansprechende Bildgestaltung machen Bergmans Debüt solide, doch der Film an sich bleibt durchschnittlich.

 


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Port of Call  
Hamnstad (Schweden, 1946)

Regie: Ingmar Bergman
Buch: Ingmar Bergman nach einem Roman von Olle Länsberg
Mit: Nine-Christine Jönsson, Bengt Eklund, Mimi Nelson, Berta Hall, Birgitta Valberg

Länge: 97 Minuten. Schwedisch mono mit englischen Untertiteln.

 

Neorealismus ist nicht Ingmar Bergmans Forté, doch mit seinem fünften Spielfilm "Port of Call" sprang er für einmal auf den damaligen Trend auf und lieferte seine Hommage an das neorealistische Kino von Roberto Rossellini. Das Resultat ist nicht übel, manchmal sogar richtig gut, doch noch hat Bergman hiermit seinen Ton nicht gefunden. Er spielt zwar geschickt auf der Klaviatur der Kinokunst, nur eben noch nicht wie ein Meister.

Der Plot dreht sich um den Matrosen Gösta (Bengt Eklund), der die suizidale Berit (Nine-Christine Jönsson) aus dem Wasser fischt und zu ihrem Beschützer und Liebhaber wird. Doch ihre tragische Vergangenheit torpediert die Beziehung. Eklunds Darstellung der geplagten jungen Frau ist oft überzeichnet und fast hysterisch, das schadet besonders dem neorealistischen Anspruch des Films. Bergman, der hier erstmals mit seinem langjährigen Kameramann Gunnar Fischer zusammenarbeitete, reisst das Ruder im technischen Bereich aber wieder herum. So sind die Bilder eine Freude, strenge Kompositionen à la Bergman wechseln sich mit naturalistischeren Illustrationen ab.

Schön auch, dass Bergman nicht versessen darauf ist, den Film als Tragödie zu verkaufen, sondern seinen Figuren durchaus ein optimistisches Ende gestattet. Das wirkt nicht einmal aufgesetzt, denn man gönnt den beiden nach dem ganzen Trubel den Frieden. Ob er wirklich kommen kann, bleibt die andere Frage, denn Gösta nagt an Berits Vergangenheit ebenso wie sie selbst. Das hat insbesondere sexuelle Gründe, da Berit eine lange Liste an Liebhabern hat und er mehrfach fragt, wie viele Männer sie denn vor ihm im Bett hatte. "Port of Call" schlug damals einige Wellen, weil Bergman sich diesem sexuellen Thema sehr freizügig näherte.

Auch der Umgang mit dem Thema Abtreibung, das durch einen Nebenplot in den Film gelangt, wurde mancherorts schockiert aufgenommen. Bergman war also schon damals für ein paar Skandale gut. "Port of Call" mag nicht sein bester Film sein, doch unter seinen Frühwerken ist es technisch bereits höchst souverän und daher interessant, weil Bergman mal mit einem anderen Stil experimentierte. Halbwegs erfolgreich, lässt sich sagen.

 


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Thirst  
Törst (Schweden, 1949)

Regie: Ingmar Bergman
Buch: Herbert Grevenius nach der Kurzgeschichte "Törst" von Birgit Tengroth
Mit: Eva Henning, Birger Malmsten, Birgit Tengroth, Hasse Ekman, Mimmi Nelson, Bengt Eklund

Länge: 84 Minuten. Schwedisch mono mit englischen Untertiteln.

 

Dies ist der einzige Film in der Box, zu dem Bergman nicht das Drehbuch schrieb - und interessanterweise ähnelt er trotzdem am ehesten dem, was man heute als quintessentiellen Bergman-Film anschaut. Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, Männer auf der Suche nach Überlegenheit, abgespielt in engen Räumen: Bergman tischt hier manches technische wie inhaltliche Element auf, das sich auch später in seiner Karriere wiederfinden lässt.

Für "Thirst" verschmolz Bergman mehrere Kurzgeschichten der Bühnenschauspielerin Birgit Tengroth. Sie spielt auch die Rolle der Viola, deren psychologischer Zustand sich im freien Fall befindet. Die Hauptgeschichte zeigt jedoch Eva Henning und Birger Malmsten als Rut und Bertil, die erst in einem Hotel in Basel logieren und danach per Zug durch das kriegsversehrte Deutschland fahren. Dabei wird der schlechte Zustand ihrer Ehe immer deutlicher.

In Basel nämlich halten sich Freud und Leid die Wage, man sieht, wie eingespielt die Ehe ist und dass sich die zwei durchaus ergänzen. Doch mit immer mehr Rückblenden und Offenbarungen wird die tragische Hassliebe der beiden seziert - bis hin zum brillanten Schlusswort, das gleichzeitig Hoffnung und Verzweiflung bündelt.

Noch etwas besser als der Inhalt, der in der Hauptgeschichte zwar sehr gut ist, mich in den Nebengeschichten aber kalt liess, ist die visuelle Präsentation. Bergman und Kameramann Gunnar Fischer setzten auf sehr dynamische Kamerabewegungen. Auffällig etwa die Sequenz im Hotel, in dem das Paar kleine Tagesgeschäfte verrichtet und sie in die Dusche steigt, er die Tür leicht schliesst und die Kamera die Position wechselt, um via Spiegel doch noch einen Blick auf sie zu erhaschen. Oder später im Zug, wenn wehende Vorhänge und der Dampf, der durch die Ritzen drückt, der Szenerie ein albtraumhaftes Ambiente verleihen.

"Thirst" ist für mich der drittbeste Film der Box, technisch zwar stärker als inhaltlich - aber nicht nur für Bergman-Kompletisten einen Blick wert. Und wenn schon mal ein Film in Basel spielt (sei es auch nur teilweise), dann muss ich als Baselbieter das natürlich schon würdigen ...

 


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To Joy  
Till glädje (Schweden, 1949)

Regie: Ingmar Bergman
Buch: Ingmar Bergman
Mit: Maj-Britt Nilsson, Stig Olin, Birger Malmsten, John Ekman, Margrit Carlquist, Victor Sjöström

Länge: 99 Minuten. Schwedisch mono mit englischen Untertiteln.

 

"To Joy" ist nicht nur eine Ode an die Freude, sondern auch eine Ode an die Mittelmässigkeit. Wie der grosse Victor Sjöström, Bergmans Mentor und Star in "Wild Strawberries", in seiner Funktion als Dirigent erklärt: Es muss auch Arbeiterbienen geben. Man solle sich mit seiner eigenen Mittelmässigkeit abfinden. Damit spricht er nicht nur zum Publikum, in dem sich wohl nur wenige Mozarts und Einsteins befinden - sondern auch zu Bergman selbst, der in jener Zeit an Minderwertigkeitskomplexen litt und nach seiner zweiten zerbrochenen Ehe versuchte, diese filmisch zu verarbeiten.

Das Resultat dieses Prozesses ist Bergmans vielleicht berührendster Film und der zweitbeste der Box. Das Ende, wenn Stigs kleiner Sohn als einziger im Publikum sitzt und der Vater oben mit dem Orchester das Finale von Beethovens "9. Symphonie", eben die Schiller-betextete "Ode an die Freude", spielt, dann schwillt das Herz an. Zum Teil wegen den Worten, die Sjöström unmittelbar vor dem Konzert ausdrückt, zum anderen wegen Bergmans Geschichte, die von der schwierigen Ehe eines jungen Paars erzählt, deren tragisches Ende wir von Beginn weg kennen: Ehefrau Marta (Mak-Britt Nilsson) wird sterben.

Doch nicht zuletzt schöpft der Schlussakt auch die Kraft aus der Musik. Die Neunte gehört noch immer zu den besten Kompositionen überhaupt und Bergman setzt sie hier fulminant ein, langsam und leise beginnend, anschwellend zum grossen Schluss. Ob die Musik die Emotionen macht oder Bergman, sei dahingestellt. Es ist wohl die Kombination aus beidem.

In Sachen Virtuosität steht "To Joy" etwas hinter dem im gleichen Jahr entstandenen Thirst zurück, doch da der narrative Fokus besser ist und die Story mehr auslöst, ist dies sekundär - zumal es technisch an "To Joy" auch wenig auszusetzen gibt. Gerade der etwas einfache Stil, der nur in den Konzertsequenzen etwas aufbricht, verleiht der Geschichte ihre Sympathie. Bei aller Sentimentalität (und ich brauche dieses Wort hier im positiven Sinne) hat "To Joy" aber auch sehr tragische und psychologisch präzise Momente. Wenn Marta sich etwa nach einem Streit auszieht und Stig sie dabei beobachtet, zieht sie sich rasch wieder an und erklärt "Ich mag es nicht, wenn du mich so anschaust - als ob du vergleichst". Ein einziger Satz, so viele Facetten. Dafür mag man Bergman.

 


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